Das Faszinosum der Trollkommunikation des Internets
von Kusanowsky
Zum Thema Die Trollblockade als Vermeidungsproblem einer Sozialesoterik hattte Peter Bormann in seinem letzen Kommentar geschrieben
M.E. schielst Du zu sehr darauf, was „andere“ (Wissenschaftler, Profs) machen sollen. Warum sollten sie? Die meisten haben ihre eigenen Interessen und Faszinosa.
Ja gewiss, aber der Punkt ist ein anderer. Die Internetkommunikation verlangt eine andere Disziplin. Eine andere Diszplin kann nicht thesenhaft verbreitet und diskutiert werden, Disziplin ist keine Idee, kein Konzept. Und eine andere Disziplin kann nicht einfach und schon gar nicht schnell erprobt werden, weil zwar nicht völlig unbekannt ist, wie man sie entwickeln könnte, aber sehr viel wird darüber auch nicht gewusst. Die Frage wäre entsprechend: womit anfangen?
Mein Vorschlag lautet, die Trollkommunikation des Internets nicht einfach nur mit Geringschätzung beiseite zu legen und sich auf den Standpunkt zu stellen, man sei eben anders fasziniert. Denn, wenn auch legitim, so könnte man es in dieser Hinsicht dabei belasen, sich in seine Schreibstube oder Bibliothek zu begeben und ganz konventionell in aller subjekthaften, faustisch-genialen Einsamkeit Texte verfassen und sie einem Verleger zu übergehen, der sie als Waren verkauft und sich anschließend vor ein informiertes Publikum zu stellen und ex kathedra Wahrheit zu postulieren. Dagegen gibt es keine Einwände. Die damit verbundene Diszplin ist vollständig entwickelt, erprobt und anerkannt und hat zu einer enormen Komplexität, Intransparenz und Kontingenz geführt. Aber egal. Man kann das ignorieren und weiterhin Texte fürs Archiv schreiben oder mit einer ständig länger werdenden Pubilkaktionliste glänzen wollen.
Wenn aber die Wissenschaftler anfangen, sich mit den Teufeleien der Interkommunikation zu befassen, was schon dann geschieht, wenn sie per Internet an Mailinglisten teilnehmen, Twittern, Blogs schreiben und Texte verbreiten, dann kann es sein, dass der faustisch-geniale Habitus dieser Gelehrten als triviale Folklore einer vergangenen Zeit auffallen könnte, wohingegen die Internettrolle als zu exkludierende Spinner, Spaßvögel und Störer markiert werden. Wenn solche Kollisionen geschehen, dann müsste man entweder anfangen, darüber nachzudenken, wie solche Kollisionen entstehen, oder, wenn nicht, muss man nach Exkludierungsmaßnahmen greifen, welche schon bekannt sind, weil das Unbekannte als Gegenstand der Forschung nicht in Frage kommt.
Peter Fuchs etwa sammelt von anderen Leute Geld ein, wenn sie mit ihm per Mailingliste in einen e-Mailwechsel treten wollen! Typsich: gelernt hat er als Professor sich mit Verwaltungsproblemen herumzuschlagen. Und wenn man per Internetkommunikation eine Exkludierungsmaßnahme durchsetzen will, so könnte es nahe liegen, einen völlig überflüssigen Verwaltungsaufwand zu betreiben, um auf diese Weise noch die esoterische Funktion der Struktur durchhalten zu können, weil die Chancen einer exoterischen Strukturdifferenzierung noch unbekannt sind. Und da eine entsprechende Forschung sich nicht lohnt, lässt man es bleiben. Solche Abwehrmaßnahmen und Immunisierungsstrategien findet man auch andernots, weil überall nur schwer verstanden werden kann, dass die exoterische Selbstorganisation des Internets genial dazu geeignet ist, Kosten für Verwaltung einzusparen. Aber wenn man das zulässt, dann verlieren entsprechende Strukturen ihren esoterischen Charakter, weil nicht erkennbar ist, wie man unerwünschte Adressen ausschalten kann. Und nur deshalb fallen die Trolle auf.
Die Trolle sind auffällig, weil eine alt gewordene Disziplin, nämlich Kritik, auf Bedingungen trifft, durch die diese Kritik nicht mehr durchhaltbar ist. Denn Kritik, die selbst eine Widerstandsdisziplin ist, erzeugt Widerstände, die ihr nur dann als objektive Gegenstände vorkommen können, wenn ihr banaler Charakter erfolgreich verschleiert wird. Und diese Verschleierung geschieht konventionellerweise über Habitus und Authentizität, wodurch schließlich, da beides ja auch kritisierbar ist, der Attraktor des Streitfortsetzung geblildet und damit auch das Material erzeugt wird, um die Disziplin zu steigern. Sofern eine solche Dizsiplin, wie man sie etwa sehr beeindruckend in den „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“ von Descartes formuliert findet, noch jung ist, ist sie keineswegs banal. Aber was wäre, wenn sie so erfolgreich wird, dass sie sich vollständig in Kontingenz auflöst? Die Kritik verliert ihre Widerstandsfähigkeit, wenn sie jederzeit und ganz schnell formuliert wird, was ja geht, da eine Orientierung an Themen, Gegenständen, Forschungsergebnissen, Methoden und Diskussionen nicht mehr einheitlich geteilt werden kann. Und wenn man einwenden möchte, dass solche Überlegungen in der Selbstbeschreibung der Luhmannschen Systemtheorie bereits enthalten seien, dann würde ich dem entgegenhalten, dass diese Systemtheorie selbst noch als Widerstandsdisziplin entstehen konnte, weil mit dem Verfassen von Texten zum Zweck der Buchproduktion die Strukturen und damit auch die Disziplin nicht einfach geändert werden können, durch die solche Texte entstehen. So ist die Luhmannsche Systemtheorie tradioneller geprägt als sie es selbst haben möchte, weil die Selbstbeschreibung, nämlich Abbruch der Tradition als Selbstauskunft, nicht ausreicht, um jede Fremdbeschreibung, die etwas davon Unterschiedliches bemerkt, mit abzubrechen.
Jeder Luhmann-Theoretiker könnte nun ganz leicht jeder Fremdbeschreibung aus dem Wege gehen, wenn man sich gemäß esoterischer Strukturen einer funktional determinierten Fachöffentlichtkeit aussetzt, die nur zu Stande kommt, wenn schon alles Unerwünschte erfolgreich ausgeschlossen wurde. Das geht aber nicht, wenn man sich anderen Beobachtungsbedingungen aussetzt.
Will man also, wenn man schon Internetkommunikation fortsetzt, weiter die durch sie geänderten Beobachtungsverhältnisse durch Vermeidungsmedien ignorieren, dann kann man nicht verstehen lernen, was die Trollkommunikation darstellt, nämlich der Versuch, eine andere Disziplin zu erfinden. Diese Disziplin könnte heißen: Versuche, nicht-überzeugte Verständigung zu erzielen. Wichtig: Es spricht nichts dagegen, die Faszination nicht zu teilen, aber es spricht sehr viel dagegen, die Ablehnung per Internetkommunikation zu signalisieren, weil damit Trollkommunikation immer fortgesetzt wird.
Reblogged this on Ich sag mal.
Alles gute Punkte!
1) Aber, wie bereits getextet, es ist wirklich sinnvoll, die „Internetkommunikation“ zu spezifizieren: Es wäre dann nach den medialen Eigenheiten von Emailing, Blogging, Tweeting, etc. und ihren Folgen / Auswirkungen auf die wiss. Kommunikation zu fragen. Beim Kompaktausdruck „Internetkommunikation“ sind dagegen alle medialen Katzen „unicolor“.
2) Ich würde Trolling nicht einfach nur am wiss. „Kritikmodus“ festmachen. M.E. ist Trolling nur eine spezifische „Variante“ der Störung, die Kommunikation strukturell (bspw. mit Blick auf Themenstrukturen, Erwartungen, Normen) ins „Trudeln“ kommen läßt, so daß kommunikative Gegenmaßnahmen (Ignorieren, Schweigen, Ausschließen, Metakommunikation, etc.) erfolgen können – aber „nicht zwangsläufig müssen“ [der ultimative Troll ist vielleicht der ultimative Nicht-Troll, quasi: Ironie 2.0, die gar nicht mehr als Ironie markiert wird. Ist das eine „(un-)ironische“ These? :-)].
Interessant fände ich es dann, diese Störungsfigur sowohl entsprechend System- und Medienarten zu „generalisieren“ und anhand von Vergleichen zu sehen, welche Erkenntnisgewinne sich einstellen mögen:
* „Klassenclowns“ im Schulunterricht
* „Komödianten des Alltags“ in everyday interactions
* Die Figur des „Narren“ an Fürstenhofen
* nackte Flitzer in der Öffentlichkeit
* Clowns in der Politik (spontan fallen mir ein: Möllemann, GuttiGutti und Berlusconi)
* Parodieren von bestimmten Textenarten und Schreibstilen (Bspl.: Arthur Rimbaud, der dichterische Vorbilder imitierte und durch den Kakau gezogen hat, bevor er seinen eigenen Prosagedicht-Stil entwickelte)
usf.
3) Disziplin der Trollkommunikation -> „Versuche, nicht-überzeugte Verständigung zu erzielen.“
Das scheint mir aber schon „in“ der Wissenschaft geboten zu sein. Denn wissenschaftliche Inter- und Intra-Programm-Konflikte lassen sich oft nur so unterlaufen [wechselseitiges Ignorieren ist dagegen die häufige Problemlösung für argumentativ irreduzible Programm- als basale Entscheidungs-Konflikte]:
* hard scientists halten soft scientists mitunter für „Trolle“,
* dito für Theoretiker vs. Empiriker,
* dito für Theoretiker verschiedener Paradigmen / Schulen,
* Wissenschaftler vs. Philosophen [siehe z.B. die Attacken bestimmter Wissenschaftskreise auf den als „Irrationalist“ stigmatisierten Jacques Derrida].
Und all die Wissenschafts- / Philosophieprofis wiederum mögen sich von Pseudowissen, z.B. aus der Esoterikecke, aus dem Bereich Religion (-> Genesis vs. Evolutionstheorie, usf.), u.ä. distanzieren.
Trolligkeit ist daher weder ein reines „Internet“-Phänomen noch rein wissenschaftsbezogen.
Es fällt in Internetforen nur „en masse“ auf, weil m.E. „Themenstrukturen“ in dieser Art der Fernkommunikation von zentraler Bedeutung sind und direkte Rückkopplungen gegeben sind (Schmähschriften, Parodien, etc. waren ja auch bspw. in Schrift- und Printmedien schon möglich, aber die „direkte Rückkopplung“ war nicht so instantan, wie das bei den Internet-Diensten der Fall ist).
4) Was Du beim Einlassen von Wissenschaftlern auf „Troll- / Internet-Kommunikation“ aber vielleicht außer acht läßt, ist der „Profi-Laien-Gegensatz“, der das Funktionssystem
„Wissenschaft“ (wie andere Funktionssysteme auch) permanent begleitet:
a) Für Profis sind Laien immer schon eine Art von „Troll“ (weil zu schlecht informiert).
b) Und vice versa: Laien sehen Profis oft gleichfalls als „Trolle“ an (die Figuren des „verrückten Wissenschaftlers“, des „besessenen Erfinders“, des akademischen Eigenbrötlers, der Nerds, der Geeks, etc. legen Zeugnis darüber ab).
c) Kurzum: Trolle sind als ausgeworfene „Störfiguren“ „kommunikativ universell“, sie wurden
vorher nur nicht als „Troll“ bezeichnet, sondern vielleicht als: „Narren“, „Clowns“, „Künstler“, „Spinner“, „Exzentriker“, usf.
d) „Profis“ können auch einfach hardcore-Fans sein, die exzellentes Wissen in ihren jeweiligen Hobbies haben (Sport, Musik, Reisen, usf.). Und auch hier können bspw. Laien als „Trolle“ auffallen. Das ist daher „keine“ Frage des wiss. Kritikmodus / der wiss. Disziplin.
Schau Dir einfach dazu `mal youtube-Kommentare an, in denen z.B. ständig nervige „Chuck-Norris-“ oder „Justin-Bieber“-Witze kommen. Wird ein Video zu was auch immer publiziert, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis irgend einer dieser Witze auftaucht. Und wenn einer einen Witz macht, dann finden sich gerne auch weitere Trolle ein 🙂
5) Der Profi-Laien-Gegensatz verweist dann generell auf den Gegensatz zwischen Wissenschafts- und Laien- / Alltagskommunikation [mit Blick auf Fachkompetenzen, Fachsprachlichkeiten, Habitusvarianten, usf.]. Dieser Gegensatz ist nicht neu, wird m.E. aber durch Internet-Techniken noch potenziert. Wogegen sich Wissenschaft (wenn sie denn fortbestehen möchte) absetzen muß, ist dabei zweierlei:
* Den Wahn des Dogmatismus einerseits (quasi: nur eine Wahrheit ist möglich -> was Unsinn ist, wie dann die Konflikte divergenter Wissenschaftsprogramme rasch zeigen)
* den Hang zur Beliebigkeit andererseits, der einsetzen würde, wenn Alltags- und Laien-Kommunikation Tür und Tor geöffnet wird (quasi: jeder und jede kann alles Mögliche publizieren und das dann als „wissenschaftlich“ markieren – am besten noch ohne irgendwelche reflexiven Prüfungen. Dann wäre Wissenschaft am Ende, weil Wissen generell und über Wissenschaft hinaus auf reflexive Prüfungsmodi – Kritik ist nur einer davon! – verweist).
6) Ich stimme vollkommen zu: Es ist interessant, zu beobachten, wie sich bspw. Wissenschaft verändern muß, sobald sie sich auf die Risiken computerbasierter Fern-Kommunikation einläßt. Luhmann hat in GG ja schon angedeutet, daß es für Experten(innen) bspw. immer schwieriger werden wird, ihren Expertenstatus (unbestritten) zu wahren.
Schön zu sehen, ist das beim Arztbesuch: Man hat sich im WWW informiert über seine mögliche Krankheit (Symptome, Diagnose, Behandlungsmaßnahmen), geht zum Arzt seines Vertrauens und hat den Eindruck, daß er / sie weniger weiß, als bspw. in Wikipedia-Artikeln zum jew. Thema drin steht (das ist mir jedenfalls schon wiederholt passiert).
Das erschüttert das „Vertrauen“ in Personen / Experten doch auf Dauer „nachhaltig“. Und Wissenschaftler(inne)n dürfte das nicht anders gehen. Dito für Politiker(innen), usf.
-> Umbau von Personen- zu Systemvertrauen, was aber auch mit Komplexitätserhöhung einhergehen mag (inkl. der Amplifikation von epistemischer „Unsicherheit“).
So, ich muß mich die nächste Zeit `mal wieder mehr um`s Technik-Blog kümmern, ansonsten wird Rolf sauer. Danke, Klaus + Co, für die interessante Diskussion!
Und ich bin auf Deine weiteren Blog-Einträge, v.a zu computerbasierten Interventionen in die Kommunikation, gespannt.
CU
~Peter
Peter, ich finde deine Disziplin, mit der du die Problematik gliederst, analysierst, eingrenzt und systematisch-kritisch abwägst sehr beeindruckend, aber nicht überzeugend: wenn man heraus gefunden hat, dass alles, was man beschreiben kann, auch ganz anders beschreiben kann, dann kann man daraus den Schluss ziehen, dass man nur die Beschreibung ändern müsste, um durch vergleichende Betrachtung genau diejenige Beschreibung zu zitieren und durch Zitierung zu wiederholen, die als veränderungsbedürftig erscheint, womit sie durch diese Art des Repetition dann als eine Beschreibungsvariante erscheint, die sich von anderen Varianten unterscheidet. Aber der operative Vollzug solcher Beschreibungen kann, wenn er selbst noch einmal beschrieben werden sollte, nur über das selbe Schema erfolgen, andernfalls wüsste man nicht, worum es geht. Hat man aber heraus gefunden, worum es geht oder gehen könnte, dann hat man nur wiedergefunden, was niemals verloren war. So könnte man beliebig weiter machen. Man könnte aber auch versuchen, das Schema zu ändern, indem man anfängt mit der Überlegung: alles was beschreiben kann man nur so und nicht anders beschreiben. Denn auch ein Begriff von Kontingenz könnte selbstreflexiv definiert werden als ein Begriff, der prinzipiell alle andere ausschließt und damit nur auf sich selbst verweist.
Aber wie auch immer. Deine Diszplin kannst du nicht selbst bemerken, weil du einfach über etwas anderes schreibst, ohne dies wiederum zu bemerken. Heißt: deine Diszplin ist fraglich, nicht die Plausibilität deiner Beschreibung.
Eine „Kultur der nichtüberzeugten Verständigung“ (Luhmann) kann auch möglich sein, wo dennoch ausgeschlossen und filtriert wird, das muss ja nicht über die Geste der Kritik oder Negation geschehen, sondern etwa durch Nicht-Erwähnung oder Verunmöglichung von Präsenz (die es ja ohnehin je nur als schon filtrierte zu haben gibt).
Es stellt sich dabei die Frage nach Nutzen und Nachtheil der Filtrierung für das Lesen, bzw. was würde es bedeuten, wirklich alles zuzulassen? Etablieren sich nicht ganz richtig dynamisch-durchlässige Filtrationskreise? Sicher, alternative Wege der Filtrierung werden nötig, wo Überforderungen drohen, algorithmische, wieso nicht?! Ohne sie verließe aber wohl auch der hartnäckigste Troll nach kürzester Zeit aus unsinnsinduzierter Langeweile seine Foren, es sei denn, er wäre selber schon ein Bot.
Ceterum Censeo: Das Alles überzeugt mich nicht!
Gegen die Möglichkeit einer Kommunikation der nicht-überzeugten Verständigung lässt sich allerdings wahrnehmungsökonomisch argumentieren, dass die Kosten für die Universalisierung und Vermehrung von Unsicherheiten durch systematische Sabotage der Unsicherheitsabsorption, die für gewöhnlich durch die Suggestion von Vertrauenswürdigkeit und Autorität als Erübrigung eigenständiger Begründung von Wissensansprüchen geleistet wird, enorm hoch wären.
Aber unter welcher Bedingungen? Und welche Kosten fielen an?
Sofern man sich auf die Unsicherheitsabsorptionen der Anderen verlassen können muss, beispielsweise auf das reibungsfreie Funktionieren großer und kleiner technischer Anwendungen, bzw. darauf, dass die durch sie verursachbaren, vom Benutzer zunächst unerwarteten, dann aber doch eintretenden Schäden sich durch lose Kopplung in Grenzen halten. In Nah-Beziehungen ist das ganz ähnlich.
Aber was hätten wir analog bei der Sabotage der Unsicherheitsabsorption für die Textproduktion aber an Kosten zu befürchten? Jedenfalls nicht mher falsche Interpretationen, sondern vielleicht nur noch verpasste Beobachtungschancen.
Ist Trollen Kritik? Sind Wissenschaftler per se Trollkönige? Trollen nur Männer?
Jedenfalls bliebe Kritik als Möglichkeit auch dann noch gegeben, wenn eine Trolldisziplin entwickelt wäre. Denn man könnte ja auch Kritik oder allgemeiner Angebote zur Klärung von Sachverhalten dazu benutzen, jede Verunklärung, jede Verwirrung zu sabotieren. Aus diesem Grund sind mir die Vorbehalte gegen eine Trolldisziplin nur dadurch verständlich, dass immer noch die transzendentale Subjektdisziplin gegen diese Möglichkeit in Stellung gebracht wird, auch von Bielefelder Schülern, die zwar ihrer Selbstbeschreibung nach einen Begriff von Transzendentalität und Subjektivität für ihre Theoriebildung ablehnen, aber kein bißchen auf die Routinen verzichten können, die durch das kritische Verfahren entwickelt wurden. Der Grund aber, weshalb eine Trolldisziplin nicht sanktionerbar ist, hängt vielleicht damit zusammen, dass sie nicht, gemäß kritikbedürftiger Verfahrens- und Entscheidungsroutinen zu rechtfertigen ist. Eine Trolldisziplin wäre moralfrei und, weil sie die Selbstsanktionierung als Ausgangspunkt nimmt, mit zivilisatorischen Einrichtungen nicht zu vereinbaren. Denn diese Einrichtungen verlangen Sanktion als fremdbestimmtes Recht, wodurch sich die Ansprüche auf Selbstbestimmung legitimieren und dadurch, dass diese ständig scheitern, als Mythos zur Motivierung von Zivilisationsanstrengungen durch seine wiederholte Benennung als Gefahr vor dem Weltuntergang, virulent und unerfüllbar bleiben.
@Kusanowsky – Du weisst, ich lese gerade intensiv (soll wirklich heissen: mit heissem Herzen) die Trilogie von Gunter Dueck. Den Band 1 „Omnisophie“ habe ich durch, das war das Generaliment; jetzt bin ich im Band 2 „Supramanie“, Vom Pflichtmenschen zum Score-Man, auf Seite 100 (von 354).
Duecks Grundthese: es gibt DREI (wenn sie typisch auftreten, nicht gemischt, wie empirisch doch zu erwarten): drei tatsächlich vollkommen verschiedene Menschen, davon sind die beiden ersten mehr oder weniger genau erforscht, so dass auch Dueck, trotz seiner individuellen humorvollen und satirisch zugespitzten Schreibweise, sie eigentlich nur breit referiert. Diese beiden Menschen sind der 1) „richtige“ Mensch und 2) der „wahre“ Mensch. Ich muss hier nicht betonen und aus führen, dass man die beiden Dueck-Termini „richtig & „wahr“ nur dann so recht versteht, wenn man ihn gelesen hat; jedenfalls meinen sie nicht das alltägliche „richtig“ & „wahr“.
(1) richtige Menschen (Beamte, Polizisten, Richter) sind solche, die der computerähnlichen Steuerung durch ihre linke Gehirnhälfte unterliegen. Das menschliche Linksgehirn ist nach Dueck, (dem Computer-Mathematiker), tatsächlich so etwas wie ein richtiger Computer: mit Festplatte, Haupt- & Arbeitsspeicher usw. Die linke Gehirnhälfte wird von klein auf gefüttert mit Fakten. Sie hat nur eine Maxime: keine Fehler tolerieren, bloss nichts falsch machen.
(2) natürliche Menschen (Künstler, Träumer, Anführer; Leistungssportler, wahre Chefs) sind solche, die alle ihre Handlungen und Entscheidungen intuitiv der rechten Gehirnhälfte verdanken und auch vertrauen. Sie WISSEN einfach, wenn etwas richtig ist, weil es ihrem Gefühl nach WAHR ist. Da, wo sie überzeugt sind, lassen sie sich nicht beirren. Sie werden meist von den richtigen Menschen beschimpft und verurteilt als Träumer oder sogar als Spinner. Die wahren Menschen halten die richtigen dafür aus tiefstem Herzen für Paragraphenhengste, Rechthaber, programmfixierte Vollzugsidioten.
In der heutigen Betriebspraxis und im normalen Universitätsalltag besiegen die richtigen Menschen allemal die wahren: Der Kultusminister hat angeordnet, …, oder: der Vorstand, der will es halt so, also wird es so gemacht, …
Das oder so ähnliches kann man in jedem Managerhandbuch nachlesen, bloss eben langweiliger als bei Dueck. Nun gibt es aber noch einen Dritten Menschen, den nicht einmal Freud mit seinem Es, Ich und Über-Ich so richtig erkannt und auch nicht im Dueck’schen Sinne beschrieben hat: das ist der natürliche Mensch. Beim natürlichen Menschen sind linke und rechte Gehirnhälften in einem spezifischen Ausgleichsmodus, (so oder so), der den natürlichen Menschen vom Gehirn aus kaum benachteiligt; aber: der natürliche Mensch hat neben den – sagen wir einmal so – Abstraktionen der linken und der rechten Gehirnhälfte noch einen dritten, einen entscheidenden Referenzpunkt: der natürlich Mensch hört auf seinen Körper: Wenn der ihm sagt, das schaffen wir, oder: na das wollen wir doch mal sehen, ob das diese Grenze wirklich gibt, dann geht der natürliche Mensch durch alle Mauern und über alle Grenzen und Hindernisse. Das mögen die richtigen Menschen nun gar nicht, denn sie vertreten ja das System. Aber auch die wahren Menschen, bei all ihrer Kreativität, werden hier schnell stutzig und bekommen es genauso mit der Angst zu tun wie die richtigen: Was ist das denn für einer? ein Egoist? ein Maniker? Vorsicht, ein Verrückter.
Nachtrag zum wahren Menschen: die rechte Gehirnhälfte ist KEIN Computer, sie ist ein neuronales Netzwerk, in dessen Mittelpunkt sich eine Blackbox befindet. Von der linken Gehirnhälfte bezieht die rechte Hälfte als INPUT alle denkbaren und alle mögliche sachlichen und empirisch bewährten Informationen. Das alles wird dann in der (individuellen, sozialisierten) Blackbox „durch den Wolf gedreht“ = mathematisch nicht bzw, kaum erfassbar; man denke an Heinz von Foerster;), wenn das gelaufen ist, dann spuckt diese Blackbox ein Ergebnis, eine Entscheidung aus, und sie weigert sich strickt, dieses Ergebnis zu begründen. Richtige Menschen sagen dann: das muss ich alles erst noch einmal überprüfen, abschecken, mit den regeln und Normen vergleichen und abgleichen. Die richtigen Menschen (ver)trauen ihrer rechten Hälfte nicht, niemals! Die wahren Menschen sagen: Scheiss doch drauf, was die Regeln sagen, ich mache das jetzt so, wie es mir meine Intuition empfiehlt.
Jetzt der freischwebende versuch, dies allesauf die alle so überraschende Trollkommunikation zu übersetzen: Wahrscheinlich kann ein Troll alles dreie sein: 1) ein richtiger Mensch, dann zeigt er sich als ein böser bockiger Störer. 2) Ist der Toll ein wahrer Mensch, dann liest er sogenannte kritische Texte und denkt sich, ihr könnt mich alle mal, ich spüre doch, dass das Geschriebene/Gesagte von euch Rechthabern Scheisse ist und er stört dann auf eine undurchschaubare aber durchaus alle verblüffende Art und Weise. Der richtige Troll schliesst an den wahren Text an und dreht ihn um in Richtung: das haben wir schon immer so gemacht; der Wahre Troll schliesst an den richtigen Text an und zaubert eine verblüffende Lösung herbei, von der noch niemand zuvor etwas gehört hat. 3) Na und der natürliche Troll, der ist wohl wie ein bewährter Hofnarr, der Unerhörtes sagen darf, ohne gerichtet zu werden, oder er schliesst eigentlich nirgends an und liefert einen alles zerstörenden Text, dem aber sofort alle folgen wie die Kinder in Hameln dem damaligen Rattenfänger.
Das alles ist natürlich (sic) jetzt vollkommen freischwebend und ohne Netz geschrieben. Ich lasse es dennoch hier einfach mal so stehen und berufe mich darauf: Du, Klaus, Du hast es bei Twitter so gewollt, Basta“
Oder er hätte wenigstens Schwierigkeiten, sich von einem Bot zu unterscheiden. Eben diesen Schwierigkeiten nicht aus dem Wege zu gehen wäre der Auftrag einer Trolldisziplin. Aber dazu müsste müsste man das Probelm überhaupt erst herstellen, nämlich die Dauerdurchführung von Turing-Tests. Und wenn ich behaupte, dass wir damit schon längst beschäftigt sind, dann glaubt mir keiner, weil die Bots ihr „kritisches“ Stapelverarbeitungsprogramm noch nicht vollständig abgearbeitet haben.
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