Ja, die Erde ist flach, na und?
von Kusanowsky
Ich habe die Nachricht zur Kenntnis genommen, dass seit einiger Zeit wieder ein paar interessante Anstrengungen unternommen werden, um eine alt bekannte Tatsache neu zu beleben, nämlich die, dass die Erde flach ist. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, um das Gegenteil zu beweisen. Wer das dennoch tut, überläßt sich ganz ungeniert einer selbstgemachten Vollnarkose, die man eigentlich nur bedauern oder belächlen kann: Wie süß, da versucht einer, mit besseren Argumenten einen Stich zu machen, als wenn es darauf noch ankäme!
Im Ernst. Wie lächerlich diese Versuche sind, zu beweisen, dass die Erde eine Kugel ist, kann man leicht erkennen, wenn man dem Ansinnen derjenigen, die das Gegenteil wißbar machen wollen, einfach nachgibt. Ja, die Erde ist flach. Was sonst? Interessant wird es nämlich dann, wenn man, statt Rechthaberei zu betreiben, einfach auf die Folgen achtet, die es hat, wenn man der Besserwisserei der anderen nachgibt. Was folgt denn daraus, wenn man das zugibt? Welche Konsequenzen hat es denn, wenn man akzeptiert, dass die Erde flach ist? Was passiert dann? Ja, die Erde ist flach. Und weiter? Wer dann feststellt, dass das keine weiteren und schon gar keine wichtigen und entscheidenden Konsequenzen hat, ist auf der sicheren Seite der Vernunft. Wer das aber nicht feststellen will, kann nur anderer Meinung sein, welche auch keine interessanten Folgen mehr hat. Wer also immer noch beweisen will, dass die Erde eine Kugel ist, hat nicht alle Tassen im Schrank. Kurz: ein dummes Spiel für Anfänger, könnte man meinen.
Soziologisch interessant ist dann allerdings nur die Frage, warum es dennoch gespielt wird. Wie ist das möglich, wenn man nicht kurzerhand meinen möchte, das Spiel würde von Dummköpfen betrieben? Das ist nämlich kein Spiel von Anfängern, sondern von Fortgeschrittenen, die schnell und leicht ganz viele Beweise für oder gegen alles Mögliche vorbringen können, aber keinen einzigen für den Ablauf dieses Spiels. Ich vermute, dass sich mit diesem dümmlichen Spiel eine trivial gewordene Routine der Wissensproduktion offenbart, die von dem Ordnungsschema ausgeht, dass Beweise eine wissenschaftliche Ordnung stiften, die Wahrheit herstellt: Beweise gingen einer „Wissensordnung“ voraus, die die Wahrheit von Sätzen garantiert. Und da Beweise stets auf ihre Kontingenz aufmerksam machen, also auf die Tatsache, dass kein Beweis einen letzten Grund hat, gibt es immer nur weitere Beweise, aber keinen dafür, dass es auf Beweise ankäme.
Wer das bedenkt, kann feststellen, dass nicht Beweise eine Ordnung stiften, sondern andersherum: erst eine ausreichend verlässliche Ordnung kann dazu ermuntern, Beweise zu suchen, zu formulieren, vorzutragen und zu prüfen. Es ist genau diese Ordnung: Hypothese – Forschung – Verifikation/Falsifikation – These, also Lehrmeinung, welche die Relevanz von Beweisen steigert, wenn man feststellt, dass kein Beweis ausreichend ist, um eine Letztbegründung für Lehrmeinungen zu formulieren. Das heißt: gerade weil die moderne Wissenschaft keine Letztbegründung kennt, kann sie ein soziale Ordnung ausbilden, in der Beweise eine prominente Rolle spielen. Wird diese Ordnung nun mehrere Generationen lang durchlaufen, erhärtet sie sich immer mehr und zwar so weit, dass sie selbst, gerade weil sie nicht auf Beweisen beruht, eine Wahrheit garantiert. Aber in dem Fall wird sie trivial. Je verlässlicher die Ordnung funktioniert, umso trivialer wird sie.
Aus diesem Grund ist die Frage, ob die Erde eine Kugel ist oder nicht, kein relevantes wissenschaftliches Anliegen, nicht, weil in dieser Hinsicht alles letztendlich geklärt ist, sondern weil niemand mehr so einfach beweisen kann, was noch ungeklärt wäre. Man könnte auch sagen: Die Hypothese ist ausgerätselt und die Lösung wirft keine weiteren Hypothesen mehr auf. Oder anders formuliert: wer noch Zweifel anbringen will, müsste die ganze Ordnung widerlegen. Das geht aber nicht. Ganz nebenbei ist das auch ein Grund dafür, weshalb es keinen Grund gibt, Homöopathie zu widerlegen, weil nämlich, würde man dem Ansinnen nachgeben, dass in einem Medikament kein Wirkstoff, sondern nur die Information über einen Wirkstoff vorhanden sei, eine ganze Wissenordnung unhaltbar wäre, die das leugnet. Das passiert aber nicht. Die Haltbarkeit der Naturwissenschaft wird durch Homöopathie gar nicht erschüttert. Es gibt also keinen vernünftigen Grund, dieses Spiel forzusetzen.
Nur darum geht es weiter. Es kommt auf Vernunft nämlich gar nicht an.
Auf twitter las ich einst:
„Manche glauben nur, was sie sehen.
Darauf kommt es nach meiner Erfahrung gar nicht an.
Die meisten glauben, was sie wollen – egal, was sie sehen.“
Danke, für die etwas ausführlichere Darstellung, Klaus.
Erkenne ich da einen alltäglichen Frust, zwischen den Zeilen hervor blitzen?
Frust nicht, vielleicht nur ein wenig Erschöpfung ob der anhaltenden Fantasielosigkeit und Langeweile.
Wahrscheinlich ist es das, was uns in unserem Blick auf „die Gesellschaft“ in „dieser Zeit“ vereint …
Meinst du? Nun, warten wir es ab.
Indem Du das Spiel (aus der Meta-Perspektive) insgesamt als „lächerlich“, „langweilig“ oder „fantasielos“ abwertest, erschaffst Du Dir im Grunde Dein eigenes Problem, das Dich ermüdet oder erschöpft, wie Du sagst.
Eigentlich ist das ja schon echt eine witzige Wendung, dass wir wieder darüber diskutieren, ob die Erde vielleicht doch flach ist.
Ich finde Diskussionen über die Form der Erde jedenfalls immer noch anregend und spannend und oft sogar echt witzig und unterhaltsam.
Auch auf der (trivialen?) Ebene der Klärung von wissenschaftlichen Fakten.
Wenn man will, kann man das ganze Spiel betrachten wie einen „[Wettstreit zwischen] den verschiedenen Poeten“ (HvF: https://youtu.be/2KnPBg-tanE?t=1m37s) …
Wenn man interessiert zuhört, kann man in den unterschiedlichen Diskursen über Wahrheit und Wirklichkeit Resonanzen und Dissonanzen heraushören.
Ist das interessant, oder langweilig, was man zu hören bekommt? Reimt sich das oder eben nicht?
Das ist eben das Spiel, das die Leute spielen und so wird (soziale) Wirklichkeit gemacht. Ich finde das gar nicht so langweilig und ab und zu spiele ich auch selber gerne mit.
Eine Spielwendung, die mir gefällt, ist die Frage:
„Was wäre wenn?“/ „Was für Konsequenzen hätte es denn, wenn wir ein Glaubenssystem akzeptieren, das einer geläufigen Lehrmeinung fundamental widerspricht?“
Vielleicht es das, was Du meinst, mit: „Na und?“
Genau da, wo man sich traut die psychischen und sozialen Konsequenzen unterschiedlicher Glaubenssysteme auszuloten, wird es interessant.
Dann geht es nämlich um die Frage, warum man es denn jeweils vorziehen könnte an eine flache oder runde Welt zu glauben.
Stellen wir uns vor, wir hätten tatsächlich die Wahl, ob wir wirklich auf einer flachen oder kugelförmigen Erde leben wollen. Unsere Welt nimmt einfach tatsächlich die Form an, für die wir uns entscheiden, wir müssen dann aber mit allen damit einhergehenden Konsequenzen leben.
Für mich steht außer Frage, dass sich im Bezug auf die Wahrnehmung unserer sozialen Lebenswelt bereits ganz entscheidende Konsequenzen ergeben, je nachdem für welche Glaubenssysteme oder Lehrmeinungen wir uns entscheiden. Was sich in jedem Fall ändert ist unser Lebensgefühl und die Haltung und Erwartungen mit denen wir anderen Menschen begegnen.
Es ändert sich unser Erwartungshorizont und die erlebte Bandbreite von theoretischen, hypothetischen und konkreten Möglichkeiten, die sich uns erschließen verschiebt sich ganz deutlich.
Der Glaube an eine flache Erde ist zunächst untrennbar verbunden an den Glauben an eine gewaltige Intrige, die unser gesellschaftliches Leben fundamental durchzieht. Wenn wir uns nicht im Kreise von Eingeweihten wiederfinden, dann begegnen wir also entweder leichtgläubigen Idioten, die auf die Lüge eine runde Erde hereingefallen sind oder wir begegnen den Lügnern, die diese Lüge kolportieren und Beweise fälschen, um unsere Wirklichkeit zu verzerren.
Wenn ich nicht glauben will, dass wir ständig und überall von intriganten Eliten belogen werden, kann ich nicht glauben, dass wir auf einer flachen Erde leben.
Das ist vielleicht der maßgebliche Grund, warum ich viel lieber auf einem Globus leben möchte.
Ich habe in Diskussionen über die flache Erde oft auch konkret nachgefragt, ob die Leute denn lieber auf einer runden oder flachen Erde leben wollten, wenn sie sich das aussuchen könnten.
Das ist die Frage, die ich wirklich interessant finde!
Wenn man sich nicht mehr auf eine unbezweifelbar wirkliche Lebenswelt einigen kann, dann findet man Wahrheiten, auf die man sich einigen kann nur noch in der Betrachtung unterschiedlicher hypothetischer Szenarien, die man dann im Bezug auf ihre Konsequenzen vergleichen kann.
Leider hat die Frage wohl niemand verstanden oder ernst genommen.
Eine Antwort darauf, welche Welt sich die Diskutanten denn wünschen würden, wenn sie wählen könnten, hab‘ ich bisher nicht bekommen.
Wenn ich mich selber fragen würde, was für mich attraktive Gründe wären, das Glaubenssystem einer *globalen Intrige zur Verschleierung der flachen Erde* zu akzeptieren, dann ginge es dabei eigentlich nur um Eitelkeiten.
Wenn ich das Glaubenssystem „Flache Erde“ akzeptiere, dann gehöre ich zu einer relativ kleinen Elite von Leuten, die die große Intrige der Welt(all)-Fälscher durchschauen.
Ich weiß, dass die Erde flach ist und dass alles Bild- und Videomaterial aus dem (nicht-existierenden) Weltall gefälscht sein muss.
Ich bin schlauer als alle anderen, die immer gemeint haben, dass sie aufgrund ihrer Schulbildung schlauer sind oder mehr wissen.
Ich weiß Bescheid. Die Schlaumeier haben sich alle an der Nase herumführen lassen.
Das ist eine grundlegend paranoide und narzisstische Haltung, die mir nicht geheuer ist. Das ist, was sich ändert, wenn die Erde flach ist:
Meine Haltung gegen meine Mitmenschen und der Horizont meiner Erlebniswelt.
Außerdem finde ich es aufregend darüber nachzudenken, was sich noch alles für Möglichkeiten auftun, wenn das Phänomen Leben sich über die Grenzen dieser Welt hinaus auf andere, neue Lebenswelten im Weltall erstreckt.
Ich finde den Gedanken deprimierend in einer flachen Ameisenfarm gefangen zu sein. Eine Welt mit Deckel oben drauf gefällt mir nicht.
Außerdem sehe ich mir gerne den Mond an.

… und ich liebe Sonnenauf- und -untergänge!
https://www.videoblocks.com/video/timelapse-of-large-bright-sun-down-on-sunset-over-the-sea-high-quality-raw-record-no-noise-6v5oorn
Die beste aller vorstellbaren Welten ist die Wirkliche!
Die Wirkliche Welt ist in jedem Fall diejenige, die uns jeweils besser gefällt.
Wenn wir über die Form der Erde nachdenken, dann geht es um die Frage, welche Form uns am besten gefällt und:Warum.
Feindkontakt!
Nathan Tompson ist informiert, dass die Erde flach ist.
In einem Starbucks Café stellt er einen NASA-Lügenbold. Nathan hat gehört, dass ein Astronaut beinahe ertrunken ist, in seinem Raumanzug! 😕
Nathan geht wohl davon aus, dass Luca Parmitano beim Versuch Video-Aufnahmen aus dem nicht-existierenden Weltraum zu fälschen einen Tauschunfall in einem Pool erlitten hat.
(Beweismaterial Flat Earth: https://youtu.be/8PB7AwZzaOo / Schwache Erklärung der ESA: https://www.youtube.com/watch?v=teT4fmu-MZY)
Für den Fall, dass ein Schauspieler der ESA/NASA einen Tauchunfall weitgehend unbeschadet übersteht, wäre es selbstverständlich klüger gewesen, den gesamten Vorfall geheim zu halten.
(Höchstens schwere oder tragische Unfälle mit Todesfolge würden wohl zwingend eine öffentliche Erklärung erfordern.)
Die ESA/NASA-Fälscher haben aber eine eigene Story veröffentlicht:
Astronaut Luca Parmitano ist laut Lügenberichten der Weltraum-Verschwörer am 23. Juli 2013 mit seinem Raumanzug unterwegs an der Außenseite der ISS gewesen, als von seinem LCVG (Liquid Cooling & Ventilation Garment) Kühlwasser in seinen Helm vorgedrungen ist. Aufgrund der Schwerelosigkeit im All verhält sich das Wasser nahezu unberechenbar und kann leicht eingeatmet werden. Parmitano ist aber ruhig geblieben und heile zurückgekehrt. →https://www.space.com/24835-spacesuit-water-leak-nasa-investigation.html …
Es gibt also Beweise.
Dieses kleine Videobeispiel zeigt sehr gut, wie Informationsunterschiede durch Beweise nicht bereinigt, sondern erst hergestellt werden. Beweise können jedoch erst dann etwas beweisen, wenn durch soziale Ordnungen Informationsunterschiede nicht nur in ihrer Komplexität hergestellt, sondern immer auch reduziert werden. Etwas zu beweisen (allgemein: Referenzierung zu garantieren) heißt, selektiv solche Unterschiede anzuführen, die sozial genauso erwartbar wie enttäuschbar sind. Das heißt aber, dass nicht immer alles, was man sagen könnte, auch gesagt wird, sondern immer nur etwas, was sich zur Ordnungsfindung eignet, wozu zweierlei gehört, die Bestätigung von Erwartungen genauso wie deren Widerlegung oder Enttäuschung. Eine Ordnung, die daraufhin möglich ist, lässt einerseits viele weitere Möglichkeiten der Weiterreferenzierns zu, verengt oder verknappt aber zugleich den Möglichkeitsspielraum weiterer Selektivität. So kommt es, dass vieles andere, was irgendwie auch möglich wäre, gar nicht selektiv in Erscheinung treten kann, weil sich eine jede Referenzierungsordnung zugleich ihre Voraussetungen (hier: Kartographie) selber schafft.
Wenn nun eine solche Referenzierungsordnung, also Ordnung, die sich selbst erwartbar macht, nicht mehr als eine unwahrscheinliche Möglichkeit ins Auge fällt, passiert das, was in dem Video oben erzählt wird: Es werden die Voraussetzungen, die Selektionsleistungen steuern, nicht mehr begriffen, ja, es kann nicht mehr rekapituliert werden, dass es überhaupt noch geordnete Voraussetzungen gibt.
In diesem Beispiel fällt die Kartenprojektion auf (1); also die Umbrechung einer dreidrimensionalen Krümmung in einer zweidimensionalen Darstellung. Auch die Kartenprojektion ist ein Ergebnis jener Referenzierungsordnung, die in diesem Video bestritten wird. Wenn diese Refeenzierungsordnung aber nicht zuverlässig wäre, dann kann man sich auch nicht auf die Kartenprojketion verlassen, was jeder Kartograph übrigens zugeben würde, weil die Projektion auch anders vorgenommen werden kann. Einfach formuliert: eine jede Kartenprojektion ist unzuverlässig, denn genau dies wird in der Referenzierungsordnung vorausgesetzt. Es wird in dem Video nur die Zuverlässigkeit der Kartenprojektion bestritten, aber dies wiederum wird in der Referenzierungsordnung zugegeben, was nur heißt: wird eine dreidimensionale Krümmung auf eine zweidimensionale Fläche übertragen, ergeben sich daraus keine beliebig verlässlichen Umrissgestalten und Entfernungsangaben.
Will man eine zuverlässige Kartenprojektion einer Fläche auf eine massstabsgerechte kleinere Fläche vornehmen, müsste man erst eine solche Karte selber herstellen. Man müsste die Karte einer flachen Erde von der flachen Erde selbst abnehmen.
Dass der Kommentator davon nichts wissen will, könnte man ihm zum Nachteil auslegen. Man kann sich aber auch fragen, wie es möglich wird, dass eine gute geordnete Referenzierungsstruktur wie die Kugelgestalt der Erde mancherorts nicht überzeugen kann.
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(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Kartennetzentwurf