Paradigmenwechsel, Strukturwandel und Warenfetischismus #leistungsschutzrecht
von Kusanowsky
Langweilig wird es mit der Zeit, wenn ich immer wieder schreibe, dass ich im Ganzen den Überlegungen von Stefan Schulz zustimmen kann, aber dennoch möchte ich meinen, dass er in dem Artikel „Paradigmenwandel“ als ausführlichen Kommentar zu einem Posting von Postdramatiker zuviel des Guten getan hat, wie man auch sagt: Perlen vor die Säue geworfen hat, einen Eindruck, den ich vor einiger Zeit schon einmal beim Nick-Haflinger-Blog anbringen musste als dort ausführlich dieser „Filter-Souveränitäts-Humbug“ widerlegt wurde.
Mir scheint, dass dies ein wichtiger Grund für den Strukturkonservativismus von Zeitungsverlagen ist. Dieser Konservativismus entsteht wohl durch die Selbstdeterminierung eines Geschäftsmodells, das für seine Verbreitungswege notwendig darauf angewiesen ist, Waren zu verkaufen. Und es ist gerade die Ware (hier: Zeitungen, Bücher, Schallplatten, CDs), die für Kommunikation ein Beobachtungsschema erzwingt, das den Verbreitungsprozess als kausalen Prozess versteht und nur unter dieser Bedingung die Welt kommunikabel machen kann. Die Form der Ware macht annehmbar, dass man Nachrichten, Information, Unterhaltung, Bildung „verkaufen“ könne, also all dies von „hier nach da“ zu geben, weil der Prozess der Übergabe, Übersendung oder Übermittlung stets durch Waren möglich wurde, weil ja mit der Übergabe einer Ware immer auch ein Datensatz die Stelle wechselt. Natürlich konnte klar gemacht werden, dass man „das Wissen“ behält, wenn man es weiter reicht, aber dies wieder nur durch die Übergabe von Büchern, womit noch einmal plausibel wurde, was man schon vermuten konnte: man könne Wissen haben (oder behalten).
Heinz Wittenbrink hatte vor einigen Monaten einen Beitrag über Gabriel Tarde geschrieben, in dem ein ausführliches und bemerkenswertes Zitat aus dem Jahre 1902 vorkommt:
„Die Konversation ist ein Thema, das den Ökonomen ganz besonders interessiert. Es gibt keine ökonomische Beziehung zwischen Menschen, die nicht zunächst begleitet wäre von Worten, gesprochenen Worten oder geschriebenen, gedruckten, telegrafierten, telefonierten. Selbst wenn ein Reisender irgendwelche Produkte mit Inselbewohnern austauscht, deren Sprache er nicht kennt, so findet dieser Warenaustausch nur mit Hilfe von Zeichen und Gesten statt, welche eine stumme Sprache sind. Und wie sind im übrigen diese Bedürfnisse der Produktion und der Konsumtion, des Verkaufs und des Kaufs entstanden, die durch den dank Konversationen vollbrachten Austausch gegenseitig befriedigt werden? Meist wiederum nur dank Konversationen, die die Idee eines neuen zu kaufenden oder zu produzierenden Produkts von einem Gesprächsteilnehmer zu einem anderen verbreitet haben und mit dieser Idee das Vertrauen in die Qualitäten dieses Produkts oder seinen baldigen Absatz, schließlich den Wunsch, es zu komsumieren oder zu fabrizieren. Würde das Publikum niemals plaudern, so wäre die Auslage der Waren fast stets verlorene Mühe und die hundert Millionen Trompeten der Reklame würden vergeblich erschallen. Wenn in Paris nur für acht Tage die Konversationen verstummten, so würde man bald die eigenartige Verringerung der Anzahl der Käufe in den Läden bemerken. Es gibt demnach keinen mächtigeren Chef der Konsumtion und in der Folge keinen mächtigeren. wenn auch indirekten Produktionsfaktor als das Geplauder der Individuen in ihren Mußestunden“
Also: nicht erst 1902 konnte man wissen, was jetzt durch das Internet zur Alltagserfahrung wird, aber was ist der Unterschied? Gabriel Tarde, der ja nur den Warenfetischismus wie Marx ihn beschrieb illustrierte, musste, genau wie Marx vor ihm und Adorno – und übrigens auch Luhmann – nach ihm Bücher schreiben und verkaufen um eben dies erständlich zu machen. Es gab keine anderen Wege als diejenigen, die durch Warentransport erschlossen wurden. Nicht die bessere Erkenntnis ist nunmehr der Unterschied, sondern die veränderten Bedingungen, unter denen jetzt diese Erkenntnis verständlich gemacht werden kann, was vorher und allzuoft ideologisch umkämpft war. Dass es nämlich die Beobachtung von Waren war, die ein Schema erzeugte, woraus sich eine Vielzahl an Unterscheidungen ableiteten und in Routinen gezwungen wurden. Zum Beispiel haben Ökonomen nur sehr selten danach gefragt, woher denn die Nachfrage kommt. Bei Keynes findet sich zwar schon die Überlegung, dass sie gegebenfalls künstlich erzeugt werden müsse, um die Konjunktur anzukurbeln, aber diese Überlegung hat zur Voraussetzung, dass es eine gleichsam natürliche Nachfrage geben könne. Und das ist der Irrtum! Nicht nur das ganze Angebot, auch die ganze Nachfrage unterliegt einem gesellschaftlichen Produktionsprozess, der an keiner Stelle ohne Kommunikation in Gang kommen kann. Aber in dem Maße, in dem die Wohlfahrt der Gesellschaft in ihrer Abhängigkeit von Warenproduktion un der Verteilung von Waren verstanden wird, muss auch alles andere, also auch das Geschwätz der Leute, die sich über Waren unterhalten, unter der Voraussetzung ihrer wenigstens warenähnlichen Form berücksichtigt werden. Da nun aber das Geschwätz der Leute in der Buchhaltung nicht dokumentierbar ist, weil ja die Buchhaltung und ihr Know-how selbst durch die Beobachtung von Waren entwickelte wurde, konnte man für Kommunikation kein Geschäftsmodell entwickeln. Wie auch? Wenn nichts übergeben, übermittelt, übertragen wird? Wenn also ein Datensatz nicht die Stelle wechselt, sondern nur durch Kopieren und Zeitverzug eine weitere Differenz erzeugt.
Und jetzt stehen die Steuermänner da und können nicht anders als der Digitalisierung die Warenform, oder allgemeiner: die Dokumentform mit Gewalt aufzuzwingen. Denn die Warenform bei Marx ist ja nur die Beschreibung eines Spezialfalls, der in der Dokumentform die allgemeine Form der Empire der funktional differenzierten Gesellschaft findet.
Die Digitalisierung macht, dass sich jetzt das Kommunikationsproblem in seiner Beobachtungsfähigkeit ändert. War bislang fast alle Kommunikationstheorie eine Meinungsfrage, die nicht selten hoch ideologisch behandelt wurde, so fängt jetzt das Kommunikaitonsproblem an, das zu werden, was es schon immer war, nämlich eine Frage der Methode, die lautet: Wie funktioniert Kommunikation? Und wie könnte man damit Geld verdienen? Wenn die Art, wie Geld in die Welt kommt, dem Dokumentschema zu gehorchen hat, es also die Dokumentation eines Zahlsversprechens ist, das aber nachweislich niemand erfüllt.
Siehe dazu auch: Löschen und vergessen – Wie die Gesellschaft ihre Probleme in Erfahrung bringt
Und:
Zeitungen und Zeitschriften leben zu einem erheblichen Teil davon, die Leistungen anderer kommerziell zu nutzen. Allein das Feuilleton! Es lebt davon, über Filme zu schreiben, die jemand anders gedreht hat, über Bücher, die jemand anders verfasst hat, über Gerichte, die jemand anders gekocht hat. (Stefan Niggemeier)
Ja. Ich finde das plausibel, allerdings bleibt da immer ein bisschen Unklarheit. Wenn man so ein Argument baut, also Konservatismus auf ein Problem der Unterscheidung Semantik/Gesellschaftsstruktur bezieht – kann man nur schwer ermitteln, welches Wissen tatsächlich in den Redaktionen gängig war. Waren sie tatsächlich so unaufgeklärt über ihre eigene Tätigkeit, dass sie von der Filterprämisse ausgingen oder haben sie, auf Grund tatsächlicher, individueller Alltagserfahren implizit doch ’schon‘ nach der Konstruktionsprämisse gearbeitet? Das bleibt unklar.
Klar ist aber, die „Realität der Massenmedien“ sind seit 15 Jahren bekannt (http://www.zeit.de/1996/48/luhmann.txt.19961122.xml interessanterweise von diesem Richard David Precht) das nimmt dem Vortrag von M. Oetting dann, meiner Ansicht nach, doch wieder etwas Rückhalt. Auch wenn er auf Strukturen eingeht, die irgendwann mal unbeobachtbar waren.
(Ich finde, wenn sich PR-Firmen heute über ihre eigene Tätigkeit informieren wollen, sollten die Darbietungen einfach klüger sein. 2011 angemessen… http://twitter.com/#!/oetting/status/75117995336273920 mal sehen…)
… es ist natürlich klar, dass ich die unterstellte Beobachtungsschwäche, wenn auch am Einzelfall des Vortrags gezeigt, nicht am Vortragenden festmache … Es liegt die übliche Resonanzlosigkeit zw. Wissenschaft und Wirtschaft vor.
Nur so eine spontane Idee: Ist nicht diese Art der (teilweise ungerechten) Kritik (bei Sozialtheoristen) selbst Opfer eines massenmedialen Dispositivs, von dem eine gleichsam binäre kritische Haltung abgeleitet? Ich verstehe die sich herauskritsallisierende Performatkultur auch als eine, die sich von binären Momenten der „Kritik“ an Dokumenten bis hinein in Adhominemattakcken (last resort: Vernichtung) wegentwickeln wird… Nur son Gedanke.
„Waren sie tatsächlich so unaufgeklärt über ihre eigene Tätigkeit…? Das bleibt unklar.“ Ja, aber das kommt wiederum durch den blinden Fleck, dessen Möglichkeit durch seine Ignorierung notwendig diesen Konservativismus erzeugt. Einfach deshalb, weil es nicht anders geht, weil Kontingenz innerhalb dieses Dispositivs vielleicht schon ermittelt, aber noch nicht vermittelt (oder nur sehr schwer, also allenfalls latent) werden kann. Man muss ja dabei sehen, dass jede Betriebswirtschaft, was ja auch für die Betriebswirtschaft von Verlagen gilt, nicht nach den Regeln funktionieren kann, nach welchen ihre Funktionsweise von der BWL beschrieben wird. Der Selbstbeschreibung nach handelt es sich um Marktsubjekte, die einen freien Willen haben um dessenthalben sie sich auf ein Wechselspiel von Angebot und Nachfrage einlassen. Die Unterstellung eines „freien Willens“ unterbricht damit einen selbstreferenziellen Verweisungsprozess von Angebot der Nachfrage und Nachfrage des Angebots durch einen „Urheber“, der angeblich freiwillig einen kausalen Prozess in Gang setzt, weil man anders keine Erklärung dafür hätte, wie ein Markt zustande käme, wird doch ganz offensichtlich keiner zur Partizipation gezwungen. Dies Behauptung kann innerhalb einer Form der Erfahrung vermittelt werden, die für das Zustandekommen eines Marktes niemals ein akausal-selbstdeterminierendes Kommunikationssystem annehmen kann, weil man dann nicht wüsste, die man den kausalen Distributionsprozess erklären (und rechtfertigen) könnte. Das Zauberding „Ware“ (K. Marx) lässt nicht zu, dass man an Zauberei glauben könnte, weshalb alles einen „natürlichen“ Ursprung haben müsse, der aber tatsächlich außerhalb eines sozialen Zusammenhangs der Verweisung von Kommunikation auf Kommunikation (also Nichtunterbrechbarkeit der Selbstreferenz) keine beobachtbare Realität hätte; heißt andersherum: Zauberei, sprich: Kommunikation funktioniert wirklich. Aber das ist kein Geschäftsmodell und darum Quatsch. Darum die Hilflosigkeit ob des Internets. Es erzwingt die Beschäftigung mit der Frage nach Kommunikationsmethoden, mit deren Beantwortung man nach gegenwärtigem Erfahrungsstand kein Geld verdienen kann. Darum also: schützen, retten, löschen, sperren,abmahnen, bestrafen – denn damit kann man gerade noch Geld verdienen; und wenn kein Geld, so wenigstens Aufmerksamkeit, die eine wichtige Voraussetzung ist, um an der Warenproduktion teilnehmen zu können.
„massenmedialen Dispositivs“, „binäre kritische Haltung“, „herauskritsallisierende Performatkultur“, „Adhominemattakcken“ … und der gesamte Kommentar hat nur 58 Worte! Ich würde die Frage (bzw. den Gedanken) gerne verstehen.
Allgemein ist natürlich jede Kritik berechtigt. Wir kämpfen schließlich alle nur mit „Approximationshoffnungen“, tauschen Unterschiedungen und Prämissen aus, müssen den Rest jedoch so lassen, wie er ist.
@Stefan: „müssen den Rest jedoch so lassen, wie er ist“ wenn man denn auch nur annäherungsweise wüsste, wodurch sich ein Rest auszeichnen könnte, wenn alle infragekommenden Unterscheidungen und Prämissen ausgetauscht wurden. Ich glaube, im Fall von Siggi wäre nicht die Frage zu stellen, was damit rational anschließbar anzufangen wäre, sondern es würde reichen, sich reflektiv dazu zu verhalten, wie etwa mit Hilfe solcher Software: http://worte.at/# . Alles andere ist nur Roboterei. Aber ich vermute, dass es nicht mehr lange dauern dürfte, bis wir bald zu unserem Recht kommen und nach Herzenslust spinnen dürfen, weil man heraus finden wird, dass man nur so wirklich gesund und urteilsfähig bleiben kann.
@Klaus
Die Ergänzung von Oettings Vortrag hinsichtlich der Warenförmigkeit des „Kommunikations“-Produkts macht meines Erachtens hochgradig Sinn, verbunden mit der nüchternen ökonomischen Betrachtung der Kommunikationskonzerne, als die die meisten Massenmedien sich üblicherweise nicht beschreiben – gilt doch „Medienmogul“, das heißt ein Akteur, der ganz offensichtlich die Profitmaximierung und nicht die „Aufklärung“ der Öffentlichkeit (bzw. die Herstellung von Öffentlichkeit durch Massenmedien, wie Alex Demirovic hier http://bit.ly/d9VLdD ausgeführt hat) betreibt, als dunkle Seite der Pressemacht. Heißt: Luhmanns Weltwissen-Zitat würde für Journalisten in ihrem traditionellen Selbstverständnis zweifellos in eine akzeptable und eine unakzeptable Verstehensvariante zerfallen. Im Sinne des Filterns (ergänzt um Investigation) würden Redakteure ihr sicherlich zustimmen können. Nicht nur weil „Die Welt“ eine Zeitung ist. Sondern weil der journalistische Auswahlprozess von Story/Nichtstory bereits nach Relevanzentscheidungen vorgeht, die auf wichtig/unwichtig skandal/nichtskandal beruht und in Anspruch nimmt, das Geschehen wahrheitsgemäß (also: nach journalistischen Dokumentproduktionsvorschriften) wiederzugeben. Ablehnen würde sie die kontruktivistische Dimension, verwiese doch eine nicht rein auf verbal-realer Adäquatheit beruhende Darstellung auf ein Meinungsmedium oder die Kommentarbereiche, in denen mehr und anderes geschrieben werden darf, als in einer darstellenden Reportage. Als Konstruktion würde kein Journalist das Ergebnis seiner Tätigkeit verstehen und jede dahin gehende Behauptung brüsk von sich weisen. Dass also Zeitungen Wirtschaftsorganisationen sind (und von Anfang an waren), ist eine Beschreibung, die zumindest innerhalb des journalistisch-redaktionellen Bereichs der Branche erst bedenkenswert wurde, als die Zeitungen zu enden begannen. Insbesondere in den letzten 20 Jahren.
Einerseits die Warenförmigkeit des Zeitungsproduktes, andererseits die Fabrikförmigkeit des Verlages – sind zwei Elemente, die vielleicht nicht neu, aber doch immer wieder wiederholenswert sind.
Zudem ist an Oettings Vortrag nicht so sehr allein die Medienbranchen von Interesse, sondern die Auswirkungen dieses Medienwandels auf die Produktkommunikation, die unter Umgehung der journalistischen Filterung (das ist eine der Hauptpointen des Vortrags) ihren Inhalt in das Massenmedium bringen konnte, ohne sich auf Kommunikation einlassen zu müssen. Waren Redaktionen noch durch Leserbriefe erreichbar – die Verfasser der Werbebeilagen konnten sich außerhalb des Rattenkäfigs ihres Lebens erfreuen. Sie haben die Attraktivität des gedruckten Kommunikationsprodukts genutzt, um ihre wenig attraktiven Inhalte parasitär an den Mann zu bringen. Dafür haben sie zwar viel Geld ausgeben müssen, um in den Qualitätsmedien mit ihren Inhalten ungeprüft erscheinen zu dürfen – aber sie haben etwas erzielt, was sich „Reichweite“ nennt. Möglichst viele Leser/Zuschauer. Wenn diese simple parasitäre Zubuchung zu begehrten (und qua physischer Warenform knappen) Inhalten wegfällt, stellt sich für die Produktkommunikation einfach das Problem der Erreichbarkeit. Wenn der Träger wegstirbt, hat der Parasit ein Problem. Und zwar ein Massives. Er muss numehr anfangen, seine eigene Kommunikation so zu gestalten, dass Menschen sie sich aktiv suchen (was ein Paradox ist, weil ich nicht suchen kann, was zu finden mir gar nicht in den Sinn kommt) oder weiterleiten (der Traum von der „viralen Werbung“).
Nebenbei: Martin Oetting wuerde den letzten Satz des großartigen Tarde-Zitats „Es gibt demnach keinen mächtigeren Chef der Konsumtion und in der Folge keinen mächtigeren. wenn auch indirekten Produktionsfaktor als das Geplauder der Individuen in ihren Mußestunden“ vermutlich sofort unterschreiben. Das ist sein Arbeitsfeld. Ich empfehle seine Dissertation zum Word-of-Mouth Marketing The Ripple Effect http://amzn.to/isszka.
Ok. Versuch einer Selbsterklärung:
massenmediales Dispositiv: ca 100 Jahre die uns eingebleut haben wie ein Text, eine Argumentation, eine Kritik zu sein hat, wenn Anschlussfähigkeit versucht (!) werden will. Das ist ja dann vor allem ein stilitstisches Problem, denn sonst: „alles andere ist Roboterei“. Zwischenformen: Ad hominem. Enpunkt: Vernichtung. (Wie oft haben wir das gehört, als Resumee einer Kritik: „den hat xyz vernichtet“.
(In dem Rahmen dann auch http://jeanpol.wordpress.com/2011/05/29/wissenschaftstheorie/#comment-4276)
binäre kritische Haltung: besser wohl Kritik mit binärem Ausgang. Wobei Zustimmung zu einem Text oder Argument eher die unspektakulärere Variante ist. Weniger Wellen.
Performatkultur: Der Versuch eines Vorgriffs was sich vielleicht da rauskristallisieren wird. Das, wenn sich das Dokument mit seinen stilistischen Richtlinien und kritischen Verfahrensweisen langsam erledigt, sich auch eine andere stilitistische Verhaltensweise entwicklen wird. Anders: wir müssen anders schreiben lernen. Nicht so als ob jeder gleich buchfähig ist. Oder magazinfähig. Die Altlasten der Dokumentkultur ziehen sich ja bis in die Kapillare der Grammatik: Jeder Blog kennt seine Grammar Gertie und selbst Kusanowsky zeiht sich in vorauseilendem Dokumentgehorsams hin und wieder wegen der vielen Tippefehler. Indizien für eine unabgeschlossene Entwicklung…
Update: „Es gibt kein geistiges Eigentum“, dekretierte auf der Frankfurter Buchmesse die Literaturproduzenten-Postille „Extra“ unter Berufung auf Horkheimer und Adorno. Und messerscharf folgerten die linken Literaten: „Darum: Organisiert ein, zwei, viele Autoren- und Druckersyndikate! Zerschlagt das bürgerliche Copyright!“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45465006.html
Lesen! Dringend.
Damit wäre der Fall der Ideologisierung wenn auch nicht erklärt so doch wenigstens illustriert. Die Geschichte ist ein Spiegel-Artikel aus dem Jahre 1969. Die Beteiligten schlagen sich gegenseitig die Ausweglosigkeit um die Ohren. Sie müssen aus den unlösbaren Problemen eine Machtfrage machen. Kein Wunder also, dass alle Theorie unter Ideologieverdacht geriet, wenn Theorie immer auch zu Rechtfertigungszwecken verwendet werden konnte, wogegen man ja nichts machen kann. Das gleiche, wenn auch eher fürs Kinderzimmer geeignet, sind die Diskussion einer hoffnungsfrohen Jugend der Gegenwart, die das Internet als Utopie-Verstärker benutzt. #spackeria und ganz aktuell:
„Utopie and me“ http://www.ctrl-verlust.net/utopie-and-me/
Ich wollte nur sagen, dass Niggemeier nur im anschein recht hat. Im detail stimmt es nicht. Aber ich verweise immer gerne an dieser stelle auf marx‘ „Abschweifung (über produktive Arbeit)“: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1863/tumw/standard/add1.htm#mew26.1p363_add1-11
Toll, Danke für den Link, es ist lange her, dass ich das gelesen habe
[…] umgewidmet werden können, die neue Formbildungen erzeugen. Ganz aktuell konnte man dies in der Diskussion um den Vortrag von Martin Oetting erkennen. Denn der Vortrag zeigt ja, wie einfach und wie […]
[…] Die Diskusion um den Vortrag von Martin Oetting scheint langsam erst interessant zu werden. Jüngst haben Stefan Schulz und Thorstena dazu etwas geschrieben, dessen Lektüre möglicherweise weiter helfen könnte, wenn man denn noch zurück verfolgen kann, was vom Gegenstand der Diskussion übrig geblieben ist.Wenn ich nun den Artikel von Thorstena über die Artikel lese, die andere über die Artikel anderer geschrieben haben, dann fällt mir zum wiederholten Male etwas auf, dass mich umtreibt, seit dem ich über die Frage nachdenke, was das Internet eigentlich mit uns anstellt. Mein Anfangspunkt lautet: es macht, dass wir lernen müssen. Das ist nichts Neues. Oder doch? Das Neue ist, dass wir bislang gewohnt waren, von Lehrern (aber auch Beratern u.ä.) zu lernen, also von Experten aller Art, von welchen man annehmen konnte, dass sie über irgendetwas besser informiert sind als man selbst. Bislang haben wir gelernt, alle Lernerfahrung durch ein Beobachtungsschema von besser/schlechter informiert zu reflektieren, mit allem was an Zurechnungen und Zumutungen über Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Fragwürdigkeit dazugehört. Irgendjemand – und davon gibt es immer mehr – ist immer besser über das informiert, über das ich besser informiert sein müsste. Und da dies für beinahe jeden gilt, gibt es keinen mehr, der schlecht informiert wäre. Man kann das leugnen, aber nur dann, wenn man noch glaubhaft machen kann, besser informiert zu sein.Diese Art der Lernerfahrungen – das sind Erfahrungen darüber, wie man lernt – haben sich so hartnäckig in die Strukturen der Systeme eingebrannt, sindso beständig geworden, dass, sollte jemand einen Vortrag halten (wie ich es mal gemacht hatte), von welchem das Publikum hinter nicht genau ermitteln konnte, was damit im Ganzen eigentlich gesagt sein sollte, so wird das erstaunte Kopfschütteln des Publikums ob solcher Ungewissheit dem Redner als ein noch größeres Defizit angerechnet als aller sonstiger Unsinn, der er hätte reden können. Die Frage: was willst du damit sagen? will, dass Botschaften festgeklopft und dann irgendwie pro und contra diskutiert werden. Wollte man sich dem entziehen, dürfte das als ein noch größer Affront gewertet werden. Zwar darf man alles sagen, das Rede- und Schreibtraining, das wir durchlaufen haben, erfordert aber, dass deine Rede oder dein Text irgendwie als „anstößig“ beobachtbar werden muss, irgendwie von einem Skandalon zeugt, das Erregung rechtfertigt. Und kommt es schließlich zur Erregung, so ist sie im Ergebnis das, was die nächste nach sich ziehen muss: die Empörung über die Empörung, inkl. aller Strategien, durch die am Ende Auswege ermittelt werden müssen, wie etwa das Herunterspielen, Bagatellisieren, Vereinfachen oder auch, seltener, Verkomplizieren, Relativieren usw.Im Ganzen könnte man also sagen, dass wir gelernt haben, das Lernen der anderen zu blockieren. Und wenn das jeder tut, so können wir nur lernen, die Lernblockaden als Blockadestrategien der anderen zu beurteilen, wohingegen das eigene Lernen nicht reflektiert werden kann, weil wir eben dies nicht lernen. So lernen wir, uns gegenseitig am Lernen zu hindern, statt uns gegenseitig beim Lernen zu beobachten und zu helfen. Und alle ausgedachten Strategien wie etwa Supervision und klientenzentrierte Gesprächsführung, die das auf einer zweiten Beobachtungsebene problematisieren, können daran im Prinzip nichts ändern, weil auch diese Techniken von besser informierten Experten gelehrt werden.Und wenn die Welt nun mal so ist wie sie erscheint, so kann nur schwer vorstellbar werden, dass sie sich in jedem Augenblick ändert, wenn irgendetwas gelernt wurde, und sei es, dass man lernt, das Lernen der anderen (also immer auch das eigene Lernen) zu sabotieren. Niemand kann etwas dafür, denn den blinden Fleck kann man nicht wählen.Das Internet macht nun deutlich, in welche Sackgasse dieses Training führt. Hier geht um das Beispiel eines Redners, der mit Kompetenz ausgestattet vor ein Publikum tritt, wobei diese Szene durch kostengünstige Aufzeichnungsverfahren im Internet schnell abrufbar und für ein virtuelles Publikum kommentierbar wird. Und schon geht das weiter, was schon immer im Gange war. Nennen wir es: Kritik und Kompetenz- und Zuständigkeitsgerangel, so wenig das den Fall auch vollständig beschreiben kann.Interessant ist dieser Fall ja deshalb, da auf der thematischen Ebene von einem „Paradigmenwechsel“ die Rede ist, also von einer Änderung der Lernsituation. Und ich beobachte: genau das geschieht nicht. Und warum nicht? Weil eben nie gerlernt wurde, das Schreiben, Reden, Vortragen, Diskutieren als Lernprozesse zu beobachten. Es sind – wie Peter Sloterdijk meint – Übungen. Zwar werden diese Übungen durchlaufen und man bekommt gewiss ein gutes Training, aber das funktioniert inklusive aller sozialen Reibungsverluste, nur solange sehr gut wie sich daran nichts ändert. Und was wäre, wenn doch?Was wäre also, wenn die eingeübten Blockadestrategien durch andere Beobachtungsverfahren unterlaufen würden? Denn das Internet macht, dass man praktisch für jeden kommunikativ erreichbar wird, sobald eine Adresse etabliert ist. Und man stelle sich vor, was geschehen könnte, wenn sich langsam – wie das immer bei Lernprozessen geschieht – bemerkt macht, das andere Strategien benutzt werden, um sich dem Irsinn der anderen, der ja immer mit dem eigenen einher geht, zu entziehen. Wenn also Erregung auf Erregung trifft und bald die Frage immer ernhafter erwogen wird: Worum geht es eigentlich noch? Wenn man bald feststellt, dass man nicht mehr sagen kann, was eigentlich noch gesagt werden sollte, obwohl immer noch Diskussionsbedarf besteht, aber jeder Erregungsgrund weg fällt?Gewiss, die Komplexität des Netztes lässt es zu, Diskussionen aus dem Wege zu gehen. Was wäre aber, wenn die Diskussion sich nicht mehr selbst aus dem Wege gehen kann? Wenn Diskussionen nicht mehr nach bekannten rational reglementierten Verfahrensweisen führbar sind, sondern sich nach Regeln einer noch zu findenden „Memetik“ enfalten? Kurz: wenn die Spinnerei jeden Halt verliert, sie als solche nicht mehr denunziert werden kann, weil die Kommunikation auf diese Weise vollständig in Kontingenz zerfällt? Was dann? […]
[…] der Bedingungen ihrer Selbsterfahrungsmöglichkeiten reagieren könnte. Denn was das „Geschwätz der Leute“ für die Marktakzeptanz von Waren aller Art ist, ohne welches alle Werbung fruchtlos wäre, […]
[…] mir gerade nach einem Zitat, das ich bei Kusanowsky gelesen hatte und das mir diesen Autor als interessant erscheinen ließ, den lange Zeit […]