Geschlechtergerechte Sprache, eine Beschäftigung für Hamsterradbenutzer 3

was bisher geschah / Fortsetzung:

Dass eine Diskriminierung der Geschlechter Lebenschancen eher eröffnet als verschließt, ist ein Gedanke, der bis heute nur selten ausprobiert wird. Meistens wird das Gegenteil variantenreich ventiliert, was nur geht, wenn man keinen Sinn für die Realitäten der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer Ergebnisse aufbringen will. Eine Geschlechtergerechtigkeit hat sich in den letzten ca. 200 Jahren nicht im Geringsten eingerichtet, woran sich, soviel kann man mit Gewissheit sagen, auch in den nächsten 200 Jahren nichts ändern wird. Schon gar nicht hat sich eine „Gleichberechtigung“ ergeben (nicht zu verwechseln mit Emanzipation, eine Entlassung aus Bevormundung, die sehr wohl statt gefunden hat); und eine Gleichberechtigung oder Gleichstellung der Geschlechter wird es in jeder nur möglichen Zukunft auch niemals geben. (Das kann ich bei Nachfrage ausführen, soll aber jetzt vernachlässigt werden.)
Was aber auch zum Ergebnis gesellschaftlicher Realität gehört, ist, dass eine Erweiterung und Vermehrung von Lebenschancen für Frauen gewiss stattgefunden hat. Diese Erweiterung und Vermehrung von Lebenschancen ist nicht trotz einer Geschlechterdiskriminierung möglich geworden, sondern mit ihr und auch wegen ihr. Die Geschlechterdiskriminierung der bürgerlichen Gesellschaft hat nämlich eine Emanzipation der Frau bewirkt, indem die Frage aufgeworfen wurde, welchen Platz einer Weiblichkeit in der Gesellschaft eingeräumt werden darf oder welchen sie haben sollte, wenn es zwei Geschlechter gibt; wenn es also nicht nur ein, sondern zwei verschiedene, unvereinbare, diskriminierungsfähige Menschengeschlechter gäbe.

In der alten Zeit waren Frauen nur schlechtere Männer; es gab nur ein Menschengeschlecht. Es gab in der alten Zeit also keine Geschlechterdiskriminierung, sondern nur eine hierarchische Einteilung in „man“ und weniger „man“.  Frauen waren eben nur „woman“, im Lateinischen „femina“. Weiblichkeit war ehedem nicht anders, sondern unten. Die alte Ordnung kannte keine Geschlechterordnung, sondern eine Gehorsamsordnung, innerhalb derer Frauen und Männern ihr Platz zugewiesen wurde. Frauen waren darin der Vormundschaft von Männern ausgesetzt, die junge Frau dem Vater, die verheiratete Frau dem Ehemann. Das konnte tausende Jahre funktionieren, weil nirgends ein Grund zu finden war, um das als merkwürdig und unzumutbar zu kennzeichnen.
In der neuen Zeit gab es nun zwei Geschlechter, die nicht als ein mehr oder weniger, höher oder tiefer gestellt aufgefasst wurden, sondern als unvereinbares, diskriminierungsfähiges Nebeneinander: Entweder männlich oder weiblich, nicht ein bißchen männlich oder ein bißchen weiblich oder männlicher oder weiblicher, nein, sondern nur: Entweder oder. Sonst nichts. Eine solche Entweder-Oder-Einteilung ist nicht sehr normal, aber trotzdem zuverlässig ordnungsfähig, woraus Biologen den Schluss ziehen, diese Ordnung sei natürlich, was man auch zugeben könnte, wenn man keine weiteren Fragen stellen würde. Da man aber das Stellen weiterer Fragen nicht verhindern kann, ergibt sich ganz schnell, dass die Behauptung der Natürlichkeit dieser Geschlechterordnung selbst eine Strategie ist, um die gesellschaftliche Konstruktion einer Geschlechterordnung sichtbar zu machen. Die bürgerliche Gesellschaft hatte nämlich Weiblichkeit nicht nur als anderes Geschlecht eingeteilt, sondern hatte angefangen, diese Andersheit auch noch zu begründen und diese Begründung zu publizieren. Und die Begründung lautete: es sei alles ganz natürlich. Prompt war schnell aufgefallen, dass daran irgendetwas nicht stimmen kann, was zur Folge hatte, dass man bald mit keinem Argument mehr begründen konnte, warum Frauen anders als Männer behandelt werden sollten.

Damit war ein Ausgangspunkt gefunden, von dem aus die Nutzung von erweiterten Lebenschancen auch für Frauen eingeübt werden konnte.

Fortsetzung

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