Technik ist Behinderung, ist Spielzeug, kein Werkzeug

Technik ist die Meisterung von Behinderungen, die durch sie in die Welt gesetzt werden. Hier Auszüge aus: Winkler, Hartmut: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. München 1997.

Das eigentliche Rätsel nämlich scheint mir zu sein, warum eine so grundsätzliche Innovation, ein so grundsätzlicher Umbau der Medienlandschaft überhaupt stattfindet, oder besser: was diesen Umbau offensichtlich erzwingt. Verblüffend ist doch, daß eine Öffentlichkeit, die mehr als 100 Jahre lang auf die Bildmedien eingeschworen schien, auf Visualität, Sinnlichkeit und unmittelbare ›uses and gratifications‹, nun das ganze Paradigma fallen läßt und sich einem Medium zuwendet, das – auch wenn der gegenwärtige Multimedia-Hype dies strategisch verdeckt – in keiner Weise sinnlich und in keiner Weise visuell ist und nur sehr wenig unmittelbare Befriedigungen bietet. Computer, das weiß jeder, der mit ihnen zu tun hat, halten ganz im Gegenteil erhebliche Frustrationspotentiale bereit, eine zermürbende Fehlerstruktur, ein dauerndes Gefühl der Inkompetenz und die Erfahrung, die Pracht der Maschine fast grundsätzlich zu unterbieten. Was also macht ein solches Medium attraktiv? S. 10-11.

Warum scheint es notwendig, immer mehr und immer kompliziertere Technik einzusetzen, nur um kleine, ›leichte‹ Signifikanten zu handhaben und in immer neue Kombination zu bringen? Welches Defizit oder welches Begehren also treibt die Entwicklung der Medien voran? S.14.

… die Widersprüche nämlich lassen einen Blick weniger auf die ›Realitäten‹ des entsprechenden Mediums zu als auf die Wunschkonstellationen, die die Medienentwicklung zu einem konkreten Zeitpunkt bestimmen. Die grundlegende Annahme ist, daß die Dynamik der Medienentwicklung in bestimmten Wunschstrukturen ihre Ursache hat und daß die Mediengeschichte beschreibbare Sets impliziter Utopien verfolgt.
Dabei wird zunächst offenbleiben müssen, ob dies die Wünsche der an den Prozessen konkret Beteiligten sind, ob sie deren Bewußtsein erreichen können, oder ob sie überhaupt einen menschlichen Träger verlangen; der Begriff des ›Wunsches‹ meint insofern eher die Systemspannung selbst als ihre subjektive Vergegenwärtigung, und eher den Druck in Richtung einer Lösung als die Versi-
cherung, daß eine Lösung tatsächlich gefunden werden kann. Und
ebenso muß zunächst offenbleiben, ob es nicht ganz anders geartete
Wünsche gibt, die diesen Wunschkonstellationen widerstreben. S.16-17.

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