Findet Kommunikation statt? Über soziale und parasoziale Beobachtung 4
von Kusanowsky
zurück / Fortsetzung: Findet Kommunikation statt? Kommunikation ergibt sich nicht aus einem Begriff oder Konzept; Kommunikation ist keine Sache, die sich aus einer Definition, einer Darlegung, eines Beweises oder gar einer Theorie ergibt. Auch existiert Kommunikation nirgendwo. Man kann sie nicht aufsuchen, anfassen, angucken, beschnüffeln, in die Tasche stecken und mit nach Hause nehmen. Kommunikation gibt es im strengen Sinne einer ontologisch-existenzialistischen Auffassung nicht. Deshalb gibt es weder Methoden, mit denen man Kommunikation zweifelsfrei nachweisen könnte, noch gibt es verlässliche Kommunikationsmethoden. Nach Maßgabe transzendentaltheoretischer Auffassungen über die Empirizität der Welt könnte man also sagen: Kommunikation ist nicht Empirisch, sofern man Empirisches auf das reduzieren möchte, was Menschen durch Sinneswahrnehmung erleben. Die Geräusche, die man hört, wenn man einen Menschen sprechen sieht, sind ein Konstrukt des Bewusstseins und die Tatsache, dass diese Konstrukte real sind hängt damit zusammen, dass die Wissensprodukte, die darüber Auskunft geben und als Tatsachen der Realität erscheinen, ebenfalls Konstrukte sind, die gerade weil sie auch geleugnet werden können, für einen hinreichenden Beobachtungswiderstand sorgen. Entgegen der landläufigen Ablehnung konstruktivistischer Erkenntnistheorie sind Konstrukte allein Beobachtungsergebnisse der Systeme deshalb, weil auch die Widerständigkeit, das objectum, wie man früher gesagt hätte, von den Systemen konstruiert wird. Die Widerstände gegen die Beobachtung gibt es nicht einfach, sondern müssen genauso konstruiert werden, damit Beobachtung gelingt. Konstrukte sind also nicht Einbildungen oder Illusionen, die durch willkürliche Wahl entstehen und deshalb genauso willkürlich wieder abgewählt werden könnten, sondern sie sind deshalb real, weil die Eigenwilligkeit der Systeme die Konstrukte jeder Verfügbarkeit entziehen. Gerade weil die Systeme ihre eigene Realität erzeugen, werden die Ergebnisse als Systemprodukte, die für die Fortsetzung der Systeme gebraucht werden, für die Systeme unverzichtbar. Diese Unverzichtbarkeit selbsterzeugter Produkte für die Reproduktion ist das Kriterium für einen stabilen Realitätsgehalt der Welt und nicht etwa die Vorstellung einer von Beobachtung unabängigen Instanz, weil nämlich auch jede Unabhängigkeit noch beobachtet werden muss, damit man von ihr sprechen kann.
Dass die gegenteilige Beobachtung evident werden konnte und bis heute genauso beliebt wie gefürchtet ist, ist kein Irrtum oder eine Fehlleistung, sondern ist erklärungsbedürftig. Die gegenteilige Auffassung, also die Aufassung einer von Beobachtung nicht beeindruckbaren und veränderbaren und damit unabhängigen Realität, hatte ein gesellschaftlich wichtige Funktion, deren überraschendste Folgewirkung darin bestanden hatte, soziale Realität – oder wenn man so will: soziale Tatsachen – beobachtbar zu machen. Soziale Tatsachen gibt es nicht einfach, sondern müssen genauso mühsam erarbeitet werden wie alle anderen wissbaren Dinge auch. Ein für die Evolution der Gesellschaft brauchbarer Weg war das ständige Scheitern an der Annahme, soziale Tatsachen seien objektiv gegeben. Durch das permanente Scheitern an dieser Annahme konnten sich soziale Systeme bilden, die eine Sprache, ein Vokabular, eine Semantik und eine symbolische Ordnung differenzierten. Eines dieser Systeme fand Eingang in die akademisch-bürokratische Ordnung der modernen Wissenschaften: Soziologie.
Kommunikation als Konstrukt ergibt allein aus ihrer Fortsetzung. Ist man mit einer Situation konfrontiert, aus der hervorgeht, dass nicht klar ist, ob Kommunikation stattfindet oder nicht, so kann man das nicht klären, wenn man in einem Buch nachliest oder wenn man die Schriften von Niklas Luhmann liest und sie richtig zitiert. Denn ob richtig zitiert wurde ist allein eine Sache der Kommunikation.
Man könnte einwenden, dass die Frage, ob Kommunikation stattfindet oder nicht nur von marginaler Bedeutung sei, weil in den allermeisten Fällen die Zusammenhänge und Verhältnisse keinen anderen Schluss zulassen als den, dass Kommunikation stattfindet. Wo immer sich Anschlussmöglichkeiten zeigen, erst recht, wenn viele verschiedene überall erscheinen, dürfte es nicht so schwer sein, auf Kommunikation zu schließen. Das stimmt. Aber unter welcher Voraussetzung?
Kommunikation findet statt. Kommunikation ist der Ausdruck des Austausches von Beobachtungsergebnissen.
Nein, Kommunikation ist kein Ausstausch. Dazu später mehr.
Jetzt bin ich gespannt, wie ein Flitzebogen und erwarte eine klare und konkrete Antwort, die auch widerlegt, dass Kommunikation kein Prozess des Austauschs von Botschaften, zwischen mindestens zwei Protagonisten ist, dabei ist es unerheblich, dass die Wirklichkeit der Kommunikation selbst ein Konstrukt ist, mit vielfältigen Ausprägungen im sozialen Kontext.
Die Annahme, dass Kommunikation ein Ausstauschprozess zwischen mindestens zwei Beteiligten sei, ist infolge der Subjket-Objekt-Unterscheidung entstanden, durch welche Handlung, dazu all das, was sie motivieren könnte wie Interessen, Absichten, Bedürfnisse und dergleichen, als soziale Tatsache erscheint, die man verstehen und erklären könne, so jedenfalls geht das aus den Grundsätzen der empirischen Sozialforschung hervor. Die transzendentaltheoretische Fundierung dieser sog. empirischen Forschung besagt, dass bei zwei Beteiligten nur zwei Selektionsinstanzen von Information gegeben seien. Ein dritte wird geleugnet, wird als nichtempirisch beiseite geschoben. Außerdem geht diese theoretische Vorannahme davon aus, dass der Kommunikationsvorgang durch kausale Zusammenhänge erklärbar wird. Die für solche Annahmen geeigneten Begirffe haben soziologisch lediglich ein parasozialen Charakter, weil sie den sozialen Prozess nicht vollständig erklären können
Unter parasoziologischen Begrifflichkeiten verstehe ich alle Arten kommunikationstheoretischer Attributierung, die in entsprechenden Theorien eingelassen ist und geeignete Kommunikationmodelle hervorbringt.