Die Trivialität der kritischen Diskussion #trollcon
von Kusanowsky
Hier nun mein Vortrag bei der Trollcon 2012.
Überflüssig zu erwähnen ist, dass dieser Vortrag aus Kürzungen besteht. Ausführliche Erläuterungen findet man hier im Blog:
Ein Nachtrag zur Trollcon 2012
Die Trollblockade als Vermeidungsproblem einer Sozialesoterik der Soziologie
Das Faszinosum der Trollkommunikation des Internets
Die Disqualifizierung des Selbstdarstellers
Der Troll, seine Ironie und der Verlust der intersubjektiven Distanz
Die interessanten Fragen kommen ganz zum Schluss: Wofür würde sich das Ein- und Ausüben kritischen Verhaltens noch lohnen? Vielleicht hat es damit etwas zu tun: Das Umstellen der Kritik von Subjekt-Objekt-Relationen auf intersubjektive Verhältnisfragen. Meinungen über die Welt zu haben, die auch anders sein können, ist trivial. Seine eigenen Bedürfnisse und Sorgen artikulieren zu können, die entweder nicht anders sein können oder anders sein sollten, ist nicht trivial. Rederechte und Kritik als Instrumente intersubjektiver Interessensabwägung scheinen mir lohnenswerte Übungsgegenstände kommunikativen Verhaltens zu sein. Da ist man mit seinem Latein stets früh genug am Ende, um noch viel darüber in Erfahrung bringen zu können. Und vielleicht auch zu müssen.
Was ich nicht verstehe: Wenn jede Meinung gleich berechtigt ist und deshalb das alte kritische Spiel, bei dem eine Meinung das Defizit einer anderen Meinung herausstellt, nach Deiner kritischen Meinung, schal geworden ist:
Ist es dann nicht auch albern, der Kritik selbst ihr Defizit, ihr „Nunkönnenwirsjaundkommensonichtweiter“ vorzuhalten?
Zumindest nicht weniger albern als eine Forsetzung der Kritik zu fordern?
Welche Möglichkeiten der Legitimierung und der Durchsetzung gibt es für eine Kritik der Kriti?
Keine mehr.
Das Subjekt ist bei Kant nicht Ursache. Sondern, wenn es eine verursachende, ermöglichende (die Möglichkeit bedingende, eben transzendentale) „Instanz“ gibt, dann ist es zum einen der Apparat der reinen Formen der Anschauung (Raum und Zeit) und der Verstandeskategorien, zum anderen aber, basaler, die Mannigfaltigkeit der die Sinneseindrücke mit den Kategorien vereinheitlichende „transzendentale Apperzeption“. Letztere in seltsamer Nähe zum Ding an sich. IM Subjekt. Aber, das ist der Punkt, diesem, wie ein unerforschlicher Anderer, fremd.
Zu sagen, Subjekt sei Ursache ist insofern irreführend. Subjekt HAT Ursache, ohne über sie zu verfügen. Und ohne die Ursache der Ursache zu kennen.
Es ist wirklich ein bisschen schwierig festzustellen, wo Deine Schlußfolgerungen enden… Ich hätte auch so argumentiert (wie der Herr da ganz vorne im Zuschauerraum), dass wir unsere „Aufmerksamkeitsökonomie“ im Auge behalten sollten… Filter schärfen und auf Wesentliches fokussieren.
Ist es das nicht?
Wenn Du sagst die „Übung der Kritikfähigkeit ist abgeschlossen“, dann läuft es doch darauf hinaus, dass wir jetzt abwägen sollten, wo wir dieses „Talent“ fokussiert einsetzen, um eine konstruktive „kritische Diskussion“ zu ermöglichen… ?
Wo ist die Instanz, die uns sagt, wann eine Reaktion angebracht und vernünftig im Sinne der „kritischen Disziplin“ ist und wo wir kritische Einwände unterlassen sollen?
Ich meine: Irgendwie muss doch auch irgendwer auf „dumme“ Argumente reagieren. Es ist doch nicht alles deshalb schon geklärt, weil es irgendwann schon mal eine parallele Debatte gegeben hat.
(Siehe -> Romane lesen verwirrt/ Internet macht dement… etc.)
Ist das jetzt schon Gelaber?
Ich bin verwirrt… gestört sowieso.
„Ich meine: Irgendwie muss doch auch irgendwer auf “dumme” Argumente reagieren“
Warum MUSS das irgendwer? Und wenn es das je,amd tut, was dann? Es scheidet doch keiner mehr aus. Das Argument lautet, dass nichts so einfach ist wie ein Argument zu formulieren.
Intelligenz, die Schärfung der Urteilsfähigkeit übt sich an schwierigen Aufgaben, nicht an banalen. Was ist noch schwierig, wenn nichts so einfach geworden ist wie auf Störung mit Störung zu reagieren? In dieser Hinsicht fällt mir die Überlegung ein, dass es schwierig sein könnte zu stören ohne zu stören. Wie geht das?
„Intelligenz, die Schärfung der Urteilsfähigkeit übt sich an schwierigen Aufgaben, nicht an banalen. Was ist noch schwierig, wenn nichts so einfach geworden ist wie auf Störung mit Störung zu reagieren?“
Vergessen wir vor allem nicht den gleichmassen bei Ohnesorgtheaterschauspielern wie fernöstlichen Heilslehrern beliebten Spruch:
Nichts ist so schwer wie das Leichte! Eine solche dialektische Sichtweise würde deine einfache Kontrastierung dann doch wieder heillos verkomplizieren.
Muss man „Störbarkeit“ nicht viel tiefer legen? Nämlich auf die Ebene endogener Selbstbeunruhigung von Systemen, welche sie zur Reproduktion eben bedürfen?
Steht es einem dabei zu, zu richten darüber, ob solche – gelingende – Selbstbeunruhigung aus athletischen Gründen zu leicht oder zu schwer angelegt ist? Welche Rolle des Systemerziehers müsste man einnehmen?
Irritation durch Störung ist ein systemeigener Zustand, der keine Entsprechung in der Umwelt hat. Die Umwelt muss nicht über sich selbst irritiert sein. Irritationen durch Störung werden intern, soweit möglich, als Information behandelt, die aus Störung durch Störung entstehen. Störungen müssen systemintern selbst schon geregelt sein, damit sie als Probleme thematisiert und bearbeitet werden zu können. Je nach aktueller interner Struktur wird dabei versucht, die Irritation durch Strukturveränderungen zu normalisieren, allerdings nicht im Sinne einer Anpassung der Systeme untereinander oder an ihre Umwelt.
Funktionale Differenzierung steigert Irritabilität, die Fähigkeit rasch zu reagieren, bezahlt dies aber mit Koordinationsproblemen, also mit einer Selbstirritation der Gesellschaft aufgrund der wechselseitigen Irritationen der Teilsysteme. Das Gewicht verlagert sich von Antizipation auf Reaktion.
Vgl. dazu Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M. 1997, S. 789.
„stromgeist“ hat etwas Wichtiges gesagt, was übergangen wurde: „Das Umstellen der Kritik von Subjekt-Objekt-Relationen auf intersubjektive Verhältnisfragen…. Seine eigenen Bedürfnisse und Sorgen artikulieren zu können, die entweder nicht anders sein können oder anders sein sollten, ist nicht trivial.“
Generell fällt mir an den vorgetragenen Überlegungen das Formelhafte innerhalb eines abgeschotteten Gesichtsfelds auf. Außer Acht gelassen werden die psychische Dimension oder die Reflexion von Bedürfnissen und Motivationen (sind Trolle nicht meistens Männer?). Wenn man den Tunnelblick aufsetzt, kann man natürlich den Kasper zum Guerilla-Kommunikator verklären, der das kasperhafte aller Kommunikation nur konsequent erkennen und sichtbar machen würde. Bei mir setzt bei solchen Schlussfolgerungen eine Plausibilitätskontrolle ein und ich denke: „Was für ein Quatsch ist das denn?“ Es kommt mir vor, als wäre – und das gilt möglicherweise für alle Teilnehmer der „Trollcon“ – man an irgendeiner Stelle falsch abgebogen und hätte sich dann in philosophische Gassen verirrt, die nett anzusehen sind, wo man aber seinen Zielen nicht näher kommt.
Ursache ist vllt, dass der Begriff „Troll“ so konturenlos ist, dass man damit allerhand anfangen kann. Schon die Gleichsetzung mit „Störkommunikation“ ist eine Möglichkeit, anschließend gedanklich falsch abzubiegen. Es gibt selbstvertsändlich sehr viele wünschenswerte und produktive Störungen – in gewisser Hinsicht verstehen sich zahllose Künstler als „Störer“ und Aufweicher von Erstarrungen. Auch sind viele Formen des Protests als „Störung“ angelegt (die „Studenrevolution“ hat da einen ganzen Schatz an Stör-Protesten-Formen entwickelt). Aber der klassische Troll ist, scheint mir, psychisch anders motiviert, agier ziellos und ist sich selbst dermaßen unklar über seine Motivationen, dass jedes „Ernst nehmen“ eigentlich nur aberwitzig ist. Den Beitrag von „Stromgeist“ finde ich daher wertvoll, weil er zum Menschen zurückführt und damit möglicherweise heraus aus den philosophischen Sackgassen. In my most humble opinion …
Vielen Dank für diesen kritischen Beitrag, der gewiss sehr viel Licht in all das Dunkle bringen wird, von dem das kritsche Subjekt umhüllt ist.
Beeindruckend an dem Kommentar von @fritz ist diese Unverdrossenheit, diese beinahe naive Unverschämtheit, mit der über wichtig/unwichtig, vollständig/mangelhaft, pausibel/unplausibel und richtig/falsch kritisch geurteilt wird, gleich so als ob all das nur auf einem minimalen Voraussetzungsreichtum beziehbar wäre, der darum von allen ganz leicht jederzeit nachvollzogen werden könnte. Ganz leicht ist dabei nur die Formulierung einer Meinung, die zwar nicht ohne Rücksichten auf Kontingenz formuliert wird, aber doch so, dass jede Kontingenz keineswegs die kritische Urteilsgewissheit trüben kann, und zwar deshalb nicht, weil jede andere Meinung zugleich auch schon zulässig ist. Weshalb praktisch die eigene Meinung immer schon indifferent in Hinsicht auf sich selbst erscheint.
Die Trivialität des kritischen Arguments hat keine eigensinnig berücksichtigte Selbstbeobachtung, sondern verliert sich selbstreferenziell in fortlaufender Fremdreferenzierung, vermöge derer alle Inkonsistenzen der Beobabachtung durch Irreflexivität entzogen werden.
Man beachte mal die Überzeugunskraft dieser Formulierungen:
„Generell fällt mir an den vorgetragenen Überlegungen das Formelhafte innerhalb eines abgeschotteten Gesichtsfelds auf“ – hier bemerkt man trotz Rücksicht auf Kontigenz die Gewissheit der eigenen Treffsicherheit des eigenen Urteilsvermögens.
„Außer Acht gelassen“ – Beobachtung von Selektion durch eine andere Selektion, die ebenfalls vieles außer Acht lassen muss, um bezeichnen zu können, dass etwas außer Acht gelassen wurde.
„Wenn man den Tunnelblick aufsetzt“ – auch hier wieder: durch Konditionalkonstruktion (wenn, dann) berücksichtigte Kontingenz, die allerdings nicht dazu ausreicht auch anderes zu berücksichtigen, z.B. den „eigenen Tunnelblick“ – also eine Selektion, die der Selbstbeobachtung der Selektivität entzogen wird.
„wo man aber seinen Zielen nicht näher kommt.“ hier: Unterstellung von Zielverfolgung, als ob es das wäre worum geht oder gehen müsste.
“ an irgendeiner Stelle falsch abgebogen“ – „Ursache ist vllt“ – „anschließend gedanklich falsch abzubiegen“ – „weil er zum Menschen zurückführt“ – alles klar, und alles im Griff. Nichts davon ist plaubibel, logisch, oder irgendwie notwendigerweise möglich. Alles ist nur Meinung, also ein Versuch, Widerstand zu zeigen, der auf keinen Widerstand mehr trifft.
Kritik unter diesen Bedingungen ist kultivierte Indifferenz.
Gut abgefertigt. Alles zu flach für diese Welt …
Einwand: Ich kann doch nicht hinter jedem Komma ein Signal setzen, dass ich mir der Kontingenz meiner Anregungen Wort für Wort bewusst bin. Für mich ist das eher implizit, selbst da, wo es apodiktisch klingt. Und der Disclaimer am Schluss sollte den außergewöhnlich subjektiven Status der Wortmeldung genügend klären. Zumal in dem Kontext, wo ich „stromgeists“ Überlegungen reaktivieren wollte: „Seine eigenen Bedürfnisse und Sorgen artikulieren zu können, die entweder nicht anders sein können oder anders sein sollten, ist nicht trivial.” Ich sähe hier den Punkt, wo sich relevante Kommunikation herstellen ließe. Und auch den Punkt, wo sich Troll und Nicht-Troll trennen ließen?
Waren eigentlich auf der #trollcon auch richtige Trolle? Wenn ja, wie sahen sie aus (Fotos)? Und wenn nein, gab es keine, die mitmachen wollten? Oder sind Trolle so schwer zu finden? Oder hat sich die nur jemand ausgedacht (siehe auch die Schwierigkeiten in ein Schwarzes Loch zu fallen)? Oder wollten die Veranstalter nicht, dass auf der #trollcon getrollt wird?
>> “Ich meine: Irgendwie muss doch auch irgendwer auf “dumme” Argumente reagieren” <<
Zu dieser Aussage kann ich sogar stehen, ohne das irgendwie als "Dürfen-nicht-müssen" zu relativieren.
Ich denke, es ist notwendig Frustration aufzulösen.
Sonst wird das Rauschen im Netz nämlich immer lauter.
Und wir können dankbar sein, wenn sich jemand auf Störung der Störkommunikation einlässt… weil das hilft den Frust abzubauen, der Ursache der Kommunikation ist.
Ich habe sogar den Verdacht, dass jede Kommunikation durch Frustration verursacht wird. Frust ist der Motor von Kommunikation.
(Der erste Schrei des Menschen ist ein Schrei der Frustration… etwas haben zu wollen – die Brust/ die Aufmerksamkeit der Mutter – etwas begehren, das man als fehlend erlebt. So ist wohl auch das erste Wort des Menschen ein Begehren/ "Haben-Wollen".)
Vielleicht ist die Frustration in gewisser Hinsicht der Anlass allen menschlichen Strebens…
"Die menschliche Kommunikation ist ein Kunstgriff, dessen Absicht es ist, uns die brutale Sinnlosigkeit eines zum Tode verurteilten Lebens vergessen zu lassen." (Flusser, Kommunikologie)
Es kommt nur darauf an, wie wir uns Artikulieren (können)… wie wir unseren Frust kompensieren. (Nicht jede Frustration muss zu Kommunikation führen… nicht jede Kommunikation muss in Aggression und "Schmähung" enden!) Wenn der Frust in Wohlgefallen und Befriedigung aufgelöst werden kann, dann haben alle gewonnen und wir können alle unsere Fresse halten.
"Make the BlahBlah Stop!"
Ist das die Hauptaussage von Klaus Kusanowsky ?
„Make the BlahBlah Stop!“
Man könnte ja mal darüber nachdenken, warum es vernünftiger sein sollte, sich eher mit den Dummheiten der anderen eher zu beschäftigen als mit deren Klugheiten. Hier in diesem Blog http://www.wiesaussieht.de/2012/11/03/trolling-als-negative-padagogik/ kann man gerade verfolgen, wie jede kritische Diskussion zerfällt, wenn jedes Defizit sofort und unnachgibig durch einen Schwarmüberfall von Kommentaren übertrollt wird. Trolling ist eine Art all-out-Kritik, die ihren Widerstand verloren hat, weil nichts mehr noch durch Entscheidung und Sanktion kanalisiert wird. Alles muss raus, alles geht raus – Ergebnis ist „noise“, ist eigentlich nur Bildschirmschnee, ein Flirren.
Unter diesen Bedingungen ist Kritik selbst die Störung, an der niemand vorbei kommt, und schon gar nicht durch weitere Störung. So wird Kritik selbst zum Trolling. Aber es gibt keinen Grund, darüber bestürzt zu sein. Denn dieses Trolling ist gleichsam die Barriere, die überwunden werden muss, um noch Sinnkonsistenz zu erreichen. Und darum muss diese Barriere erst noch erhöht und verstärkt werden.
„The BlahBlah must go on!“
Ich schlage jetzt mal die Brücke nach G+hostTown:::
„kritische Diskussion“ mit +Klaus Kusanowsky! 😉
-> When the balance of the void is disturbed – let’s assume the mistake and go to the end. (frei nach Žižek)
(Ent-)Störung der Störkommunikation mit +Klaus Kusanowsky
https://plus.google.com/u/0/106168571152509990135/posts/TYPva81k4p5
Eine (weitere) „kritische Diskussion“ aus dem Ozean der kritischen Diskussionen … -> hier als Dokument (für den Fall, dass, das vielleicht jemand auch hier aus dem Thread lesen möchte… 🙂 ::: https://docs.google.com/open?id=0B-PppAZB0S8TbC1XYU51ZmJoNXM
Ich würde ebenfalls an den stromgeist-Kommentar anknüpfen:
„Das Umstellen der Kritik von Subjekt-Objekt-Relationen auf intersubjektive Verhältnisfragen. Meinungen über die Welt zu haben, die auch anders sein können, ist trivial. Seine eigenen Bedürfnisse und Sorgen artikulieren zu können, die entweder nicht anders sein können oder anders sein sollten, ist nicht trivial.“
Ich sehe hier einen Bezug zu dem im Vortrag beschriebenen Prozess der Erosion von Sanktion. Es gibt keinen wirksamen Resonanzkörper für Sanktion im Subjekt, wenn es nicht einen Bezugspunkt zu einem Objekt (etwa Gott, Stalin oder Manitu) gibt (im Sinne einer sanctio).
Diese Erosion von Sanktion wird durch Faktoren beschleunigt, die Thomas Feist in seiner Kritik der sozialen Vernunft beschreibt (p. 128):
„Die Grenze des ästhetischen Subjekts ist dabei nicht nur wie in der Romantik in den Bereich des Transzendentalen hin ausgeweitet, sondern … an seine Außenseite hin verschoben. Sie stellt sich selbst als ästhetisch lesbare Projektionsfläche und als symbolisierte kulturelle Positionierung dar.“
In diesem Zusammenhang beschreibt Feist die Verschiebung vom Ontologischen zum Ähnlichen (womit ich stromgeists intersubjektive Verhältnisfragen assoziiere).
Politik, Wissenschaft, Sex etc. sind nicht mehr ontologisch, sondern einfach nur ähnlich.
Wofür sich das Ein- und Ausüben kritischen Verhaltens dann noch lohnen könnte?
Vielleicht als Trainingsübung für den Tag der Rückkehr der Ontologie.
@stromgeist @neurosophie
„Seine eigenen Bedürfnisse und Sorgen artikulieren zu können, die entweder nicht anders sein können oder anders sein sollten, ist nicht trivial.“
Die Frage ist, welche Bedingungen entwickelt sein müssen, damit das geht oder nicht geht. Der Entwicklungsprozess der modernen Gesellschaft hatte beispielsweise das Bedürfnis nach Freiheit und Recht zustande gebracht, und durch eine, diesen Entwicklungsprozess begleitende Alchemie dafür gesorgt, dass sich Strukturen des beständigen Vertauschens beider Begriffe einspielten, womit jederzeit genügend Unklarheiten produziert werden konnten, um das eine als Begründung für das andere und beides als Ausrede für den Fall des Scheiterns verwenden zu können. Denn die Recht und Freiheit sind sich durch eine Komplementärbeziehung gegenseitig ausschließende Differenzierungsbedingungen des einen für das andere. Freiheit in diesem Sinne ist eigentlich nur die empirisch nicht weiter explizierbare Sinndimension von Weltkontingenz (oder kurz: Freiheit ist die Dämonie der Welt); und Recht ist dasjenige, was sich als Erfahrungsresultat ergibt und zur Erweiterung oder Einschränkung von Freiheit legitimierend herangezogen werden kann. Teuflisch daran ist die Vertauschung, wenn also Recht als Weltdämonie aufgefasst wird und Freiheit als ein Erfahrungsresultat. Beispiel: Ich habe nicht das Recht, dich zu beleidigen (Erfahrungsresultat), aber die Freiheit (die Dämonie der Welt) es trotzdem tun, kann nicht unterbunden werden. Denn Recht ist nicht gegeben, sondern muss ständig überprüft und ausgehandelt werden, das schließt auch die Überprüfung der Grenzen des Erlaubten und Verbotenen ein, (heißt also: Recht schließt immer auch das Ausgeschlossene mit ein). So kann nur durch Rechtsverletzung die Gültigkeit des Rechts herausgefunden werden. Wenn nun in einem sozialen System die Freiheit (Frechheit) zustande kommt, Beleidigung zu erproben und festgestellt wird, dass dies gar nicht auf Widerstand trifft, auf Ablehnung oder Verbot, dann könnte es schnell passieren, dass die Freiheit (Frechheit), Beleidigungen vorzutragen, als Recht aufgefasst wird, also als etwas, das gar nicht auch anders hätte aufgefasst werden können.
Für die moderne Gesellschaft gilt nur, dass die Einschränkungsvoraussetzungen von Freiheit durch Recht und Recht durch Freiheit durch massenhaft verteilte Anerkennung von Sanktionsrechten und Wahlfreiheiten so gering geworden sind, dass im Prinzip jede soziale Situation einen chaotischen Mikrokosmos an Komplexität entfaltet, der nach Maßgabe von Recht (als Erfahrungsresultat) und Freiheit (als Weltdämonie) nicht mehr reduziert werden kann, bzw: jede Reduktionsversuch steigert nur die Komplexität. Mein Überlegung lautet schließlich, dass man mit dem Internet nun beobachten kann, dass diese Vertauschung von Recht und Freiheit dazu führt, dass die Dämonie überhand gewinnt. Das heißt: der Unterschied von Recht und Freiheit ist, weil jederzeit vertauschbar, bald schon irrelevant.
Wen kümmern noch deine Sorgen oder Bedürfnisse? Du kannst sie ja kaum noch explizieren; und schon gar nicht adressieren. Es gibt niemanden, der für dich zuständig ist.
@kusanowsky „Wen kümmern noch deine Sorgen oder Bedürfnisse? Du kannst sie ja kaum noch explizieren; und schon gar nicht adressieren. Es gibt niemanden, der für dich zuständig ist.“
Das ist in der Tat das Problem. Aber ein aporetisches ist es auch erst auf der Abstraktions- und Kommunikationsstufe, die Du uns hier beschrieben und vorgeführt hast, deren paradigmatische Verkörperung also das Internet ist. Alles, was Du in Deinem Vortrag erklärt und worauf Du in dieser (wie in anderen) Diskussionen, oder sagen wir Wortwechseln, immer wieder insistiert hast, mag auf Internetkommunikation zutreffen. Und es mag auch zutreffen, dass es weite Bereiche ‚außerhalb‘ des Internet gibt, in denen das zu beobachten ist. Und es mag sogar zutreffen, dass es immer mehr solcher Bereiche gibt, im Sinne einer historischen Entwicklung, wie Du sie in Deinem Vortrag ja auch behauptest.
Die grundlegende Frage wäre nun aber: Ist diese Entwicklung totalitär? Und kann man deshalb von den damit zutreffend beschriebenen Bereichen auf alle anderen schließen?
Um zu verdeutlichen, dass diese Frage relevant sein könnte, möchte ich einmal einige Abstraktionslevel niedriger ansetzen und behaupten, dadurch trotzdem nicht trivialer zu werden. Dafür nehme ich Dein Beispiel von Freiheit und Rechten auf:
Die Prädikation „ist eigentlich nur“ deutet darauf hin, dass diese Bestimmung das Ergebnis nicht einer unmittelbaren Evidenz, sondern einer langen und komplizierten Überlegung ist, die unter Absehung akzidenteller Fakten auch an eine lange Reihe komplizierter Überlegungen anschließt und nun in dieser Formulierung zum Stehen gekommen ist. Der Versuch der begrifflichen Abstraktion, das Wesen der Freiheit zu fassen, kann dann in einer solchen Bestimmung einer „empirisch nicht weiter explizierbaren Sinndimension von Weltkontingenz“ münden, was also letztlich nur eine leere Menge aller möglichen Ereignisse meint, die entweder eintreten könnten oder auch nicht. Wenn eine solche leere Menge unmöglich Gegenstand einer empirischen Erfahrung sein kann, muss man daraus nicht schließen, dass Freiheit kein Erfahrungsresultat wäre; sondern man könnte auch die Frage stellen, worin eine mögliche Erfahrung von Freiheit bestehen kann. Eine solche Erfahrung mag zB die Befreiung von Schmerzen sein. Oder der Gewinn von Zeit, um Dinge zu tun, zu denen man vorher nie gekommen ist. Im ersten Fall sprechen wir von einer Freiheit von etwas, im zweiten Fall von einer Freiheit zu etwas. Zwar habe ich nun das von und zu hervorgehoben, das Entscheidende aber ist das etwas.
Nun kann man fragen, was ist oder war der- bzw. dasjenige, der/das mich bisher dazu nötigte, mich zu diesem etwas unfrei zu verhalten, bevor ich nun (aus irgendeinem bestimmten Grund) dazu in die Lage gekommen bin, mich fortan frei dazu verhalten zu können. Hier wäre der Punkt, wo der Begriff der Macht ins Spiel gebracht werden muss. Im Moment der Befreiung erfahre ich meinen Wechsel von einer Position der Ohnmacht in eine Position geringerer Ohnmacht. Ich erlebe einen Moment der Steigerung meiner eigenen Macht. Mit dem Verlust der Schmerzen verliere ich das Gefühl, meinem Körper ausgeliefert zu sein. Ich bin zwar noch immer an ihn gebunden, empfinde ihn aber wieder als meinen Körper und nicht mich als sein Bewusstsein. Mit dem Gewinn an Zeit eröffnet sich mir ein neuer Spielraum an Handlungsmöglichkeiten, die vorher durch bestimmte natürliche oder gesellschaftliche Anforderungen gebunden war. Was ich in dieser Zeit tue, kann ich plötzlich frei wählen, wo ich vorher nicht frei wählen konnte. Auch hier erlebe ich einen Moment der Steigerung meiner Handlungsfähigkeit, d.h. meiner eigenen Macht.
Nun ist die Frage, wie ich an diese Macht gelange. Eine Möglichkeit ist, dass ich sie mit Gewalt durchsetze. Eine andere Möglichkeit ist, dass mir ein Recht darauf eingeräumt wird. Die Möglichkeit, von der die Philosophen immer geträumt haben ist, dass man durch vernünftige Überlegungen, Einsichten und gegenseitige Anerkennung dazu kommt; dass das Rechts also nichts ist, was man jemand ‚verleihen‘ muss, sondern dass man sie schon hat und also nur geltend machen muss.
Man könnte nun sagen, dass keine der drei Möglichkeiten für sich alleine funktioniert oder diesen Umstand noch einmal kritisch problematisieren. Worauf ich damit hinaus will ist: Man kann ein Recht nur geltend machen, wenn es durch irgendetwas verbürgt ist und das ist in letzter Instanz immer wieder eine Form von Gewalt (die Staatsgewalt usw.). Das heißt, das Reden über Freiheit und Rechte ist immer auch ein Reden über Machtverhältnisse. Das hast Du in Deinem Vortrag ja auch sehr plastisch dadurch verdeutlicht, dass Du die Aporie der Kritik an das Sitzen vor Bildschirmen gebunden hast, mit der sich ein Verzicht auf Sanktionsmöglichkeiten verbindet.
Wenn wir tatsächlich alle nur im digitalen Universum des Internet bzw. in einem System von Kommunikationen leben würden, mag alles, was Du dazu zu sagen hast (d.h. eine umfassende Kritik der Habermaschen Kommunikationstheorie), zutreffen. Noch (?) leben wir ja aber nicht in einem solchen Zustand. Und selbst dann würde ich bestreiten, dass in Internetkommunikation Macht keine Rolle spielen würde. Sie verlagert sich nurmehr auf den Zugang zu Technologien.
Solange also und auch dann noch sind wir auf angewiesen, herauszufinden, wen unsere Sorgen und Bedürfnisse kümmern könnten, wie wir sie explizieren und an wen wir sie adressieren können. „Zuständig“ kann allenfalls jemand für die Durchsetzung meiner Rechte (z.B. auf körperliche Unversehrtheit) sein, nicht aber dafür, was ich mit meiner dadurch verbürgten Freiheit mache. Das sind in letzter Instanz immer nur wir selbst (wer auch immer das ist).
Kritik in diesem nicht-trivialen, konkreten Sinne könnte also heißen: Lerne, die Gründe Deiner Ohnmacht in Erfahrung zu bringen und herauszufinden, ob sie sich abändern lassen. Frage Dich dann, ob die Steigerung Deiner Macht die Bedürfnisse und Sorgen anderer Lebewesen berühren würde. Wenn das zutrifft, dann hast Du die Adressaten Deiner Kritik gefunden.
> Der Entwicklungsprozess der modernen Gesellschaft hatte
> beispielsweise das Bedürfnis nach Freiheit und Recht zustande
> gebracht, und durch eine, diesen Entwicklungsprozess begleitende
> Alchemie dafür gesorgt, dass sich Strukturen des beständigen
> Vertauschens beider Begriffe einspielten, …
ich sehe keine Bedürfnisse, ich beobachte nur Kommunikationen, in welchen von Freiheiten und Rechten – und oft auch von Bedürfnissen – die Rede ist. Diese Wörter sind zunächst Wörter, also keine Begriffe. Als Begriffe müssten sie ausgewiesen werden.
Es handelt sich also um ganz beliebige – aber adressierbare – Aussagen, wenn jemand trolligerweise sagt, wohin sich die Gesellschaft entwickelt hat. Natürlich sind das Meinungen, für die sich niemand interessiert, weil sie nur Bedürfnisse ausdrücken, denen jede äussere Zuständigkeit fehlt.
Selbstbezüglich sind das also eigentliche Trollbeiträge, die in diesem Fall gefüttert werden, wie wenn sie keine Störung stören würden: mit rationalistischen Argumentationen der kontrollierten Störung
@stromgeist
Wenn ich es richtig interpretiere, geht es Dir nicht um die Freiheit des Dürfens sondern um die Freiheit der Intention und Initiative (im Sinne von Nicolai Hartmann). Macht wäre dann die Ausübung der Initiative. Rücksichtnahme auf Mitlebewesen erfodert die Antizipation ihrer Intention und Initiative.
Hier liegt doch ein zentrales Problem: Früher haben uns Konzepte wie Gott, Stalin, Manitu etc. wirksam vorgetäuscht, wir könnten die Intentionen der Mitlebewesen lesen. Die Konzepte haben ein Vakuum hinterlassen, während gleichzeitig die Komplexität zunimmt und unser soziales Alphabet mehrfach überzeichnet ist.
Ein guter Kommentar – wie Deiner vorhin – zeichnet sich dadurch aus, dass der Kommentator uns an seinen Intentionen teilnehmen lässt. Oder zurück zum Thema: Ein Troll, dessen Intentionen ich verstehen kann, wäre kein Troll mehr. Ich kann in der Ausübung meiner Macht auf ihn als Mitlebewesen Rücksicht nehmen.
„dass es weite Bereiche ‘außerhalb’ des Internet gibt, in denen das zu beobachten ist“
Zunächst dürfte klar sein, dass das Internet kein Apparat ist, den irgendwer ein- oder ausschalten kann. Wenn du auch glauben willst, dass du deinen Apparat ausschalten kannst, so kannst du doch nicht über die Anschlussfindungsendungsstellen aller anderen verfügen, so wie jeder andere auch nicht. Wo immer du dich aufhältst, in der S-Bahn, in der Kneipe oder sonst wo, haben andere ihren Apparat eingeschaltet, gleichviel ob mit oder ohne audiovisuelle Aufzeichnungs- und live-Übertragungsverfahren, die für dich nicht einmal immer bemerkbar sind.
Insofern verabschieden wir uns zuerst von der infantilen Observanz, die meint, wenn ich meine Augen schließe könnte mich kein anderer mehr sehen.
Das ist klar.
Die Internetkommunikation schafft keine Kommunikation außerhalb ihres eigenen Vollzugs. Vielmehr schafft sie ein gänzlich verschiedenes Dispositiv, durch das Kommunikation als Problem und Lösung empirisch erfahrbar wird. Dieses Dispositiv ist gekennzeichnet durch die Observanz der Gleichzeitigkeit, die eine unverfügbare Dokumentationen durch permanente Simulation erzeugt und welche dadurch allen Zeitverzug für Anschlussfindungsversuche minimiert, heißt: entweder sofort oder gar nicht zu handeln, weil alles andere immer schon passiert ist und dies auch noch sofort dokumentiert und durch Simulation überprüfbar wird. Das heißt aber auch, dass alles, was gerade eben erst geschehen sein könnte, jetzt auch noch durch Simulation nachvollziehbar wird. Beispiel ist eine einfaches Gespräch. Gewohnt sind wir zunächst, dass alles Gesagte sofort verschwindet und nur durch ein gut trainiertes Gedächtnis aufgefangen werden muss, ohne, dass ein Gedächtnis gleichwohl irgendetwas zurückzuholen könnte. Ein Gedächtnis speichert nichts, holt nichts zurück, sondern erweitert nur den Selektionsspielraum durch Einführung von Zeitdifferenzen und erweitert Kontingenz. Durch permanente Simulation kommt nun hinzu, dass alles Gesagte noch einmal gesagt werden kann, indem man auf „replay“ drückt. Das erweitert den Selektionsraum für alle Anschlussmöglichkeiten um ein Vielfaches, umso mehr, wenn die Chancen auf Exkludierung abgesenkt werden. („Wer oder was täte nichts zur Sache?“) Dieses Argument besagt, dass der „Große Bruder“ nicht eingeschaltet, sondern gerade aufgrund dieses enormen Selektionsraums dauerhaft und wirksam ausgeschaltet bleibt. Denn einer, der alles zugleich mitbekommt, kann keine Information darüber erzeugen, was gerade geschieht.
Diese enorme Ausweitung eines Selektionsspielraums, verstehbar als Kontingenzüberflutung, macht Kommunikation soweit unwahrscheinlich, dass ihr Gelingen nur dann noch möglich ist, wenn eine Verkoppelung von Sinnelementen (Assoziation) durch die Unverzichtbarkeit von Dissoziation zustande kommt. Das nenne ich: die Macht der Freiheit. Denn Freiheit bedeutet ja, dass trotz Entkoppelung (Dissoziation) die Assoziation noch gelingt. Allerdings dürfte dabei Koordination von Handlung auf der Strecke bleiben, wenn überhaupt noch Handlung als relevanter Bezugspunkt in Erscheinung treten kann.
„Und selbst dann würde ich bestreiten, dass in Internetkommunikation Macht keine Rolle spielen würde.“
Gewiss, vielleicht sogar eine enorm dominante Rolle. Macht ist aber nicht nur Zwang, ist nicht nur Minimierung von Handlungsalternativen oder Optimierung von Koordination. Freiheit selbst, die ja keinerlei normative Setzung zulässt, kann Macht enfalten, wenn alle Minimierung von Alternativen und Optimierung von Koordinationen nur noch gelingt, wenn Assoziation trotz Dissoziation gelingt, oder vielleicht sogar: Verkoppelung nur dann noch, wenn immer zugleich auch Entkoppelung geschieht.
Und Frage, ob es daran etwas zu ändern gebe, ist eine Frage für die Kinderstunde. Was soll das denn noch?
„DER Kommentator, der uns seine Intentionen erklärt“ gehört in die Reihe Gott, Stalin, Manitu, also zu den Trollen, die nur funktionieren, wenn sie ausgestattet (= erfunden) werden. Die Internetkommunikation hat nicht nur keine Anwesenden, sondern auch keine Personen hinter den Adressen.
Und deshalb scheint auch die Frage, weshalb hier gestört wird, etwas skuril, weil sie auf Intentionen zielt.
@neurosophie: Was spricht gegen die Vermutung, dass durch das Internet die Beobachtung der vollständig selbstkontrollierten Rücksichtslosigkeit operationalisierbar wird?
@kusanowsky Naja, dann eben das Internet als Fieberthermometer für die Kernschmelze der Vernunft. Das wäre dann unser kleinster gemeinsame Nenner.
Aber mir – und ich glaube auch stromgeist und anderen – geht es auch um Wandlungen, die nicht unmittelbar mit dem Internet zu tun haben. Davon kam einiges in Deinem Vortrag vor: kinderlose Paare, Stillstand der Naturwissenschaft etc. Das müsste wie bei einer schönen Martinsgans noch in den Diskurs reingepropft werden. Mehr als 100 Comments wären dann hier wohl locker zu schaffen…
ging es hier nicht vielmehr um den Troll als um das Internet? Und ist es nicht sehr trollig hier zu sagen, womit man den Troll füttern könnte? Die vom Troll bekämpfte Störung – so habe ich den Vortrag verstanden – besteht in der Suggestion von Vernunft. Und die ist ja auch vorhanden, wenn man glaubt die Vernuft schmelze, erodiere, breche zusammen usw.
Mit scheint aber, dass hier der vernünftigen Vernunft mit Argumenten aller Art gefrönt wird …
Dieser Beobachtung würde ich kritisch zustimmen und würde ergänzen, dass man auch beobachten kann, wie leicht es inzwischen fällt vernünftige Vernunft zu kommunizieren. Jedenfalls scheint mir der Aufwand, ein vernünftiges Argument zu formulieren, so groß nicht mehr zu sein, andernfalls kann ich mir nur schwer erklären, wie es möglich sein könnte, dass in einem so bedeutungslosen Blog wie in diesem so viele Kommentare so schnell hintereinander einlaufen. Klar dürfte doch sein, dass hier nichts entschieden und nichts sanktioniert wird, weil alles zugelassen wird. (Beachte: das Nichtzugelassene ist nicht kommunizierbar.) Wie kann ich mir diesen Fleiß noch erklären, wenn ich annehmen müsste, dass hoch komplizierte Sachverhalte mit großem Aufwand differenziert durchdiskutiert werden würden und zwar ohne, dass es anschließend irgendetwas zu gewinnen gäbe. Es geschieht eben ohne großen Aufwand und dann eben auch für nichts. Oder nichts bedeutendes mehr.
Das meinte ich, wenn ich versucht hatte zu argumentieren: für ein kritisches Argument lohnt sich das alles nicht mehr. Und wenn es dennoch geschieht, dann haben wir es schon mit etwas anderem zu tun, das herauszufinden etwas schwierig ist und was man deshalb nicht so leicht benennen, nicht so leicht zur Sprache bringen kann.
„Die vom Troll bekämpfte Störung – so habe ich den Vortrag verstanden – besteht in der Suggestion von Vernunft“ Nein. Die Trolle bekämpfen eben nichts mehr. Sie verbreiteten Beleidigungen, Hass und was immer – aber es wird nichts mehr bekämpft, nicht die Trolle und nicht die Beleidigungen. Das Spiel ist aus.
@Kusanowsky wegen des On(line)/(Off)line-Problems des Internet hatte ich ja die “Bereiche ‘außerhalb’ des Internet” auch entsprechend apostrophiert. Niemand wird das Internet ausschalten können, zumindest solange wir auf diesem Planeten über genug Energie und entsprechend gute Lebensbedingungen verfügen (woran wir ja alle gern glauben). Das heißt aber nicht, dass das Internet ‚überall‘ ist. Ob man Zugang zum Internet hat, ist eine infrastrukturelle und eine monetäre Frage. Und nur weil ständig irgendwelche Apparate um mich herum rechnen, filmen und funken, muss die Vernunft daran nicht mehr scheitern als sie es früher schon an der Welt immer tat. Nur weil wir immer mehr Zeit an Bildschirmen sitzen, bedeutet das nicht, dass wir uns nicht mehr darüber verständigen müssten oder könnten, z.B. ob wir Kinder machen, wegfahren, was essen oder den Großvater im Krankenhaus besuchen wollen. Du kannst Dir vielleicht Pizza online bestellen. Dann ist das toll, weil Du einer der wenigen privilegierten Menschen auf dieser Welt bist, der das kann. Wenn wir uns also zuerst von der „infantilen Observanz verabschieden wollen, die meint, wenn ich meine Augen schließe könnte mich kein anderer mehr sehen“, dann gilt das auch für die Probleme anderer Menschen, die immer noch da sind, auch wenn wir die Augen schließen oder vor dem Bildschirm sitzen.
In Deinem Vortrag und der Diskussion hier ging es um Trolling und Du siehst in dem Phänomen ein weitaus größeres soziales Problem/Phänomen, das uns zur Preisgabe kritischer Diskussionen führen sollte. Darum habe ich (mich) gefragt, ob Du diese These allein auf internetbasierte Kommunikation beschränken oder auf alle Bereiche des Lebens beziehst. Und wenn ich Dich richtig verstanden habe, willst Du totalitär argumentieren. Ohne die Augen davor verschließen zu wollen, dass sich das Internet zur Omnipräsenz tendiert, halte ich die prätendierte Totalität nur für einen Schein, den das Medium stiftet. Sie betrifft jedenfalls nicht jede Form menschlicher Kommunikation.
@neurosophie hatte daher durchaus Recht, wenn er vermutete, dass es mir – wie ihm – auch um Wandlungen geht, die nicht unmittelbar mit dem Internet zu tun haben, von Deinen Gedanken aber scheinbar mit betroffen werden. Oder nicht? Wo wäre dann die Grenze? Bzw. warum sollte man verzichten, sich über diese Grenze, das ‚Außerhalb‘ verständigen zu wollen?
Wenn ich mich hier darauf einlasse, „hoch komplizierte Sachverhalte mit großem Aufwand differenziert durchzudiskutieren“, dann deshalb, weil ich neugierig bin, was Du dazu zu sagen hast und ich gerade nichts Besseres zu tun habe bzw. soviel Dringenderes zu tun hätte, dass ich hier lieber auf hohem Niveau prokrastiniere. Vielleicht kommt ja sogar etwas dabei heraus. Das kann man weder vorher wissen, noch erwarten.
Von daher versuche ich es noch einmal mit einer trolligen Verballhornung meines unverständigen Einwands: Du meinst, das Internet löst alle sozialen Konflikte, indem es sie ad absurdum führt?
@kusanowsky
Warum treibe ich den irrsinnnigen Aufwand, diesen Thread zu verlängern?
Du hast im Vortrag etwas sehr wichtiges zum Stillstand der Naturwissenschaft gesagt. Das war sicher eine Verkürzung, und auf eine Verlängerung wäre ich gespannt. Ich bin davon überzeugt, dass die Soziologie der Naturwissenschaft etwas wichtiges mitzuteilen hat. Deshalb bin ich hier.
Trolle sind dabei lediglich Indikatoren für den Zusammenbruch des Gefüges Kritik-Kommunikation-Bedeutung.
„… muss die Vernunft daran nicht mehr scheitern als sie es früher schon an der Welt immer tat.“ Sie tat dies eben nicht schon immer, sondern im Gegenteil: „Vernunft“ ist ein sozial-empirisches Konstrukt mit hohem Seltenheitswert und mit sehr bemerkenswertem Erfolg. Die Entwicklung hat sich durch einen selbstreflexiven sozialen Prozess der Entfaltung von Widerstand, Kognition, Überprüfung, Handlung und iterativer Einschränkung durch rekursives Referenzieren von Kausalität ergeben. Dadurch erst ist die Welt entstanden, die nach Maßgabe der Vernunft erfahrbar wurde und zugleich wurden die Grenzen in Erfahrung gebracht, indem nämlich diejenigen Bereiche der Welt, die nicht mehr vernünftig erschienen, auch noch, und wenn auch nur versuchsweise, in die Routinen einer rationalen Welterfahrung eingewebt wurden. Das beste Beispiel ist die Psychoanalyse als Versuch, aus dem Bereich des Nichtmehrrationalen noch eine Wissenschaft zu machen. Wenn man die Schriften von Freud aufmerksam auf ihre epistemologischen Grundlagen hin studiert, stellt man nämlich fest, dass die ganze Theoriearchtektur nur ein Vermeidungsprogramm ist, das immer wieder die Frage nach der Möglichkeit all dessen, was der Psychoanalytiker überhaupt erkennen kann, durch ein metapsychologisches Labyrinth umgeht. Was kann denn der Psychoanalytiker noch erkennen, wenn er feststellt, dass er als forschender Urheber der Erkenntnis keine anderen Verstehens- und Erkenntnisbedingungen mitbringt als der Patient, über dessen Verwirrungen der Analytiker etwas wissen kann und will. Und der Versuch von Freud, sich selbst zu analysieren, war nur die letzte mögliche Volte dieses Vermeidungsprogramms. Insbesondere die Beobachtung der Gegenübertragung zeigt deutlich, auf welche Verkomplizierung sich eine Transzendentalpsychologie einlassen muss, wenn sie keinen Begriff von Kommunikation entwickeln kann. Wie kann man noch Objektivität gewinnen, wenn das ganze Arrangement des Erfahrungszusammenhangs auf die Unmöglichkeit aller Objektivität verweist?
Bis dahin war die Vernunft eben nicht an der Welt gescheitert, weil andersherum diese Welt (und nicht eine ganz andere) erst erfahrbar wurde, nachdem ein soziales Vertrauen in Menschenvermögen genügend anschlussfähig wurde. Entscheidend ist darum eigentlich auch nicht die Vernunft, sondern das Vertrauen auf Vernunft. Und der Zerfallsprozess, die von @neurosophie so bezeichnete Kernschmelze der Vernunft, ist ja nicht durch einen Vertrauensverlust ausgelöst, sondern durch eine unhaltbare Alternativlosigkeit. Die Annahme, einer von Menschen gemachten Wirklichkeit, die keinerlei empirische Nachvollziehbarkeit hat; der Glaube an Verfügbarkeit von Gesellschaft durch Menschen, die noch nie vollzogen wurde; die Illusionen über Menschenbefreiung und dergleichen mehr: Da tritt etwas auf der Stelle, das nach einer neuen Vertrauensbasis sucht, die nicht deshalb gebraucht wird, weil sich Menschenvermögen als unzuverlässig erwiesen hätte, sondern deshalb, weil die Strukturen des Vertrauens sozial abgelagert, sedimentiert und semantisch so festgefügt sind, dass man irgendwie erkennt, dass es nur noch weiter geht, wenn ein soziale Extensionsfunktion ermittelbar ist, durch die die Vermeidungsprogramme transzendentaler Subjektivität vermieden werden können, und zwar ohne auf sie zu verzichten.
Tja, und damit gibts das Problem: weitere Übungen zur Aufrechterhaltung der kritschen Diszplin konnen doch zu gar nichts mehr führen, wenn schon die Ausgangsbedingungen für alle Kritik sozial verschluckt sind; wenn z.B. jede Widerständigkeit, die nötig wäre, um Kritik zu stimulieren und zu steigern, wegfällt. Kritik ist auf Organisation von Widerstand angewiesen, auf Limitierung dessen, was nach Maßgabe der Kritik noch beurteilbar ist. Selbstverständlich sind die Limitierungen nicht weg gefallen. Weg gefallen sind aber solche Limitierungen, die Überwindbarkeit durch Widerstand in Aussicht stellen und wurden ersetzt durch Limitierungen der Undurchschaubarkeit. So gesehen ist Vernunft gar nicht gescheitert, sondern nur: nicht mehr ausreichend. Aber was fehlt denn?
Das Argument, über das ich nachdenke ist, dass all das, was die Vermeidungsprogramme transzendentaler Subjektivität durch Ausschluss eingeschlossen haben, diejenigen Elemente liefern könnte, die wunderbar geeignet wären, um all das Durcheinander durcheinander zu bringen.
“Vernunft” ist ein sozial-empirisches Konstrukt mit hohem Seltenheitswert und mit sehr bemerkenswertem Erfolg.
Seltenheitswert und Erfolg sind keine absoluten, sondern relationale Bestimmungen. In welchen Bezugsgrößen bewegen wir uns also? Einer historische Phase: die Aufklärung? Einer Epoche: der Neuzeit? Einer kulturellen Tradition: der ‚abendländische‘ Geschichte? Einer anthropologischen Entwicklung: dem homo sapiens? Einem sozio-biologisches Phänomen: der Evolution? Kurzum: Kam das, was Du mit Vernunft meinst auch schon in der Antike vor, z.B. Platon? Kam es auch schon bei Lao-Tse vor? Auch schon bei Salomon? Moses? Könnte es schon ein prähistorisches Phänomen gewesen sein? Im Sinne der Dialektik der Aufklärung? Im Sinne Blumenbergs? Rationalität als ein Verfahren der Selbsterhaltung einer Lebensform mittels Bewusstsein und Technik? Worauf bezieht sich also der Seltensheitswert? Auf eine exklusive Gruppen von Menschen und Gesellschaften, die also anderen Kulturen abgesprochen wird? So 19. Jh. mäßig? Oder verläuft die Trennlinie zwischen Mensch und Tier, ist sie also eine anthropologische Größe und darum selten, weil es viel mehr Tiere (und Pflanzen gibt)? Als ein „selbstreflexiver sozialer Prozess der Entfaltung von Widerstand, Kognition, Überprüfung, Handlung und iterativer Einschränkung durch rekursives Referenzieren von Kausalität“ lassen sich auch archaische Opferrituale beschreiben. Sie stellen ja auch eine Form der Konstruktions appelationsfähiger Instanzen dar, die man zur Verbesserung der eigenen Lage beeinflussen will. Insofern sind auch schon Kult und Mythos Vernunft. Du scheinst aber ständig auf das transzendentale Programm Kants hinauszuwollen. Ist die vor-kantische Vernunft dann also keine ‚richtige‘ Vernunft in Deinem (seltenen) Sinne?
@kusanowsky
» Was spricht gegen die Vermutung, dass durch das Internet die Beobachtung der vollständig selbstkontrollierten Rücksichtslosigkeit operationalisierbar wird? «
Welche Einheit zur Operationalisierung (Messbarmachung) schwebt Dir bei dieser Vermutung vor?
PS: Hat noch einen Kommentar abgesandt, vorher… ist der unter gegangen oder vielleicht einem Filter zum Opfer gefallen? (Relevanzschwelle?..)
@kusanowsky
Wie kann man sich eine plausible/ empirisch valide Methode zur Erhebung von Messdaten für „vollständig selbstkontrollierte Rücksichtslosigkeit“ vorstellen?
» Das Ergebnis einer empirischen Untersuchung kann wesentlich von der Wahl der Operationalisierung abhängen. Daher müssen Indikatoren bzw. Operationalisierungen in der Wissenschaft drei wesentliche Qualitätskriterien erfüllen:
– Objektivität bzw. intersubjektive Nachvollziehbarkeit
– Reliabilität (Zuverlässigkeit)
– Validität (Gültigkeit)
Beispiel: Man wird zwischen dem Abstand der Ohren und der Intelligenz einen starken Zusammenhang finden, wenn man Intelligenz durch den Kopfumfang operationalisiert. Ein Kritiker könnte gegen dieses Ergebnis einwerfen, dass der Kopfumfang kein valides Maß für Intelligenz ist (es wird nicht das gemessen, was gemessen werden sollte). Hat der Versuchsleiter zudem ein Maßband aus dehnbarem Gummi verwendet, so wäre auch die Reliabilität zu bemängeln (zwei Messungen liefern unterschiedliche Ergebnisse). Wenn darüber hinaus nicht aufgezeichnet wurde, an welcher Stelle das Maßband um den Kopf der Person zu legen ist und ein anderer Forscher die Messung selbst daher gar nicht nachvollziehen kann, so ist auch keine Objektivität (intersubjektive Nachvollziehbarkeit) gegeben.
Validität setzt bei der Betrachtung Reliabilität voraus: Ist die Messung gar nicht erst zuverlässig, so kann sie schon gar nicht das messen, was gemessen werden soll. Ein Validitätskoeffizient kann nicht größer werden als die Wurzel aus dem Reliabilitätskoeffizienten. «
http://de.wikipedia.org/wiki/Operationalisierung
@kusanowsky @stromgeist
Vernunft als sozial-empirisches Konstrukt ist wohl kaum mit Kants Vernunftbegriff vereinbar.
Umgekehrt sehe ich mehr und mehr, dass Kants Vernunftbegriff den Blick auf die Soziologie eher versperrt. Eine Soziologie als autarke Disziplin wird keinerlei Setzungen in Bezug auf den Vernunftbegriff dulden. In diesem Sinne könnte ich mir eine Soziologie als Sartre’eskes Unterfangen vorstellen. Mein Blick wendet sich dann ab vom Eulenspiegel-Troll (dessen Ratio ich bestaunen könnte) hin zum Ekel-Troll (iS.v. nausée), der Kontingenz als Würgen empfindet und angesichts von Alternativlosigkeit nur Schreien will. Von so einer Perspektive aus erscheint mir #differentia zugänglicher.
„Welche Einheit … schwebt Dir bei dieser Vermutung vor?“
Als Einheit schwebt mir eine Differenz vor, nämlich die Differenz zwischen Differenz und Indifferenz, weil damit Versuche erprobt werden können, Rücksichtnahmen in eine Art Falzifikationsverfahren einzubinden. Die Überlegung könnte lauten: Der Fortgang der Kommunikation ist allein davon abhängig, dass keine weiteren Rücksichtnahmen erfolgen als solche, die dazu beitragen, die Kommunikation so fortzusetzen, dass eben diese Rücksichtnahme als Beobachtungskriterium erfolgt ist. Das erforderte eine vollständige Versachlichung aller Argumentation: jede Art von Trickserei, jede Ablenkung, jede Trollerei, jeder Irrtum, jeder Zufall oder Bödsinn, auch jede Beschimpfung, jede Manipulation, jede Androhung von Computervireninfektion, jeder Shitstorm, jede DOS-, oder sonstige Hacker-Attacke und dergleichen ist zulässig. Dieses Arrangement muss nicht erst erfunden werden, sondern ist bereits installiert. Es handelt es sich dabei um jede ablaufende Internekommunikation. Denn jede Operation findet auf einem entsprechend vermintem Feld statt.
Daraus folgt die zu falzifizierende Hypothese, dass keine Operation anschlussfähig ist. Und wenn sich das nicht bestätigt, muss dafür eine Erklärung, eine Theorie gegeben werden, die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum diesselbe Falzifikation gilt: eine Erkklärung, eine Theorie kann nicht formuliert werden. Und wenn das nicht stimmt, muss dafür wiederum eine Erklärung, bzw. Theorie formuliert werden usw.
„Wie kann man sich eine plausible/ empirisch valide Methode zur Erhebung von Messdaten für “vollständig selbstkontrollierte Rücksichtslosigkeit” vorstellen?“
Ermittelbar allein durch Beobachtung der Kommunikation.
Huch das geht ja weiter hier, obwohl bewiesen sein will, dass es nichts bringt.
Nun, ich für mich weiss, was es mir bringt. Und zusätzlich erkenne ich noch etwas, was mir nicht wirklich viel bringt, aber mich doch belustigt:
> Stromgeist fragte:
> Du meinst, das Internet löst alle sozialen Konflikte, indem es sie ad absurdum führt?
zwar fragt er nicht mich, aber er legt mir eine trollige Antwort in den Mund:
Das Internet löst alle Konflikte, die uns die Kommunikationstheorie von Luhmann einbrockt. Den Vortrag von Klaus werde ich verwenden, um das zu zeigen, sobald ich ihn bekommen habe. Der Troll stört vor allem die Vorstellung, wonach Kommunikation Inhalte mitteilt. Das ist der reine Unsinn, der durch die Trolle aufgedeckt wird. Coming soooon…
„Coming soooon“ – darauf bin ich sehr gespannt.
@neurosophie
„und angesichts von Alternativlosigkeit nur Schreien will. Von so einer Perspektive aus erscheint mir #differentia zugänglicher.“
Was hältst du von der Überlegung von Rolf Todesco: „Der Troll stört vor allem die Vorstellung, wonach Kommunikation Inhalte mitteilt. Das ist der reine Unsinn, der durch die Trolle aufgedeckt wird.“
@kusanowsky
Interessant. Für den Sartre-Troll wäre das An-sich der Kommunikation ein Nichts. Dieses Nichts aufzublähen wäre für ihn zum Schreien komisch. Nur ein Gott vereinigt An-sich und Für-sich und könnte mit sich selbst kommunizieren.
Das Internet so gesehen eine virtuelle Gottesmaschine: Die wechselseitige Vernetzung als Illusion des Verschmelzenkönnens von An-sich und Für-sich. In Wahrheit nur ein riesengroßes Nichts.
So in etwa…
Ein Nichts? Etwas Unterscheidbares, das keine Unterschiede beobachten lässt?
Doch! Sartre unterscheidet beim Nichts zwischen rien und néant.
Ich verorte das mal:
Betrachten wir das von Dir gebrachte Beispiel der Pseudo-Diskussion um die digitale Demenz. Als enttäuschter Teilnehmer sehe ich irgendwann ein: Es ging um nichts (néant). Ich hatte einen positiven Erkenntnisgewinn antizipiert, und dieser wurde negiert. Ich hatte einen intentionalen Bezug zu einem Sein in Ausübung meiner Freiheit der Intention.
Also Nicht-Sein in Abhängigkeit eines Seins (das sich immer wieder neu differenziert: 0 = 1 + -1.
Meine Intentionen verpuffen wie Knallerbsen und meine Freiheit der Intention bleibt wirkungslos und ist nichts im Vergleich zu dem von Dir erwähnten Recht auf Gehörtwerden.
Wenn ich also begreife, dass das Scheitern des Diskurses zur digitalen Demenz prototypisch ist für jede Art von Diskurs, dann bleibt das absolute Nichts (rien): 0=0.
@kusanowsky
Alles ist Argument, weil sich nichts mehr sanktionieren lässt. Auch Kratzen und Beißen. (in dubio pro dubio)… // wenn ich das richtig verstanden habe.
» Dieses Arrangement muss nicht erst erfunden werden, sondern ist bereits installiert. Es handelt es sich dabei um jede ablaufende Internekommunikation. Denn jede Operation findet auf einem entsprechend vermintem Feld statt. «
Dieses Argument klingt eben fatal kafkaesk…
Der abstrakte Kontext der gestörten Störkommunikation, lässt sich vielleicht sogar recht treffend in der Tragik des Antihelden Josef K. abbilden:
Wir lassen uns festnehmen, verhören, untersuchen, verprügeln, anklagen und verurteilen… hinter unseren Bildschirmen verschanzt und doch ausgeliefert.
„das Gericht will nichts von Dir. Es nimmt Dich auf, wenn du kommst, und es entläßt Dich, wenn Du gehst“
… sagt uns der Geistliche (Kusanowsky?) im Dom (Differentia?).
Das Internet als “vollständig selbstkontrolliertes, rücksichtsloses“ Gericht, dem wir uns jeweils (freiwillig?) ausliefern, um uns im (sinnlosen/ willkürlichen?) „Proceß“ der Kommunikation (ent-)stören (und verstören) zu lassen.
Also verweist Du im Wesentlichen auf die Ironie, dass wir uns einer ständigen Selbstkasteiung und Selbstgeisselung unterziehen, wenn wir im Internet kommunizieren und stören?
Ist das Rauschen nicht letztendlich doch ein Preis, den wir gerne zahlen, weil wir einen gewissen (subjektiven und kollektiven) Vorteil aus der Kommunikation ziehen? Oder ist das nur Illusion? Warum?
Ich gehe zumindest davon aus, dass unsere Kommunikationskultur daran wächst… Vielleicht sind das Geburtswehen, wenn es wehtut. Vielleicht wird hier im Netz gerade sogar eine ganz neue Gesellschaftskultur geboren.
Ich rechne damit, dass uns im Abgleich unserer Wahrnehmungen und unserer soziokulturellen Wertemuster ein Versprechen einer Ordnung in Aussicht gestellt wird, das die Inkaufnahme einer gewissen Zunahme von Kontrollverlust und Entropie mehr als rechtfertigt.
Meiner Ansicht nach findet ein evolutionär wichtiger Katalyseproceß hier Netz statt. Einen Anlass für Kulturpessimismus sehe ich nicht.
Ich bin eher zunehmend erstaunt, wie effizient man relevante Informationen im Netz auffinden sammeln und kombinieren kann, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Das ist Arbeit. Vor allem ist dabei ständig kreative Innovation gefragt. Wir brauchen immer neue Linsen, durch die sich Inhalte im Netz fokussieren lassen.
Es geht meiner Ansicht nach eben vor allem darum, dass man lernt, wie man optimal fokussiert und filtert.
Die Einheit für die Messung der Entropie in thermodynamischen Systemen ist J/K (Joule/Kelvin)… aber mir leuchtet noch nicht richtig ein, welchen Erkenntnisgewinn wir aus der Messung der „Rücksichtslosigkeit“ gewinnen können?
Ist das wirklich relevant..?
Ist das nicht kontraproduktiv, wenn wir „Downsides“ fokussieren?
@neurosophie
» Ich bin davon überzeugt, dass die Soziologie der Naturwissenschaft etwas wichtiges mitzuteilen hat. «
Ja, denk‘ ich auch… davon gehe ich aus… UND umgekehrt.
Ich hatte vorher in einem anderen Thread die Überlegungen von David Bohm erwähnt… http://de.wikipedia.org/wiki/Die_implizite_Ordnung
http://en.wikipedia.org/wiki/Implicate_and_explicate_order_according_to_David_Bohm
Bohm meint es liesse sich aus jeder Struktur eine gewisse implizite Ordnung des „Ganzen“ herauslesen… Jeweils abhängig vom Fokus, den man auf das betrachtete System einstellt, erkennt man eine Ordnung in Systemen, die als „chaotisch“ beschrieben werden…
-> 0 = +1-1
Und ich weigere mich einzusehen, dass es sich bei Kommunikation um ein „Nullsummenspiel“ handeln soll… Vielleicht kann Dir Dein Erkenntnisgewinn nur dann abgezogen werden, wenn Du es zulässt, dass Andere Deine (subjektive) Fragestellung in Frage stellen.
Wir sammeln mit den Fragen, die wir stellen jeweils Puzzle-Teile, die das Bild unserer (subjekktiven/ kollektiven) Erfahrung ergänzen.
» Ein Troll, dessen Intentionen ich verstehen kann, wäre kein Troll mehr. «
Daran dachte ich auch schon früher.
Wenn die Kommunikation sich auf der Meta-Ebene entschlüsseln und dekodieren lässt, dann wird auch mit vermeintlichen „Trollen“ eine sachliche/ konstruktive Kommunikation möglich… (Wenn auch jenseits vom Kernthema… der Diskurs muss nicht zum Diktat werden, finde ich.)
Deswegen kann ich hier ein „Problem“ auch nur (an)erkennen, wenn man davon ausgeht, dass das „Problem“ in der Beschreibung erst erschaffen wird.
_________
Ein Problem, das in der Beschreibung erst erschaffen wird, wird im Versuch der Lösung selbstverständlich erst zur Tragik und Tragödie.
Ich kann sagen, ich lerne in jeder Kommunikation.
Auch wenn mir das manchmal erst im Nachhinein bewusst wird.
Der Erkenntnisgewinn sieht eben (fast) immer anders aus, als das, was ich eingangs vielleicht schemenhaft antizipiert oder intendiert habe.
Wenn ich mich auf Kommunikation einlasse, stelle ich vor allem fest, dass sich meine Beschreibung der besprochenen Fragestellung oder Problematik im Verlauf der Diskussion wandelt und entwickelt.
Diese rekursive Entwicklung der Kommunikation halte ich für das eigentlich Interessante… Die Beobachtung, wie sich mein Fokus und meine Perspektive auf das angesprochene Problem verändert und die damit einhergehende Wandlung der Gestalt und der Prämissen für Kommunikation stellt für mich die eigentliche Quelle für Erkenntnisgewinn dar.
Man bekommt Antworten und sucht passende Fragen.
Gerade die Tatsache, dass die Kommunikation im Netz beinahe niemals irgendwelchen vorhersehbaren Mustern folgt… gerade, weil die implizit oder explizit vereinbarten Prämissen und Bedingungen der Kommunikation verletzt, gebrochen, zerlegt und dekonstruiert werden (müssen/ dürfen)… gerade deswegen sind wir zur ständigen Adaption gezwungen….
„Keine ist Operation anschlussfähig. Und wenn sich das nicht bestätigt, muss dafür eine Erklärung, eine Theorie gegeben werden, die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum die selbe Falzifikation gilt: eine Erklärung, eine Theorie kann nicht formuliert werden.“
„Ist das nicht kontraproduktiv, wenn wir “Downsides” fokussieren?“
Diese Überlegung ist nicht anschlussfähig, weil die Kommunikation auf Kontraproduktivität nur insofern Rücksicht nehmen kann als auch alles Gegenläufige zur Produktion von Sinn beitragen muss, um im wirren Durcheinander eines Systems beobachtungsleitende Differenzen im Abtastungsprozess von Umweltkomplexität noch verketten und trotz aller Lücken rekursiv bündeln zu können, damit Sequenzierungen gelingen, die für jeden Einwand einen Gegeneinwand herstellen können. Denn es müssen im Zeitverlauf noch registrierungsfähige Erinnerungslücken auffallen, die es erlauben, das nächste mögliche Elemente durch Festellung von Gegenläufigkeit zu verknüpfen, was nur geht, wenn schon entsprechende Zeit-Sinn-Relationen ständig mitlaufen, deren Beitrag zur Stabilisierung gerade darin besteht, dass sie auch jederzeit entfallen können. Insofern wäre Gegenläufigkeit nur eine kontingente Zeit-Sinn-Relation, die Erinnerungslücken aufschließt um Möglichkeiten zur Rekursion bereitzustellen. So würde schließlich auch alle Kontraproduktivität produktiv, weil sie den Sinnfindungsprozess durch Rekursion verdichten hilft, sie gleichsam eine Stauung oder Obstruktion zustande bringt, welche ideal geeignet ist zum Aufbau und Stabilsierung eines Gedächtnisses. Denn ein Gedächtnis braucht eine eigene Widerstandszeit, braucht Spannung, braucht Belastbarkeit, braucht eigenwillige Operationen zum Abbremsen von Systemprozessen. Die Rücksichtnahme auf Kontraproduktvität wäre damit nur eine produktive Systemstratgie zur Selbststabilisierung durch Gedächtnisaufbau, indem Verlangsamung eingerechnet und operativ im Zeitverlauf mitverkettet wird. Eine Allein-Focussierung kann dabei jedoch nicht mitberücksichtgt werden, nicht jedenfalls, solange ein für die Zukunft offener Prozess Überraschendes ermöglichen soll. Mindestens würde jeder Versuch der Allein-Focussierung eine Verlangsamung so weit treiben, dass wenigstens die Stillstandsgefahr rechtzeitig dafür sorgen wird, dass alle kontraproduktive Produktivität eingeschränkt werden müsste.
@kusanowsky // (aka. der Luhmann’sche :Dämon-Troll! ;))
Ich hatte oben an @neosophie geschrieben:
Um zu erläutern, was ich damit meine, will ich meinen Denkprozess einfach mal im Hinblick auf die von Dir erhaltenen Antworten aufrollen:
__________________________________________________
(Kusanowsky – 7. November 2012 um 08:54, –> Aussage 01)
__________________________________________________
(Aussage 01 wurde getroffen mit Bezug auf die Aussage von Kusanowsky – 6. November 2012 um 17:26 –> » Daraus folgt die zu [falsifizierende] Hypothese, dass keine Operation anschlussfähig ist. Und wenn sich das nicht bestätigt, muss dafür eine Erklärung, eine Theorie gegeben werden, die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum das selbe [Falsifikation] gilt: eine [Erklärung], eine Theorie kann nicht formuliert werden. Und wenn das nicht stimmt, muss dafür wiederum eine Erklärung, bzw. Theorie formuliert werden usw. «)
Man könnte sich jetzt Methoden ausdenken, die es uns jeweils erlauben, das Gesagte in einzelne Prädikate zu zerlegen… die logischen Zusammenhänge der Aussage darin deutlich zu machen und zu überlegen, ob der Satz sich ergänzen oder umformulieren ließe, so dass die Aussage letztendlich in Anbetracht ihrer Prämissen Raum für neue Perspektiven auf das angesprochene Problem bietet.
So könnte diese Aussage am Ende vielleicht aus ihrer Fatalität befreit werden, indem man sie dekodiert und die verwendete Terminologie gründlich abklopft.
Kurz gesagt:
Das Dilemma, das in der Aussage angesprochen wird ließe sich eventuell auflösen, wenn man in der Lage ist die Prämissen, auf Grundalge derer die Aussage formuliert wurde gründlich zu hinterfragen.
__________________________________________________________
Ich will im Zuge dieser Betrachtung aber zunächst bemerken, dass die erste Ebene der (versuchten) Sanktionierung (zur Vermeidung störender Einflüsse) bereits im sprachlichen Ausdruck/ in der Formulierung zu erkennen ist. :::
EXKURS (Sprache und Ausdruck als Sanktion)
// (: ich halte das durchaus für relevant! 🙂
Grundlegend will ich davon ausgehen, dass die Form, die Art und die Qualität unserer Formulierungen nicht lediglich von unbewussten rhetorischen Defiziten beeinträchtigt wird.
Wir beeinträchtigen die Vermittlung unserer Aussagen durchaus gezielt…
(Wenngleich diese gezielte Kodierung unserer Sprache ein mehr oder weniger bewusster Vorgang sein kann.)
Wir neigen meiner Ansicht nach durchaus dazu, unsere Aussagen in komplizierten Formulierungen zu verschlüsseln, weil wir unser Publikum in gewisser Hinsicht vorsortieren und filtern möchten.
Vielleicht ist das sogar in gewisser Hinsicht auch notwendig.
Das, was wir vermitteln möchten, soll insbesondere von einem Publikum erschlossen werden können, dem wir eine konstruktive Teilnahme an der „kritischen Disziplin“/ der „kritischen Diskussion“ zutrauen.
Das passiert eigentlich auch ganz natürlich:
Wir wollen (selbstverständlich) vorrangig mit Menschen kommunizieren, die unserer Gedankenwelt nahe stehen.
Die Auswahl wird durch gewisse sprachliche Codes getroffen, die sich eben von Denjenigen leichter entschlüsseln lassen, die ähnliche Codes erlernt haben und ähnliche gedankliche Muster und kulturelle Werte in ihrer Wahrnehmung und ihrem Denken implementiert haben.
Diese Erkenntnis ist eigentlich beinahe trivial… aber ich denke, dass der „Differentia“ Blog ein treffendes Beispiel bietet, wie die Schwelle für den Zugang zu Inhalten und Diskussionen bereits durch eine (sprichwörtlich) „gewählte/ gehobene Ausdrucksform“ angehoben wird.
Mit anderen Worten: Die Kusanowsky’schen Schachtelsätze, die verwendete Sprache der Kybernetik und seine Neologismen sind bereits die Implementation einer Sanktionierung. Es wird hier bereits im sprachlichen Ausdruck Publikum gefiltert. (Und das ist bestimmt auch legitim und vielleicht auch nützlich… )
Ein anderes Beispiel ist die Fachsprache des Oberarztes bei de Stippvisite…
Oder auch „Ghettosprache“/ „Imbissbudendeutsch“… etc…
Zum Einen werden durch besondere Ausdrucksformen selbstverständlich auch komplizierte oder komplexe Sachverhalte einfach referenziert.
Zum Anderen wird durch die sprachliche Kodierung auch die Teilnahme an Kommunikation für Aussenstehende („Trolle“?) erschwert.
Man erkennt den „Troll“ bereits, wenn er/sie/es sich anders ausdrückt oder nix versteht.
Dabei ist es immer Kontextabhängig, wer jeweils in welchem Kreis oder Knoten der Kommunikation als Troll identifiziert wird.
– Der Patient wird zum aufsässigen „Behandlungs-Troll“, wenn er die Kompetenz der „Götter in weiss“ neugierig in Frage stellt…
– Der „Proll-Troll“ disqualifiziert sich zur Teilnahme an gesellschaftspolitischen oder soziokulturellen Diskussionen in intellektuellen Kreisen, wenn er nicht in der Lage ist, die Sprachbarriere zur Aufnahme relevanter Information zu überwinden oder selbst Einwände zu formulieren, die dem Niveau der Diskussion entsprechen.
– Der Sozialarbeiter fällt anders ‚rum ganz leicht im Ghetto oder auf der „Straße“ als nerviger „verkrampfter Spasti-Troll“ auf, wenn er den jeweils aktuellen und lokal etablierten Slang nicht versteht oder akzentfrei reproduzieren kann.
Wer zum „Troll“ werden soll bestimmt der jeweilige Kontext der Kommunikation.
Das (fremde) Element, das die Sprache der „Kommunizierenden Einheiten“ in einem gegebenen Kontext der Kommunikation nicht versteht oder nicht (akzentfrei) reproduzieren kann macht sich erst mal verdächtig.
_________________________________________________________
Ich nehme allerdings an, dass die formale Exklusivität der sprachlichen Ausdrucksweise nicht selten als Ursache von verfahrenen Diskussionen zu erkennen ist. Sprache kann zum Problem werden. Wenn durch eine gewählte/ exklusive Ausdrucksweise relevante Zusammenhänge verschleiert und eventuell sogar verkompliziert werden, kann die Sprache sowohl das Verständnis einer Problematik, als auch den Zugang zu plausiblen Lösungen blockieren.
Erst, wenn wir die Sprache der Kommunikation also formal aus dem Kontext lösen können, erschließt sich eventuell ein neues Bild, das uns zu neuen Inferenzen führen kann.
Erst, wenn wir eventuell im sprachlichen Ausdruck eingefrorene Prämissen auftauen können erhalten wir vielleicht sogar ein Bild, das uns einen möglichen Ausgang aus dem Labyrinth unserer Problematisierung weist oder plausible Lösungsoptionen für relevante, tatsächliche Probleme erkennbar macht.
Erst durch Umformulierung erschliessen sich uns neue (ungewöhnliche/ interessantere?) Perspektiven auf unsere (soziale) Realität und die Probleme, die wir diskutieren… Prämissen für Kommunikation, soziale Interaktion und Kultur konzipieren und implementieren lassen.
____________________________________________________________
(Ich lasse mich im Folgenden auf einen Tabubruch ein: „Witz erklären.“/ Aussage 01 von @kusanowsky sezieren… Fürchterlich..! aber ich halte das im Kontext der Diskussion für mehr als notwendig und relevant. Damit ein „Anschluss“ der „Operation“ in diesem Kontext gelingen kann, muss die getroffene Aussage ent-mystifiziert werden.)
____________________________________________________________
*So* würde ich also die Aussage 01 (siehe oben) in folgende Komponenten zerlegen:
_______
1) [Prämisse/ These/ Behauptung]
1.01) [Begriff/ Bezeichner/ Terminus]
» Operation «
Ich gehe davon aus, dass in diesem Kontext, die Definition einer „Operation“ nach Luhmann zur Begriffsklärung/ Dekodierung helfen kann:
http://de.wikipedia.org/wiki/Systemtheorie_%28Luhmann%29#Geschlossenheit_der_Operationen
1.02) [Begriff/ Bezeichner/ Terminus]
» Anschluss «
Auch hierbei folge ich der Definition gemäß der Luhmann’schen Systemtheorie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Systemtheorie_%28Luhmann%29#Geschlossenheit_der_Operationen
_______
2) [relative Aussage/ relativierende Formel]
2.01) [Kondition/ Bedingung]
» wenn sich […] nicht bestätigt[, dass keine Operation anschlussfähig ist] «
WENN/ FALLS sich die Annahme/ Behauptung nicht bestätigt, dass keine Operation anschlussfähig ist…(Vorsicht doppelter negativ! Zur Vereinfachung der Aussage nach Möglichkeit vermeiden/ umformulieren!) :::
| /-> WENN/ FALLS sich doch eine Operation als anschlussfähig erweist/
| /-> WENN/ FALLS sich gewisse Gedanken oder Kommunikationen (Im Widerspruch zur Grundannahme) als Operationen aneinander anschließen (lassen)…
2.02) [relative Konsequenz/ Folge]
» eine Erklärung [oder] eine Theorie [muss] gegeben werden, «
WENN/ FALLS sich Gedanken oder Kommunikationen als Operationen anschliessen lassen, FOLGT die Forderung einer Erklärung/ Theorie als Konsequenz…
2.03) [Konkretisierung der relativen Konsequenz/ Folge]
» die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum die selbe [(Prämisse zur) Falsifikation] gilt: … «
Die Erklärung/ Theorie, die gefordert wird, falls sich die Annahme/ Prämisse nicht bestätigt, dass keine Operation anschlussfähig ist, muss wiederum selbst als Operation in eben dem Kommunikationssystem vorkommen/ auftreten/ erwähnt werden und falsifiziert werden können, dessen operative/ systemische Integrität (durch Kusanowsky’s Annahme/ Behauptung) in Frage gestellt wird.
| /-> vereinfacht/ umformuliert:
WENN/ FALLS man die Behauptung widerlegen möchte, dass sich keine Gedanken oder Kommunikationen (kohärent) aneinander anschliessen lassen, dann müsste man selbst im Rahmen der Kommunikation Gedanken/ Erklärungen oder Theorien formulieren können, die sich als Operationen im Kontext des Kommunikationssystems anschliessen lassen. Und diese Erklärungen/ Theorien sollten sich ebenso gemäss dem Prinzip der Zweiwertigkeit/ Bivalenz als „wahr“ oder „falsch“ herausstellen lassen.
| /-> vereinfacht/ umformuliert:
Der Nachweis der Integrität (/ Eine Prüfung der operationalen Geschlossenheit) des Kommunikationssystems hängt von einem Beweis ab, der sich nur dann erbringen lässt, wenn man zweifelsfrei herausstellen kann, dass sich Kommunikationen als Operationen im Kontext des Kommunikationssystems aneinander anschließen lassen. Allerdings muss die Theorie oder Erklärung, die man zur Beweisführung heranzieht selbst operativ an das System, dessen Integrität in Frage steht, angeschlossen werden können.
Ich finde, das klingt so gesehen beinahe trivial…
@Kusanowsky:
Ist das eine gültige Formulierung für den von Dir adressierten Sachverhalt?
Handelt es sich bei dem von Dir adressierten Sachverhalt denn überhaupt um ein wesentliches/ relevantes „Problem“?
3) [Schlussfolgerung/ Inferenz?]
» eine Erklärung, eine Theorie kann nicht formuliert werden. «
Diese Behauptung kann ich nicht nachvollziehen.
Als Schlussfolgerung leuchtet mir diese Aussage nicht ein.
(Niklas Luhmann)
Wenn Du zu der Annahme stehst, dass Kommunikation im Internet nicht mehr (im Sinne der operativen Geschlossenheit) funktioniert, dann folgt daraus, dass das Internet tatsächlich das Ende der Integrität unserer sozialen Systeme bedeutet…
Oder – falls wir doch feststellen können, dass Kommunikation (Erkenntnisgewinn) im Netz möglich ist, deutet das darauf hin, dass das Konzept der „operativen Geschlossenheit“ (als Kriterium für Systemintegrität) in Frage steht.
Vielleicht werden in gewisser Hinsicht ja im Rahmen der Kommunikation im Netz Systemgrenzen über unsere Auffassung von „operativer Geschlossenheit“ hinaus „transzendiert“…
Ich habe den Verdacht, dass die Relevanz der von Dir adressierten Problematik davon abhängt, wie man den „Anschluss“ von Operationen prinzipiell begreift und auffasst.
Was bedeutet „anschlussfähig“?
-> Ein System besteht so lange, wie Operationen jeweils nächste gleichartige Operation ermöglichen.
Was bedeutet gleichartig?
Die „Falsifizierbarkeit“ einer Aussage/ Behauptung/ Annahme/ These/ Theorie/ … hängt immer von der Klarheit, Schärfe und Eindeutigkeit der Formulierung ab.
Die Prämissen und die Implikationen im Kontext der Aussage müssen jeweils geklärt sein.
Solange die Prämissen einer Aussage unscharf definiert sind, steht der Wahrheitsgehalt der Aussage in Zweifel.
Oft besteht der Streitpunkt um ein kontroverses Thema in der uneinheitlichen Definition von verwendeten Begriffen.
Konstrtuktive Metakommunikation, zur Kläung der Inhaltsebene ist in der Regel die eigentliche Aufgabe, die uns die Kommunikation abverlangt.
Verständnis schaffen und Missverständnisse beseitigen….
@ मनु meta_Manu
Der Thread wird jetzt ein wenig monumental (bin nicht ganz sicher, ob das unseren Gastgeber auch erfreut).
Ich wollte eigentlich nur den Hinweis auf David Bohm als wichtig bestätigen. Offenbar teilen wir die eine oder andere Intention.
Dann sehe ich hier in Teilen ausgeführt, was ich in Bezug auf #differentia schon einmal anregen wollte: ein Glossar zu machen, als Ankerpunkt für den interdisziplinären Austausch.
Von dieser Idee würde ich heute abrücken. Man müsste etwas, das bestenfalls Ergebnis des Diskurses sein könnte, als Startpunkt setzen.
Soziologie ist keine axiomatische Wissenschaft wie die Physik. Würde man tatsächlich ‚alle Missverständnisse beseitigen‘, dann würde man damit die Soziologie beseitigen.
@neurosophie @मनु meta_Manu 😉
„Würde man tatsächlich ‘alle Missverständnisse beseitigen’, dann würde man damit die Soziologie beseitigen.“ – Man müsste hier zustimmen und ergänzen: wollte man alle Missverständnisse der Kommunikation vermeiden müssen, müsste man alle Kommunikation vermeiden wollen. Kommunikation kann aber nicht vermieden werden. Das ist eine Hypothese, die man nicht widerlegen kann, weil entweder jede Widerlegung anschlussfähig ist, dann geht die Kommunikation weiter oder, wenn nicht, dann nicht. Der Pate würde es so sagen: „I’m gonna make him an offer he can’t refuse.“ Das Angebot des Paten besteht ja in einer Drohung, die, wird sie ignoriert, zum Tod des Bedrohten führt, das heißt: egal wie der Bedrohte sich verhält, ob er ignoriert oder nicht, in beiden Fällen ist er nicht in der Lage eine Ablehnung mitzuteilen, weil die Kommunikation entweder weiter geht, dann gibt er der Drohung nach, akzeptiert also, oder der Bedrohte stirbt, dann geht sie nicht weiter, und dann gibts auch keine Ablehnung. (Soviel zum Thema „Witze erklären, die jeder versteht.“)
Aber Ernst beiseite: man kann an eurem Kommentatoren-Engagement immer noch ein geläufiges, und – wie ich meine – trivial gewordenes Wissenschaftsdispositiv feststellen, das, wenn es auch ein hohes Maß an Kontingenzbereitschaft berücksichtigt, so doch immer noch einen letzten positivistischen Ankerpunkt nicht aufgeben will. Kommunikation müsse demzufolge immer noch zu etwas gut sein, müsse zu etwas führen, müsse etwas erbringen; etwas, das zwar einerseits nicht selbst kommunikativ relevant wäre, das aber andererseits jederzeit auch wieder kommunikativ anschlussfähig sein müsste, nämlich: Erkenntnis (oder Wissen oder Erfahrung oder Wahrheit oder irgendetwas besonderes, das auch irgendetwas ganz allgemeines sein könnte).
Aber, ganz nüchtern betrachtet, so gut ich nach zwei Gläsern Rotwein formulieren kann: Was rechtfertigt diesen Optimismus noch? Das Internet liefert uns doch jetzt die Auflösung derjenigen Probleme, die diese Lösung hervor gebracht haben: durch funktionale Differenzierung sind alle in irgendwelchen Häusern eingeschlossen gewesen und haben sich dort mit sich selbst befasst. In diesen verstreut liegenden Häusern fingen nun die Leute an, Computer aufzustellen und sie per Telefonleitung zu vernetzen. Jetzt sitzen sie immer noch in ihren Häusern (Arbeitszimmern, Büros, Ämtern, Internetcafes, Bibliotheken, Unternehmen usw.), aber jetzt lernen sie sich kennen, weil (und nicht: obwohl) sie diese Häuser nicht mehr verlassen müssen.
Und jetzt passiert ein sinnmäßiger Blow-out: all das, was sich in den 200 Jahren fleißig differnziert hat, zerfällt nun vollständig in die Verwirrung einer babylonischen Freiheit. Und nun? Einfach so weiter machen?
Schön ist diese Formulierung von @मनु meta_Manu
„Der Nachweis der Integrität (/ Eine Prüfung der operationalen Geschlossenheit) des Kommunikationssystems hängt von einem Beweis ab, der sich nur dann erbringen lässt, wenn man zweifelsfrei herausstellen kann, dass sich Kommunikationen als Operationen im Kontext des Kommunikationssystems aneinander anschließen lassen. Allerdings muss die Theorie oder Erklärung, die man zur Beweisführung heranzieht selbst operativ an das System, dessen Integrität in Frage steht, angeschlossen werden können.“
Darüber lohnt es sich nachzudenken, was ich mir morgen vornehmen werde.
@neursophie „Der Thread wird jetzt ein wenig monumental“
Von wordpress wurde mir die Nutzung von 3 GB zugesagt, von welchen ich nach 3 Jahren bislang stattliche 11MB belegt habe. Dieser Hinweis nur, um anzudeuten, was wir eigentlich noch unter Monumentalität verstehen könnten. Bei Interesse dazu: Monumente – Dokumente – Performate
Angesichts der von @neurosophie so schön formulierten „monumentalen“ Thread-Situation wird einem nun tatsächlich so langsam schwindlig, wenn mann die bisher erreichte Ausdehnung dieser Diskussion sich soll mit allen einschlägigen Argumenten vor Augen halten. Ehrlich bekannt: sie ist mir im Verfolg des bislang schlichten Mitlesens schon längst entglitten.
Dieser ellenlange Anlauf und Durchlauf der von @meta_manu (das Zeichen davor kann ich leider nicht reproduzieren) vorgelegten sorgfältig geschredderten Argumentationspartikel will – als offensichtlicher Anhänger eines Wittgenstein’schen Denkstils und Formulierduktus – den Eindruck allerhöchster Argumentationspräzision erwecken. Das führt aber bloss in die Irre (in welche, weiss ich noch nicht). Denn wie @neurosophie so schön und treffend kurz gesagt hat: „Soziologie ist keine axiomatische Wissenschaft wie die Physik“. Das stimmt nun mal in jedem Falle. (Auch wenn es – genau genommen – nur deshalb so aussieht, weil die Physik mit der Mathematik und mit den auf Mathe gestützten Argumenten, die dann technisch funktionieren, diesenEindruck erwecken kann. Diese Invisibilisierung der physikalischen (Er)Zähltechnik allein ist es, was die Physik gegenüber den geisteswissenschaftlichen Disziplinen so beeindruckend heraushebt, Aber das nur nebenbei).
Soziologie, und insbesondere die Luhmann’sche, ist nun wahrhaftig keine axiomatische Wissenschaft, sie ist etwas viel besseres: sie ist eine „Brille“, ein optisches, ein perspektivisches „Gerät“ also, extra gemacht, durch entsprechende Annahmen und gedankliche Voraussetzungen („ich gehe davon aus, dass es Systeme gibt“), auf dem hochkomplexen Felde, auf dem schon so viele Größen hervorragend und herausragend gescheitert sind, (alle Handlungstheoretiker, Subjektfetischisten, Objektivitätsfanatiker, Kontingenzleugner), auf diesem Felde nach der gedanklichen (fast) Ausschaltung allen sogenannten „Alteuropäischem“ endlich mal wieder einen neuen (freischwebenden) Anfang zu machen, um nur eines zu erreichen: operativ nachweislich und präzise mehr zu sehen bekommen als alle die anderen von gestern.
Und wer dieses Denkrüstzeug und diese Beobachtungsmasche nicht mitbringt oder nicht anerkennen kann oder einfach nicht wahrhaben will, der kommt mit dieser Art Denkübung eben nicht zurecht. Mit einer vorrangig schon eingebauten „semantischen Sanktion“ der nicht so Redenden hat das überhaupt nichts zu tun. Sogar ein Wittgensteinianer müsste doch eigentlich prima facie einsehen können: es handelt sich eben (wie das Fachgespräch auf dem Bau zwischen zwei Maurern, das dieser Meister so liebte) um nichts weiter als ein spezifisches Sprachspiel. Und Sprachspiele funktionieren nun einmal nur dann einwandfrei, wenn alle die Mitspieler auch die Spielregeln (aner)kennen und im Verlaufe des Spieles durch wohlwollend und wohlmeinend gewählte operative Anschlüsse dafür sorgen, dass das Spiel ungehemmt so weiterlaufen kann, bis endlich das sichtbar wird, was sichtbar werden soll, weil es – dem intrinsichen Sachzusammenhange nach – auch sichtbar werden kann. Und genau um dieses Sichtbarwerden bemüht sich doch nun schon lange und ausgiebig unser Gastgeber hier, dieser strenge und unermüdliche @Kusanowsky.
Uns was sichtbar werden soll, weil jeder merkt, dass es auch sichtbar werden kann, weil es nämlich endlich auch sichtbar werden muss: Die Trolle sind keine „Teufel“, sie sind einfach da, sie nutzen die Anschlussgesetze der Kommunikation frech und entschlossen (oft aber auch nur aus Dummheit) aus, um die Kommunikation, dieses empfindliche und ach so zarte Erkenntnisgebilde, kaputtzumachen, weil sie nicht mehr begreifen, wozu es überhaupt noch gut sein kann.
In der Nuss-Schale (nutshell): Trolle argumentieren durchaus verständig, also mit dem Verstand, aber ihre störende Argumentationsweise fällt den auf (subjektive) Vernunft setzenden Kritikern, die nun mal auf den Wert der Kritik als Erkenntniselement setzen, schlicht auf den kritischen Wecker. Es ist ein Kampf auf dem historischen (durch die neue Technik begünstigten) medialen Gipfel der Kontingenzverwirklichung oder Kontingenzausfüllung: Meinungsfreiheit ist nun medial perfekt frei und oberflächliche Kritik an semantischen Schwächen oder Ausdruckslücken führt einfach nicht mehr weiter: die Kritiker sind die Hasen und die frechen Trolle sind die Igel: sie sind eben – wie alle Frechheit – schon immer eine Runde weiter. Es ist ein Zeitproblem: man kann gar nicht so viel und so schnell kritisieren, wie die Trolle stören.
Ich weiss nicht, wie es Euch allen geht: Aber mir reicht es.
Rudi K. Sander alis dieterbohrer aka @rudolfsanders
„man kann gar nicht so viel und so schnell kritisieren, wie die Trolle stören.“ – ich würde nur umkehren und vermuten: es ist die Kritik, die stört, nicht die Trolle. Denn was diese Trolle angeht: wir alle sind angesprochen, wenn von Trollen die Rede ist. Kritik unter diesen Bedingungen, also Anschluss versuchen per Internetkommunikation, wenn sie Kritik betreiben soll, ist Trollerei.
Vielleicht kann ich meine monströse Erörterung (oben) durch eine relativ knappe Feststellung und Betrachtung abkürzen und konkretisieren…
@Kusanowsky
Wenn ich Deine Ausführungen im Wesentlichen nun richtig verstanden habe, dann sprichst Du einen Sachverhalt an, in dem Du die operationale Geschlossenheit der Kommunikationen im Internet als bedroht empfindest. Du gehst quasi davon aus, dass sich Meinungsäußerung (insbesondere als Stör-Kommunikation im Internet) rekursiv „ad absurdum“ führt.
Was ich darin verstehe, will ich hier noch einmal mit eigenen Worten formulieren:
Jede Äusserung verschwimmt im Rauschen.
Unsere Meinungen verlieren im Netz zunehmend an Relevanz.
Unsere Meinungsäusserung findet in der Regel kein Gehör mehr…
Es entsteht keine bedeutsame Resonanz mehr, auf Signale, die von Einzelnen gesendet werden. Inhalte gehen unter.
Das Gegenteil ist nicht beweisbar, weil der Gegenbeweis schon vorliegt und der Einwand im Hinblick auf das allgemeine Tösen und Toben sowieso ebenso wenig „anschlussfähig“ sein kann.
Ich will hier auch noch einmal auf Kernaussagen in Deinem (Video-)Beitrag von der „Trollcon 2012“ Bezug nehmen:
Du meinst im Weiteren Verlauf, dass Meinungsäusserung nicht mehr zur Kommunikation (im engeren Sinne)/ zur Vermittlung von Ansichten und Meinungen und Inhalten betrieben wird (oder werden kann), sondern im Wesentlichen nur noch dem Zweck der „Psychohygiene“ dient(/ dienen kann).
Ich möchte nun meinen Einwand (erneut) durch das Rauschen schicken, dass ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass sehr wohl Gedanken, Ideen, Meinungen und Kommunikationen als Operationen angeschlossen werden können und angeschlossen werden. Menschen (als Bewusstseinssysteme) sind in der Lage zu lernen, auch wenn Kommunikationssysteme scheitern.
Deine Beobachtung, dass einzelnen Meinungen in der „Gesamtheit der Meinungen“ keine Relevanz mehr zukommen kann, ist bestimmt auch wahr, WENN Du die Gesamtheit der Meinungen als Rahmen für die Betrachtung des Kommunikationssystems („Internet“?) definierst.
Diese (starre und absolute) Definition der Systemgrenzen halte ich allerdings für unsinnig und verfehlt.
Um meinen Einwand nun zweckmäßig abzukürzen (zu konkretisieren!)..:
Das Dilemma der Kommunikation, das Du erkennst, adressierst und benennst, besteht letztlich nur in der einer fragwürdigen Definition der Systemgrenzen zur Betrachtung der operationalen Geschlossenheit unserer Kommunikationen.
Ich denke, wir sollten anerkennen, dass Systemgrenzen für „soziale/ kommunikative Systeme“ in einer „Netzwerkgesellschaft“ in jeweils nur äusserst sporadisch ermittelbar sind, je nach gegebener Aufmerksamkeit fluktuieren und sehr flexibel und weich erlebt werden können.
Die Frage ist nicht, ob sich Kommunikationen operativ anschließen lassen, sondern in welchem Rahmen der Anschluss gerade als funktionierend zu beobachten ist. Darin definiert sich dann nämlich die Systemgrenze eines sozialen Systems, welches im Netzwerk aktuell dem Zweck der Kommunikation dient und als Kommunikationssystem durchaus Integrität und Stabilität besitzt.
Zumindest für eine kleine Weile oder einen Moment.
Ein solches Kommunikationssystem kann im Netz „on-the-fly“ entstehen und ebenso sporadisch wieder gestört/ zerstört und einvernehmlich aufgelöst werden, wenn es seinen Zweck erfüllt hat/ oder wenn es gescheitert ist.
Es gibt also keinen wirklich triftigen Grund am „Wert“ oder an der „Relevanz“ der Kommunikationen im Netz zu zweifeln.
Ich sehe, dass tatsächlich ein reger gesellschaftlicher/ sozio-kultureller Katalyseprozess in der Netzkommunikation geschieht, der durchaus ein sozial relevantes Moment der Wertebildung (oder kulturellen Musterbildung) zufolge hat. Selbstverständlich sind Operationen anschlussfähig… Eben jeweils dort, wo kommunikative Einheiten sich auf Kommunikation einlassen, entsteht durchaus ein relevanter Erkenntnisgewinn.
Lediglich die Systemgrenzen innerhalb derer Kommunikationen als Operationen angeschlossen werden sind nicht mehr langfristig, weiträumig, eindeutig greifbar… das heisst nicht, dass diese Systeme sich nicht mehr abgrenzen oder definieren (lassen)… Wir beobachten lediglich, dass die Definition der Systemgrenzen flexibel und sporadisch geworden ist…
Systeme blitzen auf und verglimmen wieder.
Trotzdem ist der Impact der Kommunikation durchaus beachtlich.
Ich gehe sogar davon aus, dass im Laufe der Geschichte nie zuvor ein derart reger und effizienter Wertebildungsprozess stattgefunden hat.
Selbst wenn ein Kommunikationssystem im Rauschen verglüht, so kann man davon ausgehen, dass zumindest einige durchsetzungsfähige Ansichten, Gedanken und Ideen, ihren Weg in ein „Bewusstseinssystem“ gefunden haben.
Man sollte in der Frage, ob Operationen anschlussfähig sind differenzieren:
Kommunikationen, die als Operationen angeschlossen werden, bilden ein Kommunikationssystem/ ein soziales System.
Gedanken und Ideen, die sich operational anschließen lassen, bilden ein psychisches System (oder: „Bewusstseinssystem“).
Selbst wenn ein Kommunikationssystem/ ein soziales System sich in Rauschen auflöst, am „Dröhnen“ der Meinungsäusserungen erstickt, zerfällt und scheitert oder gewaltsam zerstört wird, so schließt das nicht aus, dass ein relevantes Maß an Gedanken und Ideen aus dem gestörten/ zerstörten Kommunikationssystem in den Bewusstseinsystemen (in Form von Einsichten und Erkenntnissen) angeschlossen worden sind und angeschlossen werden können.
Solange die Gedanken aus den obsoleten Kommunikationen wenigstens in Fragmenten noch nachvollziehbar, reproduzierbar und ablesbar bleiben, besteht die Chance, dass „Bewusstseinssysteme“ daraus relevante Schlussfolgerungen ziehen können, die sich letztlich ja auch wieder in anderen/ neu geschaffenen Kommunikationssystemen als kommunikative Operationen anschliessen lassen.
Futility is a lie.
Ich hab‘ die Diskussion insgesamt nochmal als Dokument (PDF) verpackt…
https://docs.google.com/open?id=0B-PppAZB0S8TbC1XYU51ZmJoNXM
Das ist weder „Trollerei“/ noch Wichtigtuerei oder Selbstdarstellung…
Es geht mir hierbei ganz ehrlich um die Vermittlung von Einsichten/ Ansichten und Erkenntnissen. Es geht mir darum nicht einzuknicken in der Überforderung der Reizüberflutung…
(Die Kommunikationen, die ich für anschlussfähig erachte, sammle ich oft auch mal als Dokumente… für mich selbst… und für jeden, den das irgendwann noch interessieren könnte… um den Anschluss der Operationen zu vereinfachen.)
Ich weiss… ich kann saumässig nerven mit meiner Einmischung.
Ich sehe das auch ein, aber…. hier stehe ich und kann nicht anders! 😉
Was man als „Trolling“ wahrnimmt ist doch letztendlich die eigene Überforderung.
„Harrassment“(Belästigung)! Die Kehrseite der Toleranz.
Wie gesagt… das Internet ist ein riesiger Supermarkt.
Selbstverständlich sind Operationen darin anschlussfähig.
Zahlen tun wir lediglich mit Aufmerksamkeit = Lebenszeit/ Lernprozess …
meta_manu (aus Google+): Da hast Du nun wohl zum Erschrecken von Niklas Luhmann (aber der hatte das schon tastend kommen sehen) ein großes Wort gelassen ausgesprochen: die Funktionssysteme kollabieren, autark waren sie ja nie, immer auf Leistungen der anderen Systeme angewiesen (und auf die Natur: zum Beispiel Gravitation), aber sie waren autonom, sie inkludierten rücksichtslos alle, und wen sie nicht „mochten“ (die Favelas), den exkludierten sie eben. Was ist nicht alles schon exkludiert worden in dieser angeblich voll durchglobalisierten Welt. Suchen sie sich, bitte etwas aus.
Vergeblichkeit (Futility) sei eine Lüge, hiess es da oben, ein krasses Wort, besser: Vergeblichkeit ist vergeblich, weil eben nicht in der kommunizierenden Welt wahrhaftig vollkommen und für immer und für alle vergeblich ist, gar nicht sein kann. Auch der leiseste und harmloseste Furz wird mindestens von einem gerochen, von dem, der gefurzt hat. Also: NICHTS ist in dieser unserer globaliserten Welt verloren. Nur: das ganze Gerede, der Noise, trotz Internet, es blitzt zwar global auf, dafür sorgt schon die globale Vernetzung, die ja real besteht, aber: alles kommunikativ Aufblitzende sedimentiert sich NIEMALS im globalen Felde der Kommunikation, das geht ja schon nicht, wegen der mangelnden Ausmerksamkeitsfähigkeit der Globalisierten, auch wegen ihrer gar nicht vorhandenen Aufmerksamkeitswilligkeit: alles Reden sedimentiert sich immer nur ganz altmodisch lokal in kleinen und kleinsten Gruppen. Die Timeline dieses berüchtigten @rudolfanders hat zur Zeit 233 durchaus aufmerksame Follower, aber: wenn dieser @rudolfanders irgendwas Hochgestochenes sagt, über Sloterdijk, über Badiou, über Tarde oder – jetzt gerade wieder – über diesen zweitausend Jahre toten Plutarch, dann reagieren von diesen 233 potentiellen Mitmachern immer nur höchstens zwei oder drei, genau die, denen das Gesagte gerade irgendwie gefällt oder auch gerade in ihren Kram passt.
Also: Globalisierung der Aufmerksamkeit ist eine (behauptete Utopie, heisst: sie hat KEINEN globalen Ort, höchstens einen minimalen lokalen kleinen örtlichen, einen mit nicht einmal Dorfcharakter). Das globale Dorf des Informationsträumers Mc Luhan hat sich – Treppenwitz – erfüllt als ein klitzekleines lokales Dörfchen von drei bis fünf Interneteinwohnern, weniger, als die realen Dörfer im trauten Mittelalter. Alle Twittern, alle sind bei Facebook oder bei Goggle+, aber ein jeder dieser fleissig ihre freie Meinung verkündenden Aktivisten der ungebremsten Meinungsfreiheit, jeder hat nur drei wirklich zuhörende und am Thema interessierte Teilnehmer, die Anteil nehmen an dem, was der jeweilige Redner gerade so heiss verkündet.
Für die drei oder fünf, die da bei irgendeinem Kommunikationsblitz gerade ihre kostbare Aufmerksamkeit verbunden haben, für diese „Kurzzeitfreunde“ ist der laufende Disput (Thread, Diskurs) tatsächlich ein Gewinn, ein Gewinn, den ihnen kein Troll der Welt zerstören kann. Also: immer auf dem Teppich bleiben, kein Grund zum Verzweifeln. Es gibt schon noch immer etwas dazuzulernen, und sei es im allerkleinsten Kreise.
Machen wir also in dieser bewährten FORM im MEDIUM des Internet fröhlich weiter.
Rudi K. Sander alias dieterboher aka @rudolfanders
Die Seele Zarathustras wird in dem Augenblick, in dem sie der Ewigkeit alles Zeitlichen als des Zeitlichen
gewahr wird, zum >Umfang aller Umfänge<, zur umfänglichsten Seele, weil in ihr die Welt ganz umfasst wird. IM NU IST DIE WELT IN IHRER VOLLKOMMENHEIT DA kraft der weltverklärenden Seele Zarathustras.
Die Vernunft (will) als Substanz verselbständigt…. existieren, (Descartes) oder (im Wesentlichen sogar) ein Atribut des Seins selbst sein und deshalb unendlich bedeuten. Ich, das Subjekt sondert Heute insofern seine
nichtssagenden Hochglanzpermutationen ab, und die kann man hier bestaunen oder auch lächerlich finden. Die Vernunft will !! ( Ich will, Rammstein) noch mal an ihren Eiern geschaukelt werden, ihre Subjektität will noch einmal die Stoßrich-
tung des Guten und Fortschrittlichen sein, will (ehern) als metaphysische Leitlinie (z. B.) der Habermasianer dienen, systemtheoretisches Denken dient als Vorwand , daß sie im Grunde doch wesensgleich sind mit den natürlichen Rückfälligkeiten jeglichen Fortschritts, den es im übrigen niemals gegeben hat, wenn man die sich
immerzu weiter ausdehnenden Rückkoppelungen letztlich entropischer Systeme bedenkt. Wer Heute noch an
Fortschritt glaubt, ist einigermaßen ein Idiot.
@मनु meta_Manu
zurückliegend hatte ich geschrieben: „Die zu falzifizierende Hypothese lautet, dass keine Operation anschlussfähig ist. Und wenn sich das nicht bestätigt, muss dafür eine Erklärung, eine Theorie gegeben werden, die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum diesselbe Falzifikation gilt: eine Erklärung, eine Theorie kann nicht formuliert werden. Und wenn das nicht stimmt, muss dafür wiederum eine Erklärung, bzw. Theorie formuliert werden usw.“
Danach hattest du geschrieben: „Wenn ich Deine Ausführungen im Wesentlichen nun richtig verstanden habe, dann sprichst Du einen Sachverhalt an, in dem Du die operationale Geschlossenheit der Kommunikationen im Internet als bedroht empfindest.“
Diese Überlegung ist nicht anschlussfähig, weil ein System eine Kopplung von Elementen ist, die von der Struktur des Systems determiniert ist. Die Bezeichnung dafür ist „Strukturdetermination“. Insofern sind selbstreferenziell geschlossene Systeme autopoietische Systeme, welche die Elemente, die sie verwenden, durch ihre eigenen Operationen herstellen, um dadurch wiederum ihre Funktionen zu garantieren. Was für das System Element ist, wird vom System selbst festgelegt. Durch die jeweils eigene Funktionsweise schafft es seine operative Geschlossenheit. Damit wird auch die Systemgrenze operational bestimmt; sie ist nicht ontisch vorgegeben, sondern ereignet sich im Vollzug der Selbstkontrollvorgänge und der Systembeobachtung. Die Systeme funktionieren nur solange wie die Anschlußfähigkeit ihrer Operationen gegeben ist. Diese ist immer prekär: Interaktionssysteme zerfallen meist sehr schnell, Organisationen funktionieren länger. Das gilt nicht jedoch für die Gesellschaft, da jede Kommunikation Gesellschaft reproduziert. Gesellschaft als Gesamtsystem hat weder einen Anfang noch ein Ende.
Für Internetkommunikation würde ich allerdings die Erweiterung vorschlagen, dass die Verkoppelung von Elemten (hier spezifiziert als „Argumente“) als Assoziation nur dann noch möglich ist, wenn auf Dissoziation nicht verzichtet wird. Internetkommunikation liefert die Möglichkeit, dass Assoziation trotz Dissoziation gelingt. Verkoppelung durch Entkoppelung: das hat vor allen Dingen Auswirkungen auf die Stabilisierung eines sozialen Gedächtnisses, das unter dieser Voraussetzung höchste Schwiergkeiten hat, weil es sich dabei nicht selbst um ein System handelt. Der Gedächtnisverlust wird immer wahrscheinlicher und schlägt sich nieder in der beständigen Assoziation und Dissoziation von Elementen, gemeint sind Argumente, die zwar jeder Zeit möglich sind, aber eben zu nichts mehr führen.
Aus diesem Grund ist der Einwand der Vergeblichkeit („Futility is a lie“) vergeblich.
@petervonkloss
Was ist „Fortschritt“?…
Wie kann man „Fortschritt“ definieren, wenn nicht als (notwendige) Adaption. als Wandlung sozialer Systeme – in Reaktion auf Erkannte Defizite im Rahmen der jeweils gegebenen Handlungsoptionen. „Gesellschaft“ entwickelt sich. Als „Fortschritt“ betrachte ich jede (innovative) Adaption, die zur Optimierung der Kommunikationssysteme beiträgt.
@kusanowsky
Du schreibst oben in Reaktion auf meine (Fehl-?)Interpretation Deiner Aussage (01):
Du schreibst weiter oben:
Darauf wollte ich hinaus.
Exakt auf diese Inkonsequenz wollte ich hinweisen, als ich oben schon geschrieben habe:
Ich hatte angenommen, dass Du in Deinem Blog nicht selten eine gewisse Verzweiflung über das von Dir angesprochene Scheitern der (gelungenen, freien) Meinungsäußerung (im Netz) aus einer Systembeobachtung resultiert, in der Du Systemgrenzen für unsere Kommunikationssyteme weiter zu fassen scheinst, als tatsächlich operational gegeben.
Verstehe ich Deine Aussage also immer noch nicht richtig?
In der Diskussion mit @stromgeist HIER:
https://differentia.wordpress.com/2012/11/06/der-kritische-prozess-ist-zuende-str0mgeist/
… hast Du geschrieben:
Weiter oben hier im Thread hast Du geschrieben:
Aufgrund dieser Aussage ist mir Mittwoch Vormittag bereits schon eine Allegorie durch den Kopf geschossen, die man als „Spielfeld-Problem“ benennen könnte…
Ich dachte mir:
Das Spiel?… aus?
Welches Spielfeld beobachtest Du denn?
Wir spielen doch. Oder nicht?
Wenn wir nicht spielen… Was tun wir dann hier?
quod erat demonstrandum/ that is exactly the point.
Darauf will ich hinaus: Die Feststellung der Vergeblichkeit ist davon abhängig, welches Spielfeld man betrachtet.
Wenn das nicht der „kritische Prozess“ ist, den wir uns gewünscht haben, was fehlt denn dann wirklich, wesentlich und effektiv?
Liegt das „Problem“ nicht vielleicht doch in der irreführenden und frustrierenden Annahme, dass die Systemgrenzen innerhalb derer das Spiel abläuft anders auszusehen haben, als sie eben hier und jetzt in Erscheinung treten?
Kann es sein, dass wir zu blöd sind zu begreifen, dass wir gewonnen haben…
Was vermissen wir denn jetzt überhaupt auf der Party?
Dein Kernargument („Die Trivialität der kritischen Diskussion“) basiert schließlich darauf, dass Du lediglich unzufrieden mit dem operationalen Rahmen zu sein scheinst, in dem unsere Interaktion und Kommunikation/ unser Spiel stattfindet.
Die Feststellung/ Behauptung/ Annahme, dass unsere Meinungen trivial und irrelevant geworden sind, ist doch nur dann gültig und anschlussfähig, wenn man den effektiv gegebenen Rahmen nicht akzeptieren möchte, in dem unsere Kommunikation stattfindet, abläuft und funktioniert.
Hier und jetzt läuft doch ein Spiel ab.
In diesem operationalen Rahmen eben…
Wir schaffen (gemeinsam/ interdependent) ein (durchaus funktionales) „Spielfeld“/ einen Rahmen in dem wir entweder tatsächlich inhaltlich anschlussfähige Kommunikationen (kritisch, vernünftig) diskutieren und prüfen oder auf der Metakommunikationsebene diskutieren, ob unsere Argumente und Kommunikationen als Operationen anschlussfähig sein können… (oder warum sie vielleicht weniger oder gar nicht anschlussfähig sein können.)
Es findet hier Kommunikation statt.
Hier in diesem Knoten herrscht genug Aufmerksamkeit und Anstand, dass eine (relativ beachtlich) kohärente kritische Diskussion zustande kommt.
Meinungen werden angehört.
Ansichten werden diskutiert.
Auf der Ebene der Metakommunikation wird geklärt, welche Ansichten und Meinungen diskussionsfähig sind und welche Einwände (aus welchen Grund) vielleicht aus dem Rahmen fallen und nicht anschlussfähig sind.
Es werden Fragen inhaltlich diskutiert, die sich aus Deinem Vortrag ergeben haben und es wird über die Sprache/ Form/ und Kohärenz der Diskussion diskutiert, die wir hier führen…
_________________________________________________________
Und im Rahmen dieser Überlegung ist mir gestern auch noch ein zweites Bild durch den Kopf geschossen, das ich für aufschlussreich zur Entschlüsselung der Systematik unserer Kommunikationen halte.
Differenzierung von Kommunikation und Metakommunikation

Ich würde dieses Bild als Kommunikationsmodell als „Russian-Doll-Dynamik“ oder „Babuschka/ Matrjoschka-Dynamik“ bezeichnen.
Wenn Kommunikationen operational nicht anschlussfähig sind, dann geht es darum, einen bewussten Wechsel von der Inhaltsebene(/ vom Kernthema) auf eine Meta-Ebene zu vollziehen.
Im Zentrum der Matrojschka steckt (in der Regel) das Kernthema/ die Kernfrage der Diskussion.
Kommunikation verläuft immer auf verschiedenen Ebenen.
Schwierig wird es, wenn das Kernthema/ die Kernfrage eingehüllt bleibt in Metakommunikation… Man muss in der Lage sein, die Schichten der Kommunikation zu differenzieren, damit sich die Diskussion nicht in Trivialität und (gegenseitige) Störung/ Ablenkung von Kernthema verläuft.
Kommunikation funktioniert dann optimal, wenn man sich jeweils bewusst bleibt und darüber verständigt, auf welcher Ebene man kommuniziert/ in welcher Hülle das Kernthema zu finden ist.
Es gibt durchaus hohle, triviale Debatten, die man dadurch entlarven kann, dass man sich über diese „Matrojschka-Dynamik“ der Kommunikation bewusst wird.
Wenn man die Aussagen nach Inhalt abklopft/ „Schalen der Kommunikation“ öffnet und keinen Kernpunkt findet, dann hat man eine Diskussion oder ein Argument als trivial entlarvt… (Was allerdings nicht heißen muss, dass man eine leere Schale nicht mit nicht-trivialen Inhalten füllen kann!)
Ich kann mich erinnern, dass Du in Deinem Vortrag eine kleine persönliche Anekdote erzählt hast:
Wenn Du Deine Frau fragst:
Sie sagt:
Du antwortest:
Dann war diese Kommunikation ganz klar asymmetrisch.
Du hast eine leere „Matrojschka“ abgegeben.
Die Frage, ob man etwas fragen darf ist Metakommunikation.
Eine Einleitung, die eigentlich eine Frage impliziert.
Das ist eine Form von „Trolling“.
Willkürliche triviale Kommunikation zum Selbstzweck.
Kommunikation abseits von Inhalten.
Wenn man allerdings eine Hülle für diesen Prozess findet.
Also „meta“ zu dieser Kommunikationsebene verständlich machen kann, dass es sich um ein humorvolles Spiel mit Zeichen handelt, kann die offene, hohle, triviale Kommunikationshülle wieder geschlossen werden. Die Spannung wird aufgelöst …
(Triviale oder sinnvolle) Kommunikation ist wieder möglich.
Oft werden die offenen/ inhaltsleeren „Hüllen“ der Kommunikationen besonders im Hinblick auf das Phänomen Trollkommunikation nicht befriedigend geschlossen.
Das sehe ich als relevantes aber lösbares Problem.
Das Spiel mit Zeichen funktioniert.
Dar operationale Rahmen muss dazu allerdings geklärt sein.
@kusanowsky… @dieterbohrer
Der Satzbau ist mir oben leider durcheinander geraten! 😉
Ich hatte angenommen, dass [Deine] Verzweiflung über das von Dir angesprochene Scheitern der (gelungenen, freien) Meinungsäußerung (im Netz) aus einer Systembeobachtung resultiert, in der Du Systemgrenzen für unsere Kommunikationssyteme weiter zu fassen scheinst, als tatsächlich operational gegeben. (wollte ich oben schreiben.)
Um auf den Punkt zu bringen, was ich damit meine:
Du sprichst das Problem der gesellschaftlichen „Ratlosigkeit“ an….
Ich denke, man kann nicht erwarten, dass unsere „Meinungen“ von DER „Gesellschaft“™ angehört werden müssen… Das geht ja gar nicht, wenn man die „Gesellschaft“, als „alle füreinander kommunikativ zugänglichen Ereignisse“ begreift.
Unsere Meinungen können doch sowieso jeweils nur innerhalb einzelner Ineraktionen Gehör finden/ angeschlossen werden… also, der Prozess, bis eine Meinung von „Gesellschaft“ wahrgenommen werden kann, beginnt doch zumindest hier, wo wir jetzt stehen…. oder nicht?
Im Grunde genommen geht es doch im Wesentlichen um den Wunsch, als engagierter Bürger (Teilnehmer am Kommunikationsystem „Gesellschaft“) auf den Prozess der politischen Entscheidungsfindung Einfluss nehmen zu können, wenn man der Ansicht ist, dass die eigenen Gedanken, Ansichten und Ideen zu einer optimalen Lösung und Klärung aktueller sozialer Fragen und Probleme beitragen kann.
Das hat allerdings immer nur insofern funktioniert, als leitende Instanzen in Erscheinung getreten sind, die stellvertretend für „alle füreinander kommunikativ zugänglichen Ereignisse“ Entscheidungen treffen können.
Ich denke, wir befinden uns ohnehin in einem interessanten gesellschaftlichen Wandlungsprozess… ein Prozess, in dem wir uns zunehmend mehr Optionen erschließen, unsere „Gesellschaft“ flexibel zu strukturieren und zu arrangieren.
Es geht in einer „Netzwerkgesellschaft“ vor allem darum ein jeweils geeignetes „Spielfeld“ (und jeweils geeignete Spielregeln) für soziale Interaktionen zu vereinbaren, in dem unsere Meinungen, die wir kritisch äußern tatsächlich wahrgenommen werden und tatsächlich zu möglichst optimalen (politischen) Entscheidungen führen können.
http://de.wikipedia.org/wiki/Vermaschtes_Netz
Was „Gesellschaft“ ist, wird eben auch nicht „ontisch“ definiert/ bestimmt und festgesetzt, sondern operational…
Ich schließe mich mit dieser Einsicht an @dieterbohrer an, der oben gemeint hat:
Wir bilden Knoten der sozialen Interaktion….
In diesen Knoten (wie hier) funktioniert doch auch die Kommunikation.
(Mehr oder weniger… wir bemühen uns doch zumindest!) ‚
Von diesen Knoten der Interaktion und Kommunikation aus verbreiten sich Meinungen und Ansichten und Ideen und Gedanken…. wenn diese Meinungen und Ansichten und Ideen und Gedanken interessant genug sind, dann setzen sie sich auch an weiteren Knoten der Interaktion und Kommunikation im vermaschten Netz durch. . .
Bis eben weitgehend „alle füreinander kommunikativ zugänglichen Ereignisse“ einbezogen/ informiert/ operativ angeschlossen sind…
„Die zu falzifizierende Hypothese lautet, dass keine Operation anschlussfähig ist. Und wenn sich das nicht bestätigt, muss dafür eine Erklärung, eine Theorie gegeben werden, die selbst als Operation in diesem verminten Feld vorkommt und für welche dann wiederum diesselbe Falzifikation gilt: eine Erkklärung, eine Theorie kann nicht formuliert werden. Und wenn das nicht stimmt, muss dafür wiederum eine Erklärung, bzw. Theorie formuliert werden usw.“
„Es findet hier Kommunikation statt.“ – Dieses Argument ist nicht anschlussfähig, es findet sich kein weiteres Argument, mit dem es verknüpfbar wäre. Die Erklärung dafür könnte lauten, dass Kommunikation selbst keine Meinung ist. Wenn sie funktioniert, so kann sie Meinungen kommunizieren, aber sie muss dies nicht notwendigerweise tun, und schon gar nicht muss notwendigerweise Meinungsausstausch, Meinungskonkurrenz, Meinungsvergleich, ganz allgemein Meinungskommunikation stattfinden, um Urteilsfähigkeit zu bilden, zu erhalten oder zu steigern. Meinungskommunikation als allgemeiner Begriff für Kritik, ist eine Möglichkeit, die sich für die moderne Gesellschaft als brauchbar, als nützlich, als praktikabel erwiesen hatte, weil sie zugleich die Bedingungen herstellte, durch die Meinungskommunikation attraktiv werden konnte. Die Bedingung war vor allem dadurch entstanden, dass Gott als verlässliche Instanz der Wahrheit verschwunden war (heißt: Gott war nicht gestorben, sondern nur die Verlässlichkeit des Glaubens). Dieser Verlässlichkeitsverlust konnte sich aber erst ereignen, nachdem sich schon ein Ersatz angeboten hatte, nämlich: Verlässlichkeit auf Menschenvermögen. Die Herausbildung, Differenzierung, Verbesserung von Menschenvermögen konnte nur durch seine sozial-determinierte Einschränkung gelingen, also durch Kritik. Und Kritik braucht Widerstand, Kritik braucht Hürden des Scheiterns, Kritik braucht Risiken. Insofern ist Kritik nicht nur geeignet, um Welterklärung zu ermöglichen, sondern auch zur Rechtfertigung ihrer eigenen Erklärungswelt: Mit Kritik kann man erklären, dass es keine UFOs gibt, und man kann rechtfertigen, dass diejenigen, die es dennoch behaupten, keine Professur an einer Universität erlangen können. Kritik erzeugt damit Exkludierung von Sachverhalten und Personen. Diese zahllosen Exkludierungen verschwinden aber nicht aus der Gesellschaft, sondern führen nur zur Differenzierung und zur anderweitigen Inkludierung. Dieser Prozess der Inkludierung von allem und allen durch ständige Exkludierungen nach Vorgabe der immer gleichen Differenzierungsform ist nicht mehr praktikabel: die Kapazitäten, die Exkludiertes auffangen könnten, haben sich durch ihre Ausweitung vollständig erschöpft, indem nunmehr durch Internetkommunikaiton alle Hürden soweit absenkt sind, dass nichts mehr exkludiert werden kann. Daraus müsste eigentlich die Überlegung folgern, dass etwas anderes als Menschenvermögen vertrauenswürdig ist. Nur kann man sich darüber nur sehr schwer irritieren, weil es nicht so leicht ist zu sagen, was das sein könnte. Wenn ich versuchen wollte zu argumentieren, dass die Gesellschaft selbst, also die indifferente Gesamtsumme aller möglichen Differenzen der Kommunikation, selbst vertrauenswürdig ist, so wird sich schnell zeigen, dass dieses Argument nicht anschlussfähig ist.
Gut. Nach zweimaligem Betrachten des Trollcon-Auftrittes und einigen Stunden des Lesens (und des Denkens) verstehe ich jetzt in Ansätzen, was die Informationen bedeuten könnten und was sie in mir an Gedanken auslösen. Ich gelange zu einer gewissen Resonanz und verfolge zum Beispiel Twitter-Diskussionen mit einem verstärkten Eindruck von „was soll’s?“. Ebenso steigt die Zahl der nur angedachten, angefangenen oder ausformulierten, aber nicht abgeschickten Diskussionsbeiträgen gegenüber den eingereichten. Dieser hier ist eine Ausnahme.
Falls der Wunsch besteht, dass auch Laien etwas mitbekommen, ist die Sprachwahl nicht unerheblich. Redundanz ist dabei nicht das Problem.
azymuth
„Ich gelange zu einer gewissen Resonanz und verfolge zum Beispiel Twitter-Diskussionen mit einem verstärkten Eindruck von “was soll’s?“
Ja. Ich auch. Meinungen treffen auf Gegenmeinungen, Gegenmeinungen auf Meinungen. Die Kommunikation von Meinungen hat ein Ausmaß angenommen, das jedes rationales Maß übersteigt – und – nachdem dies herausgefunden und bestätigt wurde, geht das Spiel genauso weiter. Das geht deshalb immer so weiter, weil es ganz einfach geworden ist, schnell, leicht, trivial, banal. Die Form der Kritik als Erfahrungsform (i.e.: die Dokumentform als Unterscheidung von Abitrarität und Referenzierbarkeit) ist schwach geworden, wobei erst diese Schwächung die Autopoiesis beschleunigt. Kritik als Störkommunikation ist, weil sie ganz einfach geworden ist, nunmehr anfällig für Störungen, die durch Unterlassung von Störung entstehen. So jedenfalls beurteile ich immer wieder Adressierungsversuche an mich, die mitteilen wollen, dass ich doch mal sagen solle, worum es mir eigentlich geht: ich solle doch mal bitte etwas kritikfähiges äußern. Dies verweist auf eine diabolische Falle: wenn ich versuche, dies zu sagen, wird mir entgegenbracht, dass ich es mir da sehr leicht mache; mache ich es komplizierter, wird eingewendet, dass das schwer zu verstehen ist. Ergo: „was soll’s?“
Mein Gegenvorschlag lautet, eine Assoziologie unter Beobachtung zu stellen, ein Vorschlag, der aber nicht akzeptierbar ist, weil er auf Kritik stößt: ich solle doch erst mal sagen, was ich damit meine, und wenn ich dies tue, werden einfach nur andere Meinungen geäußert. Was soll’s? Auf solche Beobachtung stößt man, wenn man statt Menschen, Meinungen, Schulen, Methode, Theorien, Motive, Metaphern, Wahrheit oder Vernunft zu beobachten die Kommunikation beobachtet.
Deshalb: beobachte doch mal die Kommunikation (und nicht etwa eine Adresse, eine Meinung, eine These, eine Schule, eine Theorie) Gewiss: die Beobachtung von Kommunikaiton geschieht nicht theorielos, die Theorie geschieht aber auch nicht ohne Kommunikation. Ich versuche, die Kommunikation durch Verzicht auf Störung zu stören. Deine Ratlosigkeit freut mich daher sehr. Das nehme ich als Volltreffer.
„Die Kommunikation von Meinungen hat ein Ausmaß angenommen, das jedes rationales Maß übersteigt.“
Die irreduzible Maßlosigkeit der Meinungen (oder im demokratischen Entscheidungsfindungsprozeß: der Stimmen) und die Kritik an ihr ,auf die Du anspielst war und ist ein Problem der Demokratietherie seit ihren Anfängen in der Antike. Die Unterstellung dabei, Meinungen seien in Ordnung, ein auf ihnen gründendes Verständigungsparadigma gangbar und operativ umsetzbar, solange sich für sie ein Maß finden ließe, unterschlägt allerdings die konstitutive Maßloskeit, die bereits mit der ersten, scheinbar noch unwidersprochenen Meinung/Stimme in die Welt kommt: Jede solistisch vorgetragene These ist in sich bereits polypon angelegt. Liegt mit sich selbst im Clinch oder vedoppelt sich affirmativ (ja, ja). Wo Meinung (doxa) aufkommt, das war schon Platon klar, ist das „So what?“, das „Was soll´s“, die sophistische Ursprungs- und Ziellosigkeit bereits dekonstruktiv am Werk. Als Kampfbegriff, vielleicht Schundkampfbegriff, setzt sich ihr Episteme, Wissenschaft entgegen, die aller Mühen Ertrag auf einen terminus ad quem hin kanalisiert. Der im maieutisch herausgebrachten dessen bestehen soll, was von vornherein schon da war, aber vermieden/verdrängt, unerkannt und unbegriffen.
Die alleinige Klage oder der Trimph darüber, dass es mit Meinungen so wie bisher nicht mehr weitergehen könne, ist mithin durch und durch von platonischen Impetus geprägt. Gefolgt von der Forderung, es müsse doch was Neues her, für dass es sich LOHNE, die Urteilskraft (ein von Kritik und Vernunft, besser: von Kritik ALS Vernunft und Vernunft als Kritik nicht zu trennendes Vermögen) überhaupt aufzubieten, wie es im Video etwa heisst.
Aber ginge es nicht eher darum, Kommukation zu treiben, ohne den Ausblick auf jeglichen Lohn (weder in dieser noch in jenseitigen Welten)? Bzw. darum, den Lohn eben in dieser ehrenamtlich maß- und ziellosen Ertraglosigkeit der Meinungen zu erblicken? S´engager sans gage.
„S´engager sans gage.“
Hier hatte ich geschrieben: „Es gibt nur eine Sache, die so einfach ist wie eine Meinung zu äußern, nämlich: eine andere zu äußern.“ Diese Aussage ist unvollständig. Vollständigerweise müsste müsste sie lauten: „Es gibt nur zwei Sachen, die so einfach sind wie eine Meinung zu äußern, nämlich: erstens eine andere und zweitens keine andere zu äußern“.
Ich bitte darum, diese Ergänzung im Protokoll nachzutragen.
@Kusanowsky 🙂
Zunächst mal möchte ich Dir meinen ehrlichen Respekt aussprechen und Danke sagen, dass Du überhaupt noch die Geduld aufbringst, Dich an der hier ablaufenden (ermüdenden?) Kommunikation zu beteiligen…
Damit beweist Du ein gewaltiges Maß an Gelassenheit, Aufgeschlossenheit und Gastfreundschaft.
Ich weiss, die Diskussion hier mit Dir/ mit Euch ehrlich zu schätzen… auch wenn ich nicht davon ausgehen kann, dass ihr das ebenso als Vergnügen erlebt… 😛 😉
Allerdings empfinde die Kernaussagen hier im Blog beim genaueren Hinsehen, als relativ unsachlichen Kulturpessimismus.
… o.O
Lieber Klaus Kusanowsky…
Sind Meinungen quantisierbar, wie Äpfel, Birnen oder Socken?..
Ist die Tragik, die Du uns hier in Deinem Blog, Deinen Äusserungen und Deinen Kommentaren vermitteln möchtest, nicht lediglich ein Ausdruck Deiner (subjektiv erlebten) Erschöpfung/ Deiner Überlastung/ Überreizung?
„Das Spiel ist aus!“ !? (Kusanowsky – 5. November 2012 um 17:44 )
Damit sagst Du ja im Endeffekt nichts weiter aus, als dass Du keine Lust mehr hast mitzuspielen… Kann es sein, dass Du lediglich aus dem Gefühl der intellektuellen Übersättigung heraus aufgibst, Meinungen differenziert qualitativ einzubeziehen, zu bewerten und gedanklich zu integrieren.
//scnr..: 😀
😉
Mensch, ärgere Dich nicht, @Kusanowsky!
(Marshall McLuhan)
Ich spiele das Spiel jedenfalls (bisher immer noch?) gerne… auch wenn ich erkennen muss, dass hier und da auf dem Spielbrett/ den Spielfeldern sicherlich Optimierungsbedarf festzustellen ist… Das Spiel selbst ist ein adaptives System. Wir sind die Elemente, die die Verantwortung für eine entsprechende Adaption unserer sozialen Systeme tragen.
Außerdem finde ich, dass die Diskussion hier durchaus nicht als trivial zu betrachten ist.
Vielleicht bin ich (noch?) nicht intelligent oder erfahren genug, um Eure Tristesse nachvollziehen zu können, aber ich empfinde die Debatte hier nicht als redundant, obsolet oder langweilig… jedenfalls bisher nicht…
Mir entgeht das Problem der „Diversifizierung“ ja auch nicht!
Aber dieses Problem ist im Grunde genommen davon abhängig, wie weit/ in welchem Umfang man den Rahmen zur Systembeobachtung ansetzt und begreift…
Selbstverständlich erleben wir ein Scheitern, wenn wir die Prämisse fassen, dass unsere Meinungen von der „Gesellschaft“ wahrgenommen werden sollen.
Was ist „Gesellschaft“?
„Die Gesamtheit sämtlicher füreinander kommunikativ zugänglicher Ereignisse“?
Die Gesellschaft ist keine systemische Instanz, die man irgendwie „ontisch“ ausmachen könnte.
Die Gesellschaft ist ein System, das in Emergenz enststeht und besteht.
Die Bisoziation „Gott“ / „Gesellschaft“halte ich im Hinblick auf unsere kritische Diskussion hier für aufschlussreich:
Das Dilemma Deiner Verzweiflung entspricht so gesehen dem Zweifel eines Geistlichen, ob dessen „Gebete“ denn überhaupt von „Gott“ erhört werden können, wenn „Gott“ doch allgegenwärtig sein muss und für alle Menschen gleichermaßen verfügbar sein soll.
(Frei nach Kusanowsky)
😉
„Gesellschaft“ lässt sich „ontisch“ wohl genauso sehr oder genauso wenig ausmachen wie „Gott“.
Meiner Ansicht nach kommt beiden Konzepten im Rahmen unserer erlebten ontologischen „Kontingenz“ ein ähnlicher Stellenwert und eine ähnliche „Wirklichkeit“ zu. (-> Meister Eckhardt meinte, aufgrund seiner Vergänglichkeit weist das Geschaffene kein „Sein“ im eigentlichen Sinne, im Sinne einer absoluten, überzeitlichen Existenz auf. So gesehen existiert es nicht wirklich. Verwendet man den Begriff „Sein“ im Sinne des absoluten Seins Gottes, so „sind“ die Dinge nicht; verwendet man ihn in dem Sinne, in dem er auf die Dinge angewendet wird, so „ist“ Gott nicht.)
„Gott“ betrachte ich konsequent „agnostisch“:
Zunächst einmal ist da der Bezeichner „Gott“.
Dieser Bezeichner kann auf spekulative, metaphysische Konzepte zeigen, die sich leicht ontologisch widerlegen lassen oder aber als konzeptioneller Platzhalter, für die Zusammenfassung der existenziellen Frage nach der Ursache (organischen) Lebens, dem Ursprung der Kontingenz oder der Gesamtheit autopoietischer Zusammenhänge aufgefasst werden.
So sehe ich das:
„Gott“ ist für mich eher der Titel einer existenziellen Fragestellung.
Die Existenz „Gottes“ in Frage zu stellen halte ich in dieser Hinsicht für ebenso unsinnig, wie die Existenz von Gesellschaft zu bezweifeln.
Gott ist für mich in erster Linie wohl ebenso ein emergentes Phänomen, wie Gesellschaft.
Wenn man es genau nimmt, basiert die Existenz von organischem Leben und Bewusstseinssystemen ebenso auf emergenten Strukturen, die für uns beispielsweise in der Sprache der „Biologie“ beschreiben werden können.
Ich wäre nicht sonderlich erstaunt, wenn wir zu gegebenem Zeitpunkt eine ebenso rationale und plausible Sprache für die Beschreibung emergenter Phänomene formulieren könnten, die wir heute mit der verschwommenen und unscharfen Sprache der Religion, Metaphysik und Esoterik ansprechen.
_____________________________________________
Wir erleben „Gesellschaft“ schließlich in unserer Kontingenz zu diesem emergenten Phänomen, das uns tatsächlich gewisermaßen ernährt und die Grundlage für sämtliche kulturelle und technologische Errungenschaften darstellt, auf denen alle unsere (wie auch immer funktional differenzierten) sozialen Systeme und Kommunikationen basieren.
Ich denke, „Gesellschaft“ ist letztlich genauso „wirklich“ oder „unwirklich“ zu begreifen wie „Gott“.
Wir dürfen meiner Ansicht nach ohne weiteres den Terminus „Gott“ grundlegend von spekulativem Ballast befreien und als gültigen Bezeichner für die systemische Instanz annehmen, deren Wirkung und Wirklichkeit zufolge zweifellos irgendwie Elemente hervorgegangen sind, die wir als „intelligent“ oder „lebendig“ beschreiben.
„Gott“ als Summe und Gesamtheit autopoietischer Zusammenhänge.
Wozu sollten wir den Bezeichner auch sonst verwenden?
Letztendlich erachte ich es als sinnvoll und vernünftig, das Kofferwort „Gott“ und die gesamte spirituelle/ religiöse Terminologie mit sinnvollem/ rationalen Inhalt zu füllen.
Die Kommunikation und Interaktion mit „Gesellschaft“ entspricht also meiner Ansicht nach in gewisser Hinsicht den hoch komplexen/ vernetzten Prozessen, die wir (erst seit Darwin!) als „Evolution des Lebens“ beschreiben.
…….
Hier und jetzt findet der Prozess meiner Welterfahrung statt… hier und jetzt nehme ich Eure Meinungen in meine Welterfahrung mit auf und trage die Schlussfolgerung aus unserer Kommunikation in meine Welt weiter.
Dabei ist es eigentlich völlig egal, ob 100.000.000 Andere vor mir eine ähnliche Erfahrung bereits erlebt haben… ich lerne hier. Ich sammle Erkenntnisse und Einsichten. Mein Bewusstseinssystem schließt meine Gedankenwelt (operational) an Eure Erfahrungen, Ideen und Gedanken an.
Das, was wir hier besprechen und meine Ideen und Gedanken, die ich daraus ableite werde ich in anderen, weiteren Interaktionen weitergeben können…
Die soziale Evolution passiert… auch hier und jetzt… auch dort, wo wir vielleicht nur noch mit einem halben ermüdeten Auge zusehen…
Lasst Euch mal nicht kaputtlangweilen!
…….
@azimuth
Twitter….
vermeide ich sowieso. 😉
Bevor ich Deinen Comment gelesen habe, hatte ich mir schon gestern mal Gedanken gemacht, warum ich eigentlich nie auf Twitter online bin…
Im Grunde eben wohl aus diesem Grund: Weil ich Kommunikation nicht als plattes Rauschen empfinden und erleben möchte.
Instinktiv hab ich Twitter eigentlich schon von vornherein als suboptimal und uninteressant abgehakt… Ich denke, dass Aphorismen bestimmt auch ihre Berechtigung haben: Schön, wenn man wichtige Dinge kurz und schlüssig formulieren kann…
Mir liegt das aber nicht… Ich will wenigstens die Möglichkeit haben, in die Tiefe zu gehen, wenn ich mich auf Kommunikation einlasse…
Ich will mir nicht von einer Kommunikationstechnologie von vornherein schon prinzipiell das Wort abschneiden lassen.
Ich will mich nicht mit Oberflächlichkeiten und Plattitüden beregnen lassen.
Und ich denke, ich verpasse auch nicht viel, wenn ich nicht bei Twitter online bin. Alles wirklich relevante bekommt man auch im Sozialen Netzwerk mit…
Und ich muss sagen, dass ich im Phänomen des „social networking“ tatsächlich die Chance gegeben sehe, dass Kommunikation allmählich wieder an Relevanz, Sinn und Inhalt gewinnen kann.
Wenn wir uns darauf einlassen wollen…
Ich denke, dass ein persönlicher Narrativ/ eine gewisse kohärente Identität der Kommunikation im Netz nicht schaden kann.
>> […] the personal and social consequences of any medium – that is, of any extension of ourselves – result from the new scale that is introduced into our affairs by each extension of ourselves, or by any new technology. <<
Read more at http://www.brainyquote.com/quotes/authors/m/marshall_mcluhan.html#zmm0PCiZJTfQWAbO.99
@ मनु meta_Manu
Was wird gewonnen, wenn man das Kofferwort „Gott“ gegen das Kofferwort „Emergenz“ austauscht?
Die Frage allerdings, welches Emergenzpotential soziale Netzwerke haben, scheint mir durchaus ein interessanter Beitrag zum Diskurs zu sein. Hier wäre dann zu fragen, wie unser Modus der kritischen Disziplin (i.S.v. @kusanowsky) dieses Potential beeinflusst (Trivialität vs. Emergenz).
Empirisch sind Emergenzgötter übrigens sehr eitle Wesen; sie stellen Videos von sich ins Netz:
Sogar ein paar Takte zur Kommunikation teit Herr Emergemzgott uns mit (EmergenzGott sei dank tut er das kurz und knapp).
@मनु meta_Manu der Gerhard-Polt-Sketch ist sehr gut. Beobachte doch mal Beobachtungsposition des Erzählers: eine Familie sitzt am Tisch und spielt Mensch-ärgere-dich-nicht. Erzählt wird, dass der Erzähler etwas beobachtet, dass die Eltern nicht beobachten, nämlich, dass sie sich über das Spielverhalten des Kindes ärgern und dabei das Kind auffordern, es solle doch die Bereitschaft haben, sich ärgern zu lassen, weil dies doch den Spaß des Spiels ausmachte, wobei diese Eltern selbst an ihrem Ärgernis gar keinen Spaß empfinden, sie also ständig am Spiel scheitern. Die Komik des Skechtes resultiert aus der Beobachtung des performativen Selbstwiderspruchs der Eltern. Es wird erzählt, dass sie nicht bemerken, was man bemerken kann, nämlich: dass der Zweck des Spiels einerseits dadurch erreicht wird, dass sich alle ägern, andererseits macht dies aber allen Beteiligten gar keinen Spaß.
Die Beobachtung der Nichtbeobachtung des performativen Selbstwiderspruchs macht die Szene witzig: die erzählte Witzlosigkeit macht die Erzählung witzig. Und nur solange die Information darüber den handelnden Personen nicht vermittelbar ist, solange bleibt sie witzig. Aber niemand kann die Eltern darüber informieren, weil diese Möglichkeit der performativ gezeigten Selbstwiderlegung ihres eigenen Handelns durch ihr eigenes Handeln für sie nicht zur Disposition steht. Darum der Witz.
Mir geht es so wie diesem Erzähler, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht nur den performativen Selbstwiderspruch aller anderen beobachte, sondern auch meinen eigenen – wie im Vortag: „wer sich von der Anweisung ‚don’t feed the troll‘ angesprochen fühlt, braucht sie nicht zu wiederholen“, was ja heißt: wenn ich sie damit wiederhole fühle ich mich gar nicht angesprochen, was im Widerspruch steht zu meiner Aussage, dass ich mich angesprochen fühle – performativer Selbstwiderspruch meinerseits also, so wundert mich einfach immer nur, dass sich keiner, auch du nicht, darüber wundert. Beobachte doch mal den performativen Selbstwiderspruch aller Beteiligten, auch deinen eigenen. Und versuche mal herausfinden, womit zu tun hat, woher das kommt: Kommunation von Meinung ist aufgrund der sozialen Unüberschaubarkeit von Gegenständen der Kritik trivial geworden. Und was entsteht anschließend? Eine ewig lange Diskussion von Meinungen, die völlig unüberschaubar ist und sich durch Kritik (z.B. durch Unterstellungen wie „Kulturpessimismus“) jederzeit verlängern kann.
Dirk Baecker hat mir das mit dem „Kulturpessimismus“ jetzt erklärt…
Die moderne Gesellschaft gliedert sich in eine Vielzahl von zirkulär verbundenen Funktionseinheiten, die operativ geschlossen sind und sich gegen ihre Umwelt abgrenzen. Branchen, Verbände, Bürokratien, Berufe, Schulen, Fächer, Familie usw.
Eine wichte Funktionsbedingung dieser Einheiten war die Interdependenzunterbrechung. Alles hängt zwar mit allem zusammen, aber eine operative Integrität lässt sich nur stabil halten, wenn nicht alles mögliche verknüpft wird. Deshalb müssen diese Funktionseinheiten eigene Selektionsregeln ausbilden.
Durch die Transaktionskosteneinsparung des Internets werden diese vielen getrennt operierenden Einheiten komplett durcheinander gewürfelt. Jeder kann ganz leicht mit jedem in Kontakt treten, ohne, dass diese Funktionseinheiten ihre Integriät verlieren müssen.
Diese Interdependenzunterbrechung konnte nicht als soziale Vermeidungsstruktur aufgefasst werden, weil es keine Strukturalternative gab. Sie war unvermeidlich. Jetzt zeigt sich eine Alternative.
Überall in Foren, Mailinglisten und Blogs treffen nun Adressen aufeinander, die alles mögliche kommunzierbar machen, ohne die Regelwerke dieser Funktionseinheiten mitnehmen zu können. Diese Regelwerke fallen hier nun auseinander. (Entropie)
Alle Schränke, alle Schubladen, alle Fächer, alle Regale werden aufgemacht, aufgerissen, leergeräumt, ausgeschüttet und durcheinander gemischt. Eigentlich ist schon das Anklicken eines Hyperlinks eine trollähnliche Handlung: man weiß ja noch nicht, was man finden wird, wenn der Link ausgelöst wird. Schon ein Hyperlink verfolgt das Serendipitätsprinzip.
Jeder Nutzer überschuttet sich selbst mit Information und aufgrund der Transaktionskosteneinsparung ist es ganz leicht am Mitteilungsgeschehen zu partizipieren. Die Überschüttung wird darum weiter gesteigert.
Da aber gilt, dass alle Kommunikation nicht unter jeder beliebigen Bedingungen funktioniert, so kann man erwägen, dass irgendwann die Konzentrations- und Wahrnhemungskapazitäten von Menschen erschöpft sind, dass Selektionsleistungen vieler schneller und ungeachtet aller beobachtbaren Komplexität vorgenommen werden. Und dies steigert mit einem many-to-many-Verbreitungsverfahren die Komplexitität beinahe exponentiell.
Eigentlich ist schon dieses ganze Verfahren Trollerei, die sich allerdings erst an einer Toleranzgrenze zu erkennen gibt.
Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass Internet eine falsche Erfindung ist.
Man könnte aber auch überlegen, dass gerader dieser Irrsinn (Irrtumskommunikation) diejenigen Barrieren auftürmt, deren Überwindung zur Ordnungsfindung beiträgt. Das geht dann durch Fortsetzung der Trollerei.
Die Belastungsgrenzen sind nur so lange ein Problem, wie noch keine gut funktionierenden Antwortautomaten, Textgeneratoren mitspielen. Wenn das üblich wird, wird die Idiotie noch einmal gesteigert, aber dann unter der Voraussetzung, dass die Belastung für die Menschen vielleicht sogar sinken könnte.
Das wäre dann die Grenze für eine steigende Ordnungsfindungswahrscheinlichkeit.
Zum Punkt „Interdependenzunterbrechung“ findet man hier ein paar erhellende Ausführungen:
Eine weitere immer wieder genannte wichtige Funktion von Organisationen in der Gesellschaft ist die Tatsache, dass Organisationen für Interdependenzunterbrechungen innerhalb von Funktionssystemen sorgen, die aufgrund der dynamischen Komplexität der Gesellschaft unbedingt erforderlich seien (so Luhmann 1994b, S. 195). Ohne tiefer in diese Problematik einzutauchen, sind noch einige kurze Hinweise dazu angebracht.
Interdependenzunterbrechung innerhalb von Funktionssystemen kann selbst als Form begriffen werden, deren andere Seite die Verdichtung von strukturellen Kopplungen zwischen Funktionssystemen, also Dependenzverstärkung der gesellschaftlichen Teilsysteme ist. Bislang wurden beide Aspekte von Luhmann genannt und behandelt (siehe Luhmann 1994b und 2000b S. 396 ff.), jedoch nicht als Form bezeichnet.
Die Betrachtung als Form macht allerdings deutlicher, dass hier eine zusätzliche Verbindungslinie zwischen Organisation/Gesellschaft zu finden ist. Eine weitere Unterscheidung ermöglicht es zudem, zusätzliche Aspekte mit zu erfassen. Interdependenzunterbrechungen durch Organisationen vollziehen sich nämlich nicht nur horizontal, also innerhalb von Funktionssystemen, sondern auch vertikal als Unterbrechungen der Interdependenzen zwischen Gesellschaft und ihrer Umwelt. Systeme unterhalten ohnehin keine Punkt für Punkt Entsprechungen mit ihrer Umwelt.
Genau das macht sie möglich. Die Form der modernen Gesellschaft überträgt diese Unterbrechungsfunktion jedoch auf Organisationen, was eben diese zu Moderatoren der Auftrennung von Lebenszusammenhängen und -bereichen, der Trennung von materieller Produktion und Aneignung und psychischer Belastungen/Entlastungen durch Trennung von Erwartungszusammenhängen (Rollen oder Stellen) macht (vgl. Türk 1997, S. 168 f.). Sie sind die Promotoren der verstärkten Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems. Und ebenso steigert sich auf der anderen Seite die Dependenz der Umwelt von der modernen Gesellschaft: Organisationsmitgliedschaften sind für jeden unvermeidbar, wenn die Teilnahme an der modernen Gesellschaft gewährleistet sein soll (vgl. Stichweh 2000, S. 17). Und Lebens(ver)läufe sind in der Moderne nichts anderes als Dokumentationen über verschiedene Mitgliedschaften im Zeitverlauf, die mittlerweile unentbehrlich für die Inklusion in die Weltgesellschaft geworden sind. Die Gründe für diesen Zusammenhang werden deutlicher, wenn im weiteren Verlauf die Funktion des Mediums Organisation näher bestimmt wird.
Klicke, um auf OrganisationAlsMedium.pdf zuzugreifen
@Klaus
Da tauchen bei mir die unvermeidlichen Assoziationen zur Theorie dynamischer Systeme auf, z. B. ein System aus mehreren Freiheitsgraden, die zunächst aufgrund nur kleiner Störungen (deterministisch oder stochastisch) in der Nähe eines Fixpunkts oder eines Grenzzyklus verharren (Prä-Internetkommunikation). Durch Änderung der Kopplungstopologie (many-to-many-Kommunikation) werden diese Fixpunkte oder Grenzzyklen destabilisiert und das System tritt in einen chaotischen Zustand ein. Die Frage wäre dann, ob das Phasenporträt dieses neues Systems Bifurkationen enthält, die in einem zugänglichen Parameterbereich liegen, d.h., ob mit dieser neuen Topologie andere Parameter so verändert werden können (Einführung von Antwortautomaten, Idiotiesteigerung), dass neue Fixpunkte oder Grenzzyklen im System auftauchen (steigende Ordnungsfindungswahrscheinlichkeit), die qualitativ von den vorherigen verschieden sind.
Eine Assoziation, die in eine andere Richtung geht, ist das Schlagwort „entropy induced order“, das mal in irgendeinem mir entfallenen Kontext im Gespräch mit einem Kollegen aufkam. Wenn ich Zeit habe, schaue ich das mal nach, mich interessiert das selbst auch in anderem Kontext.
Systemtheoretisch würde ich die Internetkommunikation gar nicht als soziales System beschreiben. Ein soziales System benötigt Code, Programm, Leitdifferenz, eine geeignete Umwelt, Entropieverminderung, ein Innen- und Außenverhältnis, Grenzenkontrolle und dergleichen mehr.
Ich habe die Vermutung, dass sogar die operative Integrität von Kommunikation (Einheit von Information, Mitteilung und Anschluss) zerfallen könnte und eine soziale Umwelt der gesellschaftlichen Umwelt entsteht. Die Erscheinungsweise wäre dann eine Art soziale Serendipität, die erkenntnismäßig nur erratisch-paranoisch erfasst werden kann.
„Das meint: soziale Serendipität – also nicht mehr ein psychischer Überrraschungseindruck, sondern ein Zusammenwirken vieler in Hinsicht auf die Ausbildung von Strukturen der Anonymität. Und die weiterführende Frage wäre, ob nicht gerade diese strukturelle Anonymität auch auf die operative Ebene der Kommunikation durchschlägt.“
https://differentia.wordpress.com/2013/02/04/soziale-serendipitat/
[…] sehr gute Vortrag zum Thema “Die Trivialität der kritischen Diskussion” über Störkommunikation, ist seine Zeit […]
„Es ist schon lustig, wie viele menschliche Schwächen und Niedrigkeiten in ihrer ‚digitalen Ausprägung‘ plötzlich ganz neuer Aufmerksamkeit gewürdigt und so fast geadelt werden, obwohl doch die Arschlöcher genau dieselben geblieben sind.“
http://feynsinn.org/?p=929#comment-3482
“ … obwohl doch die Arschlöcher genau dieselben geblieben sind.“ – Ein apokalyptisches Phänomen. Es wird heraus gefunden und mitgeteilt, was schon immer bekannt war, was aber auf diese Weise, obwohl schon sehr häufig, noch nich oft genug mitgeteilt wurde, weshalb es noch einmal wiederholt wird und zwar ohne, dass nun die Informationssituation verbessert wäre.
Das liegt daran, dass diese parasozialen Verhältnisse keine Öffentlichkeit zulassen. Diese Verhältnisse lassen keine Resonanz zu, die Vermutungen darüber herstellen, dass auch andere informiert sind. Niemand weiß, dass keiner informiert ist, weshalb alles noch einmal mitgeteilt wird, weil ja alles, was mitgeteilt wird, keine Öffentlichkeit findet (gilt auch für diese Mitteilung)
Das ist das besondere Merkmal dieser Apokalyptik. Sie funktioniert auf Basis einer parasozialen Informationssituation.
@Itari (4.11.2012) „Waren eigentlich auf der #trollcon auch richtige Trolle? Wenn ja, wie sahen sie aus (Fotos)?“
Ich denke der „Richtigste“ war der Vortragende!
Also, ich sag mal, die ganze kritische Vernunft, die sich gerade totläuft, was sich ja hier auch wieder zeigt, würde ich als Ende der Aufklärung bezeichnen:
Kusanowski: „Gott als verlässliche Instanz der Wahrheit verschwunden war (heißt: Gott war nicht gestorben, sondern nur die Verlässlichkeit des Glaubens). Dieser Verlässlichkeitsverlust konnte sich aber erst ereignen, nachdem sich schon ein Ersatz angeboten hatte, nämlich: Verlässlichkeit auf Menschenvermögen.“
Das ist im Prinzip das humanistische Projekt aus dem auch die ganze Wissenschaft mit ihrer kritische Methode hervorgegangen ist. Der Mensch war also zum Zentrum aller Erkenntnis geworden.
Dann kamen die frühen Kybernetiker und haben angefangen den Erkenntnisprozess selbst mathematisch zu abstrahieren, also quasi eine Erkenntnis der Ekenntnis auf mathematischer Grundlage zu schaffen (experimentelle Epistemologie -> Warren McCulloch). Der Mensch ist plötzlich nur noch eine bestimmte Form einer Informationsverarbeitungsmaschine und der Prozess des Denkens und Erkennens nicht länger seine Domäne sondern nur noch eine mögliche Ausformung einer logischen Erkenntnismathematik, die sich ebensogut auch maschinell ausführen lässt. Denn wenn Denken nichts anderes als ein Prozess logischer Verknüpfungen ist, dann ist das Medium, in welchem diese Prozesse ablaufen austausch- und vor allem mechanisierbar und damit rationalisierbar.
Das Internet nun ist die Maschine, die aufgrund solcherlei Überlegungen geschaffen wurde und inzwischen wird dieser Maschine auch mehr zugetraut, als jedem Menschen. Der Mensch ist nicht länger das alleinige Konstitutionszentrum des Wissens und dieser Umstand wird unter anderem dadurch deutlich, dass Meinungen in der beschriebenen Art bedeutungslos werden.
Wir befinden uns also im Posthumanismus und meiner Meinung nach versucht Klaus herauszufinden, wie und ob man damit umgehen kann und sollte und ob sich eventuell Chancen daraus ergeben. Das erfordert aber neue Methoden, die noch keiner so genau kennt.
Aber das ist natürlich auch nur eine von diesen Meinungen und/oder Vermutungen. Vielleicht hilfts ja. Keine Ahnung.
[…] sehr gute Vortrag zum Thema „Die Trivialität der kritischen Diskussion“ über Störkommunikation, ist seine Zeit […]