Selbstdarstellung, Rücksichtslosigkeit und Beleidigungskommunikation @TiloJung @KlausMJan #aufwachenpodcast
Inzwischen dürfte den Aufwachen Podcast „A!081 – Verbraucherbetreuung“ jeder gehört haben. Tilo hat bei Facebook diesen Podcast mit folgenden Worten angekündigt.
„Hurra, neue Folge vom Aufwachen Podcast! Stefan & ich haben einen der schlausten Menschen im Internet zu Gast: Klaus Kusanowsky.“
Es gibt einen Themenaspekt in dem Podcast, gerade zum Thema „Blattkritik der Altmeier/Ramelow-Interviews“ (01:05:42 ), der dort nicht angesprochen wurde, weil man ja nicht alles sagen kann; ein Punkt, der dennoch wichtig gewesen wäre. Das macht aber nichts, denn wenn es Internet gibt, ist das ja alles kein Problem mehr. Man kann einfach rücksichtslos fortsetzen, egal, ob das jemand wissen will oder nicht. Es geht im folgenden um die Möglichkeit der rücksichtslosen Kommunikation, die ja auch rücksichtslose Kooperation ermöglicht. (Was damit grob gemeint ist, habe ich hier aufgeschrieben.)
Weil nun diese Art der Kommunikation via Internet umso besser funktioniert, je rücksichtsloser sie funktioniert, ist diese Ankündigung von Tilo natürlich genauso rücksichtslos wie alles andere auch; und es besteht kein vernünftiger Grund zur Kritik. Aber einen unvernünftigen Grund oder einen solchen, dessen Unvernunft man gewiss jederzeit bestreiten kann, findet man sehr wohl. Der bezieht sich darauf, dass der Punkt der Selbstdarstellung für diese Art der Kommunikation sehr wichtig ist.
Selbstdarstellung soll hier heißen, dass die miteinander in Kontakt tretenden und sich für andere beobachtbar machenden Personen sehr häufig keine adressierbare Referenz vorweisen können, durch welche sie die verlässliche Gründe für die Herstellung der Kommunikation so einfach ermitteln können, also: Kommunikation zwischen Unbekannten #kzu. Anders als im sonstigen Alltag, wo Personen sich für einander adressierbar machen. In der Nachbarschaft, bei der Arbeit, in der Freizeit, überall sind Personenreferenzen durch die Gesellschaft schon immer angeliefert, durch welche die Leute ermitteln können, wer anwesend ist und wer nicht, warum das so ist, warum Ansprache passiert oder passieren sollte oder auch nicht, so dass man immer schon irgendwelche Gründe kennt und eine Meinung oder auch ein Vorurteil darüber hat, wer die anderen sind oder sein sollten.
Wenn diese Referenzen wegfallen, aber dennoch irgendwelche schon kommuniziert sein müssen, damit sich Erwartungen bilden können , die dann bestätigt oder enttäuscht werden, muss Selbstdarstellung als nicht referenzfähige Referenz notwendig kommunikabel werden, weil nur so der Referenzzirkel unterbrochen werden kann. Nur dann können Erwartungen sich bilden, die aber, und das ist der entscheidende Punkt, sehr, sehr unverzlässig sind, solange sich eine nur geringe Strukturkomplexität hinsichtlich der Einschränkung von Anonymität aufgebaut hat. Und es kommt hinzu, dass zwar trotz der Rücksichtslosigkeit der grundlosen Ansprechbarkeit eine Strukturkomplexität Anonymität einschränken kann, aber diese Einschränkung wird wiederum anonym sozial adressiert, mit der Folge, dass sich jeder einmischen kann, was – insbesondere, wenn es um nicht vertrauliche Kommunikation geht – sogar erwünscht wird und nun dazu führt, dass man eigentlich gar nicht wissen kann, was das alles soll. Dieses Nichtwissen schlägt sich beispielsweise nieder in der pejorativen Behandlung der Selbstdarstellung.
Unter dieser Voraussetzung ist Tilos Ankündigung bemerkenswert und riskant, denn sie macht unter Bedingungen einer prinzipell durch Anonymität störbaren Kommunikation eine Referenz auffällig, die man unter dem Gesichtspunkt einer Gefälligkeitsstruktur zwischen referenzierbaren Personen beobachten kann. Eine solche Struktur ist immer auf Exklusivität und Bekanntheit eingerichtet, was nicht weiter dramatisch wäre, wenn denn auch Exklusion von Nichtadressierten als Rücksichtsmaßnahme gegen die Integrität der Struktur gelingen könnte. Aber eine rücksichtslose Kommunikation wie die via Internet lässt eine solche Exklusion nicht zu. Exklusion kann man versuchen, aber weil keine machtvolle Appellationsinstanz referenzierbar ist, die intervenieren könnte, kann Exklusion von Adressen nur schwer gelingen. Wenn nun unter dieser Voraussetzung Gefälligkeit kommuniziert wird, die – auch wenn sie völlig grundlos und rücksichtslos ist – Chancen auf Reputation, auf Erweiterung eines Bekanntheitsgrades oder den Verdacht Ostentation zulässig macht, dann ergibt sich, dass damit eine Unterscheidung vorgeschlagen wird, die zur Regelnutzung für die weitere Kommunikaiton in Frage kommt.
Wenn die Unterscheidung dumm/intelligent anschlussfähig ist, um in einer bestimmten Situation die Wahl auf „intelligent“ fällt, dann wird damit zugleich vorgeschlagen, dass auch „dumm“ jederzeit möglich sein könnte, inklusive der Anführbarkeit aller so entstehenden Adressen. Denn es gilt: „Was Paul über Peter sagt, sagt mehr über Paul als über Peter“, dann könne man daraus auch die Schlussfolgerung, dass, wenn Klaus Kusanowky als der „der schlausten Menschen im Internet“ erscheint, zugleich jemand erscheint, der dümmer nicht sein könnte, nämlich er selbst oder der, der sowas schreibt.
Man kann jetzt erkennen, wie auf sich diese Weise durch die Notwendigkeit einer referenzlosen Referenz eine Selektivität der Personenadressierbarkeit bemerkbar macht. In diesem Fall mag das harmlos sein, weil nicht weiter Belang. Aber: wenn man danach fragt, auf welche Weise Shitstorms für das ökologische Gefüge von Selbstorganisation von Interkommunikationen von Bedeutung sind, dann scheint mir diese Überlegung sehr wichtig zu sein.
Aber dazu mehr, wenn es soweit ist.