„Die Paranoia ist freigesetzt“ #datenspuren2013
von Kusanowsky
Nun findet man die Vorträge der Datenspuren 2013 in Dresden online.
Unten ist mein Vortrag mit dem Titel „Ist Öffentlichkeit selbstverständlich?“ verlinkt.
Wer daran Interesse hat, kann auch noch diesen Nachtrag anschauen.
http://ftp.c3d2.de/datenspuren/2013/5235_ist_oeffentlichkeit_selbstverstaendlich.webm
(Die Aufzeichnung ist schlecht ausgesteuert, die Lautstärke der Lautsprechers muss erhöht werden.)
Empfehlen möchte ich noch diese Voträge bei der selben Veranstaltung:
1. Angst von Sven Guckes http://ftp.c3d2.de/datenspuren/2013/5169_angst.webm
2. Psychologische Auswirkungen der Überwachung von Gerald Albe http://ftp.c3d2.de/datenspuren/2013/5249_psychologische_auswirkungen_der_ueberwachung.webm
3. PRISM / TEMPORA von neismark http://ftp.c3d2.de/datenspuren/2013/5257_prism_tempora.webm
„Unfreiheit ist der Preis der Freiheit. Weil wir zwar noch nie so viele Freiheiten hatten wie heute im Netz, gleichzeitig aber auch noch nie so unfrei waren. Wir können im Netz hingehen, wohin wir wollen. Der Preis dafür ist, dass diejenigen, die uns diese Wege ermöglichen, jeden dieser Schritte kontrollieren, auswerten und aus den Erkenntnissen dessen neue Wege bauen, die man dann wiederum bereitwillig wieder geht. Wir zahlen nicht nur mit Daten, von denen man neuerdings immer so schön sagt, sie seien das Öl des 21. Jahrhunderts. Wir zahlen für jedes Stückchen Freiheit mit einem bisschen Unfreiheit.“
http://www.cicero.de/blog/christian-jakubetz-unhipster/2013-10-11/unfreiheit-ist-der-preis-der-freiheit
http://www.wiesaussieht.de/2013/12/30/gegenspionage-in-einem-paranoiden-system/#comment-80250
” wird diese Strategie zum Gegenteil von dem führen, was beabsichtigt ist. Damit stärkte man die paranoide Struktur des derzeitigen Systems, anstatt es zu bekämpfen.”
Nein. Der Vorschlag besteht nur darin, Gegenspionage zu betreiben. Das ist uralt.
Interessant ist nicht die Gegenspionage, sondern die Bedingungen, unter denen dies nunmehr geschieht und unter denen immer noch Hoffnung auf Gegenspionage gesetzt wird. Ich übertreibe nur wenig, wenn ich sage, dass nun ein jeder dabei mit machen kann. Nicht, dass dies jeder tut oder will oder das beste knowhow dafür mitbringt. Aber auch Hackersoftware lässt sich für den “Hausgebrauch” schneidern, lässt sich trivial verwenden, ob immer mit durchschlagendem Erfolg ist eine andere Frage. Aber das gilt für eine professionalisierte Arbeitsweise genauso.
So ist die Übertreibung, dass jeder Spionage betreiben kann, nichts anderes als ein weiterer Schritt der Eskalation von Übertreibungen. Wikileaks war ja nicht die erste Übertreibung, aber doch eine sehr beachtliche. Viele tausend Dokumente wurden mit einem Schlag veröffentlicht, aber das, worüber sie Auskunft geben, ist öffentlich nur selten bekannt zu machen, weil ja nicht nur das, sondern alles andere auch öffentlich bekannt gegeben wird. Wer weiß daher schon was öffentlich alles bekannt ist? Es sei denn man beharrt auf eine naiven Standpunkt des Vertrauens auf ein Expertum, von dem man sagen könne, es wisse gewiss Bescheid.
Naivitäten dieser Art müssen zwar gegenwärtig noch ausgehalten werden, aber auch nicht mehr lange.
Wir haben es damit zutun, dass nicht nur jeder publizistisch tätig werden kann oder sogar publizistisch tätig ist, was immer publiziert wird und was davon wichtig sein könnte, jeder kann auch Daten sammeln und spionieren. Jeder kannt mitmachen und wahrscheinlich wird es in Zukunft nur eine Minderheit sein, die nicht mitmacht.
Wie auch immer man das sonst noch bewerten möchte, was mich fassungslos macht ist der naive Glaube, man könne noch irgendwelche Hoffnungen darauf setzen. Publizität für alle, Bigdata für alle, Spionage für alle …? Und dann?
Bislang galt, dass all dies nur für wenige, für Experten, für einen exklusiven Kreis zugänglich war. Mit dieser Beschränkung wurde auch immer die Paranoia beschränkt, eingehegt, unterdrückt, wurde die Paranoia immer als etwas zu Vermeidendes behandelt.
Wenn aber diese Beschränkungen nicht mehr haltbar sind, warum sollte man der Paranoia immer noch mit Angst und Misstrauen begegnen? Worauf gründet sich die Hoffnung, ihr immer noch entkommen zu können?
Welches Maß von Vernunft ist noch irgendwo zu finden, das als Richtmaß in Frage käme?
Was wäre, wenn nicht die Paranoia des Systems das Problem wäre, sondern Angst und Misstrauen? Und was wäre, wenn sich heraus stellt, dass zwar die Paranoia unumgänglich ist, nicht aber die Verknüpfung mit Angst und Misstrauen, was doch möglich wird, gerade weil jeder mitmachen kann, jeder mitmachen darf, bzw.: weil immer mehr Leute nicht mehr daran gehindert werden können.