Das Ende der transzendentalen Subjektivität 6 #systemtheorie #scholastik

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Soziologen, die sich in ihrer theoretischen Urteilsbildung auf die Schriften von Niklas Luhmann verlassen, führen immer wieder an, dass Argumente, die auf Moral verweisen, in der Kommunikation nur als Ausreden fungieren, um Probleme, die man anderweitig nicht lösen kann, auf diese Weise zu behandeln. Moral wäre in diesem Sinne immer eine polemogene Ausweichstrategie, wäre immer nur der aussichtslose Versuch, Probleme, die durch Kommunikation entstehen, durch Entmutigungsversuche aus der Welt zu schaffen, indem man anderen mangelnde Moral unterstellt, wenn man bemerkt, dass die eigenen Versuche, begründete Rede akzeptabel zu machen, scheitern.

Scholastiker erkennt man daran, dass sie einfach wiederholen können, was längst schon kommunizierbar geworden ist und dabei zweierlei übersehen: Erstens die Beobachtung, dass es unter bestimmten Beobachtungsbedingungen sehr schwierig ist, Argumente einzuführen, die prinzipell unter Referenzierung eben dieser Bedingungen leicht ausgeschlossen werden können; und zweitens die Beobachtung, dass, wenn dann dennoch etwas anderes möglich wird, es nicht mehr so schwer ist, daran anzuschließen, weil längst neue Referenzierbarkeiten geschaffen wurden, die dies erleichtern.
Genauso verhält mit dem Versuch von systemtheoretischen Scholastikern, moralische Argumente zu denunzieren. Sie übersehen, dass Strategien der Plausibilisierung von Argumenten, die von Moral absehen, unter Bedingungen durchgesetzt werden mussten, die höchste Ansprüche an Moral stellten. Dies gilt insbesondere für die Interaktion in Organisationen, in Universitäten und Tagungen. Dort wo man sich trifft gelten Regelwerke, die von keinem geschaffen wurden, die aber dennoch darüber bestimmen, was legitim ist und was nicht, was wahrscheinlich akzeptabel ist und was nicht. Organisationen kommunizieren Entscheidungen, und zwar unter der Voraussetzung, dass alle Entscheidungsfragen prinzipiell nicht eindeutig entschieden werden können. Organisationen schneiden also immer Kontingenz ab und stellen die Akzeptanz von Entscheidungen unter eine Bewährungsprobe in Hinsicht auf ein komplexes Regelwerk, das die Paradoxie einer eindeutigen Uneindeutigkeit aufweist. Mit ansteigener Instransparenz wird dann immer wieder das Problem der Legitimierung von Entscheidungsinstanzen und der Kompetenz von Perosnen dringlich, was kommunkativ nur durch Steigerung von Intransparenz umgangen werden kann. Organisationen funktionieren dann sehr gut, wenn es ihnen gelingt für ihr Scheitern Umweltkapazitäten auszunutzen, auf welche alle Gründe für das Scheitern zugerechnet werden können. Sie brauchen gleichsam Müllkippen für ihre nicht lösbaren Probleme. Im Laufe der Evolution solcher Regelwerke immer leichter, mangelnde Moral als Verdachtsfall der zivilisatorischen Zuverlässigkeit in der Interaktion zu unterstellen, weil die Regelwerke auch durch Akezptanz der Kommunkation von Moral ihre Stabilität gewinnnen.
Umso schwieriger wird es dann aber, moralische Kommunikation nicht mehr zu akzeptieren, was erstens nur bei größt möglicher Intransparenz gelingt, und zweitens, wenn auf der performativen Ebene der Verdachtsfall trotzdem vermieden wird; eine Schwierigkeit, die sich dadurch steigert, dass die Zurückweisung moralischer Argumente selbst als moralische Kommunikation anschlussfähig ist, denn auch alle moralische Kommunikation lässt eine Differenz von richtiger und falscher Moral zu, weshalb die Nichtakzeptanz von Moral als falsche Moral apostrophiert werden darf. Das heisst: nur wer seine zivilisatorische Zuverlässgkeit nicht angreifbar macht, oder entprechenden Angriffen beeindruckend standhalten kann, vermag einermaßen souverän Moral als Argument zurück zu weisen. Aber, wie gesagt: das ist sehr, sehr schwierig, insbesondere in Situationen der Interaktion, wo das Risiko der Performanz darüber entscheidet, wer so urteilen darf und wer nicht.
Gelingt dies aber dennoch, und können Argumente auch noch dokumentiert und verbreitet werden, ist es schließlich relativ leicht, moralische Kommunikation zurück zu weisen und Argumentationsalternativen zu diskutieren. Aber auch in dem Fall braucht, wer so auf bequemere Weise fortsetzen will, Organisationsverhältnisse, die den amoralischen Beobachter vor Angriffen schützen. So braucht schließlich der amoralische systemtheoretische Scholastiker stabile Organisationsstrukturen, welche elastisch auf die Paradoxien von moralischer Kommunikation reagieren und im Zweifels- und Entscheidungsfall Eindeutigkeit exekutieren können. Der akademische Scholastiker nutzt gleichsam parasitär die Möglichkeit aus, dass die Wissenschaftsbürokratie immer die Partei eines übergeordneten Mitglieds ergreift um unerwünschte Störfälle zu sein Gunsten zu bereinigen. Er ist auf intakte Verhältnisse angewiesen, die sicher stellen, wer im Falle des Scheiterns moralischer Ansprüche das Nachsehen hat.

Das ist vielleicht nicht der entscheidende, aber ein sehr wichtiger Grund dafür, weshalb Universitätsprofessoren sich nicht so gern oder nur unter strengen Vorbehalten an Interkommunikation beteiligen. Denn sie setzen sich gleichsam ungeschützt der Störkommunikation aus und können sich nicht auf Sanktionierungen verlassen, die ihre Integrität im Voraus immer schon garantieren. Darum muss Internetkommunikation, insbesondere auch von systemtheoretischen Scholstikern entweder vermieden werden, oder, wenn doch akzeptabel, nur, wenn schon sicher gestellt ist, mit wem man es zu tun hat. Dies kann nur durch Organisationen, insbesondere durch staatliche Bürokratie geleistet werden, und nicht durch Internetanarchie. Denn die Bürokratie stellt durch Dokumentüberprüfungen als Zugangsvoruassetzung immer sicher, dass wiederauffindbare und damit sanktionierbare Adressen an der Kommunikation beteiligt sind. Das geht durch Internetkommunikaiton nicht so einfach.

Fortsetzung folgt.