Das Ende der Plagiatsskandale wird errreicht sein wenn …

von Kusanowsky

siehe dazu: Das Plagiat – ein akademisches Kulturgut

Das Ende der Plagiatsskandale wird nicht erreicht sein, wenn der Unterschied von richtigem und falschem Zitieren von allen Wissenschaftlern eindeutig geteilt würde, sondern dann, wenn immer mehr Wissenschaftler mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert werden. Zurückliegend waren es hauptsächlich die Doktorarbeiten von Politikern, die unter die Lupe genommen wurden; und selbstverständlich spricht nichts dagegen, wenn man dies mit Doktorarbeiten von Professoren ebenfalls macht. Die Ergebnisse dürften beeindruckend sein. Denn wenn man das selbst einmal mit wissenschaftlichen Schriften aller Art versucht, wird man schnell die Normalität des Plagiierens feststellen, so dass man sich fragen muss, wie eine wissenschaftliche Wissensproduktion ohne Plagiate eigentlich funktionieren könnte, wenn eine eindeutige Definition von richtig und falsch ungeilt verbreitet wäre.

Allein, die relevante Frage ist, warum in der Wissenschaft etwas entsprechendes bislang nicht ge- und erlernt werden konnte. Warum konnte bislang nicht Erfahrung gebracht werden, dass Plagiieren unverzichtbar ist, damit Neues in der Wissenschaft überhaupt entstehen kann? Ein Grund dafür dürfte in der Unmöglichkeit liegen, Neues methodisch kontrolliert zu erzeugen, da man Neues nicht ankündigen, nicht antezipieren, nicht vorhersehen kann. Da die moderene Wissenschaft aber das Gegenteil zum Programm für die Diskriminierung erhebt, ergibt sich ein zu lösendes Problem aus der Frage, was man als neu qualifizieren kann, wenn Neues nicht vorhersehbar ist. Die Entscheidung könnte dann sein, dass man Texte darauf hin überprüfbar machen muss, was daran schon alt ist, was also schon woanders dokumentiert wurde. Und diesem Zweck könnte das Zitieren dienen. Durch kontrolliertes Abschreiben, das der Bedingungen des beobachtbaren Unterschieds von richtig und falsch unterliegt, ließe sich Überraschendes oder Neues dadurch beobachtbar machen, dass man Altes oder Bekanntes miteinander vergleicht. Durch die Focussierung der Überprüfung auf den Unterschied von richtig und falsch wird dabei die Technik der Kontextverschiebung von Zitaten verschleiert, bzw. sie wird, weil sie der Kontingenz unterliegt, zur allgemeinen Diskussion gestellt, durch welche dann die Kontextverschiebung kommunikabel wird; und durch Wissenschaftskommunikation entstehen im Diskurs Erwartungen über Akzeptanzchancen, welche wenigstens noch auf den höchst kontingenten Unterschied von „angemessen/unangemessen“ reagieren. Dieser Unterschied reicht mindestens aus, um Exkldierung zu rechtfertigen. Und solang die exkludierten Personen aufgrund ihrer Exkludierung keine weiteren Beiträge zur wissenschaftlichen Diskussion stellen können, ist Wissenschaft das, was sich als wissenschaftlich erweist, sofern es nicht aussortiert wurde. Und das gilt dann auch für die Behauptung, dass Plagiieren unwissenschaftlich sei, weil alle Versuche, Plagiieren zu rechtfertigen nur dann erlaubt werden, wenn sie keine Plagiate enthalten, wenn sie also den Unterschied von richtigem und falschem Zitieren beobachtbar machen um dadurch das Plagiieren zu vermeiden.

Da nun aber der Unterschied von richtig und falsch nirgendwo richtig oder falsch differenziert wird, so ist es nur eine Frage der Wahrscheinlichkeit, dass exkludierte Personen nicht die Bereitschaft zeigen, sich damit so leicht abzufinden. Aber was tun, wenn sich  die Wissenschaft durch Exkludierung immunisiert? Es bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder werden die anfallenden Streitigkeiten in Routinen überführt und dadurch verwaltet, das heißt, dass die so mögliche Störkommunikation selbst funktionalisiert wird; oder aber es passiert etwas Neues. Das Neue könnte nun sein, dass sich Wissenschaftskommunikation ebenfalls über Internet verbreitet, wodurch zwar einerseits Kostenreduzierungen möglich werden, andererseits aber die Wahrscheinlichkeit auf Exkludierung sinkt. Es wird durch Internetkommunikation immer schwiergier für einzelne Personen, bestimmte Texte von bestimmten Personen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Und was wäre nun, wenn diese unerwünschten Texte Plagiatsvorwürfe enthalten? Und was wäre weiter, wenn sich diese Vorwürfe zahlenmäßig vermehren? Wenn also durch Internet beobachtbar wird, dass Plagiieren nichts Neues ist? Ja, dass es normal und sogar unverzichtbar ist?

Für ein Wissenschaftssystem, das einerseits Plagiieren angewiesen ist, damit Neues entstehen kann, andererseits sich aber über Exklusion von Forschungsergebnissen und Personen immunisiert und damit das Plagiieren verbieten muss, entsteht daraus eine Bifurkation der Problemstellung: Entweder die Wissenschaft erlernt EDV-Techniken zur automatischen Aussortierung unerwünschten Textmaterials, um ihre altehrwürdigen Routinen sicherzustellen oder sie verzichtet auf Routinen der Exkludierung und stellt diesen Verzicht selbst wieder unter wissenschaftliche Beobachtung. Die erste Möglichkeit ist die zuerst wahrscheinliche, die zweite dürfte in längerer Hinsicht aber die erträglichere sein. Allerdings verlangt die zweite Möglichkeit die Revision von Grundsätzen, was wohl erst dann geht, wenn sich die Ansprüche an richtigem und falschem Zitieren, an wissenschaftlicher Redlichkeit und die Würde der Wissenschaft zu einem Gartenzwergdiskurs trivalisiert haben.

Dieser Trivialisierungsprozess ist gegenwärtig im Gang, was übrigens damit zusammenhängt, dass die Chancen auf Exkludierung immer weiter sinken, ein Prozess übrigens, der mit der Massenuniversität schon vor Jahrzehnten unumkehrbar eingeleitet wurde.