Über Kunst, Sport und Verbrechen

zurück / Fortsetzung: Mark Landis und Wolfgang Beltracchi sind zwei Künstler, die mit der gleichen Methode der Fälschung von Kunstwerken zwei ganz unterschiedliche Wirkungen im System der Kunst hervor gerufen haben. Beltracchi wurde als Verbrecher überführt und verurteilt, Landis dagegen konnte keines Betruges überführt werden. Er ist ein Sportler, wie ich behaupten möchte. Beltracchi konnte mit seiner Methode die Struktur der Kunst nicht beeindrucken, Landis dagegen konnte mit der selben Methode für die Beurteilung von Kunst eine Neuerung vorschlagen.

Die Methode der beiden bestand darin, unbekannte Kunstwerke von bekannten Künstlern originalgetreu anzufertigen, also Bilder zu malen, die die Maler niemals gemalt haben, aber hätten malen können, diese Kunstwerke mit einer erfundenen Geschichte über ihre Herkunft zu versehen und sie in die Öffentlichkeit zu bringen. Beltracchi wurde als Krimineller verurteilt, weil er seine Bilder verkauft, Landis dagegen wurde als Künstler geehrt, weil er seine Bilder an Museen verschenkt hatte. Jedoch wurden die Aktivitäten der beiden beendet: Beltracchi, indem er ins Gefängnis ging, Landis, indem er zu Berühmtheit gelangte, die ihm sein Geschäft der Fälschung nun sehr erschwert.

Ich nenne nun Landis einen Sportler, der sich mit seiner Vorgehensweise auf eine Struktur der Fairness eingelassen hat und Beltracchi einen Verbrecher. Aus welchem berechtigten Grund kann man Beltracchi einen Verbrecher nennen? Der Grund ist nicht, weil er gefälscht, gelogen und betrogen hat. Das hat Landis auch getan. Der Grund ist auch nicht, weil er für seine Bilder Geld genommen hat. (Was Landis allerdings nicht getan hat. Aber aus diesem Grund ist Landis noch kein Sportler.) Der Grund ist, dass Beltracchi ein Foulspiel begangen hat, welche in der Kunst übrigens ziemlich üblich sind, aber Beltracchi hat sich der Sanktionierbarkeit seiner Handlungen entzogen, hat sich versteckt, hat seine Spuren verwischt. Weil er wusste, dass er foulspielt konnte er nicht damit einverstanden sein, dass er gestellt und gestoppt wird. Für Beltracchi war dies keine akzeptable Sache. Auch deshalb nicht, weil ihm klar war, dass es im Kunstbetrieb keine Fairness gibt. Darum hat er nur auf das Tor seiner Gegner gespielt und wollte verhindern, dass seine Gegner auch auf sein Tor spielen. Das ist nicht nur unfair, das ist kriminell. Aus diesem Grunde kann Beltracchi nicht die Neuerung einführen, dass es eine Kunst sei, Kunst nachzuahmen.

Der Sportler, der behauptet der Bessere zu sein, lässt zu, dass andere, die das auch behaupten, dies unter Beweis stellen können. Aber warum musste Landis Kunstwerke fälschen um beweisen zu können, dass er ein guter Künstler ist? Die Antwort ist: niemand hätte seine Herausforderung angenommen. Jeder hätte seine Ankündigung, originalgetreue Bilder malen zu können, belächelt und zwar mit durchaus unfairen Motiven: es sei ja keine Kunst, Kunst nachzuahmen. Unfair ist das deshalb, weil der, der so etwas sagt, sich einfach einbildet, ein zuverlässiger Richter hinsichtlich der eigenen Meinung zu sein.
In sportlicher Hinsicht gilt: wer behauptet, besser als andere beurteilen zu können was Kunst sei und was nicht, der überlässt die Entscheidung einem Richter. Ein Sportler ist niemals Richter in eigener Sache. Da es nun aber in der Kunst, ähnlich wie in der Wissenschaft, nirgends eine Schiedsrichterinstanz gibt und nicht geben kann, hat Landis eben dies als Herausforderung angenommen: wenn es eine Kunst ist, Kunst nachzuahmen, dann kann der Künstler nicht selbst darüber entscheiden. Er muss dies anderen überlassen. Aber wem? Da es keine Adresse gibt, an die er sich wenden kann, muss er es dabei belassen darauf zu warten, dass sich eine Adresse an ihn wendet. Und wenn sich jemand bei Landis meldet, dann darf der sich fragen lassen, was er denn eigentlich will. Da nun die Besitzer dieser gefälschten, aber geschenkten Bilder diese Frage nicht mit der Ausrede beantworten konnten, dass sie um Geld betrogen wurden, müssen sie zur Sache kommen: Kunst oder nicht? Und je länger sie eine Auskunft verweigerten, um so unbekümmerter konnte Landis sein Fälschergeschäft weiter betreiben, was er solange getan hatte bis die Verzweiflung unter Museumsbetreibern so groß wurde, dass sie sich schließlich der Versachlichung des Anliegens nicht mehr länger widersetzen konnten.
Versachlichung heißt hier, die Sportlichkeit des Anliegens ernst zu nehmen. Warum ist Landis ein Sportler?
Er ist ein Sportler, weil er
1. darauf verzichtet, Richter in eigener Sache zu sein
2. die Bereitschaft hat, sich verfolgen, sich stellen zu lassen und sich für Sanktion ansprechbar zu machen
3. nichts gegen andere mit Macht durchsetzt, sondern weil er einfach nur darauf wartet, dass sich Fairness von selbst durchsetzt.

Das hätte nicht gelingen müssen. Aber auch mit dem Scheitern hätte Landis einverstanden sein müssen. Aus Gründen der Fairness.

Fortsetzung

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