Massenmedien, Gedächtnis, Dokumentform
Ein entscheidendes und die Ausdifferenzierung von sozialen Systemen maßgeblich vorantreibendes Strukturmerkmal von Massenmedien besteht darin, dass das, was durch den Filter von Massenmedien in der Dokumentform kommuniziert werden kann, unterstellbar macht, dass allem Thematisiertem ein „Bekanntgewordensein“ der verbreiteten Information bei einer unbestimmten Zahl von Leuten zurechnet werden kann.
Mit dieser Beschreibung ist zugleich eine andere Beschreibung für die Gedächtnisfunktion gefunden. Denn von Massenmedien kann gesagt werden, dass sie die jeweils aktuelle Realität einer der Gesellschaft erzeugen. Das bedeutet aber auch, dass solche Einsichten, die – wie selektiv verkürzt auch immer – nur deshalb einleuchten können, weil sie wiederum durch Massenmedien verbreitbar sind, solange sie der spezifischen Filterkonfiguration der Massenmedien entsprechen.
Als der entscheidende Selektor dient – und das scheint die bisher allseits akzeptierte Sichtweise zu sein – die jeweilige „Neuartigkeit“ der Information, die ja nur dadurch zustande kommt, indem sie einen Unterschied von „noch-nicht-bekannt“ und „schon-längst-bekannt“ immer aktualisiert.
Müsste das nicht heißen, das mit allem, was durch Massenmedien kommuniziert wird, immer diejenigen Operationen, die das Erinnern garantieren, zugleich dem Vergessen anheimfallen müssen, dass man also in jedem Moment erinnert wird, was im nächsten Moment schon vergessen wurde? Die Strukturen, welche die Funktion von Massenmedien garantieren, könnte man entsprechend beschreiben als kondensierte Formen jeweils ablaufender Operationen, von denen das von der Operation Vergessene schon abgezogen ist, sei es weil es nichts zur Konsistenzsicherung beitragen konnte oder sei es durch Zufall, und über Konfirmation reaktualisiert wird.
Bleibt die Konfirmation aus, entweder durch Nichtgebrauch, durch exzessive Enttäuschung oder durch leichte Verschiebungen im Kondensationsprozess, kommt es entweder zur Auflösung oder zu einer starken oder subtilen Veränderung der Struktur. Auf diese Weise selektiert das Gedächtnis dann Bewahrenswertes, vergisst alles andere und hat ein kreatives zukunftsgerichtetes Potenzial, indem es für weitere Operationen in unterschiedlichen Kontexten „Bewahrensertes“ anbieten kann, die sie dann wieder auf Bewahrenswertes hin prüft. Eine Funktionweise, die eine solche Struktur garantieren kann, findet ihren Niederschlag in der Dokumentform. Und die sich daran anschließende Frage wäre, wie eine andere Form der Wissens- und Erfahrungsbildung, etwa durch Performate von Simulationsmedien, den Kommunikationsprozess steuern könnte.