Das Vexierspiel häuslicher Gewalt

von Kusanowsky

Im Blog von Postdramatiker konnte man gestern einen bemerkenswerten Kommentar zum Thema „häusliche Gewalt“ finden. Dabei geht es um die Beobachtung, dass in einer Paarbeziehung nicht nur Männer als Gewalttäter in Frage kommen, sondern, wie man unlängst meint herausgefunden zu haben, auch Frauen. Männer und Frauen scheinen also gleichermaßen als Täter und Opfer von häuslicher in Frage zu kommen.
Abgesehen von der prinzipiellen Bezweifelbarkeit solcher Aussagen (denn welche Aussagen, die sich auf ermittelte Tatbestände der Dokumenstruktur beziehen wären nicht bezweifelbar?) kann man bemerken, was sich da verschiebt. Und vielleicht könnte ich – entgegen meiner Neigung – einmal Grund zur Hoffnung haben: Dass nämlich in diesem Fall nicht mehr Gewalt – wie auch immer attributiert und zugerechnet – als Problem erscheint, sondern die ungleichgewichtige Attributierung und Zurechnung derselben. Vor vielen Jahren war in der TAZ mal ein Cartoon zu lesen, in dem zwei Feministinnen an einer mit Graffiti vollgesprühten Hauswand vorbei gehen, auf welcher zu lesen ist: „Ausländer raus“. Die beiden empören sich darüber maßlos. Im nächsten Bild war zu sehen, dass eine der beiden das Graffiti verbessert hatte. Nun stand da zu lesen: „AusländerInnen raus.“ Befriedigt ob der Beseitigung eines sozialen Missstands gehen die beiden ihrer Wege. Blöd natürlich nur, dass dieser Cartoon ebenfalls nichts anderes tat, als auf ein Defizit aufmerksam zu machen, aber immerhin: man konnte schon lachen, obgleich das Sujet der Ausländerfeindlichkeit so etwas kaum zulässt. Damit wären wir zu dem höchst unergiebigen Thema „Political Correctness“ gekommen. Mir scheint, die Thematsierung von Gewalt fängt tatsächlich an, sich von der überlieferten Form ihrer Problemerfahrung zu lösen. Nicht also, dass länger Gewalt als Problem, Spekulationen über ihre Herkunft, Wirkungsweise, woran sich ja auch immer Argumente ihrer Legitimierbarkeit knüpfen, Kommunikationsblocken erzeugen, sondern, dass sich die Erzeugung von Kommunikationsblockaden auf die Beobachtung von Affekten bezieht, an deren Überwindung jede Kommunikation scheitern muss, wenn sie anfängt, auf ihre Umweltbedingungen Rücksicht zu nehmen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist der bei Postdramatiker gezeigte Clip einer Autowerbung: Eine Ehefrau wartet gelangweilt auf die Rückkehr ihres Ehemanns. Als er schließlich kommt, behauptet er mit sichtlich schlechtem Gewissen, eine Autopanne gehabt zu haben. Sie gibt ihm eine Ohrfeife mit der Bemerkung: „Mit deinem Mercedes?“ wodurch klar wird, dass er sie angschwindelt haben muss, weil ja – wie der Werbespot beweisen will – ein Mercedes nur selten eine Panne haben kann. Natürlich gibt Postdramatiker eine interessante Rätselfrage auf, wenn er vorschlägt, bei der Interpretation dieses Clips einmal eine Rollenvertauschung der Geschlechter in Erwägung zu ziehen, aber etwas anderes als eine intelligente Betrachtung über ein Vexierspiel, das in diesen Videoclip vorgenommen wird, könnte dabei kaum heraus kommen.
Aber vielleicht könnten gerade Betrachtungen über solche und ähnliche Vexierspiele in der Sache weiterhelfen, weil damit der Verschiebe- und Ablöseprozess von prinzipiell unlösbaren Problemen angetrieben wird. Fragen der Political Correctness wären damit gleichsam der Ersatz für den „Hurra-Optimismus“ vergangener Zeiten, als der Fortschrittsglaube erblühte und der Glaube an eine bessere Zukunft ernsthaft erwogen werden konnte. Wenn davon inzwischen auch keiner mehr etwas wissen will, so scheinen sich an der Poilitical Correctness immer noch Hoffnungen welcher Art auch immer zu knüpfen. Was wäre aber, wenn bald beobachtbar werden könnte, dass die Thematisierung von Political Correctness ebenfalls nur Verdruss erzeugen kann? Wie oft müssen unlösbare Probleme der Lächerlichkeit preisgegeben werden bis man tatsächlich darüber lachen kann?