Differentia

Tag: Gesellschaft

Theorie der digitalen Gesellschaft

Für welches Problem ist die Digitalisierung eine Lösung?

Die Digitalisierung ist eine Lösung für solche Probleme, die sich ergeben, wenn eine Gesellschaft grundlos, nutzlos und zwecklos anfängt, sich mit Digitalisierung zu befassen. Die größten Probleme sind nämlich die Beschaffung von Gründen, die Rechtfertigung von Nutzen und die Erforschung von Zwecken. All das ist ziemlich überflüssig und entspricht genau dem, was Gesellschaft im Ganzen ist: überflüssig, aber unwahrscheinlich und darum unwiderstehlich und nicht mehr abzuschaffen.
Die Industrialisierung war ein gesellschaftlicher Schöpfungsvorgang zur Verteilung von Intelligenz, war „Challenge“ (Toynbee); die Digitalisierung dagegen ist die Einsammlung dieser Intelligenz, ist „Response“. Aber dafür fehlt es noch an an einer geeigneten Intelligenz; es fehlt an einer Art von Intelligenz, die Verteilungsprobleme nicht herstellt, sondern ignoriert und welche nur darum Verteilungsprobleme lösen kann.

(Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft)

 

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Lernen als Machtspiel 9 Klammergriff des Erfolgs 3

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Gesellschaft ist kein Gottersatz, aber die moderne Gesellschaft hat wenig dagegen, sich als Götzenbildersatz zu empfehlen.

Eine Gesellschaft handelt sich mit dem Zugewinn der Empirizität ihrer sozialen Produktionen zugleich ein Handicap ein; eine Lücke ihres Versagens, die sie nur mit den durch sie selbst geschaffenen Erfahrungen, mit ihren erfahrenen Erfahrungen ordnen, organisieren und weiterführen kann. Ist eine Gesellschaft leistungsfähig geworden, so kann sie irgendwann nur das ordnen, was sie schon geordnet hat; kann irgendwann nur das zeigen, was sie schon gezeigt hat; kann irgendwann nur verständlich machen, was sie schon verständlich gemacht hat. Irgendwann muss eine Gesellschaft nur noch mit dem zurecht kommen, was sie selbst hervorgebracht hat, indem sie allein ihre Erfahrungen auf ihre Erfahrungen anwendet. Und die Gefahr wird immer größer, dass bald Hängen im Schacht ist.
Gesellschaftliche Selbsterfahrung heißt: Irgendwann weiß eine Gesellschaft über sich alles, kommt damit aber immer schlechter zurecht. Irgendwann wird eine Gesellschaft nämlich aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten unfähig, die Nebenwirkungen ihres Geschäfts mit den Hausmitteln ihrer Apotheke zu behandeln. Irgendwann wir die unübersehbare Vielzahl der Nebenwirkungen so grundsätzlich bedeutungsvoll, dass es noch etwas dauert, bis sie feststellt, dass die Nebenwirkungen kein Schaden, sondern Heilungsversuche sind, die zunächst als heteroclitisch auffallen, weil sie sich nur mit Mühe in das Ordnungsschema ihrer verfügbaren Erfahrungen einsortieren lassen, ich meine damit z.B. Quantenphysik, Dunkle Materie, soziologische Systemtheorie, Horrorclowns, Blockchain oder diese Art von neuem Terrorismus. Alle diese Phänomene sind mit bekannten Mitteln nur schwer zu behandeln, aber müssen allein mit bekannten Mitteln behandelt werden, weil keine anderen als nur solche Ressourcen herangezogen werden können, die sich innerhalb des Differenzierungsprozesses als tauglich erwiesen haben.

Damit ist der Klammergriff des Erfolgs angesprochen.

Gesellschaft kann sehr viel leisten, wenn sie sich aus ihren traumatischen Zwängen befreit. Aber diese Befreiung ist darauf angewiesen, dass sie ein spezifisches Wissenskonzept ausbildet, das eigens dafür entsteht, die zurück liegenden traumatische Situation für die Zukunft zu bewältigen.

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