Die Struktur der modernen Arroganz. Ein Beitrag zur #Trollforschung
von Kusanowsky
Die Welt ist nicht so, wie sie ist. Wie auch immer sie sonst noch sein mag: so, wie sie geworden ist, ist sie; nicht wie sie ist, ist sie geworden. Aber so, wie sie geworden ist, ist sie dann auch, auch dann, wenn man berücksichtigt, dass sie anders hätte werden können. Jedenfalls und immerhin: so wie die Welt ist, so wird sie nicht bleiben. Alle Welt ist Weltwerden.
Man kann das als eine besinnliche Rotwein-Meditationsübung hinnehmen und es ansonsten dabei belassen, die Welt so hinzunehmen, wie sie ist. Aber irgendwie klappt das nicht, es kommt immer etwas dazwischen.
Alle Welt ist Weltwerden heißt: wir haben es mit Evolution zu tun, mit einem hoch komplexen und riskantem Spiel, das sich aus sich selbst heraus entfaltet, bei seinem Verlauf die Regeln hervorbringt, nach welchen es funktioniert, diese Regeln ändert, vergisst, neu erfindet. Und schließlich handelt es sich um ein Spiel, das sich selbst in Erfahrung bringt und auch noch den Spieleinsatz herausfindet, dessentwegen das Spiel so anregend war: es ging immer schon um nichts. Aber das muss man erst einmal begreifen, was gar nicht so einfach ist wie man glauben möchte.
Wenn man deshalb, bei aller Besinnlichkeit und bei Erhaltung des konzentrierten Nachdenkens, alle Welt als Weltwerden beschreiben kann, so dürfte man, mag der Verdruss gelegentlich auch überhand nehmen, insbesondere dann, wenn die Götter ein Zeichen der Veränderung senden, allen Grund haben, dem Verlauf des Spiels mit Spannung zu folgen. Und wenn Ernüchterung eintritt, dann könnte man die Gelegenheit nutzen und fragen, woher denn eigentlich diese Spannung kommt, dieses hoffnungsfrohe Ausgreifen in die Zukunft, diese Erwartung des Heils, der vergnügliche Zustand künftiger Erfüllung.
Wie stets muss gar nicht viel passieren um Anlass zu komplizierter Grübelei zu finden. Bei Netzpiloten war ein Artikel von Jörg Wittkewitz erschienen, der sich mit einem Thesenpapier von Dirk Baecker beschäftigt, welches zuvor bereits bei autopoiet besprochen und diskutiert wurde. Sowohl da als auch dort ereignete sich im Anschluss ein Schwarmüberfall von Kommentaren, die weitere Kommentare nach sich zogen und welcher schließlich eine Diskussion erbrachte, die sich bald mit der Diskussion der Diskussion beschäftigte. Ergebnis: am besten ist, man lässt es sein: produktiver Abbruch und Verlagerung auf ein anderes mal. Und wer möchte glauben, dass es beim nächsten Mal besser wird? Was liegt in diesem Fall näher als eine Generalabrechnung mit dieser aussichtslosen Internetkommunikation? Interessant übrigens, dass auch dann, wenn etwa Stefan Schulz weiß oder wenigstens andeutet, dass solche Generalabrechnungen selbst schon zur Routine der Internetkommmunikation gehören, noch immer etwas dazu gesagt werden muss, obwohl man mit der Zeit vermuten kann, dass es wohl kaum noch Entscheidendes geben könnte, das vergessen wurde. Oder nicht?
Wie auch immer, die Kommunikation dreht am Rad, was vermutlich daher kommt, dass der Lernprozess, der akutell stattfindet, unbeobachtet bleibt, weil etwas anderes als Lernbereitschaft der Latenz der Beobachtung unterliegt. Die Rede wäre hier von einer spezifischen Struktur der Arroganz, wie sie durch moderne Kommunikationssysteme zustande kommt und sich durch diese selbstreferenziell erhärtet.
Als Ausgangspunkt für diese Überlegung könnte dieser Tweet genommen werden, den Stefan verlinkt:

Infolge dieser Bemerkung ließ sich Stefan, der ansonsten eine geduldige Art des Argumentierens pflegt, entmutigen, gleichwohl wissend, dass Entmutigungen zum Geschäft gehören. Wie anders könnte Kommunikation Anlässe zur Ermutigung ihrer Fortsetzung liefern, wenn sie nicht zugleich auch Entmutigungen zustande brächte? Und wie könnte die Entmutigung entstehen, resp. wie könnte man sich ermutigt fühlen, Entmutigung zu problematisieren?
Wie kann es gelingen, dass die Beobachtung der Arroganz anderer nicht zuerst selbst als arrogante Bemerkung beobachtet und als solche entsprechend kommuniziert wird? Wie kann es gelingen, dass im Anschluss an eine solche Bemerkung, das „Für und Wider“ ob ihrer Berechtigung, also ihr Beleidigungscharakter eher und ernstzunehmender ins Auge sticht als die Frage, aus welcher Quelle sich solche arroganten Bemerkungen speisen?
Nicht viel anders verhält es sich mit diesem erfolgreichen Entmutigungsversuch:

Das hängt aber keineswegs mit den Charaktereigenschaften der beteiligten Menschen zusammen, denn über die ist kaum etwas Wahres bekannt. Alles, was bekannt ist, besteht allenfalls aus irregeleiteten Spekulationen, die ihren eigenen Verifikationshorizont ermitteln und sich anschließend zur Wahrheit erhärten. Beobachtbar sind hier zunächst nur verkettete Operationen, die für sie geeignete Beobachtungen zulassen. Und immer dann, wenn Beobachtungen beobachtbar werden, ist immer zugleich auch die andere Seite im Spiel, die durch die Beobachtung abgesondert wird; die andere, unsichtbare Seite, von welcher aus gesehen wird, was man sehen kann. Es geht um den blinden Fleck und um die Frage, warum an allen Stellen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dasselbe Anschlussverhalten beobachtbar wird. Welche „verschworene Gemeinschaft“ zeigt sich beleidigt, wenn solche Geringschätzungsbekundungen aufkommen? Warum entmutigt das? Ich vermute, es liegt an diesem arroganten Selbst, das sich nicht selbst beoachten kann.
Die moderne Gesellschaft hat eine spezifische Form der Arroganz ausgebildet, welche sich durch ein historisches überliefertes Problem zunächst als Lösung entwickelte: die Erbsünde des Menschen. Diese altchristlichen Strukturen der grundsätzlichen Sündhaftigkeit des Menschen als Abstandsunterschied zwischen Welt und Gott lieferte das Medium, aus dem heraus sich eine Vorstellung von menschlicher Bedürftigkeit und Menschenrechten entwickelte. Was uns späteren Menschen möglicherweise nur schwer einleuchten kann ist, wie sehr die Befreiung aus dieser Zwangsjacke als hoffnungsfrohe Entwicklung die Ausgangsbedingung änderte, durch die solche Formenbildung attraktiv wurden. Kaum ein Mensch versteht noch was es heißen mag, mit einer Erbsünde belastet zu sein, weshalb man entsprechend schwer nachvollziehen kann, was es bedeutet, in diesen Irrtum Einsicht zu nehmen. Stattdessen ist den Erben diese Form der Menschenwürde überliefert und geschenkt worden. Die Evolution hatte in der Folge die Spielregeln geändert, insofern diese Form nun schließlich selbst problematisch werden muss, wenn sie legitim und geteilt in Anspruch genommen wird. Könnte das sein? Dass die moderne Vorstellung von Menschenwürde anfängt an die Grenze einer Menschenrechtsverletzung zu kommen?
Es kommt nicht darauf an, eine solche Überlegung als Übertreibung zurückzuweisen, sondern diese Übertreibung als den vielleicht harmlosen Problemfall zu betrachten: das Internet ermöglicht eine Vollinklusion von Menschen, wie man sie möglicherweise aus Systemen der Intimbeziehungen kennt, allerdings mit dem Unterschied, dass das Internet eine Intimität durch Anonymität schafft. Man bedenke, dass ein schnell geschriebener Tweet in ganz kurzer Zeit viele tausend Menschen erreichen kann und genauso schnell Reaktionen wahrscheinlich macht, wenn die Beteiligten von einander wissen, dass sie per Twitter erreichbar sind. Ruckzuck kann so ein Strukturphänomen blitzartig entstehen, welches allerdings nicht genau so schnell wieder verschwindet: eine Struktur, welche die Beobachtung des „Erwischtwordenseins“ beobachtbar macht und gleichzeitig dafür sorgt, dass man beim „Erwischtwordensein“ nicht erwischt werden kann. Das gelingt, indem anschließend darüber diskutiert wird, also eine Diskussion über die Diskussion in Gang kommt, die durch ein angepasstes Maß an Selbstreflexivität affirmativ diejenige Kritik verdeckt, durch welche sie möglich wurde.
Ergebnis: das arrogante Selbst kann seine Unbeobachtbarkeit gerade dadurch retten, dass es noch zulässt, sein Beleidigtsein kommunikativ zu reflektieren, um seine Stolz bewahren zu können, was zur Folge hat, dass das Rad, an dem die Kommunikation dreht, die Kommunikation weiter dreht als wäre nicht gewesen.
Und ich vermute, dass solche Strukturen der Arroganz eben jenes Medium bilden, aus dem sich interessante Formen der Internetkommunikation herausbilden.
Weiter mit: Das proteische Selbst als eine polymorph-perverse Masse
Also das (Welt)Werden an sich mit der Evolution gleichzusetzen erhebt Darwins Theorien zu einer Kosmologie, was ich hiermit infrage stellen möchte. Die Welt ist zunächst eine Erfindung des Ichs, das ein gegenüber braucht als Du um überhaupt zu entstehen. Aber vielleicht ist hier ja Kultur oder gar Schöpfung gemeint. Hm.
Ich finde die Diskussion aus Sicht der Kybernetik zweiter und dritter Ordnung amüsant. Aber auch aus Sicht eines normalen Anspruchs an Austausch über Inhalte gibt sie was her. Leider gibt sie wenig her über das Erörtern eines gemeinsamen Sprachspiels aka Paradigmendisskusionen. Denn das Beschreibungsinstrumentarium muss genauso wie eine möglichst verständliche Darstellung des Untersuchungsgegenstandes reflektierbar sein, um Interdisziplinarität zu ermöglichen. Übrigens: Nur die guten Zeitalter waren unsichere Zeiten, insofern ist das Argumentieren unter unsicheren Bedingungen, zu denen auch emotionale Beteiligung der Diskutanten gehört, ein Ausweis des gemeinsamen menschlichen Umgangs im Rahmen der jeweiligen Lebenswelt. Ich kann übrigens nicht erkennen, dass das Urteilen mit emotionalem Gerät oder im rationalen Gestell dem jeweils anderen überlegen ist. Letzteres ist im besten Fall so transparent, dass es andere dazu einlädt, die Gründe nachzuvollziehen. Wer diese Einladung durch besondere exkludierende Maßnahmen vereitelt handelt daher im Sinne einer Emotionalisierung ex post. Das kann schick wirken, ist aber eigentlich nur ein Zerstören des Raumes zwischen Ich und Du.
„Das kann schick wirken, ist aber eigentlich nur ein Zerstören des Raumes zwischen Ich und Du.“ Man könnte daraus also lernen, dass die dafür notwendige Zerstörungskraft lediglich eine Geschmacksfrage ist?
Diese Zerstörung ist nichts mehr oder weniger als das Vorbereiten oder der Ausdruck eines Solipsismus oder pathologischer: einer autistischen Tendenz. Offener formuliert, wenn da wo man nur fühlt eine Rationalisierung derselben kommuniziert, kann das krankhaft sein oder vereinsamt.
Der Zeigefinger! Immerhin besser als der Mittelfinger. Aber wer den Unterschied zwischen Mittel- und Zeigefinger genauer erkennen will, sollte ganz viel Mut mitbringen, denn es kann sich sehr schnell zeigen, dass eine jede Menschenmoral bereits an genau jenem Virus erkrankt sein könnte, gegen welchen sie sich immunisieren will. Das Virus ist diese Moral. (Auch nur ein Zeigefinger, der sich zuckend aber erfolgreich vom Mittelfinger emanzipiert.)
[…] Kusanowsky (differentia): Die Struktur der modernen Arroganz. Ein Beitrag zur Trollforschung (14.06. […]
20. Roesens Gesetz
„Sobald ein Troll, DAU oder Elch im Lauf eines Threads auf heftige Kritik stößt, argumentiert er mit der Arroganz des Kritikers. Dies kann auch vorsorglich erfolgen.“
(http://wirres.net/article/articleview/5505/1/6#RaimundsGesetz)
Eine irritierende, aber erschreckend einleuchtende Lesart des Geschehens. Ich rekapituliere: Wir betrachten Kommunikation (konkreter: eine Mitteilung), die als beleidigend verstanden wird. Was geschieht dabei? Es wird an die Form der Mitteilung angeschlossen, die Information tritt dagegen in den Hintergrund – das macht die Beleidigung übrigens zu einer strukturellen Schwester der Ironie. Der Anschluss an die Mitteilung wird katalysiert durch die hochintegrative Wirkung des „Nein!“ – die ihrerseits als Ablehnung, so verstehe ich Deinen Vorschlag, an die Arroganz des Empfängers appelliert. Anschlussoptionen werden nunmehr unter Gesichtspunkten der Gegnerschaft („entweder für oder wider mich/meine Konfliktpartei“) quasi-technisiert, und die parasitäre Existenz von Konflikten (der Verbrauch von Ressourcen, die beispielsweise auch für soziologische Diskussionen oder kurzweilige Unterhaltung bei Tretbootfahrten an sonnigen Feiertagen hätten genutzt werden können) tut ihr Übriges: Der „Integrationssog“ (Luhmann) des Konflikts kann ungehindert Wirkung zeitigen. Weitere Konfliktpartner treten hinzu, der Konflikt wird selbst Thema konfligierender Kommunikation… und so weiter und so fort.
Soweit ein Versuch der Rückübersetzung Deiner Ausführungen. Ist es nun tatsächlich Arroganz, die uns an Kommunikation teilhaben lässt, von denen wir wissen, dass wir unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen bereut haben werden, an ihnen teilgenommen zu haben? Ist Arroganz notwendige Voraussetzung ihrer Thematisierung und Bearbeitung? Ist sie es, die veranlasst, dass ein flüchtig als irgendwie „unpassend“ empfundener Artikel nicht ignorieren werden kann (was mit so vielen anderen, als nicht minder unpassend empfundenen Artikel tagein tagaus doch wunderbar funktioniert…), sondern wider besseren Wissens ein kommunikatives Schlachtfeld zu betreten, auf dem es nichts zu gewinnen gibt? Jedenfalls wenn man von der wiederholten Einsicht in diese Tatsache absieht (was ja unter Umständen auch schon als Gewinn verbucht werden kann)?
Vermutlich lässt sich das so sagen, auch wenn’s seltsam tautologisch klingt. Nur im Verarbeiten von Arroganz wird diese deutlich. Stichwort Temporalisierung: Die späte Einsicht setzt frühe Blindheit voraus… es gibt kein Zurück ins Paradies der einfachen Seelen?
Der durchaus geschätzte Betreiber dieser Publikation – sie gehört zu meinen liebsten Angeboten für mentale Fingerübungen – möge mir verzeihen, wenn ich aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung von Duplicate Content folgenden Link anbringe:
http://sozialtheoristen.de/2011/06/14/das-internet-und-die-privatmeinung-des-einzelnen/#comment-1810
Hallo und Danke! Danke dafür, dass mein Tweet über Sozialtheoreisten jetzt schon in 2 Blogs erwähnt wurde. Das kenne ich ja so gar nicht. Ich habe zwar Soziologie studiert, aber für meine Reaktion muss ich jetzt nicht in die Tiefen dieser Disziplin gehen: Mir hatte die Reaktion auf Sozialtheoristen gegen Martin Oettings Vortrag nicht gefallen. Meine Meinung. Aber ich wurde neugierig und so kam ich überhaupt auf den Blog. Den ich übrigens sofort sehr spannend fand, weil ich bis dato keine deutschen Soziologen-Blogs kannte. Dann las ich den „Post Privacy“-Artikel, den ich gegenüber den Diskutanten der für mich wichtigen „Post-privacy“-Diskussion sehr herablassend und arrogant empfand. Das twitterte ich in der Reduktion, die bei Twitter (140 Zeichen!) nun mal gegeben ist. Auch in dem Sinne, eine Diskussion zu eröffnen. Das man diese dann im 140-Zeichen-Medium nicht komplex führen kann ist klar. Deswegen schreibe ich ja gerade hier. Aber wenn Stefan Schulz wegen meinem Tweet „So macht das keinen Spaß“ schmollt – das finde ich ziemlich lame. Man muss bei Diskussionen im Social Web auch Twitter ertragen können.
[…] das Rad, an dem die Kommunikation dreht, die Kommunikation weiter dreht als wäre nicht gewesen.» Die Struktur der modernen Arroganz. Ein Beitrag zur #Trollforschung-Hier erscheinen von Montag bis Freitag ausgewählte Links zu lesenswerten Texten und aktuellen […]
@Sebastian – danke für deinen Beitrag und deine Ergänzung – du hast es verstanden, so gehts. Damit ist nicht gesagt, dass man für alle Zeit immun gegen diesen Irrsinn wäre, aber immerhin lernen wird, dass, wenn man nach Irsinn suchen will, nicht in die Ferne schweifen muss, in den eigenen vier Wänden dürfte man am Schnellsten fündig werden. „Nur im Verarbeiten von Arroganz wird diese deutlich“ – und nur dadurch kann man sich schließlich von der eigenen Arroganz befreien. Blogschreiben ist reine Psychotherapie bei Vernachlässigung humanistischer Zudringlichkeit, die längst zur Moral des Mittelfingers herabgesunken ist. (cf. Kommentar von Wittkewitz)
„Man muss bei Diskussionen im Social Web auch Twitter ertragen können.“ Die Lernenden sind gerade dabei, sich von dieser Art der Arroganz zu verabschieden. Und wenn du sie nicht freiwillig hergeben willst, wird sie dir gegen deinen Willen gestohlen. Verweisen möchte ich auf den Kommentar von Sebastian in diesem threat.
@Kusanowsky:
„Blogschreiben ist reine Psychotherapie bei Vernachlässigung humanistischer Zudringlichkeit“
Bemerkenswerte Analogie! Die Verwirklichung des Menschen im Handeln, die maßlos-arrogante Selbstüberschätzung im Namen einer als absolut gesetzten, wie auch immer gearteten „Bildung“ oder „Aufklärung“ gegen den Irrsinn anzuschreiben (und dabei noch viel mehr Irrsinn zu produzieren), das alles ist Alteuropa par excellence: Zweck/Mittel, Subjektzentrierung, Modellbildung, Teleologie, Intellektualität, Heldentum, Theorie/Praxis, Epos… die Liste ließe sich fortsetzen.
Da heroische Gesten aber vor allem durch Drama, Resignation im Melancholie oder das Gefühl von vergeblichem Aufwand relativiert werden, halte ich’s mit dem Nicht-Handeln (wu-wei), wenigstens theoretisch (wenn da nicht diese tiefe europäische Formatierung wäre!).
Die Herausforderung ist dann, nicht auf die andere Seite dieser Zudringlichkeit zu wechseln, sondern die Wahl als solche zurückzuweisen. Solche Prozesse mögen psychotherapeutisch sein, da kenne ich mich nicht gut aus. In diesem Sinne (wir sind wahrscheinlich in der Tat weit davon entfernt, so etwas und uns so denken zu können)…
Ein Mönch sagte zu Joshu: „Ich bin gerade erst ins Kloster eingetreten. Ich ersuche Euch, mich zu unterweisen.“ Joshu fragte: „Hast du schon deinen Reisbrei gegessen?” Der Mönch antwortete: „Ja, das habe ich.“ Joshu sagte: „Dann geh‘ und säubere deine Schale.“
das wort #troll… du tust grad so, als hättest du noch nie selbst erlebt, was ein troll in einer (diskussion-) #liste (dort habe ich in meiner erfahrung den neologismus gefunden) anrichten kann… eine liste war/ist aber nicht zu vergleichen mit #twitter. nicht zu vergleichen mit der struktur eines blogs. mehr #differentia, bitte!
und dann auch noch wörter = konzepte (im kommentar @Wittkewitz) wie #Solipsismus oder #pathologisch oder #autistischeTendenz als entwertungen… wir nennen es #AIBS (http://dfdu.org band 2)
„Weiter mit: Das proteische Selbst als eine polymorph-perverse Masse“
das tut weh. #wenntwaischwanimain
@Kusanowsky: Einverstanden.
Mir scheint elementar zum Verständnis des Vorgefallenen zu sein:
1. Unterschiedliche Deutungen von Werkzeugen: Wenn Sie die letzten Kommentare von Stefan Schulz ansehen (#18, 19) verbindet er mit Twitter zwingend bestimmte Eigenschaften der Inhalte. Ich tue das nicht. (Für mich ist Twitter ein Werkzeug, sehr intelligente Sätze können sehr kurz sein (-> Descartes, Meister Eckart), auch der höheren Kulturtätigkeit bewanderte wie @Peterglaser nutzen Twitter. Natürlich auch Deppen: ich halte einen Schluss vom Werkzeug auf den Nutzer für falsch.)
2. Unterschiedliche Erwartungen an Kommunikationsstile: Für die beteiligten Soziologen scheint ein wissenschaftlicher Anspruch zu gelten, für mich nicht. (Das beginnt schon an der Stelle, dass Baecker sein Zielpublikum nicht explizit adressiert). Unter Soziologen – jedenfalls in concreto hier – scheint ein härterer Umgangston zu gelten als sonst (?). Es ist aber mE auch schon fraglich, ob hier überhaupt Wissenschaft vs. Alltagskommunikation die Grenzlinie ist. Für mich ist jeder, der seine Publikation ins Internet stellt, den potentiellen Adressatenkreis nicht eingrenzt, jemand, der selbst die Verantwortung für Fehldeutungen und Missverständnisse trägt.
3. Unterschiedliche Wahrnehmung von Kommunikationsräumen. Für mich ist, je länger ich aktiv im Web kommuniziere, das eher ein grosser, amorpher Kommunikationsraum, d.h. ich nehme kaum Grenzen zwischen Technik 1 (Blog) und Technik 2 (Twitter) wahr, im Gegenteil: ich sehe interpersonale Vernetzungen auf beiden Plattformarten (z.B. folge ich Sebastian und Ihnen schon lange, beobachtete also schon die ersten Tweets von Sebastian – was Stefan Schulz nicht sah), ich sehe inhaltliche Bezüge zwischen Äußerungen auf beiden Plattformen. Anders gesagt: Was Stefan Schulz – meine Vermutung – wohl als Übergriff sah, sah ich als Teilnahme an einem einheitlichen, amorphen Kommunikationsraum.
4. Unterschiedliche Frustrationsgrenzen. Zitat Enno Aljets in seinem Blog: „Der soziale Aspekt des technischen Internets ist für mich ein Faszinosum: die verschachtelte Vernetzung unvorhersehbarer Kommunikationswege bringt ganz neue Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen.“ Vgl umgekehrt aber sein Kommentar bei Stefan Schulz.
Den Beteiligten ist künftig wohl zu raten, all diese Meinungen zu verproben, sonst wird Kommunikation nicht stattfinden, wenn sie in irgendeiner Weise (System?)-Grenzen überschreitet. Scheitert sie im ersten Anlauf, gibt es einen zweiten – oder einen Abbruch, weil einer abbricht.
Das ist aber alles kein Drama. Manche Menschen legen auch den Telefonhörer auf und nehmen dann wieder ab oder rufen wieder an. Und manche eben nicht. Die Kulturtechnik ist also, über den Ablauf der Kommunikation zu reflektieren und diese ggf zu reinitiieren. Die Frage ist nur, an welcher Einsprungstelle des Vorhergehenden – und da sehe ich offen gestanden das grösste Fragezeichen, auf das ich keine arrogante Antwort habe 😉
[…] wird, wenn die Struktur verstanden wird, durch die diese Beleidigungen zustande kommen. Einen Kommentar von Sebastian fortsetzend, müsste man zu dem Schluss kommen, dass, solange Menschen als handlungsverursachende […]
@Christoph Kappes „zum Verständnis des Vorgefallenen“ ich bin mir keineswegs sicher, dass das zum Verständnis des Vorgefallenen beitragen kann, insbesondere dann nicht, wenn „Verständnis“ heißen mag, dass eine Differenz von Verständnis und Missverständnis beiderseitig und eindeutig zugeordnet werden müsse. Unter einer Verständnisleistung im systemtheoretischen Sinne versteht man die Anschlussfindung von Kommunikation an Kommunikation, also die Fortsetzung von Kommunikation durch Kommunikation. Sogenannte „Missverständnisse“ kommen in der Realität der Kommunikation nicht vor. Denn der Unterschied von richtig/falsch ist, sofern er kommunikabel wird, weder richtig noch falsch; das selbe gilt für alle anderen Unterschiede ebenfalls: echt/falsch, Klarheit/Unklahrheit, Eindeutigkeit/Uneindeutigkeit usw. Wollte man es allerdings darauf anlegen, allen Beteiligten durch Kommunikation Satisfaktion zuteil werden zu lassen, dürfte der Weg ins Schweigen der einzige Ausweg sein, wenn Schweigen dann noch geht. Alle Kommunikation kann alles mögliche an Verständnisweisen erbringen, aber sie muss sich gegen die Differenzen, die sie selbst erzeugt, indifferent verhalten, damit sie weiter gehen kann.
Ergänzung: http://sozialtheoristen.de/2011/06/14/das-internet-und-die-privatmeinung-des-einzelnen/#comment-1825
[…] Eigenillusion der Wissenschaft selber ist – muss diesen empirischen Normalfall mit normativer Arroganz zurückweisen. Das Plagiieren dürfe nicht sein, die Wissenschaft sei zur Ehrlichkeit verpflichtet. […]
[…] dessen übersteigerter Narzismus so weit geht, dass man ihn nicht mehr beleidigen kann, weil alle Beleidungsfähigkeit in diesem übersteigerten Narzismus schon enthalten ist, welcher schließlich, wenn er sich […]
[…] Die Struktur der modernen ArroganzDie moderne Gesellschaft hat eine spezifische Form der Arroganz ausgebildet, welche sich durch ein historisches überliefertes Problem zunächst als Lösung entwickelte: die Erbsünde des Menschen. Diese altchristlichen Strukturen der grundsätzlichen Sündhaftigkeit des Menschen als Abstandsunterschied zwischen Welt und Gott lieferte das Medium, aus dem heraus sich eine Vorstellung von menschlicher Bedürftigkeit und Menschenrechten entwickelte. Was uns späteren Menschen möglicherweise nur schwer einleuchten kann ist, wie sehr die Befreiung aus dieser Zwangsjacke als hoffnungsfrohe Entwicklung die Ausgangsbedingung änderte, durch die solche Formenbildung attraktiv wurden. Kaum ein Mensch versteht noch was es heißen mag, mit einer Erbsünde belastet zu sein, weshalb man entsprechend schwer nachvollziehen kann, was es bedeutet, in diesen Irrtum Einsicht zu nehmen. Stattdessen ist den Erben diese Form der Menschenwürde überliefert und geschenkt worden. Die Evolution hatte in der Folge die Spielregeln geändert, insofern diese Form nun schließlich selbst problematisch werden muss, wenn sie legitim und geteilt in Anspruch genommen wird. […]