Die Burka und das Verbot der Frauenversteher

von Kusanowsky

Was auch immer man sonst noch über  das Verbot der französischen Nationalversammlung zur Ganzkörperverschleierung sagen möchte, welche Parteilichkeit, ob für oder wider man bei der Beurteilung berücksichtigen möchte, eines scheint wenigstens sicher: der weibliche Körper bleibt für soziale Beobachtungssysteme skandalfähig. Es ist keine Art von Emanzipation möglich, die daran etwas ändern könnte, weil alle Emanzipationsbemühungen den Skandal der Ungleichwertigkeit der Verteilung von Aufmerksamkeit auf anthropogene Umweltkomplexität notwendig reproduzieren müssen, um die Legitimität der Emnazipation nicht aus den Augen zu verlieren.

Zur Ganzkörperentblößung, die genau genommen noch nichts von ihrer Skandalträchtigkeit verloren hat, gesellt sich nun komplementär die Ganzkörperverhüllung als Skandal. Diese Komplementarität war längst überfällig. Keineswegs haben wir es hier mit Widersprüchen zu tun, die von einer Sturheit normativer Ansprüche zeugen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, wenn man dem Gedankengang folgen will, dass das Verbot der Ganzkörperverhüllung mit der Gestattung der Ganzkörperentblößung zusammengenommen eben einen Ausstieg aus normativen Engstirnigkeiten anzeigt. Man sollte dabei bedenken, dass der zurückliegende Kampf um sexuelle Befreiung mehrfach codiert gewesen ist. Denn es ging dabei ja nicht allein um Recht und Unrecht, sondern um die Durchsetzung von Beobachtungspositionen, die eine Verteilung von Rechten und Zumutungen unter die Differenz von Legitimität und Illegitimität zwangen. Dass der weibliche Körper als Erprobungsfeld solcher Hegemonialkämpfe besser als der männliche geeigent scheint, kommt wohl daher, dass der männliche Körper historisch schon anderweitig vergeben war. Eine Befreiung aus der bürgerlichen Manneszucht hat niemals explizit stattgefunden, sondern hat sich auf Fragen der Homosexualität verschoben. Denn in Fragen der männlichen Homosexualität wird ja nicht um „Körperrecht“ gestritten, sondern um ein sexualisiertes Beobachungsverhältnis zwischen Männern, das gerade dadurch entsteht, dass Körperrechte gar nicht streitig sind.

Das selbe gilt im Beobachtungsverhältnis einer Außendifferenz zwischen Männern und Frauen einerseits und einer Binnendifferenz zwischen Frauen und Frauen anderseits nicht in gleicher Weise. Der weibliche Körper unterliegt damit einer doppelten Asymmetrie der Beobachtung, die die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers als Recht, als Pflicht und als Zumutung mehrfach verschieden in Erscheinung treten lässt.

In dieser Hinsicht ist das Burka-Verbot eine notwendige und hilfreiche Ergänzung zur Steigerung der Unüberschaubarkeit von Positionsbestimmungen, die in die Falle ihrer ständig steigenden Selbstreflexivität treten müssen. Eine Ganzkörperverhüllung zeigt nämlich – ähnlich wie eine Ganzkörperentblößung – nichts anderes als eine Frau. Damit ist über die Frage, ob nackt oder nicht, ob legitim oder nicht, ob frei oder nicht noch nichts Eindeutiges gesagt. Denn eine Maske ist das, was durch die Verhüllung dessen, was sie verhüllen soll, zutage tritt. Erst durch die Maske wird sichtbar, was sie verbirgt. Wie immer sich die Beobachtungspositionen anschließend enftalten können: in allen Fällen wird die Frau zum skandalfähigen Blickfang, weil ein Beobachter zu jedem Zeitpunkt die Unhaltbarkeit seiner Unterscheidung mitreflektiert. Will man behaupten, die Burka bezeichne einen Verhüllungsskandal, der durch Zwang zur Nichtsichtbarkeit entsteht, wird nun sichtbar, dass der Zwang zur Enthüllung ebenfalls ein Skandal ist, weil die so erzeugte Sichtbarkeit an der Oberfläche das weiblichen Körpers die Zwanghaftigkeit wiederholt, die mit die Zwanghaftigkeit der Verhüllung entsteht.

Das Burkaverbot steigert damit nur die Unhaltbarkeit normativer Strategien zur Durchsetzung von Rechten und Pflichten. Der Niedergang normativer Ansprüche geschieht nicht durch Verzicht auf Zwangsmaßnahmen, sondern durch Pietätlosikeit und Hybris.

Siehe dazu auch den Artikel
Nacktscanner – Die Intimität der Inneren Sicherheit