Troubadix – knebeln, fesseln, wegsperren #twittersperre
von Kusanowsky
„Die ziemlich kafkaeske Geschichte der Löschung meines Twitteraccounts. Seit nun beinahe vier Wochen ist mein seit zehn Jahren täglich aktiver Twitteraccount @noemata mit fast 4000 Followern gesperrt. Die Sperrung kam plötzlich, ohne Vorwarnung, ohne Angabe von Gründen und ohne dass ich die Möglichkeit habe, ihr vernünftig zu widersprechen, aber dafür mit wechselnden Verweisen auf nicht näher erläuterte, abstrakte Regelverstöße, wenn ich mich durch den zugehörigen Formular-Dschungel hangle und um Klärung bitte.“ gefunden bei https://medium.com/@noemata
Diese Geschichte entspricht genau dem, was ich erlebt habe. Diese Algorithmen wissen nicht, wie man mit Troubadix umgeht. Wir bleiben vorerst von der Fiktion besessen, dass mit irgendwelchen Regeln allen Gerechtigkeit widerfahren wird, wenn man sich nur an die Regeln hält. Aber diese Regeln sind nicht widerspruchsfrei und sehr unscharf, weshalb Einhaltung nicht so leicht erkannt werden kann. Und Troubadix speziell verstößt eigentlich gegen gar keine Regeln, sondern überfordert nur die Wahrnehmung der anderen Gallier. Troubadix betreibt Überforderung. Aus diesem Grunde kann man ihn zurecht einen Künstler nennen und keinen Verbrecher. Deshalb wird er geknebelt, gefesselt und weggesperrt: nicht um ihn zu bestrafen. Es ist eine Notwehrmaßnahme, die vorgegenommen werden muss, weil die Dorfgemeinschaft keine Voraussetzungen nutzen kann, um sich mit dieser Kunst zu beschäftigen. Sie hat keine sozialen Ressourcen für Reflexion. Dafür können die Gallier nichts.
So oder ähnlich würde ich meine Twitter-Sperre bewerten. Ich wurde nicht bestraft oder moralisch geächtet, sondern es handelt sich um einen Unfall, eine Kollison, die entsteht, weil ich so eine Überforderung betrieben habe. Für @noemata gilt wohl das gleiche.
Hat dies auf Der Blog fuhriello macht das Fuhrwerk bekannt rebloggt.
Sorry, lieber Klaus Kusanowsky, das war für mich kein Unfall, sondern ein Beispiel organisierter Unverantwortlichkeit. Twitter sperrt willkürlich, weil Twitter das kann. Bei einem Account hat gereicht, dass dort wo das Geburtsdatum eingetragen wird, jemand das Gründungsjahr des startup des Besitzers des accounts auf Twitter bei einer Änderung eingetippt hat.Ehrlich wird dort sofort bestraft. Ergebnis: Sperre, wegen Altersbeschränkung. einwände, Kommunikation, sinnlos. Tja. Wie bei Asterix und Obelix. Aber gar nicht lustig. Weil die Römer unter Führung von Jack Dorsey (Caesar Twitter CEO) am Ende gewinnen. Hier enden die Vergleichsmoeglichkeiten, wenn Troubadix beim Bankett nach dem Sieg über die Römer, auch nicht singen darf. Einer der reichweitenstärksten Soziologie Accounts, der von Klaus Kusanowsky wird einfach von allen im digitalen Dorf Twitter abgetrennt. Und die Sperre wird nicht mehr aufgehoben. Ohne Angabe von Gründen. Über die Gründe kann man aber spekulieren, weil es Blockierungen durch andere Twitter ( Denunziation, Hater, Deppen, und Rechte) als folge möglicher Gegen blockierungen gab.Nevermind. widerstand, Irritation, Feindschaft oder massive Gegenreaktion, verbote, Ignoranz, üble Nachrede, all das gabs vorher, und das gibts immer, wenn Soziologie echt öffentlich wird. Ungeschuetzt. nicht hinter einem Buchdeckel, oder einem akademischen Titel. Oder als Journalist, als Reporter. Sondern dann, wenn jemand seinen Intellekt und das Ergebnis seiner wissenschaftlichen und persönlichen Entwicklung zu Markte trägt. Auf die sozialen Plattformen. Mit großer Resonanz. Online wie Offline, ist Klaus Kusanowsky ein Soziologe. Aber Amnesty International schweigt. Der Regierungssprecher auch. Die Kanzlerin sowieso. Andere Intellektuelle? Ach je. Proteste von beruflichen Standesorganisationen bleiben immer noch aus. Kein Autocorso. Nix.Rien. Weil die vielen Menschen, Studierende, doktoren, Professoren, und Dekane – der Diskurs dort, es noch immer nicht begriffen hat, was Max Weber seit 19 tobak als Aufgabe der Soziologie bei der Gründung der DGS in Frankfurt angekündigt hat. auch er hat es nicht eingelöst. Die Rolle der Medien, damals der Zeitungen( sic) ist politisch,die Forschung dazu muss aber, weil wir alle Teil dieses Medienexperimentes sind von Soziologen geleistet werden. Auch auf Twitter. Methode? Aktionsforschung.Teilnehmende Beobachtung. Genau das hat Klaus Kusanowsky auf Twitter gemacht, retweetet, getwittert, einen diskurs ausgelöst, kommentiert. Darum ist er auch auf Facebook. Es kann, dies ist die schlechte Nachricht, jeden Soziologen – jede Soziologin, die werden bei Twitter nicht nur mitgemeint, sondern auch von einem untergründigen technischen Mechanismus überwacht. Es kann alle treffen. Also, kommt herunter vom Balkon der Bräsigkeit und der Ignoranz , dem Ekel vor dem Leichten (Bourdieu) und dem Midcult (howard Becker) steht auf aus eurem akademischen Hain, denkt nach, und tut was. für was sonst gibt es eure Organisation? Und es reicht nicht eine Masterarbeit oder eine Doktorarbeit über die bösen Social media im allgemeinen und die Twittersperre im sinne von Foucauld zu beschreiben.Mit Verweis auf Habermas was klugscheißen. Sondern jetzt brauchts : Solidarität. Spendenaufruf. Briefe an das auswärtige Amt. Das amerikanische Konsulat. Hier wird eine alteuropäische Stimme von amerikanischen Programmierern und einem Konzern gesperrt. Die Arbeit ist verloren, das Panel zerstört, die Followerzahl auf 0 gestellt. Der Mensch diskriminiert. als Gesperrter. Stigmatisiert. Das geht gar nicht. Hier wird Forschung, das Abenteuer der Wissenschafts- Kommunikation, ( Harald Wenzel lesen!!!) verhindert. Lebt mal euren Ethikkodex. Ich bin ja nur im Ehrenamt für die von klaus Kusanowsky praktizierte Praxissoziologie, die ich seit 2009 auf Twitter verfolge und sehr schätze, engagiert. Aber eine Twittersperre, wie sie ihm zugestoßen ist, die würde meine berufliche Zukunft, genau wie seine Reputation, seine Reichweite, massiv in Frage stellen. Also nix wie ran. Soziolog:innen – auch wenn ihr noch nicht im BDS Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen e. V. Soziologiemagazin DGS – Deutsche Gesellschaft für Soziologie organisiert seid.
Immer dann, wenn eine Soziologie mit ihrer Wissenschaft am Ende ist, ist sie empört, ruft Skandal, weiß genau was Sache ist, ist dagegen, stellt Forderungen und betreibt Derailing.
social media, inbesondere Twitter, verhindert nicht sehr viel, sondern ermöglicht etwas, nämlich: KZU – eine Kommunikation, die dafür sorgt, dass zunächst keine Gründe, Zwecke, Nützlichkeiten oder Absichten erkennbar sind und die Menschen trotzdem verwickelt, ohne, dass Anonymität eingeschränkt oder aufgehoben wird. Und für social media gilt das selbe, was immer gilt: alles geht nicht, was nicht heißt, dass das so bleiben muss.
Wenn die Gallier keine Möglichkeiten finden, einen Sinn für Kunst zu entwickeln, nun, dann müssen sie blöde bleiben. Und wenn Troubadix nichts anderes tut, als sich über das Kunstbanausentum seiner Nachbarn zu beschweren, dann führt das eben nur dazu, dass er beim nächsten Mal wieder gefesselt wird.
Kunst und Forschung sind aber ein hartes Brot. Man nicht so einfach erwarten, großzügig bedient zu werden, wenn man auf sich selber zeigen möchte.
Lieber Klaus, sicher social media ermöglicht sehr viel und bleibt ein faszinierendes Spielfeld und ich plädiere auch nicht dafür, die ganze vielfältige Welt der social media jetzt nur noch aus der Perspektive von @kusanowsky oder @noemata zu betrachten. Trotzdem – finde ich – hat Alfred Fuhr mit der Wertschätzung deiner Arbeit und zwar unabhängig davon, was Du darüber denkst, Recht. In dem Moment, in dem Du publizierst, geht es auch nicht mehr nur um dich, sondern um einen Organisationszusammenhang namens @kusanowsky in der Organisation Twitter. Es ist ein echtes Problem, wenn einer der originellsten zeitgenössischen Kommunikationszusammenhänge unter der Adresse @kusanowsky einfach ausgeschaltet werden kann und dieser Zusammenhang war und ist auch für mich hartes Brot und Lebensmittel. Ich nehme zur Kenntnis, dass das geht, ich nehme auch zur Kenntnis, dass Du zusammenzuckst (#ehrenamtliche Sittenpolizei) und dann einfach umschaltest und sagst, neu gruppieren, weitermachen. Es ist aber anders als bei Esperanto nicht so, dass hier einfach nur persuasive Kommunikation, scheitern würde, sondern eher so, dass – wie Peter Mönnikes @pemoe sehr schön geschrieben hat – „zum Recht, ein Taxi betreiben zu dürfen, auch die Pflicht gehört, Personen zu befördern.“
Mir scheint also die These der Sperrung von Klaus oder von Sebastian Baumer (@noemata) als bloße Kollision, Unfall oder Überforderung zwar teilweise richtig, aber andererseits auch gegenüber der organisationellen, rechtlichen und politischen Struktur zu fatalistisch und insofern nicht weiterführend. Es gibt benennbare Gesetzesänderungen, die das, was @noemata und @kusanowsky widerfahren ist, sehr viel wahrscheinlicher gemacht haben. Ich meine z.B. das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, also einer der vielen Kollateralschäden von Heiko Maas und der großen Koalition. Und ich finde, diese Sachen müssen auch immer und immer wieder benannt werden. Ausgang dieses 2017 verabschiedeten Gesetzes war, dass „bei YouTube 90 Prozent der strafbaren Inhalte gelöscht [wurden], bei Facebook jedoch nur 39 Prozent und bei Twitter nur ein Prozent.“ Bei Wikipedia wird die ganze Problematik (https://de.wikipedia.org/wiki/Netzwerkdurchsetzungsgesetz) sehr genau beschrieben. Heiko Maas ist die heutige Version der Gustav Noske-SPD und ich werde gegenüber diesen ordnungsstaatlichen Traditionslinien immer unversöhnlicher.
Und ich glaube mit Luhmann, dass „dies erfordert, einerseits die Gesellschaftsperspektive, zweitens die Organisationsperspektive und drittens vielleicht die individuelle Lebensperspektive schon deswegen zu unterscheiden, um sehen zu können, wie diese Perspektiven ineinander übergehen oder wovon wechselseitige Bedingungen abhängen. […]. Aber man sieht schon die Detailliertheit und die Beschränkungen, die aus einer Zeitplanung in Organisationen resultieren, wobei Organisationen der einzige Mechanismus sind, mit dem zum Beispiel grundlegende Veränderungen der Technik oder tief greifende Reaktionen auf ökologische Probleme durchgesetzt werden können. Es nützt ja nicht, einen ethischen Kanon zu formulieren, der dann bestenfalls in die Hausbriefkästen verteilt wird. Man muss sich immer eine Organisation vorstellen, die das in ihre Zeitplanung umsetzt, und da ergeben sich auch unabhängig von der Frage der Wichtigkeit eines bestimmten Anliegens so viele Beschränkungen, dass es von außen schwer übersehbar ist, was eigentlich technisch, ökonomisch, organisatorisch machbar ist.“ (Luhmann, Niklas, 2004 (2. Auflage): Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg Carl-Auer-System Verlag, S. 216/17)
Konkret scheint mir eine Möglichkeit des rechtlichen und politischen Handelns darin zu liegen, dass Klaus und Sebastian acht weitere Betroffene finden (das sollte nicht so schwer sein) und eine Musterfeststellungsklage über einen eingetragenen Verbraucherschutzverband einreichen, wobei kein Prozesskostenrisiko gegeben ist und deren Sinn darin liegt, die Rechte von einzelnen Verbrauchern gegenüber großen Konzernen zu stärken. (https://de.wikipedia.org/wiki/Musterfeststellungsklage)
Im übrigen stimme ich zu und schätze deine Nüchternheit und Unsentimentalität, aber in diesem Falle finde ich solltest du oder auch andere, denn Du bist hier nur ein Anderer, bedient und befördert werden.
Lieber Arpe, tatsächlich gebe ich dir Recht, wenn du darauf hinweist, dass dieses unselige Netzwerkdurchsetzungsgesetz eine wichtige Bedingung dafür ist, dass solche Accounts, wie ich einen führe, damit unter die Räder kommen, was übrigens schon vor der Einsetzung dieses Gesetzes als Nebeneffekt vorhersehbar war. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Es wiederholt sich damit aber nur ein Muster, das wir schon kennen: Organisation first – Organisationen müssen, um ihre Durchsetzungsfähigkeit zu rechtfertigen, Beweise für ihren Erfolg vorweisen: Die SPD muss, wenn es heißt, gegen den Hass im Netz müsse man etwas tun, etwas dagegen tun, was für jede andere Partei ebenfalls gilt. Da nun etwas getan werden muss, macht man eben irgendwas. Auch Twitter muss, wenn festgestellt wird, dass es so etwas toleriert, irgedwann etwas dagegen tun, also wird etwas getan. Die einen tun etwas dagegen, in dem sie counterspeech betreiben, die nächsten tun etwas dagegen, indem sie einen Staatsanwalt einschalten, andere, in dem sie die SPD anrufen, wieder andere tun etwas dagegen, in dem sie ihre Algorithmen programmieren, und noch mal anderen sitzen bei einem Rechtsanwalt vor der Bürotür. Nun stellt man schließlich fest, dass etwas dagegen unternommen wird, aber das Ergebnis ist nicht etwa zu allseitiger Zufriedenheit, nein, sondern: es zeigen Kollateralschäden. Und nun? Ist doch nicht so schwer, denkt sich Kleinarpe und schlägt vor, etwas dagegen zu unternehmen.
Egal wo und wer und warum etwas dagegen unternommen wird, immer wird Organisationsmacht gestärkt, die der Parteien, Unternehmen, Konzerne, Gerichte, Rechtsanwaltskanzleien oder Verbrauchschutzvereine und Universitäten, wenn dort angefangen wird, diesen Zirkus zu erforschen – Organisation first. Aus dieser Quelle beziehen die Organisationen ihre Monströsität. Das Ergebnis ist das Dickicht eben dieser Gesellschaft, mit der wir es zu tun haben. Die Anweisung, die mir schon fast wie eine Laborrattenanweisung vorkommt, lautet: Tue etwas dagegen, denn die Gesellschaft hilft dir jederzeit und überall dabei, dies zu tun. Dir wie allen anderen auch. Man müsste den anderen mal in den Hintern treten. Aber die halten nicht etwa still, sondern werden etwas dagegen unternehmen. Genau.
Und jetzt?
Jetzt kommt Klaus und sagt (und darüber schreibe ich schon seit 10 Jahren): Immer dann, wenn es heißt, es müsse etwas dagegen unternommen werden, heißt das nur, dass mal wieder die Weigerung zu lernen anschlussfähig gemacht wird, was mich besonders im Fall derjenigen deprimiert, von denen ich erwarten möchte, dass es ihr Job wäre dies zu tun. Immer und immer wieder rennen sie mit dem Kopf gegen die Wand. Dann stellen sie fest, dass es mit Sturzhelm besser geht. Dann aber steigen die Preise für die Sturzhelme und die Empörung darüber ist groß. Dass man damit aber auch aufhören könnte, ist dann nur ein kleinlauter Hinweis derjenigen, die nicht mehr weiter wissen, aber nicht mehr glauben können, man könne so einfach etwas gegen dieses Nichtwissen tun. Mich aber würde eben dies zur Forschung und nicht zum rechthaberischen Aktivismus motivieren. Aber gewiss, wer bin ich schon, dass irgendwer ernst nimmt, was ich meine?
Du hast übrigens auch Recht damit, dass die Sperrung meines Accounts nicht bloß meine Sache ist. Das stimmt völlig, was man an der beobachtbaren „Verwundung“, die diese Sperrung bei twitter hergestellt hat, zutreffend ablesen kann. Das aber heißt nur: nicht ich bin mit dieser Sperrung gemeint, sondern ein ganzer sozialer Mitwirkungs- und Verständigungszusammenhang, der nicht nur lesen, sondern auch schreiben will und kann. Denn tatsächlich könnte im weiteren Verlauf auch dein Account mit dem selben Verfahren gesperrt werden. Daraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass man schon wisse, womit man es zu tun hat. Auf die Idee kann man nur kommen, wenn man schon weiß, was man weiß. Das heißt: Wenn man die Blindheit, die durch Gegenlicht entsteht, für die Fehler der anderen hält. Tatsächlich aber fangen wir an zu lernen, mit Algorithmenselektionen zurecht zu kommen, was uns nur deshalb zur Empörung bringt, weil dieses spezielle Wissen gleichsam eine Art von Geheimwissen jener Spezialisten ist, in deren Hände wir uns begeben. Tatsächlich tun wir das. Wir begeben uns, in dem wir uns aller Mittel entledigen, die wir bräuchten, um Herr in eigener Sache zu bleiben, in die Hand dieser Spezialisten und stellen fest, dass diese Spezialisten gar nicht der liebe, gute Weihnachtsmann sind, für den sie sich selber halten mögen. Und dagegen wollen wir etwas machen? Gern. Lass uns selbst ein Plattform gründen. Und wenn du jetzt schon weißt, wie das geht, dann hast du nicht verstanden, was ich meine.
So sieht also dieses gerade jetzt aus: „Wer Gewalt säht, wird Gewalt ernten.“, wer dem dicken Hals folgt, bekommt Angina, wer dagegen hält, kommt nicht weiter. Es braucht mehr, als Deeskalation; Ver-suche, immer am Ball FÜR ein unbekanntes A-Real und das Offenhalten des schmalen Durchlasses, dem Lernen. Korruption zu vermeiden, ist eben noch sinnvoller, wenn jenes Anbohren des Bestandes (zu dem, wie man Auswege dort findet, wo diese definitiv nicht möglich sind, könnt ich manch erzählen) dessen Beweglichkeit nachweist/erzeugt. Was also? Beharrlich — lernen, tentakeln, ins Leere basteln, Unheimeligkeit pflegen, oder wie man sonst voran metaphorisieren kann.
In Platons Höhle, den Schattenspielen utopischer Ideen praktisch folgend, hatten die c mit den unwahrscheinlichsten Werkzeugen, notfalls Fingernägeln die Projektionsflächen bearbeitend, jene reiche Welt in den Berg geschabt, von der sie zuvor nichts wußten.
Einen Prozess zu führen, kann in diesem Sinne schon auch ein Werkzeug sein, sofern er sich nicht im Widerstand den Bestand stützend, erschöpft. Eine Lockerungsübung.
„c“, Artefakt der Autokorrektur, ersetzte „Troglodyten. Aber „c“ für Zeit!? – auch nicht schlecht. 🙂
Lieber Klaus, vielen Dank für deine ausführliche Antwort, die sehr genau das Problem bezeichnet, das mir zu schaffen macht, nämlich das der Steigerung jener teilweise monströsen Organisationsmächte durch alle Versuche ihrer Reform, Bekämpfung oder auch der Organisation von Gegenmächten. Kurz: die Organisation gewinnt immer, bzw. wie Lacan den protestierenden Studenten 1968 sagte: Ihr wollt nur einen neuen Herren. Aber warum auch nicht und warum der Organisation, warum dem neuen Herren nicht beim Gewinnen helfen? Unsere unvermeidliche Teilnahme an Gesellschaft bedeutet auch unvermeidlich Teilnahme an Organisation und Interaktion und natürlich stärken wir dadurch Organisationsmacht, aber welche, es muss auch gegenüber Organisationen und Herren unterschieden werden. Gott – umso mehr nach seinem bedauerlichen Ableben – bedarf unserer Hilfe und solange es Bettler gibt, gibt es auch wenigsten immer noch einen Schatten Gottes, dem wir verpflichtet sind.
Die Radikalität, mit der Du vertrittst, dass es die entscheidende Lernverweigerung sei, sich in die Organisationsmächte dieser Welt zu verwickeln, sich einzulassen und zu versuchen gestaltend etwas verändern, scheint mir fast eine Art von Glauben, fast ein gnostischer Dualismus. So ist der Mensch in den gnostischen Texten – ähnlich wie im systemtheoretischen Denken – in jeder Hinsicht bedürftig, aus sich heraus nichts und ganz und gar empfangend. Ebenso gibt es die ständige Aufforderung zur Suche – du würdest sagen zum Lernen. Es scheint, als wolltest Du die Welt gewissermaßen durch Enthaltung aushungern, so wie die Marcion, der „nicht ein Individuum ist, das Ideen hat, sondern das eine Kirche schafft, und zwar eine Kirche aus Asketen. Das Grundgebot, die Grundkondition dieser Kirche ist, keine Eheschließung, und wenn Eheschließung, kein ehelicher Verkehr. Also müssen alle Mitglieder immer neu rekrutiert werden. Eine Kirche der radikalen Mission, die sich nicht als Volkskirche auf den Polster legen kann, sondern immer wieder neu rekrutieren muß. Die marcionitische Kirche reicht von Nordafrika in Mischungen mit dem Manichäischen bis hinein nach China. Der Gedanke zu Ende gedacht heißt ja: die Welt auszuhungern, indem ihr der Samen entzogen wird. Also, es ist eine das Weltende praktizierende oder exekutierende Kirche.“ (Jacob Taubes, Die politische Theologie des Paulus, München 1993, S. 81/82)
Und es gibt ein Leiden an der Monstrosität der geschaffenen Welt, woraus die Schlussfolgerung gezogen wird, dass der Schöpfergott – also der Gott des Alten Testaments, der Gott der geschaffenen Welt, der Organisationen – nicht der wahre Vater von Jesus Christus sein könne. Der wahre Vater müsste ein machtloser fremder schwacher Gott sein, der nicht der Stifter des Gesetzes sein kann, das uns an diese Welt bindet und immer tiefer in ihr organisationelles Gefüge hineinzieht.
Es ist eine alte Tradition und Versuchung, die Erlösung davon abhängig zu machen, sich von der Schöpfung zu trennen, das alte Testament des Gesetzes, des rachsüchtigen Gottes abzuschneiden und den Sprung in die Erlösung (und sei es die des Lernens) durch Weltvernichtung zu suchen. Ich bleibe weltgebunden und rachsüchtig, aber hoffentlich so, dass ich dem betrunkenen Samurai das Schwert aus der Hand nehmen kann und es eine kleine Weile selber führe … amor fati. Und wenn es überhaupt Erlösung und Lernen gibt, dann führt sie durch den Abgrund der Tat- und Herzenssachen, also durch den Untergang. „Wenn eine Pfeilrichtung das Ziel, in welchem die Dynamis des Profanen wirkt, bezeichnet, eine andere die Richtung der messianischen Intensität, so strebt freilich das Glückssuchen der freien Menschheit von jener messianischen Richtung fort, aber wie eine Kraft auf ihrem Weg eine andere auf entgegengesetztem Wege zu befördern vermag, so auch die profane Ordnung des Profanen das Kommen des messianischen Reiches. Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reichs, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leiesten Nahen. Denn im Glück erstrebt alles Irdische seinen Untergang, nur im Glück aber ist ihm der Untergang zu finden bestimmt. -“ (Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragment)
Schoen, dass wie beim Edge Computing, nun die Daten zur Anwendung kommen, statt umgekehrt, und dank der Twittersperren und anderen Reinigunsphantasien sich die spannenden Diskurse in den Blogs wie hier abspielen. In den neuen Salons, und den Abteilen und nicht mehr nur den Großraumwagen des Zuges der Zeit. Hier kann man Entdeckungen machen, im Abenteuer der Kommunikation. Sich von kurzen Salven Sätzen, Gifs und der Posts Welt, der GAAF Inkontinenenz, vom Sprechdurchfall der Zeitgenossen und ihrer Eigen PR erholen. Sehr gute Kommentare zum Habitus hier.Faszinierend. Hier schmecken auch die Römer besser.
„Unsere unvermeidliche Teilnahme an Gesellschaft bedeutet auch unvermeidlich Teilnahme an Organisation und Interaktion und natürlich stärken wir dadurch Organisationsmacht, aber welche, es muss auch gegenüber Organisationen und Herren unterschieden werden“
Das stimmt völlig. Du kannst keinen Eimer Wasser umtreten, es sei denn, du hast einen Eimer und Wasser. Dann geht’s. Aber woher nehmen? Wir verstehen: Nur Organisation leistet, was Menschen nicht können, nämlich: die Teilnahme an – ich rede lieber von: Verwicklung in Gesellschaft zu garantieren. Kein Mensch kann das. Du kannst weder garantieren, dass du weiter leben kannst noch, dass du sterben kannst ohne, dass dir jemand hilft.
Warum ist Sterbehilfe ein so ernstes und in ethischer Hinsicht nicht lösbares Problem geworden? Weil man gegen die soziale Verfahrensweise der Verwicklung in Gesellschaft kein bißchen skeptisch ist und keine skrupel hat. Helfen ist eine gute Sache, heißt es; und Helfer findet man sehr schnell und sehr viele, wenn, ja, wenn Vergesellschaftung garantiert wird. Das führt dazu, dass der hilfsbedürftige Mensch bald überall von Helfern, wozu auch Automaten und Maschinen gehören, umstellt ist. Alle wollen helfen und können dies auch. Alles funktioniert tadellos das Leben zu erhalten. Irgendwann ist aber nun eine Grenze erreicht, an der die Hilfe zum Weiterleben selbst zur Qual wird. Was bräuchte man also? Hilfe beim Sterben! Oha!
An dieser Grenzstelle geht die rote Lampe an. Jetzt werden ethische Vorbehalte diskutiert. Warum denn ethische Vorbehalte, wenn doch Helfen eine gute Sache ist, obendrein, wenn das Helfen der Vergesellschaftung dient? Jetzt melden sich Helfer, die für ein geringes Honorar bereit sind, beim Sterben zu helfen.
Merkst du was? Warum geht da die rote Lampe an? Warum ethische Diskussionen, die seit Jahrzehnten keine verlässlichen Ergebnisse liefern? gegen die Skupellosigkeit, mit der das Helfen vergesellschaftet wird, ist niemand skeptisch. Deshalb Ethik, deshalb Alarm, deshalb diese Unwilligkeit. Ethische Diskussionen zu führen ist eine ehrenwerte Sache. Das heißt: die Skrupellosigkeit bleibt unberührt darf weiter gehen. Das passiert dann auch.
Das Schicksal des einzelnen Menschen findet nun im Schicksal der Gesellschaft eine Entsprechung. Sie hat sich in eine ökologische Krise hineingedreht. Das ist bekannt, aber es wird skrupellos in dem, was durch sie bekannt gemacht wurde, nach einem Ausweg gesucht, der erfahrungsgemäß immer nur ein Weg hinein in die Krise ist. Die Krise wird nicht entschäft, sondern verstärkt, weil auf die bekannt gewordenen Probleme mit Mitteln reagiert wird, die mit diesen Problemen selbst entstanden sind. Es wird also nur Bekanntes auf Bekanntes angewendet. Ergebnis? Auch hier bemerken wir eine enorme Skrupellosigkeit, mit der sich die Experten, Politiker und Demonstranten über die Dinge hermachen. Die Besserwisserei, die Rechthaberei geht einfach, unverdrossen weiter, weil sie nämlich gut geschmiert ist. Das nenne ich: die Ordnungen sind korrupt – heißt: durch sich selbst indoktriniert, was notwendigerweise passieren muss, wenn die Führung durch einen Gott abgeworfen wurde.
Wenn nun ein Ausweg gesucht werden muss, dann geht es nur innerhalb dieser sich so zeigenden Möglichkeiten. Also: In dem Kompost, auf dem Schrotthaufen, in der Ruine selbst muss etwas gefunden werden, das zwar mit ihr möglich geworden ist, ihr aber nicht sehr gut entspricht. Etwas anderes als nur bekannte Möglichkeiten, die aber auch keine ganz anderen sind. Deshalb: ja, Organisation, aber wie wäre es mal mit etwas Pietät, Vorsicht, mit Einwänden, noch bevor die Bude brennt?
Aus diesen Grunde meine ich es ernst mit der Gründung einer hohen Schule der Kuriositas, die gewiss der Organisation bedarf, aber einer, die wie eine Drag-Queen funktioniert – Eine Herrin, von der noch niemand genau weiß, was es ist, was es soll, wohin das führt und die vielleicht auch großer Quatsch sein kann. Oder auch nicht.
Organisation ja, aber nur, wenn nicht nur die Wirkungen der Vergesellschaftung als Problem aufgefasst werden, sondern die Vergesellschaftung selbst als Problem gesehen wird, von dem sich keiner einbilden kann, es einfach zu lösen.
Ja, das leuchtet mir ein, danke!
Schön gesagt. Dabei. Spannende Fragen.
Ich glaube ja nach wie vor, dass wir Organisation genauso als Gebieterin, wie als Närrin brauchen und vielleicht sogar ein bisschen mehr als Gebieterin (aber dafür sorgt vielleicht Gesellschaft sowieso, die @kusanowskys sind ja leider selten) und weigere mich jedes Suchen eines Auswegs auf dem Weg des rechtlichen oder politischen Formulars, als immer nur einen Weg tiefer in die Krise hinein zu begreifen. Das gilt umso mehr, als ich nicht nur gegenüber der Selbstüberschätzung des transzendentalphilosophischen Subjekts (und all seiner kommunikationstheoretischen Nachkommen), sondern mindest ebenso gegenüber der Selbstüberschätzung der Narren und Närrinnen aus dem Arsenal von Foucault oder Deleuze skeptisch bin. Das hat schon bei Nietzsche leider nicht in der freien Höhenluft von Sils Maria, sondern in der Obhut der protofaschistischen Schwester geendet. Aber das ist wie im Vexierbild, man kann das eine oder das andere sehen, aber nicht gleichzeitig beides. In Anwendung Goethes auf mich selbst „Einem Christen gegenüber bin ich Atheist und einem Atheisten gegenüber Christ“ habe ich mit großem Gewinn etwa das Buch „Factfulness“ von Hans Rosling gelesen und ich bin mir nicht so sicher, ob ich in Bezug auf Gesellschaft pessimistisch oder optimistisch sein soll und versuche mich mit ausreichend Gründen für beides zu versorgen. Gut gefällt mir die Formel von Klaus „ohne Angst und ohne Hoffnung“, aber was dann mit solchen Sätzen (die ihre Plausibilität haben, das will ich gar nicht abstreiten): „Das Schicksal des einzelnen Menschen findet nun im Schicksal der Gesellschaft eine Entsprechung. Sie hat sich in eine ökologische Krise hineingedreht. Das ist bekannt, aber es wird skrupellos in dem, was durch sie bekannt gemacht wurde, nach einem Ausweg gesucht, der erfahrungsgemäß immer nur ein Weg hinein in die Krise ist. […] Deshalb: ja, Organisation, aber wie wäre es mal mit etwas Pietät, Vorsicht, mit Einwänden, noch bevor die Bude brennt?“
„Das gilt umso mehr, als ich nicht nur gegenüber der Selbstüberschätzung des transzendentalphilosophischen Subjekts (…), sondern mindest ebenso gegenüber der Selbstüberschätzung der Narren und Närrinnen aus dem Arsenal von Foucault oder Deleuze skeptisch bin.“
Diese Skepsis würde ich teilen und zwar aus dem Grunde, da die Narrenkappe auch noch von den Kontrollzwängen der Orgnisationen geschützt werden. Das zeigt sich an den Aktionen der sogenannten Kommunikationsguerilla Denn auch diese Konzepte beruhen auf Satzung, Methoden und Beobachtung der Folgewirkungen innerhalb von Einschließungsmilieus. Weshalb solche Dinge wie das in Deutschland am „Zentrum für politische Schönheit“ abzulesen ist, sehr leicht ins moralisch-fanatische abdriften. Etwas ähnliches gilt auch für diese Yes Men https://de.wikipedia.org/wiki/The_Yes_Men Satzung, Mitgliedschaft, Mission, Auftrag, Selbstbeeeindruckung, Meinungskampf.
All diese Formationen nutzen Organisation um ihren Selbstwiderspruch aus dem Wege zu gehen. Denn tatsächlich ist das die beste Leistung, die Organisation erbringt. Inklusion kann sie deshalb so gut garantieren, weil sie aufgrund selbst erzeugter Sachzwänge fortlaufend Anlässe, Gründe oder Ursachen findet, um ihre Selbstwidersprüche der Beobachtung zu entziehen. Stattdessen werden alle Widersprüche immer nur fremdreferenziert, was dann wechselseitig geschieht. So bleibt alles hübsch in Takt. Kritik ist Affirmation gesellschaftlicher Reproduktion ihrer Voraussetzungen.
Was wäre aber, wenn es an irgendeiner Stelle gelingen könnte, organisationale Selbstwidersprüche nicht zu inhibieren?
Hier ein Link zu einem längeren Text, der das sogenannte kafkatrapping erklärt.
http://esr.ibiblio.org/?p=2122