Das Performat der Mensch-Maschine-Beziehung
von Kusanowsky
In dem FAZ-Blog von Mercedes Bunz mit dem Titel „Das Denken und die Digitalisierung“ werden interessante Tendenzen des Zustandekommens von Mensch-Maschine-Beziehungen erläutert. Es handelt sich um einen Artikel, den zu lesen ich empfehle, da er einige Illustrationen für das liefert, was ich als das Erfahrungsformat einer „nächsten Gesellschaft“ bezeichnen möchte. Bemerkenswert an diesem Artikel ist vor allem, wie sich darin ein Ablöseprozess dokumentiert, der aber die Möglichkeiten der in diesem Artikel beschreibbaren Erfahrungen nicht selbst schon unter Bedingungen erproben kann, durch welche möglich wird, diesen Artikel zur Kenntnis zu bringen: er leistet Vorausschau, aber diese Vorausschau kann nicht als Retroinspektion verstanden werden, sondern nur als Dokument via Verbreitung, weshalb nur eine allzu bekannte Abwägung von Ängsten und Hoffnungen vorgenommen wird, die sich insbesondere auf die durch die Subjektphilosophie der modernen Gesellschaft entstandenen Fragestellungen nach Wesen und Beschaffenheit des Menschen bezieht.
Wenigstens kann man bemerken, dass nicht mehr die Frage gestellt wird, was der Mensch ist, sondern was aus ihm wird; verbunden gleichwohl mit skeptischen Differenzierungen, die sich auf ein „Pro und Contra“ des Machbaren und Beherrschbaren beziehen; Betrachtungsweisen, welche noch ganz angepasst sind auf die Erfahrungsbildungen durch die Dokumentform. Insoweit hat man es bei diesem Artikel nur mit konventionellem, aber gleichwohl interessantem Journalismus zu tun, der noch nichts von dem erproben kann, was durch ihn in Aussicht gestellt wird.
Das könnte man zum Anlass nehmen, das Performat eines Dauer-Turing-Tests analytisch genauer zu betrachten. Denn bei dem Turing-Test handelt es sich bekanntlich um eine Simulation, die die Tauglichkeit einer Maschine zur Intelligenz überprüfen sollte. Und die interessante Frage wäre, welche Ergebnisse selbstreflexiv analysiert werden können, wenn sich die Zugänglichkeit einer Mensch-Maschine-Interaktion durch das Internet verbreitet. Zu welchen Ergebnissen könnte man kommen, wenn das Performat als Erfahrungsstruktur – in dem Fall die Simulation einer Mensch-Maschine-Beziehung – einen Prozess in Gang setzt, den das Performat entsprechend einer durch es selbst entwickelten Simulation mit „Verstehen“ bezeichnet?
Möglich wird dies, wenn durch das Performat alle entsprechenden Prozesse als Modelle simulierbar werden, die dem Ablauf bestimmter Prozesse dienen; und wenn aufgrund eines so ermittelten Modells „Verstehen“ als etwas behandelt wird, das auch auf externe Instanzen zugerechnet werden kann, so lässt sich durch das Performat und anhand seiner ablaufenden Prozesse ein „Verstehen“ und die Bereitstellung von „Mitteilungsquellen“ erzeugen.
Die beobachtbare Realität wird also nicht als etwas Vorgefundenes beschreibbar, sondern wird durch die Simulation als nur so erzeugte Realitätsmöglicheit erkennbar. Das heißt auch, dass alle Realität, wie immer das „Verstehen“ und seine „Zurechnung auf Mitteilungsinstanzen“ beobachtet wird, nicht nachträglich von der Erfahrung durch das Performat abstrahieren kann, gleich so, als könne man, wenn man die Modelle subtrahiere, eine reine Form testen, die unabhängig vom Performat existiere.
Die durch ein Performat erzeubare Erfahrung ist nur eine modellabhängige Möglichkeit: es handelt sich nicht um ein „Abziehbild“ einer sonst unabhängigen Realität.
Entsprechend hätten man es mit der Normalerfahrung eines operativen Konstruktivismus zu tun, aufgrund dessen angenommen wird, alles sei Konstruktion; und wenn man jede solche Konstruktion immer einem Konstrukteur zurechnet, um verschiedene Perspektiven unterscheiden zu können, so wird man sehen können, dass auch die Annahme eines Konstrukteurs eine Konstruktion darstellt, die sich einem Konstrukteur zurechnen lässt und so weiter.
Dann wird man auch sehen können, dass auch Konstrukteure Erzeugnisse sind, die als nichts anderes erscheinen denn als Bündel von Erwartungen und Modellen. Die Annahme, es gebe solche Bündlungen, ermöglicht also einem Beobachter ein ordnendes, empiriegesteuertes Vorgehen, das sonst ausgeschlossen bliebe. Wenn ein Beobachter beobachtet, dass bestimmte Kommunikationen irgendwie gebündelt auftreten, dann kann er mit Hilfe der Vorstellung, es gebe unterschiedliche Beobachter, z.B. einen Code (wahr/falsch) suchen, der diese Bündlungseffekte erzeugt. Und dann macht es Sinn, diese Codierungseffekte „Beobachter“ zu nennen und anzunehmen, dass dieser Beobachter sich per Code aus seiner Umwelt ausdifferenziert.
Der Beobachter wäre nichts anderes dieses „Erzeugen von Bündlungen“, wäre künstliche Intelligenz. Er entsteht und existiert nur mit diesem Prozess der Codierung. Und er ist eben daher ein sinnvolles Produkt der Zurechnung seitens eines ihn beobachtenden Beobachters. Folglich heißt das auch, dass Realität und Konstruktion miteinander verschmelzen und dass es nur Sinn macht, von Konstruktionen zu sprechen, wenn man einen bestimmten, eben einen konstruktivistischen Realitätsbegriff von einem anderem, nämlich einem dokumentarischen Realitätsbegriff unterscheiden kann. Im Sinne eines operativen Konstruktivismus sieht man immer nur Konstruktionen auf der Grundlage von Modellen, die ihrerseits immer Konstruktionen sind, und in Abhängigkeit vom beobachteten Beobachter, der immer Konstruktion ist.
Das Performat würde entsprechend einen operativen Konstruktivismus als eine konsequent zirkulär strukturierte Erfahrung möglich machen. Die Erfahrung ermöglicht sich, indem sie immer wieder von vorne anfängt. Und sie immunisiert sich gegen endloses Infragestellen und Letztbegründungsansinnen dadurch, dass sie Paradoxien erzeugt und die Erwartung strukturiert, die es notwendig erscheinen lassen auf Paradoxien paradox zu reagieren.
Das ist alles sehr interessant, aber gegen diese Erläuterungen hätte ich einen Einwand: Zu berücksichtigen in Luhmanns Theorie der Kommunikation ist immer der Begriff der Selektivität. Das heißt, Alter und Ego unterstellen sich gegenseitig eine Selektion, eine Auswahl aus vielen Möglichkeiten. Man hat sich daran gewöhnt, Individuen Rationalität, Vernunft, Strategien, Absichten oder die Fähigkeit zu Simulation zuzurechnen. Das kann man in historischer oder semantischer Perspektive betrachten, und dennoch macht die Theorie genau dort den Schnitt, wo sie einerseits von Freiheits-, Kontingenz- oder Selektivätszumutungen ausgeht, die einen take off sozialer Systeme zur Folge haben, und andererseits von Maschinen, zwischen denen oder mit denen Kommunikation unmöglich ist. So wie ich den Artikel verstehe läuft das Konzept der Performate auf eine andere Theorie hinaus, die besagt, dass ich gerade mit meinem Computer interagieren würde. Aber das führt ins Endlose, so etwa zur Kommunikation mit Ampeln oder zur Kommunikation mit Tieren. Aber das hängt im allgemeinen von sozial eingeführten Vorstellungen über Tiere oder Götter ab, also von der gesellschaftlichen Entwicklung. In der Antike wurden Sklaven Unfreiheit zugerechnet, und ihre Adressen waren deshalb im sozialen System Domus oder Polis irrelevant, weil sie in dieser Sicht wie Tiere oder Werkzeuge auf Befehle gehorchen. Das ist doch gerade der Witz an Luhmann, dass bei ihm Kommunikation nur auf Kommunikation zugerechnet wird. Ich sehe nicht, welcher Theoriegewinn dabei entsteht, wenn man von „Performaten“ ausgeht.
@g.demrath „Aber das führt ins Endlose, so etwa zur Kommunikation mit Ampeln oder zur Kommunikation mit Tieren. Aber das hängt im allgemeinen von sozial eingeführten Vorstellungen über Tiere oder Götter ab, also von der gesellschaftlichen Entwicklung“ – richtig. Und die empirisch interessante Frage ist, wie man solchen Vorstellungen bei ihrer Verwandlung gleichsam „zuschauen“ kann. So herum betrachtet: auch der bekannte Luhmannsche Satz, dass nur die Kommunikation kommunizieren kann, ist nur die Konstruktion eines Beobachters, der auf der anderen Seite seines Unterscheidens eine genaue Vorstellung darüber mitführt, was Menschen angeblich können, nämlich: kommunizieren. Wenn aber eben diese Vorstellung auf der anderen Seite eines Beobachtungssystems anfängt zu verblassen, zu verschwinden, fraglich wird, dann wird interessant, was eigentlich noch gemeint ist mit dem Satz, dass nur Kommunikation kommunizieren kann? Der Weg dahin geht über den Umweg der Erfahrungsbildung, die zunächst besagt, dass auch Maschinen kommunizieren können genau wie Menschen. Aber wenn man durch die Entwicklung des Simulationsmediums nicht mehr unterscheiden kann, ja, nicht mehr unterscheiden braucht, ob die Kommunikation es mit Menschen oder Maschinen in der Umwelt zu tun hat, dann würde sich eine Mensch-Maschine-Beziehung anders gestalten. Nimmt man noch den Punkt hinzu, dass eine Mensch-Maschine-Schnittstelle auch durch Neuroimplantate in den Körper von Menschen hineinverlagert werden kann und ferner die Möglichkeiten der genetischen Vermischung von Menschen und Tieren, die keineswegs nur als Horrorstellung interessant ist, so werden ganz andere Erfahrungen darüber möglich, was mit solchen Differenzen noch anzufangen wäre. Wenn es mir überhaupt um einen theoretischen Ansatz ginge, dann ist die Frage, welche empirischen Möglichkeiten man nutzen kann, den Selbsterfahrungsprozess der Systeme unter sich ändernden Bedingungen zu beschreiben.
Was ich nur erstaunlich finde ist, dass Widersprüche in den Luhmannschen Schriften philologisch überhaupt erst dokumentiert werden müssen, damit man wissen kann, dass es Widerspruchsfreiheit dort wie sonst auch nicht gibt. Aber das scheint mir auf den Blinden Fleck einer „wissenschaftlichen Systemtheorie“ zu beruhen, die das Business, das sie durch eine zweite Beobachtungsebene erklären möchte, auf der ersten Ebene ganz unreflektiert und mit großer Urteilsgewissheit fortsetzt. Manchmal denke ich sogar, für einen treuen soziologischen Systemtheoretiker ist Kommunikation das, was bei Luhmann darüber dokumentiert ist. Aber das „Verbot der Widersprüchlichkeit“ von Aussagen wegen des Vorwurfs der daraus resultierenden Beliebigkeit, ist ja gerade ein Reflexionsergebnis, das durch das Dokumentschema entsteht. Für die moderne Gesellschaft scheinen mir Paradoxien einen ähnlich skandalösen Charakter zu haben wie z.B. irrationale Zahlen für die alte griechische Mathematik: sie kommen zwar vor, aber dürften eigentlich nicht sein. Wem man Widersprüche zurechnen kann, ist nicht glaubwürdig. Woher kommt das denn? Und für die Zukunft könnte vielleicht gelten, dass gerade die Reflexion von Widersprüchen das entscheidende Intelligenzmerkmal ist, das Zurechnungsfähigkeit erzeugt. Bei einem Turing-Test könnte man beispielsweise die Frage stellen: „Wie gießt man trockenes Wasser in ein Glas?“ Wenn man die Antwort bekommt: „Das geht, in dem man die Luft in gleich große Teile schneidet“, dann ist es egal, ob man es mit Mensch oder Maschine zu tun hat.
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Das ist alles sehr interessant. Ich freue mich das der Bereich Forschung im Rahmen der Mensch-Maschine-Interaktion weit wächst und wir in Zukunft weitere Studien und interessante Paper lesen werden. Das Zusammenwachsen zwischen den Menschen als Elemente der Gesellschaft und die Maschine, als Medium in der Gesellschaft gesellschaftsfähig zu bleiben, ist ein wichtiger Punkt bereits jetzt und in naher Zukunft noch viel mehr.