Transparenz und Opazität #trollkommunikation
von Kusanowsky
Eine schöne Notiz über die „Bedeutung der Opazität für die Kommunikation“ findet sich bei Danton-lebt.de. Ich nehme diese Notiz als Kommentar zu meinen laufenden Forschungen über die Trollkommunikation des Internets:
Erfolgreiche Kommunikation ist bekanntlich hoch unwahrscheinlich (Luhmann). Transparenz kann in diesem Sinne als Versuch der Reduktion von Kontingenz und Komplexität verstanden werden, um die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Kommunikation zu erhöhen – idealtypisch kommt dies in ökonomischen Modellen des perfekten Marktes zum Ausdruck: In diesen verläuft die Geld gesteuerte Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager umso reibungsloser, je mehr Informationen verfügbar sind, d.h. je transparenter der Markt ist.
Wäre perfekte Kommunikation also absolut transparente Kommunikation? Ich habe daran erhebliche Zweifel. Doch was ist die “Leistung” die Opazität für die Möglichkeit von Kommunikation erbringt? Opazität schafft Differenz, während Transparenz Einheit schafft. Opazität ist die nicht einholbare Andersartigkeit der Anderen, die im Personellen selbst angelegte Unvorhersehbarkeit des Anderen, also genau der Grund, warum erfolgreiche Kommunikation so höchst unwahrscheinlich ist. Diese ursprüngliche Differenz, könnte man mit einer groben Anlehnung an Jaspers’ Kommunikationstheorie sagen, ist aber gleichzeitig der Grund von Kommunikation überhaupt. Kommunikation ist die Anerkennung des Anderen als Anderem und damit notwendig auf die Differenz angewiesen, die die Opazität bereitstellt. Eine für sich selbst transparente Einheit kommuniziert nicht; ein perfekter Markt eine eigentlich kommunikationslose Totalität.(Herkunft)
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/prominente-twitterer-du-bist-ein-mensch-12625134.html
Wer diesen Artikel liest kann vielleicht verstehen, was ich meine, wenn ich glaube, dass diese unbekanntenTwittertrolle, diese seltensamen schrägen Vögel einer medialen Hinterwelt, irgendwann das Rennen machen werden:
Twitter sabotiert Blödheit.
Twitter hält den Augenblick fest und formt ihn zu einer begrenzten Einheit, die aus diesen beiden Gründen aus dem Strom des Mannigfaltigen emporgehoben und der Analyse zugänglich wird.
Das erklärt das Gefühl, „das wahre Wesen, die unverstellten Gedanken“ von jemandem auf Twitter erkennen zu können. Dass man mit Twitter tatsächlich einen wesentlich tieferen Einblick in die Person nehmen könne, als mit einer anderen Quelle (Tagebuch, Interview, Foto, Video), ist aber nur eine Illusion.
Auch dass Stars zum Anfassen ihre kosmische Distanz verlieren können, stimmt. Das hat aber mit twitteresker Blödheitssabotage nichts zu tun, sondern mit twitteresker Distanzsabotage.
Ob sabotierte Distanz sich als Vorteil für diese seltensamen schrägen Vögel erweisen wird, oder ob sie sich vielleicht nochmal als Nachteil herausstellt, da bin ich nicht sicher.
„Ob sabotierte Distanz sich als Vorteil für diese seltensamen schrägen Vögel erweisen wird, oder ob sie sich vielleicht nochmal als Nachteil herausstellt, da bin ich nicht sicher.“
Das würde mich etwas genauer interessieren. Magst du mir dazu noch weitere Überlegung dazu aufschreiben?
Zuweilen wird Twitter als Möglichkeit für Stars gelobt, mit den Fans in Kontakt zu treten. Das wird dann als Vorteil angesehen, und manche Stars sind meinem Eindruck nach durch ihr Twitter-Verhalten mehr in den Medien präsent = relevant = wirtschaftlich erfolgreich, als sie es ohne Twitter wären. Selbst bei Boris Becker würde ich nicht von einer Selbstdekonstruktion eines Idols sprechen, wie es Niggemeier vielleicht sieht, weil er Beckers Auftreten auf Twitter als so banal beschreibt. Schließlich steht in der FAZ, dass Becker auf Twitter ist und da herummenschelt. Na, wenn das keine erfolgreiche Platzierung als Werbeträger ist, mit wem sollen dröge Unternehmen, die hip, modern und responsive rüberkommen wollen, dann werben?
Das ist also ein Pluspunkt für Stars auf Twitter, egal wie blöd. Crossmediales Startum könnte sich gegenseitig befeuern. Star zum (virtuellen) Anfassen auf Twitter könnte eine zusätzliche Ebene des Startums sein. Die Vorstellung, dass mehr Leute Becker nun doof finden als vorher, halte ich für Quatsch.
Der Grund, warum Twitter den seltsamen schrägen Vögeln nutzen könnte, ist meines Ermessens nicht das Blödheitentlarvungspotential. Vielmehr könnte die schiere Distanzverringerung die Idee des Startums schlechthin dekonstruieren. Twitterintern gedacht gibt es nämlich nur einen quantitativen, keinen qualitativen Unterschied zwischen Twitterern mit 50 Followern, mit 500, 5000 oder 50.000. Die Berechtigungen dieser verschiedenen Twitterer sind auf Twitter quasi identisch. Im Real Life wäre der eine ein Star, der andere nicht, und die Berechtigungen wären qualitativ verschieden.
„Die Vorstellung, dass mehr Leute Becker nun doof finden als vorher, halte ich für Quatsch.“
Ja gewiss. Ich hatte eher daran gedacht, dass die Verwicklungen, die sich für Prominente ergeben, wenn sie sich miteinder einlassen, irgendwann nicht mehr durch Richter entschieden werden können, sondern nur noch durch ärztlich Hilfe. Wenn sich das herum spricht, wird massenmediale Prominenz zu einem enormen Lebensrisiko für die Betroffenen und für das Publikum nicht mehr zum Aushalten.
Zeit für eine Studie über die psychische Verarbeitung öffentlich ausgetragener Konflikte zwischen Prominenten 😉
Ach, ich glaube, dass es solche Studien schon längst gibt und wenn nicht, wird sich bald jemand finden, seine Langweile damit bekämpft.
notiz zur trollforschung : http://sensiblochamaeleon.blogspot.de/2013/09/trollforschung.html