Medieninnovation als Überfall 6 schöpferische Zerstörung
von Kusanowsky
Maschinensturm, Zerstörung eines Webstuhls (1812) Wikipedia
Am Anfang war die Immunreaktion. Bildersturm – Maschinensturm – Shitstorm. Man darf nicht darüber nachdenken. Und allen, die es dennoch tun, sei angelobt: Es macht nichts. Einfach weiter machen. Das stört kaum jemanden.
Aber im Ernst: Am Anfang war das Nichtwissen über die Zukunft. Am Anfang steht das Weitermachen wie bisher, weil man sich etwas anderes nicht vorstellen kann? Die Maschinenstürmerei des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts war bereits ein Zitat. Zitiert wurde der Bildersturm der Reformationszeit, aber es ging nicht mehr um das Seelenheil eines gnadenbedürftigen Sünders; jetzt ging es um Rechte: Wenn schon nicht mehr Untertan, der unfrei ist und zu gehorchen hat, dann ein gleichberechtigter Bürger, der mitbestimmen darf.
Das ging aber nicht. Märkte erfordern Organisation. Wenn eine Gesellschaft alles, was sie produziert, zum Tausch anbietet, dann müssen auch alle Beteiligten etwas haben, das sie tauschen können. Aber wo sollen sie das her haben? Organisation (und ihre Durchsetzungsfähigkeit) kann nicht geplant werden.
Am Anfang war also die Tat, die Widertat, die Aktion?
Dass auch der Maschinensturm, von dem bald eine organisierte Sozialdemokratie nichts wissen wollte, eine fortschrittliche Sache ist, zeigt sich daran, dass mit ihm Organisation wahrscheinlicher wurde. Die frühen Maschinenstürmer hatten Maschinen zerschlagen und die Menschen am Leben gelassen. Schöpferische Zerstörung.
Am Anfang ist die Kreativität des sozialen Sinns von Medieninnovationen.
Fortsetzung folgt.
Hier ein Sozialtheoristen-Podcast mit Moritz Klenk und Wolfang Eßbach
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Das rechts-links-Schema einer parlamentarischen Sitzordnung, das sich infolge der französischen Revolution eingebürgert hat, gibt es, weil die Gesellschaft nichts über ihre Zukunft weiß, aber auf Gedeih und Verderb auf sie angewiesen ist. Wo vordem an Gott als den Lenker des Weltgeschehens geglaubt wurde, weshalb, was die Zukunft betraf, das Nichtwissen der Menschen im göttlichen Willen seine Heimat fand, da ergab sich im Bereich der Nachfolgegesellschaft als menschliche Erfahrungsgemeinschaft keine verlässliche Instanz.
Deshalb links als Aufforderung, trotz allen Nichtwissens weiter zu machen, also: Hoffnung – Fortschritt. Und deshalb rechts: Wegen des Nichtwissens bei dem bleiben, was man hat, also: Angst – Beharrung.
Daran kann sich solange nichts ändern, wie Nichtwissen (um zukünftige Ereignisse, die prinzipiell dämonisch sind) als Aufgabe oder Auftrag für menschliches Handeln oder Engagement aufgefasst wird. Solange bleibt Zukunft immer eine Zumutung, weshalb Angst und Hoffnung die besten Devitationsstrategien sind. Wer nicht weiter weiß schlägt Alarm oder verspricht Gewinn.
Die Luddisten waren entsprechend modern. Ob links oder rechts spielt keine Rolle. Modern deshalb, weil sie nicht mehr gehorsam bleiben konnten. Sie hatten keinen Herrn mehr. Und sie waren deshalb zivilisierter: Menschen töten war keine Alternative. Also Maschinen zerstören.