Arbeit am Sozialen? Oder Arbeit am Unbekannten? @sms2sms
Wenn die soziale Arbeit nicht eine Arbeit an Körpern und Psychen sein sollte, sondern Arbeit am Sozialen, dann hat sie es entweder ganz leicht oder ganz schwer.
Ganz leicht dann, wenn man es bei bekannten Routinen und Referenzierungsstrategien belässt. Denn all das, war wir auf diese Weise kennen gelernt haben, ist durch die Arbeit an Körpern und Psychen entstanden und ist davon geprägt. Nehmen wir die Stimme, das Gesicht des Redners, nehmen wir seine Sprechweise. Ich zum Beispiel habe die Stimmlage des Schweizerdeutsch ja nicht nur dadurch als einprägsam kennen gelernt, weil ich es als Norddeutscher zuerst räumlich getrennt und dann durch Schulferien in der Schweiz kennen lernte, sondern vielmehr und zuerst durch Unterhaltungsformate im Fernsehen, wie etwa durch die Späße des Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger, den ich, noch bevor ich jemals einem Schweizer begegnet war, schon deshalb so lustig fand, weil seine ulkige Art zu sprechen mir hoch artifiziell erschien, ich also das Schweizerdeutsch durch das Fernsehen als Komikersprache kennen lernte. Erst nach der Rückkehr aus der Schweiz hatte ich aufgrund der vielen Eindrücke ganz andere Interessen daran, mich für die Schweiz zu interessieren. Mein erster Schulferienaufenthalt 1984 (als 15 jähriger) in Schwyz war ja, wie der gesamte Schulunterricht überhaupt, eine Erziehung zum Konsum (so Ivan Illich), so dass dann meine eigene Befassung mit Literatur über die Schweizer Geschichte durch regelmäßige Besuche der Stadtbücherei auch nichts anderes war als meine eigensinnige Weiterbefassung mit solchen Strukturen, die die Sozialisation von Konsumerfahrung festigten. Und Erziehung und Sozialisation zum Konsum ist nichts anderes als Arbeit an Körper und Psyche.
Aus diesem Grund bin ich so klug: Ich bin durch die Arbeit am Sozialen hindurch gegangen. Körper und Bewusstsein haben (fast) immer brav mitgemacht.
Wenn nun also die Arbeit am Sozialen weiter gehen soll, es aber so nicht mehr weiter gehen kann, dann fehlen mir zunächst viele Worte. Das Reden und Schreiben gleicht einer Stammelei, einem stümperhaftem Gelaber. Körper und Psyche können dann nicht mehr so einfach mitmachen, wenn die Strukturen der Arbeit am Sozialen andere als die bekannten sein sollten. Dann sind sie unbekannt. Das aber heißt: Körper und Bewusstsein auf eine andere als auf eine bekannte Weise zu trainieren. Aber wie? Sollte deshalb die Arbeit am Sozialen vielleicht eher die Arbeit am Unbekannten sein?
Das ist nicht so einfach. Jedenfalls bleibt die Arbeit an Körpern und Psychen unverzichtbar, wenn sie weiterhin mitmachen sollen und wollen. Deshalb verschwinden Körper auch nicht.