Lernen als Machtspiel 2 Verhältnis von Schüler und Lehrer 1
von Kusanowsky
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Das Verhältnis von Schüler und Lehrer ist ein Verhältnis, das aus autoritären Strukturen erwachsen, jedoch seit Abschaffung des autoritären Staates unter andere Bedingungen gekommen ist, ohne seinen sozialgenetischen Ursprung abstreifen zu können. Das kann man bemerken, wenn man das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer nicht mehr als ein pädagogisches, sondern als ein politisches auffasst und nicht darauf achtet, wer wem mit welchem Recht einen Willen aufzwingen darf, sondern wenn man danach fragt, wie eine Lernsituation noch gelingen soll, wenn niemand zu irgendetwas gezwungen wird, auch Kinder nicht. Denn Kinder, das weiß man, werden nicht unmündig geboren, sondern unmündig werden sie durch eine soziale Struktur gemacht, durch die die An- oder Aberkennung von Rechten infolge eines Machtspiels betrieben wird. Unter dieser Voraussetzung müssen Kinder als unmündig erscheinen, weil sie kaum eigene Möglichkeiten haben, sich an diesem Machtspiel zu beteiligen, weshalb viele Pädagogengenerationen sich eifrig darum bemühen, sie für die Beteiligung an solchen Machtspielen fit zu machen, was aber nur geht, wenn die Lernsituation erstens als Machtspiel betrieben und wenn zweitens durch die selbe Pädagogik geleugnet wird, dass es sich um ein Machtspiel handelt.
Die Leugnung geschieht durch sehr verwickelte Rechtfertigungszwänge, die viele Varianten, Auswege und Tricksereien zulassen, die aber alle als Letztbegründung die besondere Verantwortlichkeit der Lehrperson unterstreichen. Der Lehrer stelle sich, so die moralisch-pädagogische Verbrämung seiner Tätigkeit, gleichsam in den Dienst der Schüler, er sei für sie da, und habe stets nur Gutes im Sinn. Das kann man sogar glauben. Dafür bekommt er ein Gehalt und, wenn alles gut läuft, im Alter eine Rente. Das ist nicht schlecht. Und was bekommen die Schüler? Nichts!
Nichts? Sie bekommen Schulunterricht, heißt es. Aber was sollen sie damit? Sie können was fürs Leben lernen! Heißt es. Tatsächlich? Was denn genau? Mathematik 2, Sport 3, Englisch 1? Niemand, außer einem Lehrer, bzw. außer der Schule will das wissen. Also noch einmal, was bekommen Schüler, das jemand anderen interessiert, etwas, von von dem wir wissen, das es zum Tausch geeignet sein muss, damit es jemanden interessiert. Kein Lehrer würde, bekäme er für seine besonderen pädagogischen Fähigkeiten eine 1, damit zufrieden nach Hause gehen. Aber die Schüler sollen damit einverstanden sein? Warum? Der Lehrer bekommt etwas, das er eintauschen kann. Die Schüler bekommen nichts dergleichen.
Dass es sich so verhält, kann man bemerken, wenn die Gesellschaft selbst dafür sorgt, das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer als ein allein durch Gesellschaft gedecktes Verhältnis beobachtbar zu machen, nämlich dann, wenn die Gesellschaft ihre Deckung entzieht. Die Deckung geschieht nämlich allein durch Kommunikation, die gar nicht zustande kommen muss und auch durch Zwang gar nicht sicher gestellt wird.
Beispiel: Die Geschehnisse in der sog. „Bud-Spencer-Restschule“, die sich dadurch auszeichnen, dass man zwar den Körper der Kinder dazu zwingen kann, den Halbtagsknast aufzusuchen, den Willen, am Schulunterricht mitzumachen aber nicht. Die Schüler verweigern das Mitmachen, weshalb die Lehrer nicht unterrichten können. Lernen in der Schule geht nur, wenn jemand auch lehren will. Und lehren geht nur, wenn auch jemand lernen will. Aber beides kann durch Zwang nicht sicher gestellt werden. Das heißt, wenn Unterricht gelingt, engagieren sich nicht nur die Lehrer für die Schüler, sondern auch die Schüler für die Lehrer. Was viele Pädagogen kaum für möglich halten möchten, ist eine alltägliche Normalität an allen Schulen auf der Welt, nämlich: die Schüler helfen den Lehrern sehr fleißig dabei, ihre Arbeit zu verrichten. Man kann das auch eine Kinderarbeit nennen, für die die Kinder nicht bezahlt werden.
Nicht wahr? Und: Muss das so bleiben?
Podcast Soziologisches Kaffeekränzchen
https://www.soziologisches-kaffeekraenzchen.de/2018/11/11/skk020-religion/
ab Minute 19:10 bis 22:31 über die Religion der Gesellschaft und ökologische Krise
Zur Wiedervorlage bei der nächsten Protestveranstaltung empfehle ich diesen Text:
Gravamina der deutschen Universität, Karoline Döring
In den letzten Wochen haben vermehrt Forscher*innen über Twitter ihre Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen an deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen geäußert. Dabei haben sich sehr intensive, aber auch sehr demotivierende Diskussionen und Gespräche ergeben. Viele teilen gerade unter dem Hashtag #unbezahlt persönliche Erfahrungen und Beispiele von betroffenen Kolleg*innen.
Den ganzen Text findet man hier:
https://docs.google.com/document/d/1M-hu3milaW02JJOmPnihOegOVPbeLNMiu-hRvQdk34c/edit
Die Vollnarkose: „Mit anderen Worten: Wir stabilisieren ein System, das uns destabilisiert.“
Der Nachwuchs möchte bezahlt werden. Für was denn bitte? Jedem ist es freigestellt, ein Hamsterrad nach eigenem Belieben anzutreiben.
Aber warum sollten Steuerzahler ausgerechnet das Hamsterrad der akademischen Vollnarkose finanziern, warum nicht ein anderes? Warum sollten mit Steuern (Steuern sind Zwangsabgaben) dein Hobby unterhalten, werden, warum nicht meins, seins oder ihrs? Was qualifiziert dein Hobby als höher prioritär?
Was tust du denn den ganzen Tag, das sich ganz ohne weitere Auskunft als unbedingt vorrangig erweisen würde?
Ich habe den Eindruck: Nichts besonderes.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lehrer-Sch%C3%BCler-Verh%C3%A4ltnis
„Das Lehrer-Schüler-Verhältnis bezeichnet im engeren Sinne die Beziehung zwischen einer kraft ihres Kompetenzvorsprungs lehrenden Person und einer lernenden Person im Rahmen einer pädagogischen Veranstaltung. Darüber hinaus etikettiert es allgemein auch das institutionelle Verhältnis, das sich aus der Rollenverteilung von Lehrern und Schülern in einer Lerneinrichtung, etwa einer Schule, ergibt. Ein Lehrer-Schüler-Verhältnis entsteht grundsätzlich, wenn Menschen in eine Lehr- und Lernbeziehung zueinander treten.“
Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist entstanden aus einer pädagogischen Machtbeziehung, die durch Organisation das Problem löst, das mit ihrem Funktionieren in die Welt gesetzt wird: unmündige und inkompetente Schüler durch Unterricht, Erziehung und Ausbildung kompetent zu machen.
Solange das Verhältnis immer noch als ein pädgogisches Verhältnis aufgefasst wird, solange also jene organisationalen Strukturen, die sich auf die Aufrechterhaltung dieser Machtbeziehung hin entwickelt haben, für das letzte Wort in dieser Sache gelten, wird nicht erkennbar, wie sich im Rahmen einer allgemeinen Dienstleistungswirtschaft eine Umänderung ergeben könnte.
Eine andere Auffassung wäre, das Lehrer-Schüler-Verhältnis als eine politische Beziehung aufzufassen, die nicht Macht durchsetzt oder Wissen vermittelt, sondern die ein Wissen (auch verstanden als Wissen über die Bewertung von Wissen) darüber erarbeitet, wie Wissensproduktion als politisches Konzept funktioniert.