Differentia

Tag: künstliche Intelligenz

Findet Kommunikation statt? Über soziale und parasoziale Beobachtung 3

zurück / Fortsetzung: Mit der Verbesserung einer Spracherkennungstechnologie dürfte es gewiss möglich werden, einem Computer auch komplexe Anweisungen durch Sprechen zu erteilen. Wird so etwas möglich, dann kann man auch den umgekehrten Weg bedenken und fragen, ob Computer Menschen durch Sprechen Anweisungen erteilen können. Die Antwort: Selbstverständlich können Computer Menschen Anweisungen erteilen. Das können aber auch Babies, Tiere, Götter, Bäume oder Quasare. Die Frage zur Klärung eines solchen Sachverhaltes ist nicht die Antwort auf die Frage, ob es Götter gibt, was Quasare sind, welche Eigenschaften sie haben und ob sie intelligent sind und ob sprechen oder kommunizieren können. Vielmehr geht es darum, ob man Informationen als Anweisungen behandelt, ob sie einem Baum, einem Vogel oder einem Wasserfall als Quelle zuordnet werden und ob die Anweisung befolgt wird oder nicht, denn die Ausführung von Anweisungen kann man auch verweigern.
Du bist in der Straßenbahn und die automatische Ansage verkündet: „Nächste Haltestelle Hauptwache.“ Du hörst das und steigst aus, sobald der Zug hält. Du behandelst die Mitteilung als Anweisung und befolgst sie. Für dein Handeln ist es unerheblich, ob das die Stimme eines Automaten oder eines Menschen ist. Es ist eine Anweisung, die du nicht befolgen musst.
Kommunikation ist keine Gehorsamsübung. Kommunikation erfordert immer auch Ablehnung, Widerstand, Widerspenstigkeit, Gegenmaßnahmen, Kommunikation ermöglicht immer auch Verwirrung, Verkomplizierung und Verdunkelung. Tricksen, täuschen, stören sind keine Fehlleistungen der Kommunikation, sondern unverzichtbare Operationen, um ihre Realität beobachtbar zu machen. Damit sei vorgreifend schon angedeutet, dass die Vorbehalte, Ängste und Gefahrenhinweise hinsichtlich der „Macht von Maschinen“ gegenstandslos sind. Denn wie immer man sich in Kommunikation und damit in Gesellschaft verwickelt, es entstehen nicht nur Zwänge, sondern auch Freiheiten, nicht nur Notwendigkeiten, sondern auch Unbekanntheiten, Fraglichkeiten oder ganz allgemein Beobachtungen, die darauf verweisen, dass die Verhältnisse und Zusammenhänge merkwürdig sind oder seltsam werden.
Die Gefahrenkommunikation hinsichtlich der „Macht von Maschinen“ hat eine Art Verdusselungsfunktion. Die Verdusselung kommt zustande, weil in den Routinen landläufiger Konzepte von Kommunikation immer ein vorausgehender Konsens als entscheidende Bedingung für die Möglichkeit von Kommunikation behauptet wird. Es ginge jeder Kommunikation immer irgendein, wenn auch nur heimliches und nicht sehr offensichtliches Einverständnis voraus. Konsens, Vertrag, Vereinbarung, Abmachung zuzüglich der Vermutung, das beruhe auf Gegenseitigkeit und Freiwilligkeit. Empirisch stimmt das hinten und vorne nicht, aber es wird zuverlässig wiederholt, unabhängig davon, ob das irgendjemand glaubt oder nicht.
Solche Begriffe von Kommunikation nehmen Identität als unbedingte Voraussetzung für das Gelingen von Kommunikation, eine Auffassung, die trotz mangelnder empirischer Bestätigung so hartnäckig verhaftet bleibt, dass sie mit verständigen Argumenten, die stets auf die Kontingenz der Empirie verweisen, aus der etwas ganz anderes hervor geht, nicht verändert werden kann. Das wiederum liegt daran, dass jeder Versuch, das zu verändern, als Kommunikation beobachtet wird, der Idenität voraus geht. In der Eigenwilligkeit meines Sprachgebrauchs heißt das, dass Identiät in der modernen Gesellschaft eine paranoische Fiktion ist, die allerdings – unter angebbaren historischen Bedingungen – standardisiert werden konnte. Aber diese Bedingungen können sich ändern, und zwar nicht mit Argumenten, sondern mit der dämonischen Macht der Gesellschaft selbst.

Die Gefahrenkommunikation, was die Macht die Macht von Maschinen angeht, kann deshalb zur Verdusselung führen, weil geglaubt werden kann, dass Kommunikation, wenn auch Maschinen kommunizieren könnten und sie entsprechende Tricks beherrschten, sie Menschen überlegen sein müssten, weil sie nachweislich immer schneller sind. Das stimmt. Computer sind immer schneller als Menschen, weshalb – so die vermutete Gefahr – Menschen sich, ohne, dass sie es merkten aufgrund ihres immer schon gegebenen Einverständnisses mit Kommunikation, heillos verstricken könnten. Selbstverständlich können Menschen sich rettungslos in Kommunikation verstricken, aber das nicht erst, wenn es schnell rechnende Computer gibt. Die Verdusselung funktioniert, um die paranoische Fiktion der Idenität zu retten. Und gerade die empirielosen und hartnäckigen Bemühungen solcher Gefahrenkommunikation machen nur deutlich, wie gebrechlich die Annahme ist, der Kommunikation ginge irgendeine Identität voraus. Diese Annahme ist dusselig und soll gerettet werden. Als ob das noch ginge!

Fortsetzung

Findet Kommunikation statt? Über soziale und parasoziale Beobachtung 2

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zurück / Forsetzung: Man kann ein hübsches scholastisches Problem aus der Frage machen, ob ein Geldautomat intelligent ist oder nicht. Weniger interessant werden diese Überlegungen, wenn man zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz unterscheiden wollte, denn eine natürliche Intelligenz hat noch keiner gemessen. Dass dennoch gern von künstlicher Intelligenz die Rede ist, hängt, möchte ich vermuten, damit zusammen, dass die Bürokratisierung, das heißt die Einfädelung einer Technikwissenschaft in die Entscheidungsregulatorien staatlich sanktionierter Wissensproduktion, erst im Laufe des 20. Jahrhunderts gelungen war, während eine Intelligenzforschung als Problem bereits Ende des 19. Jahrhunderts in der Wissenschaftsbürokratie verankert wurde, was – so vermute ich – selbst eine Reaktion auf die Bürokratisierung der Wissenschaft gewesen ist. Denn sobald Bürokratie mit ihren Sachzwängen Entscheidungen herstellt, kommt für eine Wissenschaft aufgrund der Zumutungen, die damit verbunden sind, relativ schnell die Frage nach der Intelligenz solcher Entscheidungen auf, weshalb es nicht lange dauern kann, bis eine Wissenschaft aufgrund ihrer Selbstreferenzialität anfängt danach zu fragen, wie man Intelligenz beobachten und messen kann. Eine solche Frage wäre im 18. Jahrhundert, in der Zeit des sehr produktiven Geniekults als soziale Quelle dieser Vermeidungssstruktur noch nicht möglich gewesen. Der Geniekult konnte mit einen naiven Begriff von Intelligenz auskommen.
So kam mit einer Technikwissenschaft als spätere Komponente im Kanon wissenschaftlicher Fächer das Intelligenzproblem unter Berücksichtigung einer anderen Semantik noch einmal zu Sprache. Diese Doppelerfindung des Intelligenzproblems lässt sich vermutlich nicht so einfach integrieren, weshalb nicht einmal eine scholastische Diskussion übermäßige intelligente Ergebnisse erbringen könnte.
Die Nichtintegrierbarkeit scheint damit zusammenzuhängen, dass die Intelligenzforschung in der Psychologie von Anfang an als Humanproblem behandelt wurde, dessen kontingente Behandlung wieder nur in Strukturen eines als anthropologisch fundierten Entscheidungskonzepts, das wiederum mit der Wissbarkeit von Realität verknüpft ist, verankert war und sich gegen Handlung naiv zeigen konnte. Handlungsfolgen erschienen immer nur als Ergebnis von Intentionalität, die wiederum durch Intelligenz bedingt war. Daraus folgte eine Entnaivisierung des Intelligenzbegriffes. Eine Technikwissenschaft kann dagegen Intelligenz naiv behandeln und die Kontingenz der Handlungsfolgen betrachten, um so danach zu fragen, ob an Handlung Intelligenz ablesbar ist oder nicht. So erscheint im Rahmen der KI-Forschung ein Handlungsbegriff entnaivisiert zu werden. Daher wohl die Nichtintegrierbarkeit der Intelligenz- und Handlungskonzepte von Psychlogie und KI-Forschung.

Aber das nur nebenbei.

Ein Geldautomat mag intelligent sein, kommunizieren kann er nicht. Die Frage, um die es mir im folgenden gehen soll ist darum auch nicht Frage, was Kommunikation ist und wie sie möglich wird, sondern: findet Kommunikation statt? Die Frage scheint mir in dem Maße wichtig zu werden, wie die Beteiligung von Computern an der Kommunikation immer mehr zunimmt.

Fortsetzung