Nachtrag zu Das Internet vernichtet Öffentlichkeit

Lieber Christoph,

ich habe kein Argument, mit dem ich dich dazu bringen kann, die Selbstreferenz des Problems als Ausgangspunkt zu seiner Beurteilung zu nehmen. Du ignorierst diese Selbstreferenz, indem du die Kontingenz der Fremdreferenz als Beurteilungsstandpunkt nimmst, von dem aus du mit Gewissheit behaupten kannst: „dieser Standpunkt ist öffentlich.“
Du schreibst:

Fest steht: Die Öffentlichkeit, die durch das Internet entsteht, hat nie gekannte Ausmaße. Jede Webseite, die nicht explizit einem geschlossenen Benutzerkreis zugeordnet wurde, kann von Milliarden Menschen eingesehen werden. Zusätzlich überwindet sie unsere gelernten Erfahrungen von Distanz und Nähe: Wir können in Sekunden zwischen New York, Rio und Dänemark hin und her klicken. Und schließlich überwindet das Web auch zeitliche Vorstellungen, denn grundsätzlich muss man sich die Daten unbegrenzt haltbar vorstellen. Diese drei Phänomene kennzeichnen die „Mega-Öffentlichkeit“, die uns bislang noch fremd ist.

Was feststeht ist, dass all das sein kann:  „Jede Webseite kann von Milliarden Menschen eingesehen werden“ – „Wir können in Sekunden zwischen New York, Rio und Dänemark hin und her klicken.“ – „denn grundsätzlich muss man sich die Daten unbegrenzt haltbar vorstellen.“ Du beziehst dich allein auf die Kontingenz der Fremdreferenz, wodurch nur ausgesagt wird, dass dies alles so sein kann, womit zugleich aber keineswegs schlüssig erklärt wäre, dass dies in jedem Fall auch so ist. Beziehen wir dies auf deinen oder meinen Artikel: beide Artikel können jederzeit von jedem Menschen von jedem Ort aus gelesen werden. Für dich beweist dies, dass wir es mit einer mega-Öffentlichkeit zu tun haben, für mich nur, dass deine mega-Öffentlichkeit eine hübsche Einbildung ist. Denn wollten wir das überprüfen, testen, beweisen, mit Zahlen, Fakten erhärten, indem wir die fremdreferenzielle Kontingenz einschränken, dann müssen wir die Internetkommunikation zu diesem Thema, mit dieser Aufgabe fortsetzen. Aber kann gilt wieder alles nur in Hinsicht auf Kontingenz der Fremdreferenz, weil in dem Augenblick eben alles auch ganz anders sein kann. Und dies wird von dir ignoriert, was auch dadurch möglich wird, was wir keinen Raum mehr teilen, durch den diese Reflexivität noch angestoßen werden könnte. Es geht nicht mehr. Es ist alles nicht mehr überzeugend.

Und übrigens: ich habe nichts gegen diese Einbildung, sondern nur, dass die daraus entstehenden Möglichkeiten als weltfremdes Glasperlenspiel abgetan werden. Tatsächlich ist diese „Weltfremdheit“ der einzige Weltzugang, den wir noch haben.

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