Konsument, Zuschauer, Bürger und Untertan 1. Teil
von Kusanowsky
Konsument, Zuschauer, Bürger und Untertan. Eine paranoische Archäologie des politischen Subjekts, nebst einer politischen Ökonomie der Massenmedien. Von Klaus Kusanowsky Teil 1
Mit diesem Text (pdf) möchte ich den Entwurf einer theoretischen Skizze vorschlagen. Es geht um die Frage, wie man die Evolution des selbstreferenziellen Funktionssystems der Massenmedien beschreiben kann. Die Frage scheint mir deshalb von Bedeutung, da das Aufkommen des Internets und seine apokalyptische Funktion Unklarheiten darüber aufwerfen, wie eine bekannte und vertraute Welt, die auf Massenmedien angewiesen ist, gerettet werden kann. Ich gehe davon aus, dass es nicht gelingen wird, eine bekannte und vertraute Welt zu retten. Alles weitere ist ein Lernprozess, den zu ordnen das Internet von Bedeutung ist.
Der Text wird etwas länger werden. Deshalb poste ich ihn in Teilen. Weitere Teile sind bereits fertig und werden folgen.
Ich brauche Korrekturleser, die mir helfen, den vollständigen Text besser lesbar zu machen. Wer mit hilft bekommt dafür schlicht nichts. Das ist der nützliche und wirksame Sinn von Lernen. Alles andere ist Hokuspokus, der denen nützt, die nicht mehr lernen brauchen.
1.1 Die Ausschaltung der Ausschaltung
Bislang galt, dass Massenmedien das Publikum und Parteien die Wählerschaft ausschalten.
* Die Ausschaltung des Publikums gelang bisher dadurch, dass es den Empfangsapparat einschaltet und sich in dem Augenblick einer Bildschirmfesselung aussetzt, die es unmöglich macht, etwas anderes gleichzeitig zu tun, das für die massenmediale Kommunikation von Bedeutung wäre (z.B. Bügeln, auf dem Sofa sitzen, Autofahren, Frühstücken.) Aufgrund dieser Ausschaltung wissen die Sender/Verlage nichts über ihr Publikum und müssen darum Markt- und Konsumforschung in Auftrag geben, um aufgrund ihres eingeschalteten Sendeapparates etwas über das zu wissen, was sich ausgeschaltet hat, nämlich das Publikum. Die Sendeapparate müssen aber etwas über die Konsumgewohnheiten wissen, damit Programm- oder Blattgestaltung als Werbeumfeld konzipiert werden kann. Die Ausschaltung des Publikums macht den Zuschauer zum Konsumten und damit für eine politische Ökonomie relevant. Wichtig auch, dass das Publikum/die Konsumenten nicht organisierbar sind aufgrund einer vollständigen Individualität von Kauf- und Konsumentscheidung. Der Grund dafür ist die Individualitätsparadoxie, die besagt: jeder ist anders, nur ich nicht, was für jeden gilt. Diese soziale Konformität von Individualität lässt sich nicht organisieren.
* Die Ausschaltung des Wählers gelingt durch demokratische Partizipation. Die demokratische Partizipation (Durchführung von Wahlen) hat den Charakter einer verbindlichen Umfrage unter den Bürgern. Die Auswertung von Wahlergebnissen gibt nicht etwa zur Aukunft, was die Wähler wollen, denn das sind nur Individuen, sondern wer innerhalb der Partei- und Staatsorganisation seine Karriere in welcher Position innerhalb eines Machtgebildes fortsetzen darf und wer nicht. Wer seine Karriere durchsetzt, gibt zur Auskunft, was der Wähler will, der nun nicht mehr widersprechen kann. Wer gewählt hat, hat keine Stimme mehr, hat sie abgegeben, ist durch Beteiligung an diesem Geschehen ausgeschaltet und hat kaum eine Chance, sich wieder einzuschalten.
Wer dies dennoch versuchen will, wie beobachtbar Piratenpartei, AfD und andere vorher wie etwa die Grünen, muss eine eigene Parteiorganisation aufbauen, was, weil dies Machtapparate sind, die auf etabilierte Machtverhältnisse und damit auf entwickelte Routinen der Machtausübung treffen, nicht sehr einfach ist. Darum sind diese Versuche stets mit sehr viel Stimmungsmache („Protestparteien“, Populismus) verbunden. Denn nur über Stimmungsmache kann das ausgeschaltete Publikum für Sendeanstalten und Verlage wiederum als Thema der Berichterstattung in Frage kommen. Administrative Sachfragen sind nämlich durch Verwaltungszwänge determiniert, über die man eine Masse nicht informieren kann, weil diese Detailfragen kaum einer versteht. Dehalb Stimmungsamche. Das versteht jeder. Gelingt diese Berichterstattung, dann gelingt wieder die Ausschaltung des Publikums. Und gelingt eine stabile Parteiorganisation, dann gelingt wieder die Ausschaltung der Wählerschaft.
Wichtig ist, dass die Ausschaltung der Wählerschaft und die Ausschaltung des Publikums sich gegenseitig zur Voraussetzung haben. Das eine gelingt nur, wenn das andere gelingt. Es handelt sich dabei um ein medienökologisches Bedingungsgefüge des wechselseitigen Voraussgesetztseins von Ausschaltung durch Einschaltung, bzw. Partizipation.
In beiden Fällen setzen sich Organisationen und ihre Zwänge durch, nämlich Verlage/Sendeanstalten und Staat/Parteien und in der weiteren Entwicklung machen diese Organisationen eigenwillig weiter. Was wäre nun, wenn die Ausschaltung des Publikums nicht mehr gelingt, weil es keinen Apparat mehr einschaltet? Sondern wenn ein Apparat aus international vernetzten Computern das Publikum einschaltet? Das ist Internet. Das Internet ist die Einschaltung eines nicht organisierbaren Publikums/Konsumenten. Was wird dann ausgeschaltet, wenn Konsumenten/Publikum eingeschaltet werden? Ausgeschaltet wird der Zuschauer, gemeint ist die soziale Formatierung einer bestimmten politischen Subjektivität und damit zugleich der objektive Resonanzraum ihrer Politologie, also eine bestmmte Art von Öffentlichkeit, die auf solche Ausschaltungsoperationen eingerichtet ist.
1. 2 Die Innenseite der Außenseite
Das Publikum war für konventionelle Massenmedien immer die Außenseite und damit ihre fremdreferenzielle Wirklichkeitskonstruktion, die gebraucht wurde, um die Beobachtung ihrer Selbsreferenz zu vermeiden. Wenn nun das Publikum, das sich nicht organisieren kann, eingeschaltet wird, verschwindet es und damit verschwindet eine bestimme Art der Herstellung von Öffentlichkeit, die es immer vermeiden konnte, das Publikum zu publizieren.
Aber eben dies gelingt mit dem Internet: Veröffentlichung von Öffentlichem, Aufdeckung von Unverborgenem, Bekanntmachung von etwas, das nicht unbekannt ist, Wiederherstellung von Wiederhergestelltem, Erinnerung an Unvergessenes, die Betonung von Selbstverständlichkeiten, die dann keine mehr sind usw.
Bei Google StreetView ist dies der öffentliche Raum, der veröffentlicht wird. Bei Anonymous ist dies die Praxis des Doxing, heißt: veröffentliche Datensätze zusammenzufassen und noch einmal zu veröffentlichen. Bei Twitter zeigt sich das in der Paranoia der Adresse. Das heißt, das die Adresse durch ihre Publikation bereits adressiert ist, also Selbstadressierung stattfindet. Aber diese Apokaylptik stößt noch an die Grenzen, die durch Internet-Monopolisten und Staatsmacht gegeben sind. Denn beide Großorganisationen können noch die Imagination eines Exklusivwissens über eine Außenseite aufrecht erhalten. Bei den Konzernen ist dies ein Wissen über die Nutzer, das niemand widerlegen kann, weil niemand weiß, was sie wissen. Etwas ähnliches gilt auch für staatliche Geheimdienste. Diese Machtapparate können immer noch eine eigene Professionalitätsmagie betreiben, die glaubhaft macht, dass da eine Außenseite sei, dass es da noch etwas gebe, was dahinter stecke.
Es könnte also immer noch eine unaufgedeckte Seite der wirklichen Welt geben. Das funktioniert, weil diese Machtapparate Zugeständnisse an Versachlichug immer noch verweigern können. Darin besteht für die Konzerne ihr Geschäftsmodell, das tasächlich nur eine Blase aus Erwartungen an Wissen über Nutzer ist und sich als paranoische Problemstelle für eine Poliotologie des Konsumenten darstellt, nämlich: Datenschutz. Und für den Staat besteht darin der Anspruch, ein Gewaltmonopol durchsetzen zu können. In welcher Weise diese ideologischen Verweigerungen in den nächsten 2 Jahrzehnten durchaltbar bleiben, kann heute niemmand wissen.
Aber dennoch kann man schon fragen was ein Publikum, das keine Außenseite mehr hat, leisten kann? Die Antwort könnte lauten: die Aussenseite ist seine Innenseite, über die kaum etwas Entscheidendes bekannt ist, weil alles, was dazu noch beobachtbar werden kann, in einer Vergangenheit liegt, die erst in der Zukunft entsteht.
Fortsetzung folgt
1.3 Selbstorganisation und Kapitalakkumulation
Die soziale Welt, die Gesellschaft, hat an entscheidender Stelle sich selbst zur Voraussetzung nicht zuerst Menschen, Familien, Märkte, Institutionen aller Art oder Organisationen. Wenn aber die soziale Welt der Moderne, insbesondere in Hinsicht auf die Formen ihrer Vergesellschaftungsleistung, Organisationen in ihrer Durschsetzungsfähigkeit priorisiert, dann kann dies durch die Macht von Organisationen nur schwer beobachtbar werden und wird leichter beobachtbar, wenn nun durch Internetnutzung auch Organisationen unter einen gesellschaftlichen Selektionsdruck geraten, der die Ausschaltung der Ausschaltung provoziert. Denn damit wird zugleich eine Selektivität initialisiert, die die Beobachtung von Selbstorganisation erforderlich macht.
Worin besteht der Selektionsdruck, der durch das Internet erzeugt wird? Das Internet ist kein System im soziologischen Sinne, weil es keine eigenen Grenzen erzeugt, sondern ist eine globale Umwelt für alle Systeme ohne Ausnahme. Die Selektivität von Internetkommunikationen ist darum, weil sie für jedes System als Umwelt potenziell in Frage kommt, freigestellt für alle nur möglichen Verkoppelungen, dazu gehören vorhersehbare wie unvorhersehabare, erwünschte wie unerwünscht, langfristige wie kurzfristige, geeignete wie ungeeingete Verkoppelungen, zzgl. der Chancen ihrer Reprodktion und Verstetigung. Darin besteht der Selektionsdruck, insbesondere für Organisationen die es jetzt, neben ihren gewohnten Umwelterwartungen zusätzlich mit einer ungeeigneten Umwelt zu tun bekommen. Denn ungeeignet sind alle Koppelungen, die die Priorisierung von Organisationen entweder nicht befördern oder sogar sabotieren, was aber nicht dazu führt, dass Organisationen keine Durchsetzungschancen mehr hätten. Was sich ändert ist, dass sie nun Lernprobleme aufgedrückt bekommen, denen sie bislang gut aus dem Wege gehen konnten.
Ich nenne das: die Vermeidungsstrukuren der Gesellschaft, die sich entwickelt haben, um bestimmten Formenbildung gegenüber ganz anderen zu bevorzugen, werden nun selbst vermieden. Aber das kostet etwas, nämlich die Lernbereitschaft, etwas zu lernen, das noch nicht gelernt wurde, sprich: eine Investition ohne ermessbare Zukunftssicherheit. Da diese Investition mit bekannten Kapitalien nicht getätigt werden kann, weil sie der Strukturdetermination unterliegen, muss entweder unbekanntes, bzw. ungenutztes, überflüssiges, redundantes Kapital akkumuliert werden. Oder bekanntes und vorhandenes kapital wird, da es aufgrund der Strukturdetermination nicht für bekannte Zwecke einsetzbar ist, für noch unbekannte Zwecke, noch nicht gut geordnete Märkte eingesetzt. Ich kann mir vorstellen, dass ein nicht unbedeutender Teil der Investionen in StartUps darin besteht, Lösungen für Probleme zu finden, die es noch gar nicht gibt.
Deshalb vermute ich, Social media ganz allgemein ein Medium für Kommunikation ist, das als Lösung zunächst noch überflüssig ist, weil es wenig geeignete Probleme gibt für die dieses Medium eine Lösung darstellt.
Folglich beobachten wir bei social media-Plattformen entweder nur Optimierungslösungen für bereits bekannte Probleme, oder es machen sich pathologisch wirkende Immunreaktionen bemerkbar, die allerdings nur aufgrund einer unzureichenden Ordnung so aussehen. Tatsächlich sind diese Immunreaktionen nur der Ersatz für fehlende Erfahrung, bzw. Ersatz für eine untaugliche Ordnung, die Erfahrung wiedererkennbar macht. Und die Immunreaktionen sind der Versuch eine vertraute Welt zu retten, also hiflose, weil unbeaufsichtigte Versuche, eine Veränderung zu vermeiden. Aus diesem Grund kann ich diese ganze Hasskommunikation, wie sie sich mit dem Internet zeigt, nicht einfach geringsätzend ablehnen.