#unbezahlt protestieren @NicolePunkt
von Kusanowsky
Zuück: Lernen als Machtspiel
Der Nachwuchs an den Universitäten protestiert; und zwar #unbezahlt. Was soll er auch sonst tun? Das Brot macht der Bäcker, das Geld kommt von der Bank und der Strom kommt aus der Steckdose und wenn irgendwas fehlt, wird protestiert. Man wird doch noch auf Missstände aufmerksam machen dürfen. In Schulen und Universitäten legen Lehrer Schülern und Studenten Formulare zum Ausfüllen vor die Nase, was sie jederzeit bereitwillig tun. Aus einem dieser Formulare geht auch hervor, dass man protestieren darf, wenn einem etwas nicht passt. Die Erlaubnis ergibt sich aus dem Formular AK06-bM,34-19975,8#g7, ausgegeben vom Ministerium für Selbstverarschung und Menschenliebe. Ausfüllen, abprüfen, nächstes Formular: Lückentext Sozialkunde als Hausaufgabe, aber zackzack. Vielleicht kommen Professoren irgendwann auf die Idee, Studenten fürs Protestieren gute Noten zu geben, spätestens dann dürfte gelernt werden, wie dumm dieses Spiel ist.
Die Lehrer verteilen also nach Durchführung irgendwelcher Prüfungen nichtssagende Schulnoten, bekommen ein Gehalt und gehen befriedigt nach Hause. Kinder werden ab dem ersten Schultag darauf abgerichtet, Lehrern bei ihrer Arbeit zu helfen und müssen strenge Strafen fürchten, wenn sie sich weigern. Das ist legitim, weil sich die Lehrer selbst bescheinigen, nur Gutes im Sinn zu haben. Schließlich geht es allein um das Wohl der Schüler. Stimmt’s? Naja … Das vorschriftsmäßige Gebot, Sachverhalte gründlich zu differenzieren, bervorzugt das „Einerseits ja“, dass ein „Andererseits nein“ auch möglich ist, weiß jeder, aber wenn es zur Sprache kommt, wird damit nur die Selbstbeauftragung einer Pädagogik erneuert, die hoch und heilig verspricht, Schülern zu helfen.
Die Missstände an Schulen und Universitäten haben wenig damit zu tun, dass es am Geld fehlt, nicht etwa deshalb, weil es für Schule, Ausbildung und Wissenschaft genügend Geld gäbe, sondern: wenn es um Geld geht, gibts davon immer zu wenig. Egal was bezahlt werden soll, alles gibt es im Überfluss, nur genügend Geld hat kaum einer.
Die Missstände an den Universitäten kommen woanders her. Die Quelle für den Missstand ist eine durch einen irren Aufwand organisierte und durch diesen Aufwand geschützte „soziale Schamstruktur“, die mit allen nur denkbaren Mitteln ein „Schweigegelübde“ durchsetzt. Das Schweigegelübde bezieht sich darauf, eine Antwort auf die Frage verweigern zu dürfen, für wen Schule und Universitäten eigentlich organisert werden. Die zu verweigernde Antwort lautet: zuerst und vordringlich geht es um Ansprüche und Bedingungen, die Lehrer stellen. Es geht vor allem darum, deren Anliegen zu erfüllen, verbunden gewiss mit dem Versprechen, dass Schüler davon profitieren. Aber das ist ein Versprechen, das andere erfüllen müssen, also etwa die Politik und die Wirtschaft. Und wenn diese Versprechen nicht erfüllt werden, wird protestiert, womit die Legitimität des Schweigegelübdes reibungslos erneuert wird.
Hauptsache, es wird nicht darüber geredet, dass Lernen und Lehren ein komplementäres, symbiotisches Verhältnis ist, das durch Machtspiele behindert wird. Darum ist der Protest so nützlich um das Schweigegelübde zu verlängern: der Protest symboliert einen Machtkampf, gewiss keinen erfolgreichen, um Geldforderungen durchzusetzen, aber bestimmt erfolgreich als geeignete Unterstützungsmaßnahme, um die soziale Schamstruktur der Wissensproduktion unangetastet zu lassen.
Ein schöne Darstellung von Beziehungsgeflechten außerhalb von Marktmechanismen.
Im Markt geht es darum:
„Menschen bezahlen dafür, was sie bekommen, nicht dafür, was jemand tut.“
Das wird besonders interessant im Zusammenhang mit „privaten“ Schulen und Hochschulen.
Und hier?
Im öffentlichen und entgeltlosen Bildungssystem?
Hier wird nicht bezahlt und es kommt auch nicht darauf an, was jemand tut und warum. Oder habe ich das jetzt etwas überzogen dargestellt?
Und eins noch: es heißt ‚Entgelt‘ und nicht ‚Entgeld‘. Es hat etwas mit Geltung und Gültigkeit zu tun und nichts mit Zahlung. 😉
Diener des Staates
Im 19. Jahrhundert veränderten sich unter dem Einfluß der Ideen der Französischen Revolution und der napoleonischen Fremdherrschaft die politischen Strukturen. Nicht mehr der Fürst verkörperte den Staat und der Zweck des Staats bestand nicht mehr darin, den Fürsten zu unterhalten. Als oberste Instanz galt nun den Staat an sich; er existierte, um die Wohlfahrt und Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Der Regent war zum Staatsoberhaupt geworden.
Auf dieser Anschauung fußte das „Preußische Allgemeine Landrecht“ von 1794, in dem zum ersten Mal die Dienstverhältnisse von Beamten geregelt wurden. Bayern folgte 1805 mit der „Hauptdienstpragmatik über die Dienstverhältnisse der Staatsdiener“, in der die gesetzlich gesicherte Unabsetzbarkeit und das lebenslange Einkommen verankert wurden. Diese materielle Sicherheit beeindruckte damals wie heute viele Menschen, oft mehr als alles andere, schrieb der Dichter Theodor Fontane an seine Frau:
„Die Kinder in der Schule lernen meine Gedichte…, in der Literaturgeschichte von Heinrich Kurz habe ich mein Kapitel: aber wenn ich heute noch Bote beim Kammergericht würde, mit 30 Taler Fixum Monatsgehalt und 10 Taler zu Weihnachten, so würde man sagen, nun, er ist jetzt in königlichem Dienst, er hat ein Fixum, er kann sich Bewegung machen und seiner Frau eine jährliche Pension von 40 Talern hinterlassen.“
Die Besoldung des Beamten sah man nicht als Leistungsentgelt an, sondern als Unterhalt. Man besoldete den Inhaber einer bestimmten Rangstufe, und das in der Höhe, die für eine standesgemäße Lebensführung angemessen war. Hinzu kamen Teuerungszuschläge, Gehaltsfortzahlung bei Urlaub oder Krankheit, alles Dinge, für Beamte im 19. Jahhundert glühend beneidet wurden. Das Wort vom „Sicheren Brot“ machte die Runde.
Auszug aus:
http://www.judithmathes.de/history/beamte.html