Soziologie. Eine Ausführung ab Mitte Mai
von Kusanowsky
Ab Mitte Mai 2013 werde ich damit anfangen, eine Ausführung aus der Soziologie zu schreiben. Einführungen zum Einstieg in die Soziologie gibt es massenweise, Ausführungen zum Ausstieg aus der Soziologie bislang nicht eine.
Ein solches Anliegen scheint zunächst kurios, aber streng genommen ist das nicht kurioser als das gegenteilige Anliegen. Warum soll es weniger kurios sein, dass ein bekannter Autor ihm unbekannte Leser dazu ermutigt, sich mit einem für sie unbekannten Fach zu befassen als dass ein unbekannter Autor versucht, ihm unbekannte Leser mit einer bekannten Sache unvertraut zu machen?
Beide Fälle sind logisch gesehen gleichmaßen seltsam, wenngleich natürlich der erste Fall aufgrund seiner häufigen Wiederholung eher überzeugt. Aber warum sollte dieser Fall in logischer Hinsicht überzeugender sein, nur weil diese Logik von den Verfassern von Einführungen in die Soziologie bislang völlig naiv als normal aufgefasst wird ohne dabei zu berücksichtigen, dass der Prozess des Vertraut- und Bekanntwerdens mit Sachverhalten, Themen, Problemen, Fachgebieten oder auch Personen und Autoren allein ein sozialer Prozess ist, den niemand einfach herstellen kann. Niemand kann so einfach weder sich selbst noch andere oder anderes bekannt und vertraut machen. Und das gilt auch für den umgekehrten Fall. Wollte man versuchen, sowohl sich selbst als auch ein Fachgebiet als unvertraut in Erscheinung treten zu lassen, dann dürfte man nicht so einfach jemanden finden, den das interessiert.
Umso beachtlicher ist deshalb, dass mein Tweet, in dem ich die Abfassung eines solchen Buches unter die Bedingung eines wenigstens anfänglich bemerkbaren Interesses stelle, innerhalb eines Tages über zwanzig RTs erhalten hat. Also: mindestens 20 verschiedene Twitter-Accounts, von denen die meisten mir völlig unbekannt sind, haben allein durch retweet, wenn schon kein Leseinteresse, so doch mindestens eine Aufmerksamkeitsbereitschaft bekundet. Das ist nicht sehr viel, aber mehr als sehr wenig.
Tatsächlich wird es in dem angekündigten Buch darum gehen, eine solche Problemstellung ernst zu nehmen. Soziolog/innen, sofern sie über die Universität zueinander finden, können es sich noch immer leisten, ihre Interessen, ihre Forschungen, ihre Diskussionen, ihre Schriften, ihre Regeln, ihre Routinen, ihre Karrieren, ihr ganzes Handeln und Verhalten als normal aufzufassen, gleich so als sei Soziologie vom lieben Gott geschenkt. Soziologie wird aber von der ganzen Gesellschaft gemacht und nicht etwa von ein paar hundert oder tausend Menschen. Denn wie sollten sie Soziologie machen, wenn Soziologie noch keiner kennt? Wenn aber Soziologie schon bekannt ist, warum werden dann jedes Jahr neue Versuche gestartet, mit Einführungen in die Soziologie etwas Bekanntes bekannt zu machen? Und dass sich Soziologie jedes oder jedes zweite Jahr so sehr verändern würde, dass ständig neue Einführungen geschrieben werden müssten, hat noch niemand behauptet und glaubt auch keiner. Und trotzdem werden, als wäre dies von Gott befohlen, in kurzen Zeitabständen immer wieder Einführungen in die Soziologie geschrieben. Hinzu kommt, dass jeder Versuch Bekanntes bekannt zu machen, immer sehr erfolgreich ist, was so betrachtet niemanden wundern kann. Nichts ist so einfach wie etwas Bekanntes bekannt zu machen.
So scheinen berufstätige Soziolog/innen hautsächlich damit befasst zu sein, Bekanntes bekannt zu geben oder bekannt zu machen. Und wer dieser Betrachtungsweise nicht zustimmen möchte, sollte mal erklären, was denn sowohl an Soziologie als in der Soziologie unbekannt wäre. Mir jedenfalls sind keinerlei Schriften bekannt, die etwas Unbekanntes bekannt machen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie so etwas logisch gehen könnte.
Und nur weil diese Merkwürdigkeit nicht auffällt, fällt das Gegenteil als merkwürdig auf, obgleich das Gegenteil genauso drollig ist.
Aus diesem Grunde wird das Buch mit dem Satz beginnen: „Soziologie ist überflüssig geworden.“
Es geht dabei um den Versuch zu zeigen, dass Soziologie sehr merkwürdig ist und genauso seltsam wie die Gesellschaft, die so etwas ermöglicht. Der Weg des Zeigens und Erklärens kann darum nicht auf normalem Wege beschritten werden.
Wie wär’s mal mit der Unterscheidung „bekannt sein“ und „jmd. bekannt sein“?
Die Redundanz an Einführungen liegt ja wohl eher an Verkaufserwartungen als an Bekanntmachungsnotwendigkeiten.
Und “ Soziologie wird aber von der ganzen Gesellschaft gemacht…“?
Klar, die Kakerlake und der Virus machen ja auch Biologie, nicht etwa Biologen.
Grlmpf!
„Soziologie wird von der ganzen Gesellschaft gemacht und nicht etwa von ein paar hundert oder tausend Menschen.“ Das ist eine überraschende Setzung, die vielleicht mit dem Wort „gemacht“ zusammenhängt? Was heißt hier „gemacht“? Vielleicht so etwas wie „praktiziert“?
Üblicherweise machen ja nicht die Blumen die Biologie, sondern die Forscher, die die Blumen *erforschen*, ihre Ergebnisse *lehren* und in Büchern *aufschreiben*, damit andere die Ergebnisse nachvollziehen und krisieren können. Nichts davon „macht die ganze Gesellschaft“ im Falle der Soziologie, vor allem schreibt sich nichts Soziologisches auf, so dass ich mich hier frage, was bei dir „machen“ heißt — und ich komme einfach nicht drauf.
(Nur nebenbei fällt mir und für mich auf, dass ich mir von der Umkehr eher einen Begriff vorstellen könnte, nämlich: „Die Gesellschaft wird von der Soziologie gemacht und nicht etwa von ein paar Millionen Menschen.“ Das wäre aber ein ganz anderes Ende der Soziologie, nämlich über die Frage, ob es das, was die Soziologie untersucht, überhaupt als definierbares Forschungsobjekt gibt.)
@Latent.de
Das Buch, in dem alle Unterscheidungen berücksichtigt sind, werde ich danach schreiben.
Und ” Soziologie wird aber von der ganzen Gesellschaft gemacht…”?
Dieses Satz betrifft das Verhältnis von Teil und Ganzem, nicht das Verhältnis von Subjekt und Objekt.
@Fritz
Was heißt hier “gemacht”?
Das hat im weitesten Sinne etwas mit der Konstruktion des Konstruktivismus zu tun und mit dem Verhältnis von Teil und Ganzem. Das Ganze besteht nicht aus Teilen, sondern die Teile sind das Ganze, indem sie in sich selbst die Struktur kontingent reproduzieren, durch die sie möglich werden.
Ihr Lieben, komme eben aus Wiesbaden zurück, wo ich mich mit meinen zwei Schwestern (69 und 66) getroffen habe. Es sind zwei knallharte (aber nicht giftige) Emanzen, die mir bei solchen Gelegenheiten immer mal wieder gehörig ihre stets vollkommen überraschenden Meinungen sagen und mir den Kopf und das Weltbild zurrecht rücken.
Von dieser Einleutungsfloskel her finde ich sofort den Übergang zu Meister Klaus, weil er sich analog zu meinen Schwestern verhällt: auch er sagt mir gelegentlich gerne und auch knallhart seine Meinung, rückt das falsche Denken in meinem eigenwilligen Kopf zurecht und rüttelt – meist ziemlich erfolgreich – an meinem durchaus nicht einseitg dogmatischem Bild von der Soziologie.
Die Analogiefähigkeit dieses den meisten in so vielem eindeutig überlegenen @kusanowsky beweist sich wieder einmal an der keck getroffenen Erfüllung des Reflexionsbegriffs zum Wort Einführung. Dass es hierzu überhaupt einen spezifizierbaren Gegen- und Erganzungsbegriff geben könnte und sollte, hat sich bei mir von selber bislang überhaupt noch nicht eingestellt, leuchtet mir aber sofort ein: Wenn uns die reputationskräftigen Soziologiemeister immer wieder mal vollkommen redundant in ihre mehr oder weniger komplexen Denkgebilde hineinlocken wie in ein unüberschaubares Labyrinth, dann ist es nur recht und billig, wenn sich jemand anbietet und sich dafür nicht zu schade ist, uns, den verlorenen Töchtern des einseitigen Denkens, mit starker Hand und mit milden Leitgesten aus diesem dogmatischen und ideologischen Wirrwar wieder hinauszuführen ins freie Land des selbstständigen Denkens.
Genau genommen gibt es ja das Labyrinth namens Soziologie gar nicht. Es gibt zwar soziologisch getönte und sich so gebende Denkkomplexe, die haben aber mit dem Logos, der die reale Gesellschaft einleuchtend abdeckt und erfüllt, meist nur sehr wenig zu tun. Sind sich doch die professoralen Bosse des soziologisch getönten universitären Vollzugs nicht einmal einig darüber, welches phänomenale Gebilde man überhaupt eine Wissenschaft von der Gesellschaft nennen dürfte. So wie die Mathematiker seit 1900 (wenn auch sehr verdeckt und in ihren Hinterstübchen) darüber streiten, ob man nun beim Aufbau der Mathematik davon ausgehen dürfe, dass es unbestreibare Axiome gibt, oder ob man nicht endlich – quasi glücklich resignierend – mit leichter Hand und mit offenen Worten allgemein einräumen sollte, auch die Mathematik hänge, wie alles Wissen und alle Wissenschaften, freischwebend an den durchaus starken Bindungsfäden willkürlicher allgemeiner Setzungen, Mathematik also sei auch nichts anderes als konstruierter Konstruktivismus, (wenn auch ein verdammt überzeugender und pragmatisch unübertroffen nützlicher). Denn nicht ist so plausibel nachvollziehbar, so kohärent, konsistent und konkludent, als dieser schier unendliche Zusammenhang der bislang für jeden Bemühten nachvollziebaren Sätze dessen, was sich bislang hat beweisen lassen, einschliesslich des Sprengsatzes von Gödel.
Raus aus der Märchenwelt der bisherigen Soziologie, das hiesse schlicht und einfach, einsehen, dass es gar keine einleuchtende Soziologie gibt. Also sollten wir alle Soziologiebücher einstampfen, (weil „verbrennen“ diesen peinlichen kirchlichen und faschistischen Beigeschmack hat).
Soziologie wäre dann das, was mit dem Blick auf die uns umgebende funktionale Welt der gesellschaftlichen Vollzüge (heissen sie nun Handlungen oder Kommunikationen, sei es nun ein Spiel mir oder ohne Agenten) tatsächlich das sich real Abspielende umfassend beschreiben könnte. Durchaus eingedenk des Umstand, dass es dann bei einer Selbstbeschreibung allein auch nicht wird bleiben können. Und der absolut erste Schritt müsste doch wohl die bewerkstelligte Eingung darüber sein, was denn nun wirklich die wahrhaft kleinste Einheit des Sozialen sein könnte.
Wir brauchen, so gegehen, also gar keine Ausführung: Es genügt, wenn wir lauthals und einig verkünden: Wir sind gar nicht drin, wir haben gar keine Soziologie. Dann müssen wir die Frage beantworten, ob wir denn überhaupt eine brauchen und wie die dann in etwa aussehen soll. Das allein wäre schon einmal den Schweiss der Edlen wert. Und dann, bitte, gemeinsam und vollkommen vorurteilsfrei ans Werk !
Lasst uns auf den Wörtern reiten – die Apostrophen und Asteriske wie Zügel in der Hand.
Vielleicht wäre für einisch was ganz pragmatisches und unakademisches angesagt. Mit ein wenig Humor und viel Getobe. Hauptsache nicht sich selbst rechtfertigen, wie zum Beispiel Albtraum Partizipation.
„den verlorenen Töchtern des einseitigen Denkens“
Professorale Soziologen, dazu gehören auch solche, die es werden wollen, geben sich immer sehr viel Mühe die Wichtigkeit und Unersetzbarkeit der Soziologie zu betonen. Wenn man sich nun das Recht heraus nimmt, darüber besonnen nachzudenken und darauf verzichtet, einseitig Partei zu ergreifen für solche professoralen Soziologen, die ihrerseits berechtigterweise nicht die selbe Bereitschaft zur Parteilichkeit haben, so dürfte einem auch der Gedanke kommen, dass Soziologie vielleicht so wichtig gar nicht ist und im Prinzip wie alles andere auch ersetzbar sein könnte. Argumente dieser Art, obgleich es sich auch um soziale Sachverhalte handelt, die ebenfalls soziologisch relevant sind, werden zwar irgendwo in wissenschaftlichen Fächern vorgetragen, dann jedoch nicht als soziologische Argumente. Aber im Prinzip ist es in der Soziologie verboten soziologische Argumente gegen die Erhaltung der Soziologie vorzutragen. Übrigens ist es auch dort verboten, wo Soziologen längst eingesehen haben, dass man Paradoxien gar nicht vermeiden braucht, ja, sogar, dass Paradoxien für Problemlösungen geradezu unverzichtbar sind. (Bei Interesse empfehle ich dazu den schönen Artikel von Beobachter der Moderne über Euryalistik).
Damit nicht genug. Durch diese Verbürokratisierung können genügend Entmutigungsversuche wirken, die dazu führen, dass Studenten sich nicht trauen, ihren Professoren mal genau solche Fragen zu stellen, durch deren Beantwortung sich eigentlich ihre Wissenschaft rechtfertigt:
1. Was ist genau der Gegenstand ihrer Forschung?
2. Was ist der aktuelle Forschungsstand? Wie lautet der aktuelle Stand der Diskussion?
3. Welche bekannten Methoden sind erkennbar ungeeignet, um den Gegenstand ihrer Forschung zu erhellen? Welche Theorie ist relevant?
4. Welches sind die relevanten Schriften, Handbücher, Lehrbücher, die ausreichen, um den Gegenstand ihrer Forschung und das positive Wissen darüber zu beschreiben?
5. Aufgrund welcher Leistungen, die sich von anderen signifikant unterscheiden, sind Sie Professor geworden?
6. Was bedeutet Wissenschaftlichkeit des Wissens?
Natürlich kann jeder Professor auf jede dieser Fragen irgendeine Auskunft geben, dies aber nur, solange niemand gründlicher, präziser und ausführlicher Antwort begehrt. Denn dafür ist zu keinem Zeitpunkt genügend Zeit: in keinem Seminar, in keiner Vorlesung, in keiner Sprechstunde, auf keiner Tagung. Es geht sogar so weit, dass Profesoren gar nicht genügend Zeit haben, Studenten zu erklären, wie man Hausarbeiten schreibt, ja sogar, dass sie gar keine Auskunft über bestimmte Themen geben. Sie vergeben sie und will der Student wissen, worum es sich handelt, muss in Internetforen Erkundigungen einziehen. Einfach keine Zeit, keine Übersicht, keine Klarheit. Aber an der Fortsetzung des Wissenschaftsbetriebs ändert das gar nichts. Die Soziologie geht einfach weiter. Das wiederum könnten bedeuten, dass Verbote aller Art ziemlich überflüssig sind. Würde man die Verbote einfach beiseite lassen, würde sich gar nichts ändern. Das aber zu erwägen ist für Professoren etwas riskant, weil das Publikum mitschreibt und sich durch Verzicht auf solche Verbote ermutigt fühlen könnte, weitergehende Fragen zu stellen.
So ist es allemal besser man redet gar nicht erst darüber.
„so dürfte einem auch der Gedanke kommen, dass Soziologie vielleicht so wichtig gar nicht ist und im Prinzip wie alles andere auch ersetzbar sein könnte.“
So ersetzbar wie alles Unersetzbare. Vielleicht sollte man diese Doppeltheit nicht unter den Tisch fallen lassen. Meine Frau, mein Sohn, mein Hund (auch auf diese bezogen, könnte ich mir einen Abgewöhnungsdiskurs, eine Ausführung, vorstellen, statt immer nur ihnen und mir selbst gegenüber die Vorzüge über zu betonen) sind, eben wie die Soziologie und alles andere hinieden auf Erden, unersetzbare Ersetzbarkeiten.
Das hat, nach Derrida, damit zu tun, dass ein Zeichen, in dem Moment, wo es eine singuläre, einmalige, unwiederholbare Einzigartigkeit benennen will, sich an die Ordnung der Iterabilität und Substituierbarkeit auslieferen muss. Es kann nur etwas Unersetzbares markieren („das ist Pierre“, „22.4.2013.“ usw.), wenn es zum wiederholbaren, konventionalisierten Substitut greift.
Wenn ich in diesem Zusammenhang mir die Kontroverse der beteiligten Mathematik-Professoren um die Jahrhundertwende (um 1900) an sehe, (in „Moderne Sprache Mathematik), dann denke ich, die Professoren waren alle um diese Zeit mutige und für internen Krach aufgeschlossener: Kronecker und Brauer haben doch den Leithirschen Hilbert und Klein ganz schön zugesetzt und zu schaffen gemacht. Wo gäabe ed enn so etwas heute ?
An diesem Witz muss ich immer denken, wenn ich höre und lese, dass es, was die Publiktionstätigkeit von Wissenschaftlern angeht, angeblich auf Qualität und nicht Quantität ankäme.
http://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2010/pressemitteilung_nr_07/
In dieser Pressemitteilung heißt es:
„Wissenschaftler sollen in Förderanträgen und Abschlussberichten nur noch wenige und besonders wichtige Veröffentlichungen angeben / Kleiner: „Auf die Inhalte kommt es an“
Na sowas! Wer soll das denn alles lesen? Und der in dieser PM gemachte Vorschlag, weniger in eine Literaturliste hineinzuschreiben, löst das Problem ja nicht. Wieviel weniger ist den Qualität, wenn viel mehr keine seine kann? Man kann erkennnen welcher paradoxen Problemsituation Wissenschaftler ausgesetzt sind: Qualität statt Quantität soll die Anweisung sein, aber wenn gefragt wird, was Qualität denn sei, so kommt es auf eine Quantitätsangabe an, hier in dem Fall: weniger.
Aber auch das Wenige kann kaum noch jemand lesen. Jedoch müsste man das tun, um herauszufinden, was qualitativ geschrieben steht.
„dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Anträgen und Berichten an die DFG künftig statt beliebig vieler Veröffentlichungen nur noch wenige, besonders aussagekräftige Publikationen als Referenz nennen dürfen. … Bei ihrem wissenschaftlichen Lebenslauf dürfen Antragsteller künftig insgesamt maximal fünf Veröffentlchungen anführen“
Naja, was aussagekräftig ist und was nicht, versteht sich nicht von selbst, sondern muss gelesen werden. Und warum sind fünf Literaturangaben besser als sechs oder sieben. Warum fünf und nicht drei? Welche Qualität hat die Mengenangabe „5“?
Publikationsstrategien während und nach der Promotionsphase
http://www.scn-ruhr.de/akademie/herbst/inhalte/workshop5.html
Vielleicht sollte ich mich auf die These festlegen, dass das Studium der Wissenschaft eigentlich gar nicht mehr zur wissenschaftlichen Forschung qualifiziert. Wie man so etwas behaupten kann?
Nun, man lese, was in dem verlinkten Texte als zu beantwortende Fragen aufgeworfen wird:
Warum publizieren?
verschiedene wissenschaftliche Textsorten und ihre Anforderungen
Suchen und Finden von Publikationsmedien
Was eignet sich zur Publikation?
Publikationsstrategien und Wissenschaftskarriere
Diese Fragen in dem Workshop richten sich nicht an Studenten, die vor dem Examen stehen, sondern an Wissenschaftler, die das Examen bestanden haben, die also diese Frage beantworten können müssten. Denn womit haben sie sich sonst während des Studiums beschäftigt?
Man könnte vermuten, sie haben fleissig gebüffelt, haben Lehrbücher en masse gelesen. Aber in keinem Lehrbuch steht geschrieben wie Wissenschaft funktioniert. Aus diesem Grunde müssen die Kandidaten nach Abschluss ihres Studiums sich danach erkundigen wie Wissenschaft eigentlich geht, weil sie vorher keine Zeit hatten, sich mit den entscheidenden Fragen zu befassen.
Und irgendwie hat man doch den Eindruck, dass es nach dem Studium der Wissenschaft zu spät ist, um wissen zu können, was man eigentlich schon vorher hätte wissen müssen. Denn: alle Antworten auf die oben gestellten Fragen ändern ja nichts am Problem, wenn alle die gleichen Ratschläge verfolgen. Wenn der Ratschlag lautet: publiziere viel, dann publizieren alle viel. Lautet der Ratschlag: publiziere wenig, dann publizieren alle wenig. Wenn der Ratschlag lautet: publiziere etwas Neues, dann kann keiner wissen, was eigentlich neu ist, weshalb man ja eigentlich mit dem Forschen erst anfangen müsste. Und wer glaubt, etwas ganz Neues gefunden muss, muss es publizieren. Und das macht dann jeder andere auch, die einen viel, die anderen wenig. Was soll’s?
Keine Lösung! Und folglich heißt das auch: wenn keine Lösung, dann auch kein Problem. Es ist ein Glücksspiel.
Publizieren mit Strategie und Plan
„Publish or perish“: Graduiertenschulen bieten Seminare an, in denen die Promovenden an ihren Publikationsstrategien feilen können. Von Ute Zauft
„Es ist ein hart umkämpfter Markt, in den Ihr als Nachwuchswissenschaftler einsteigt!“ Mit diesen Worten begrüßt Philipp Mayer meist seine Seminarteilnehmer. „Ihr seid Unternehmer, die auf diesem Markt ihre Publikationen unterbringen müssen.“ Die Zuhörer des freien Trainers sind nicht etwa junge Existenzgründer, sondern Promovenden der Dahlem Research School, unter deren Dach sich Promovenden der Freien Universität Berlin jenseits ihrer Fächer weiterbilden. Ihr Geld verdienen sie nicht mit satten Verkaufszahlen, sondern mit Erkenntnisgewinn. Ziel des Seminars ist eine Art Businessplan: Eine Strategie, um möglichst schnell möglichst viele Veröffentlichungen in möglichst angesehenen Fachzeitschriften unterzubringen.
http://www.zeit.de/studium/hochschule/2012-02/publikationen-seminare
Toll. Nach dem Studium müssen die Kandidaten Seminare besuchen um zu lernen, wie man möglichst schnell möglichst viel publiziert. Und wenn ihnen dies gelungen ist, kommt die Zentralstelle der Drittmittelvergabe bei der DFG mit der Definitition, dass es auf Qualität ankommt und legt fest: Qualität ist wenig und nicht viel. Obwohl das natürlich albern ist. Qualität ist weder wenig noch viel. Aber das ist zu kompliziert und kann wissenschaftlich nicht erforscht werden.
In dem Artikel heißt es:
„Ihr Geld verdienen sie nicht mit satten Verkaufszahlen, sondern mit Erkenntnisgewinn“
Vielleicht sollte ich aus der Soziologie aussteigen und in ein buddhistisches Kloster gehen um über diesen Satz qualitativ viel zu meditieren.
Der Professor Julian Nida-Rümelin in einem Interview über das Studium der Philosophie:
„Sie kritisieren die derzeitige Studienstruktur sehr. Was stört Sie am meisten?
Julian Nida-Rümelin: Die größte Fehlentwicklung momentan ist, dass die Vielfalt der Fächerkulturen gelitten hat. Die Geisteswissenschaften hängen nun mal davon ab, dass die Studierenden Zeit haben, Bücher zu lesen, in der Bibliothek zu sitzen und Hausarbeiten zu schreiben. Wenn die Struktur und Zeitpläne es nicht mehr zulassen, große Klassiker zu lesen, sondern Inhalte stattdessen auf PDF-Häppchen oder Sekundärliteratur reduziert werden, dann ist das kein Philosophiestudium mehr. Heute werden häufig nur noch die Lehrbuchzusammenstellungen gelernt, die zumal oft auch noch falsch sind. Im Gegensatz zur Physik tut den Geisteswissenschaften diese Verschulung nicht gut. Denn ohne die großen Texte – mögen sie noch so sperrig sein – findet man keinen Zugang zum Fach.“
http://www.scilogs.de/blogs/blog/feuerwerk-der-neuronen/2011-10-11/philosophie-zwischen-wissenschaft-und-realit-t
Nach dieser Aussage hat auch also die Wissenschaft eine Realität, die größtenteils falsch ist: „Heute werden häufig nur noch die Lehrbuchzusammenstellungen gelernt, die zumal oft auch noch falsch sind.“
Sowas! Eine falsche Lehre! Falsche Lehren, Irrlehren waren schon immer das größte Problem der Philosophie. Es wäre mal interessant einen Philosophen danach zu befragen, wie eine falsche Lehre möglich ist und was er dagegen tun könnte. Er könnte es sich zur Aufgabe machen, einfach mit der richtigen Lehre anzufangen. Denn Nida-Rümelin ist doch bereits Professor. Wofür wird er denn bezahlt? Für Forschung und Lehre! Er könnte sofort damit anfangen! Aber es geht nicht, wie aus dem Zusammenhang des Interviews hervorgeht: er hat ja gar keine Zeit dafür, und – wie er selbst zur Auskunft gibt – macht es ihm auch noch „Spaß“ seine Zeit mit anderen Dingen als mit Philosophie zu verbringen.
Was soll man da machen? Protestbriefe schreiben ist der einzige Ausweg. Es hilft zwar nicht, ist aber vielleicht das einzig richtige.
Warum Hochschulabschlüsse nicht mehr relevant sind
http://www.harvardbusinessmanager.de/meinungen/artikel/a-893039.html
Zygmunt Bauman: Vom Nutzen der Soziologie
http://www.perlentaucher.de/buch/zygmunt-bauman/vom-nutzen-der-soziologie.html
—
Meine Einladung zur Soziologie von Dirk Kaesler
Gefragt nach dem größten Nutzen der Soziologie biete ich folgende vier Grundüberzeugungen an:
1. Die wissenschaftliche Soziologie ermöglicht es, den naiven Blick auf die Kompliziertheit gesellschaftlicher und historischer Wirklichkeit durch eine Sichtweise zu ersetzen, die eben dieser Kompliziertheit der Verhältnisse angemessen ist.
2. Dadurch ermöglicht die Soziologie den Menschen, einen wissenschaftlich gebildeten Blick für und das Wissen um ihre realistischen Möglichkeiten in individueller und gesellschaftlicher Hinsicht zu erwerben, sowie um die dabei gegebenen Schwierigkeiten und Grenzen zu wissen.
3. In diesem Sinn ist die wissenschaftliche Soziologie, im Verbund mit anderen Sozialwissenschaften, ein unschlagbares Instrument bei der Entwicklung eines aufgeklärten Konzepts einer menschenwürdigen Gesellschaftsordnung, die es ermöglicht, die Erfordernisse der jeweils individuellen Selbstverwirklichung in einer sozialen Ordnung konstruktiv miteinander zu verbinden.
4. Nachdem die wissenschaftliche Soziologie ganz wesentlich dazu beigetragen hat, das Wissen um die Selbstreflexivität gesellschaftlicher Wirklichkeit zu erarbeiten, ist es ihr größter Nutzen, an der Schaffung gesellschaftlicher Wirklichkeit in aufgeklärter und kritischer Weise mitzuwirken.
http://www.kaesler-soziologie.de/soziologie/einladung.html
—
Wolfgang Streeck: Man weiß es nicht genau: Vom Nutzen der Sozialwissenschaften für die Politik
Klicke, um auf wp09-11.pdf zuzugreifen
—
Vom Nutzen und Nachteil einer kritischen Sozialwissenschaft – Bericht von einer Aachener Podiumsdiskussion
http://www.theorieblog.de/index.php/2010/11/vom-nutzen-und-nachteil-einer-kritischen-sozialwissenschaft-bericht-von-einer-aachener-podiumsdiskussion/
—
Ulrike Meyer: Soziologie und Aufklärung. Studien zum Selbstverständnis einer Disziplin zwischen Moderne und Postmoderne
http://www.waxmann.com/?id=20&cHash=1&buchnr=216
—
Soziologie als angewandte Aufklärung. Weniger als erwartet, aber mehr als zu befürchten war. Die Entwicklung der Nachkriegssoziologie aus der Sicht der frühen Fachvertreter. Hrsg. Heinz Sahner
Vor etwa fünfzig Jahren etablierte sich die deutsche Nachkriegs-Soziologie. Die »Kölner Zeitschrift für Soziologie« nahm ihr Erscheinen 1948 wieder auf, im folgenden Jahr erschien das erste Heft der »Sozialen Welt«. Die Sozialforschungsstelle Dortmund wurde 1947 gegründet und die »Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftlicher Institute (ASI)« im Jahr 1949. Heute bekannte Fachvertreter begannen ein universitäres Studium, nicht notwendig das der Soziologie.Was war ihr Impetus? Von welchen Hoffnungen und Erwartungen wurde er getragen? Wie wurde die bisherige Entwicklung des Faches beurteilt und was erhoffte man sich von der Zukunft?In diesem Band schildern die prominenten Soziologen M.R. Lepsius, L. v. Friedeburg, B. Lutz, H. Popitz, L. Rosenmayr und E.K. Scheuch ihren Zugang zum Fach und stellen sich der Diskussion. Dabei zeigt sich: Die Nachkriegsgeneration knüpfte weder eng an der Vorkriegssoziologie an, noch an dem, was von dieser unter dem Nationalsozialismus übrig geblieben war. Es war und ist eine Soziologengeneration sui generis.
http://www.nomos-shop.de/Sahner-Soziologie-angewandte-Aufkl%C3%A4rung/productview.aspx?product=6462
—
Kruse Volker: „Schlüsselwissenschaft“ und „angewandte Aufklärung“. Der Mythos der empirischen Soziologie. In: Acham K, Nörr KW, Schefold B, eds. Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft. Aufbruch und Ernüchterung in den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften auf dem Weg von den 1960er zu den 1980er Jahren. Frankfurt/M.: Franz Steiner; 2006: 145–175.
http://pub.uni-bielefeld.de/publication/1863114