Arroganz, Beleidigung und Aufklärung – ein Nachtrag zur #trollforschung

von Kusanowsky

Gerade gestern, erst nach Absendung des vorhergehenden Artikels, fiel mir dieser Blogbeitrag auf. Darin geht um einen Troll, der sich in seinem Blog als eine lesbische Politikaktivistin aus Syrien ausgab und sich mit seinen Stellungnahmen weltweite Sympathien erworben hatte. Schließlich kam heraus, wer das angeblich wirklich war, nämlich ein amerikanischer Student, also keineswegs die „Unschuld vom Lande“, die er möglicherweise in seinen Postings inszeniert hatte. Was da geboten wurde war ein echtes Stück „Netztheater„, das von einer fabrikmäßig organisierten Unterhaltungsindustrie kaum produziert werden könnte. Man achte vor allen auf die ungenierte Mitteilung von Kränkungen, die durch diesen Skandal hervor gerufen wurden:

“You took away my voice, Mr MacMaster, and the voices of many people who I know” schreibt etwa Daniel Nassar, Herausgeber des  Gay Middle East blog. „Weiße Privilegienpimmel, die sich als Lesbians of Color ausgeben. Diese Form von Gewalt ist perfide, ekelerregend und macht sprachlos“, twitterte @lantzschi.

Solche Projekte gelingen allein durch das Engagement von Solotänzern. In dem Blog wird dieser Fall kurz besprochen und man merkt der Einschätzung an, dass das, was aus diesem Skandal gelernt werden soll, kaum mit dem Erfahrungszusammenhang übereinstimmt, durch den dieser Skandal möglich wurde:

Das einzige Mittel gegen Fakes: Körperkontakt!

Da kann man skeptisch sein. Diese Lehre erinnert an die Verwechselungkomödie „Viktor und Viktoria„, in der eine erfolglose Schauspielerin erzählt wird, die anfängt, in ihrem Leben einen männlichen Schauspieler zu spielen, der auf der Bühne eine Frau spielt und auf diese Weise zu Erfolg kommt. Nur der Körperkontakt eines Verehrers, der sich überwindet in der Gesellschaft als Homosexueller verdächtigt zu werden, rettet schließlich die Wahrheit und das Leben.
Interessant scheint deshalb eher, was nicht gelernt werden kann, dass nämlich solche Skandale Aufklärung bewirken könnten, was wohl erst dann möglich wird, wenn die Struktur verstanden wird, durch die diese Beleidigungen zustande kommen. Einen Kommentar von Sebastian fortsetzend, müsste man zu dem Schluss kommen, dass, solange Menschen als handlungsverursachende Kausalinstanzen beobachtbar bleiben, von welchen erwartet wird, dass sie Ansprüchen an Wahrheit und Identität genügen müssten, diese Strukturen unsichtbar und damit nichtverstehbar bleiben, und dies, obwohl sie sich mit Macht aufdrängen. Aber ein dafür nötiger Ablöseprozess kann nur dann entstehen, wenn es Menschen gelingt, sich dieser Struktur zu entziehen, weil sie andernfalls immer wieder in den Zirkel zurück geholt werden können. Es müssten also diese Ansprüche durch Einsicht in ihre Unhaltbarkeit fallen. Aber wie soll das gehen? Man hat es gleichsam mit einem Bedingungszirkel zu tun, der auf der einen Seite ausschließt, was auf der anderen Seite ausgeschlossen ist. Und andersherum.
Aber es es gibt Fälle, die zeigen, dass es geht:
Im Januar 2011 berichtete die Frankfurter Rundschau über einen amerikanischen Galeristen und Hobbymaler, der mit einem bemerkenswerten Trick Anerkennung fand: er fälschte Bilder von bekannten Malerpersönlichkeiten und bot sie über Mittelsmännern erfolgreich verschiedenen Museen als Geschenk an. Als man nach einiger Zeit schließlich herausfand, dass es sich um Fälschungen handelte, bemerkte man zugleich, dass kein Betrug vorlag, weil es unverbindliche Geschenke waren. Damit wurde die philosophische Nachdenklichkeit eines Museumsdirektors angeregt, der nun diesem Maler eine eigene Ausstellung widmen will.
Mehr dazu: Was ist ein Argument? Der Troll als Aufklärer