Das Ende der transzendentalen Subjektivität 5
von Kusanowsky
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Ein Shitstorm ist darum etwas ganz anderes als das, was von Massenmedien für Massenmedien kommuniziert wird. Massenmedien brauchen für Skandalinszenierungen Obszonitäten, die nur als menschliches Unvermögen das Scheitern an zivilisatorischen Ansprüchen und Versprechungen erklären; nur das Scheitern von Menschen, beobachtet und vermittelt durch Massenmedien, kann als Legitimation eines Menschenstolzes aufgefasst werden, weshalb es übrigens Massenmedien auch keinerlei Schwierigkeiten bereitet, Menschen durch den Dreck zu ziehen (Beipiel: Jörg Kachelmann), zumal, wenn diese Menschen auch noch selbst als Medienschaffende an der Erzeugung solcher Obszonitäten prominent beteiligt sind. Etwas ähnliches gilt auch, sofern Rechtssubjekte adressabel sind, z.B. Unternehmen oder Parteien, aber auch in solchen Fällen taucht Empörung als moralische Empörung über das Versagen von Menschen auf. Doch sind solche Empörungsroutinen nur deshalb durchführbar, weil sie für den Quantifizierungscode der Massenmedien ideal geeignet sind, um das System dauerhaft stabil zu halten: Nur Auflage, Einschaltquote, Reichweite und Werbeeinnahmen garantieren das. Es müssen darum immer wieder Skandale erzeugt werden, um auf diese Weise die Legitimation des massenmedialen Systems wachzuhalten. Die Missstände, auf welche massenmediale Empörung aufmerksam macht, können niemals beseitigt werden, solange eines ganze Industrie davon lebt. Man könnte auch sagen, die Missstände in der Gesellschaft sind für Massenmedien nicht das Problem, sondern die Lösung.
Darum erscheint es sehr fragwürdig zu sein, wenn man einen Shitstorm, wie er sich im Internet ausbreitet, als Empörungsroutine auffassen möchte. Natürlich mag auch die Katharsis, die ein Shitstorm nach sich ziehen könnte, als Reinigungsritual der Affirmation dienen, indem durch Empörungsbekundungen solche Missstände mit Erlaubnis versehen werden, die sich ohnehin schon bemerkbar gemacht haben. Auch Shitstorms schaffen die Missstände nicht aus der Welt, sondern legitimieren sie paradox: die Legitimation geschieht durch Leugnung dessen, was ohnehin niemand aufhalten kann. So zeigt sich, dass die Empörungsroutine eines Shitstorms eigentlich nur sich selbst legitimiert, und – anders als bei konventionellen Massenmedien – auch gar nichts anderes leisten kann und will. Massenmedien reprodzieren sich selbst stets über Fremdreferenz. Die Eigenkonstruktionen des Systems werden ausschließlich fremdreferenziert, was sich bei Journalisten in der durchaus dümmlich zu nennenden Maxime ausdrückt, nur über das zu berichten, was sich wirklich ereignet hat, worüber man aber nur etwas wissen kann, wenn man der Berichterstattung folgt. Ein massenmedialer Journalismus lässt sich nicht über die Eigenkonstruktivität seiner Wirklichkeit informieren, auch dann nicht, wenn der größte Teil aller Berichterstattung nichts anderes ist, als Berichterstattung über Berichterstattung. Das Selbstbeschreibungsprogramm der Massenmedien bleibt ganz rigide der Dokumentform verhaftet: auch die Thematisierung von Selbstreferenzialität wird ausschließlich fremdreferenziell vorgenommen. Die Beobachtung ihrer selbstreferenziellen Operationsweise wird von ihnen selbst vollständig blockiert, und muss notwendig vollständig blockiert werden, weil andernfalls ihre Glaubwürdigkeit, Vertrauenwürdigkeit und Verlässlichkeit zerbräche.
Für die Internetkommunikation lässt sich dieses „Selbstreferenzverbot“ nicht mehr durchhalten. Eher ist es umgekehrt: die Internetkommunikation kann und braucht die Beobachtung ihrer selbstrefernziellen Operativität gar nicht zu verschleiern, erst die Beobachtung ihrer Selbstreferenzialität macht sie eigentlich attraktiv. Für Shitstorms dürfte dann gelten, dass sie nicht das sind, wofür man sie halten möchte.
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Zwei grundsätzliche, gleichsam generische Fragen:
„Ein Shitstorm ist daraum etwas ganz anderes als das, was von Massenmedien für Massenmedien kommuniziert wird.“
Ist nicht ALLES (x, y, aber eventuell sogar auch z) etwas ganz (oder wenigstens: relativ) anderes als das, was von den Massenmedien für Massenmedien produziert wird?
Wenn nein: welche Beispiel fiele einem ein?
„Für Shitstorms dürfte dann gelten, dass sie nicht das sind, wofür man sie halten möchte.“
Gilt nicht für ALLES (für x,y und eventuell sogar auch z), dass es nicht das ist, wofür man es halten möchte? Wenn nein: welches Beispiel fiele einem ein?
Was macht also die Spezifik von Shitstorms aus, wenn für sie gilt, was für alles andere (x,y und eventuell sogar auch z) ebenso gilt?
Sie werden nun einwenden, dass diese meine Einwände so überflüssig sind, dass man sie sich hätte getrost ersparen können. Den Vorwurf akzeptiere und retourniere ich.
Während mit Foucault im Anschluss an den Strukturalismus deutlich wurde, dass alle Komplexität der Wirklichkeit auf binäre Oppositionen in Diskursen reduzierbar ist, so lässt sich diese Komplexität der Wirklichkeit weit besser in Systemform beschreiben. Organisiert werden soziale Systeme durch das Kriterium des Sinns. Diese Organisation ist jedoch keine statische; die Elemente des einen Systems lassen sich ebenso mit anderen Elementen zu einem neuen oder auch zeitgleichen System verknüpfen. Die Wahl des ‚fokalen‘ Systems ist allein vom Standpunkt des Beobachter abhängig; in diesem Sinne könnte man sehr wohl sagen, dass die Systemtheorie genauso konstruktivistisch wie postmodern ist, aber damit wäre nur eine Etikettierung vorgenommen, die wenig besagt. Entscheidend ist wohl, dass die moderne Gesellschaft durch eine fortschreitende funktionale Differenzierung von Teilsystemen innerhalb des Gesamtsystems Gesellschaft geprägt ist. Das verweist auf eine Anomieproblematik, die sich systemtheoretisch reformulieren lässt als Ausbildung eigener Sinnbegriffe in verschiedenen Teilsystemen. Durch die Emergenz, die Teil-Systeme im Laufe ihrer Evolution gewinnen, werden diese zunehmend selbständiger. Damit das Gesamtsystem Gesellschaft seine, wenn auch begrenzte Steuerungsfähigkeit behält, ist es notwendig, dass die einzelnen Teilsysteme ihre Beziehungen zu anderen Umweltteilsystemen und zum Gesamtsystem reflektieren und so ihre Kontingenz einschränken. An die Seite der prosperierenden Autoreferentialität, die allein zu Anomie, atomisierender Ausdifferenzierung etc. führen würde, treten folglich gegenläufige Tendenzen wie Entdifferenzierung, Generalisierung etc. Ein Modernisierungsprozess, und um einen solchen handelt sich sich wohl, wenn man von der Verbreitung der Internetkommunikation redet, lässt sich entsprechend definieren als fortwährender Konflikt zwischen systemischer Autoreferenzialität einerseits und Heteroreferenzialität andererseits in funktional differenzierten Gesellschaften. Und man kann annehmen, dass dieses Verhältnis ab einem bestimmten Zeitpunkt die Kapazitäten funktionaler Differenzierung übersteigt.
Alle Tüchtigkeit des entlarvten Betrügers sollte nun in Bemühungen investiert werden,
die Methodik des Lug und Trug zu verfeinern.
Bisher nämlich sind bloß jene, die sich leicht manipulieren lassen, die nach einer geistigen Leitfigur lechzen, die ihnen Sinn stiftet, der höher ist, als dass sie ihn verstehen könnten, Ihre Anhänger, lieber Kusanowsky. Solche, die dem kantschen Imperativ des sapere aude nicht mehr oder noch nicht genügen.
Ihr Fernziel sollte jedoch sein, auch die für sich zu gewinne, die autonom, charakterstark und schwer hinters Licht zu führen sind mit billigen Taschenspielertricks.
Wird das gelingen?
Mein Lieber Freund und Kupferstecher: wenn du nächste Mal etwas entdeckst, das gar nicht verborgen ist, bekommst du zusätzlich ein Gummibärchen, das ist irgendwo auf dem Mars vergraben ist; und das kannst du dir dort abholen. Aber nur wenn du wirklich tüchtig bist und alles richtig machst.
Bis dahin empfehle ich hier weiter zu machen:
Das Internet erzeugt die Beobachtung von Internettrollerei, ein Ausdruck, den ich nur aus Verlegenheit benutze, weil mir kein anderer einfällt. Ein anderer Ausdruck könnte sein: diabolische Falle. Und vielleicht gibt es dafür ein noch besseres Wort dafür ein. Egal.
Beim Nachdenken darüber wie diese Falle zustande kommt und was man tun könnte, um ihr zu entgehen, wenn eben dies, also die Vermeidung dieser diabolischen Falle und ihr Zustandekommen, wie alles andere auch, sehr unwahrscheinlich ist, komme ich darauf, dass es nicht anders geht, als sich an der Internetkommunikation zu beteiligen. Das Argument, die beste Vermeidungsstrategie wäre die Enthaltung, ist nicht überzeugend, weil wir immer schon in Kommunikation verwickelt sind. Probleme, die durch Kommunikation entstehen, kann kein Mensch vermeiden. Man könnte das Leben vermeiden, ein Argument, das erst Recht nicht überzeugt, weil wir ja auch immer schon in Leiblichkeit verwickelt sind. Man kann beides nicht einfach lassen, nicht, wenn der Leib wie die Hölle schmerzt und auch nicht, wenn der Sinn der Kommunikation an grenzenloser Idiotie grenzt. Es geht immer weiter, solange es nur geht.
Ausführlicher hier: https://differentia.wordpress.com/2011/11/28/die-diabolische-falle-und-der-transzendentale-vermeidungsirrtum-1/
Ein wichtiges Charakteristikum der Dokumentform besteht darin, dass sie einem daran geübten Beobachter immer wieder nach Kontinuität und Serie suchen lässt, die beim Wiederauffinden eine Einheit unterstellbar macht, die als ein „Nicht-Gesagtes-aber-Gemeintes“ hinter den Beobachtungen als vermutet steht und auf die angebliche Entdeckung durch den Beobachter wartet, der dieser Unterstellung durch seine eigene Beobachtung unterliegt. Seine Selbstermächtigung wurzelt im Verdacht auf etwas Verborgenes, das er als sinnhafte Komplexität um die Welt schlingen kann, um dieses Kontinuum als Einheit hervorzubringen, wo ohne dies nur Differenz zu finden wäre. Die Beobachtungen selbst aber geben ein solches Kontinuum gar nicht her. Sie unterliegen vielmehr der Diskontinuität, wobei sich diskontinuierliche Operationen zwar überschneiden und berühren können, sich aber ebenso gut ignorieren oder ausschließen können. Es ist dann jeweils die imaginative Kraft des Beobachters selbst, die sie auf Kontinuität verdichtet oder verschiebt, um für sich ein Ganzes zu retten wo gar keines ist. Man könnte dies als einen Rationalitätsabbruch bezeichnen, der keinen übergreifenden Sinn mehr zulässt. Darin schimmert aber offensichtlich eine Abwehr gegen das Kontingente auf, das problematisch zu werden beginnt. Dabei ist die Warnung vor einer rationalen Beliebigkeit jedoch eine Beobachterfiktion, die sich nur dann verifiziert, wenn diskontinuierliche Analysen trivial werden.
Eine pragmatische Beobachtungstheorie wird sich aber in Sachen Übererwartungen zurück nehmen. Gleichwohl wird diese Hemmung schwierig bleiben, wenn konkrete Ereignisse beobachtet und durch die Beobachtung selbst interpretiert werden. Der Beobachter verdichtet immer wieder Einzelheiten zu einem Muster, um klarer die Wiederholungen zu sehen, die die Zirkularität seines Beobachtens mit dem Beobachteten selbst ausmachen. Insoweit ist ein Sinn von Diskontinuität nur dort zugegen, wo die Kontinuität erscheint und in ihrem Erscheinen hinterfragt werden kann. Diese Kontinuität ist der affirmative Schein eines eingerichteten Alltags von Interpretationsformen, die erst manifest kondensiern müssen, um dekonstruiert werden zu können. Der noch so mächtige Beobachter kann sich in solcher Dekonstruktion als ohnmächtig erblicken lernen, was, wie man bemerken kann, hier zweifelsfrei geschieht. Er fleht geradezu darum, dass auch noch die Befreiung aus seiner selbst gemachten Enge fremdreferenziell geleistet werden sollte. Er kann eigentlich schon gar nicht mehr weiter machen, aber er macht weiter, solange er sich mächtig genug fühlt, gegen Ereignisse etwas zu unternehmen, die er durch seine Beobachtung schon erzeugt und zugelassen hat. Und so geht das weiter. Und deshalb: I will feed you!
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Solche Ansichten sind interessant, obwohl ich glaube, dass es manche gibt, die das ärgerlich finden, weil man denken kann, dass der arrogante Jargon des Verfassers, in dem die Ausführungen gehalten sind, wohl mehr das eigene Bedürfnis nach prachlicher Großmannssucht befriedigen sollen als dass sie beabsichtigen, dem Leser in unprätentöser Weise zu sagen, was er meint. Das stimmt natürlich alles nicht. Darum: nur Mut und weiter so.
Ich lehne solche Beifallsbekundungen ab. Sie tun, genau wie Beschimpfungen und Schmähungen, nichts zur Sache. Diesmal soll es noch gut sein. Der nächste dämliche Anschleimversuch wird nicht freigeschaltet. So geht es nicht weiter.