Die Frage, ob ein Computer denken kann …

von Kusanowsky

Die Frage, ob ein Computer denken kann, ist ebenso überholt wie die Frage, ob ein U-Boot schwimmen kann. (Edsger W. Dijkstra)

Dieses Zitat steht als Motto über dem ersten Teil des Romans „Accelerando“ von Charles Stross.

Bislang gibt es kein technisches, kein rechnerisches und auch kein Denk-Verfahren, das folgende Überlegung abschaffen könnte: ein U-Boot schwimmt nicht, es fährt. Die Frage ist also keineswegs überholt.
Viel bekannter ist die Frage, ob ein Ballon fliegt oder fährt. Der Unterschied wird so bezeichnet: Entwickelt ein Flugkörper mit einem Motor einen eigenen Auftrieb, so fliegt er;  wird er nur von der Luft getragen, so fährt er. Entsprechend müsste man also sagen: ein Ballon treibt.

Technikmetaphysiker erkennt man daran, dass man sie mit solchen Argumenten auf die Palme bringen kann. Technikmetaphysiker würden diesem Argument entgegenhalten, dass Sprache nicht notwendig die technische Realität bezeichnen würde, es also nicht darauf ankäme, ob U-Boote fahren oder schwimmen. Sie tun es eben. Gleiches gelte entsprechend auch für Computer, gleichviel ob sie nun rechnen oder denken würden. Sprachliche Beschreibungen tendierten deswegen immer zu Geschwurbel.

Die Metaphysik dieser Physiker besagt, es gäbe eine beobachtbare – also eine unterscheidungsfeste und bezeichenbare  – Realität technischer Provinienz, die man mit sprachlichen Mitteln nicht erschöpfend beschreiben könne; eine Aussage, über welche diese Metaphysiker notwendig viele Worte machen müssen, weil nämlich außerhalb eines Referenzgefüges aus Zeichen, die auf andere Zeichen verweisen, keine bezeichenbare Realität zu finden ist, auch keine technische Realität. Denn auch die Leugnung dieser Aussage muss noch mit sprachlichen Mitteln bezeichnet werden. Die Metaphysik  dieser Physik zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf einen Beobachtungsstandpunkt nichtbeobachtber Realität beharrt und ihre Apologeten in einen Selbstwiderspruch verwickelt, dem sie nur mit der Beharrlichkeit weiteren Tüftelns aus dem Wege gehen können. Sie zeigen die Ergebnisse ihrer Tüfteleien vor und sagen: es sei alles so wie es geschieht. Der Computer könne denken und geben jederzeit zu, dass die Sprache die „Washeit“ der Dinge nicht zu erfassen vermag.

Dass diese Metaphysik so hartnäckig funktionieren kann ist erklärungsbedürftig und dürfte damit zusammenhängen, dass es für die technische Entwicklung keineswegs darauf ankommt, die Sachfragen zu klären und zwar deshalb, weil durch technische Verfahren immer mehr Sachzwänge erzeugt als beseitigt werden. In diesem Sinne sind die Metaphysiker der Physik funktional fanatisch gebunden, dem mythologischen Sisyphos nicht unähnlich. Der „Washeit“ können sie nur durch Verweis auf die „Dassheit“ entkommen, welche selbst keine unbezeichnete „Washeit“ ist und als solche immer schon für die Entwicklung der nächsten Hypothese vorausgesetzt ist.

Das ist der Grund für den ideologischen Erfolg der modernen Technik: indem sie die Sachzwänge immer schon in die Welt gesetzt hat, und damit durch ihre Verfahren die Rechtfertigungsbedürftigkeit erzeugt, kann das Scheitern dieser Technik nur durch Differenzierung ihre Rechtfertigung retten: nur durch eine Verfolgung der „Dassheit“ der Zwänge können die ungeklärten Sachfragen in die Zukunft aufgeschoben werden. Kein Wunder daher, dass ein Genre für Science-Fiction entsteht. Die „Dassheit“ dieser Metaphysik der Physik besteht in der „Washeit“ ihrer fiktionalen Realität.

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