Replik: Wissenskommunikation und Verwaltung

Hier eine interessante Replik von Erhard Muesse auf den Artikel: „Die bösen Geister, die ich rief Teil 3
Herkunft: Luhmann-Liste, 13. August 2010

Dass Wissenskommunikation – die sich als solche (wieder)erkennbar und anschlussfähig behandelt – heute organisierte Wissenskommunikation ist, dürfte auch der Wissenschaft nicht ganz verborgen geblieben sein. Die Zeiten der Wissenskommunikation auf athener Marktplätze(n), Akademien, Klöstern und Salons sind historische Vergangenheit. Argumente und Beiträge zur Wissenskommunikation qualifizieren und validieren sich daher nicht mehr (ausschließlich) in Interaktion unter Anwesenden, sondern in Organisationen und Publikationen. Dass es der Soziologie – namentlich der Organisationssoziologie, der Professionssoziologie, der Bürokratieforschung – völlig entgangen sein sollte, wie stark ihre eigene Forschungskommunikation von Forschungsbürokratie mitformatiert wird, halte ich für wenig plausibel.
– Mindestens den 68er hätte beim Blick (mit zugehaltener Nase) unter die muffigen Talare etwas auffallen müssen.
– Aber vielleicht reicht ja auch schon ein Blick in der Vortrag ‚Wissenschaft als Beruf‘ (1919) von Max Weber.  Dass Wissenschaft ein fachlich betriebener Beruf ist und sich „Wissenschaftlichkeit als Anschlussfähig unter den Bedingungen der Verwaltungsorganisation der Universitäten erweisen muss“ gehört seit dem zu den  – darf man sagen ? – Klassikern, unter den Selbstbeschreibungsformeln von Wissenschaft.
– Und wenn man an die Frankfurter Schule vor Habermas denkt, etwa an Horkheimers These der „verwalteten Welt“, müsste es schon sehr verwundern, wenn dies die Wissenschaft nicht miteingeschlossen hätte.
– Und selbst in Luhmanns Wissenschaft der Gesellschaft (so meine ich mich zu erinnern) findet sich einiges über die Organisationsweise „Forschungs-Projekt“, das die Wissenschaftkommunikation in spezifische Beschränkungen einbindet. Nicht zuletzt daraus bezieht ja das Vorwort zur Gesellschaft der Gesellschaft seinen Witz, wenn es von einem Forschungsprojekt schreibt.  Dauer: 30 Jahre. Kosten: keine. Thema: Theorie der Gesellschaft.
– Und in Dirk Baecker, Die nächste Gesellschaft, findet sich sicherlich auch etwas zum Thema Universität und Habilitation, samt den bürokratischen Initiationsriten von Wissenschaft. 

Kurz: Außer dem (zeitlichen Sinn des) Versprechen(s) „Fortsetzung folgt“ ist mir eigentlich unklar, was der sachliche und soziale Sinn ihres „Trollbeitrags“ ist.
Jedenfalls ist der grobe Schnitt Wissenschaft vs. irres Zeug und die erklärenden Vokabeln Organisation, Bürokratie hier, Internet dort, noch wenig erhellend für mich. Ich glaube ich habe nicht einmal das Problem – den bösen Geist, der sie rief? – verstanden, das sie beschäftigt.

Mit freundlichem Gruss
Erhard

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