(10) Pseudonymität bis (13) Vermeidungsmedien

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(10) Pseudonymität spielt für die Habitusbildung eine wichtige Rolle, ist eine fortlaufend selbstreflexive Anpassungsleistung auf Kritik und auf Ansprüche an Rationalität von Handlung. Pseudonymisierung ist nicht Versteckspiel, sondern Selbsteignungsprüfung. Pseudonymisierung wird nötig, wenn Vergesellschaftung in Organisationen ihre eigenen Sachzwänge erzeugt. Für einen Beobachter, der sich als Handelnder beobachten lassen muss, ist Kommunikation (25) nur in parasoziologischen (26) Auffassungen begreifbar.

(11) Handlungskontingenz ist innerhalb parasoziologischer Begrifflichkeiten das Rätselhafteste, was es gibt und erzeugt in hoch immunisierten sozialen Ordnungen beobachtungstheoretische Vollnarkosen. Beispiel für eine solche Vollnarkose ist die Rede von einem „universalen Verblendungszusammenhang“ bei Byung-Chul Han. Psychopolitik. Die vermachtete Stultizität des transzendentalen Vermeidungsirrtum im Einschließungsmilieu Universität gestattet dem Beobachter eine sorglose Objektivierung (27). Er durchschaut das Undurchschaubare, deckt also die Machenschaften der geheimen Weltregierung auf, schreibt’s auf und geht unbekümmert nach Hause. [Wenn ich der geheimen Weltregierung auf die Schliche gekommen wäre, würde ich nicht einmal den Weg nach Hause finden.]
Der Beobachter vermeidet die Versachlichung (28) von Gesellschaft, indem er nicht zugesteht, was schlechterdings zugestehbar ist: die Gesellschaft lässt keine privilegierten Beobachterstandpunkte zu. Auf einem solchen zu bestehen ist Resultat des transzendentalen Vermeidungsirrtums.

(12) Vermeidungsirrtum. Eine jede Gesellschaft, die neue Probleme in Erfahrung bringt, muss Aus- und Umwege finden, um den Problemüberhang ihrer historischen Voraussetzungen abzuarbeiten. Deshalb muss sie alles vermeiden, was der Empirischmachung ihrer Welt entgegen steht.

(13) Dazu ist sie auf gesellschaftliche Vermeidungsmedien, die ihren Erfolg und damit ihre Empirizität garantieren, angewiesen. Auf dem Wege der Ausformung dieser Vermeidungsmedien entwickelt eine Gesellschaft auch Voraussetzungen dafür, dass ihr Erfolg ebenfalls auf Irrtum beruht. Eine andere Formulierung dafür ist, dass sich infolge ihres Erfolgs die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Fortsetzung von Gesellschaft ändern. Das gesellschaftliche Apriori (29) ändert sich. Es entsteht Neues (30). Der Vermeidungsirrtum einer Gesellschaft erfasst das, worin die Gesellschaft ein Vertrauen auf etwas finden kann, das ob seiner hohen Unzuverläsigkeit für den Bestand von Gesellschaft sehr ungeeignet ist. Für die moderne Gesellschaft kommt in dieser Hinsicht ein Vertrauen auf Menschenvermögen, Humankompetenz in Betracht.

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