Differentia

Monat: August, 2016

Lieber Phil Eulenspiegel, @pr1miTiv3

1. Wieso ist die Unterscheidung Geist/Materie Szientismus und wieso wäre eine ohne Organisationszwang das nicht?
2. Gibt es da überhaupt einen Zusammenhang, und wenn nein, wieso ein solches Unterfangen überhaupt Wissenschaft nennen?
3. Wenn man „Geist“ durchstreicht, werden die Beziehungsgeflechte, Kommunikationen und Strukturen auf magische Weise materiell?
4. Wenn nicht so reduziert werden soll, die Unterscheidung also aufgehoben werden soll, was bleibt da außer einem Anachronismus.

Lieber Phil Eulenspiegel,
ich finde die unbeirrbare Hartnäckigkeit, mit der du mir unverlangte Leserbriefe schickst, sehr schmeichelhaft, denn das beweist ja, dass ich ein Problem habe, das ich nicht so einfach lösen kann, was nur daran liegen mag, dass ich ganz falsch kommunziere, weshalb es logisch ist, dass du nicht genau verstehst, worum es eigentlich geht. Es kann also nur an mir liegen, für Klarheit und Verständlichkeit zu sorgen. Das möchte ich mit diesem kurzen Text versuchen; und möchte, um diesen Versuch in die Anführungsstriche einer Verbindlichkeit zu setzen, ihn mit einer Drohung versehen.
Sollte dir das Ergebnis nicht gefallen, weil es deiner Denkungsart zuwiderläuft und du dich darum genötigst fühlen magst, folgende Überlegungen mit Ablehnung, Geringschätzung oder Spott zu kommentieren, dann ist das dein gutes Recht. Nichts ist billiger als ein Recht auf eine eigene Meinung, welche ich dir selbstverständlich gönne, was mich aber nicht davon abhalten wird, dich anschließend, solltest du also einen Mangel an Geduld zeigen, mit Schwachsinn und Hasskommentaren zu überschütten, um dich dann bei Twitter zu blocken und die Zustellung meiner Blog-Artikel an dich zu unterbinden.
Der Grund dafür besteht in meiner besonderen Verantwortlichkeit für den Schwachsinn, den ich schreibe, und darin, dich von der Lektüre meiner Texte so lange zu verschonen, bis du eines Tages darüber nachdenken kannst, dass es nicht nur auf den Quatsch ankommt, den ein anderer schreibt, sondern auch darauf, welchen Quatsch der andere des anderen liest.
Mit einem Satz: ich möchte dir eine Verkehrsregel vorschlagen, die besagt: ich bin nur verantwortlich für den Quatsch, den ich schreibe, nicht für den Quatsch, den du liest. Solltest du mit dieser Regel nicht einverstanden sein, dann werde ich damit einverstanden sein, dass du nicht einverstanden bist. Einverstanden?

Gut. Also zur Sache:

Entgegen der Selbstbeschreibung der modernen Philosophie, die insbesondere in ihrer selbst konstruierten Ideengeschichte zum Ausdruck kommt, besteht das Problem der Philosophie nicht in Erkennen, Erkennenkönnen, Erkenntnis und auch nicht in einem Problem des Erkennntnisproblems. Denn was immer man sonst noch über die moderne Philosophie sagen kann, mindestens kann man zweierlei sagen: Erstens können Philosophen alles erkennen, was sie erkennen können und zweitens haben sie darum ihr Erkenntnisproblem (was auch für das Problem des Problems gilt) entweder immer schon gelöst oder: sie finden keine Lösung. Dann aber gibt’s aber auch kein Problem. Die Schlussfolgerung lautet folglich nicht, die Selbstbeschreibung auf Fehler zu untersuchen, sondern zu erkennen, dass die Selbstbeschreibung der Philsophie nicht selbverständlich akzeptabel ist. Sie ist nur dann akzeptabel, wenn man diese Selbstbeschreibung danach befragt, welches Problem mit ihr hergestellt und gelöst werden konnte. Worin also ihre besondere Leistungsfähigkeit, ihre historische Kompetenz und schließlich auch ihre Inkompetenz und Debilität besteht.

Die besondere Leistungsfähigkeit der Philosophie hat darin bestanden, das gesellschaftliche Misstrauen in die Debilität allen menschlichen Vermögens, das in der alten Zeit dazu führte, das Apriori einer absoluten Wahrheit an den Anfang zu setzen, dahin gehend zu verändern, diese Debilität den Menschen nicht mehr allein zum Nachteil auszulegen. Der Philosophie war es gelungen, die Debilität nicht mehr bloß als Hindernis der Erkenntnis zu sehen, dem man darum aus dem Wege gehen sollte, wie dies die alten Theologen getan haben, sondern die Debilität als Hindernis aufzufassen, das man bewältigen kann, indem man sich auf es einlässt; indem man dem Hindernis nicht aus dem Wege geht; indem man es also nicht länger nur mit Ablehnung und Gerinschätzung betrachtet.
So war der Subjekt/Objekt-Dualismus entstanden, welcher einen Geist/Materie-Dualismus einschließt, der für alle Wissenschaften später gleichermaßen anschlussfähig wurde. Es handelt sich in dieser Hinsicht um einen Szientismus, wie sich später herausstellen sollte. Dieser szientistische Dualismus leistete eine lineare Aufgliederung der Wirklichkeit durch Reduzierbarkeit des einen Phänomens auf ein vorausgesetzt anderes Phänomen, wodurch ein Realitätskontinuum konstruiert wurde, das mit der Folge seines zirkulären Selbstverweises die Bedingungen seines Zustandekommens, also seiner Konstruktion (die Konstruktion der Konstruktion) ausschloß und in eine beständige Kreisbewegung überführte.
Ich nenne dieses Realitätskontinuum, das sich im Laufe von einigen hundert Jahren seit Descartes in vielen verschiedenen Varianten differenzierte, das transzendentales Realitätskontinuum. Es besagt, kurz gefasst: dass soziologische Tatsachen auf psychologische zurück geführt, dass psychologische auf biologische, biologische auf chemische, diese wiederum auf physikalische und diese wiederum auf mathematische zurück geführt werden können. Daran anschließend ergeben sich alle Fragen der Kausalität, Determination, Freiheit, Rationalität, Verantwortung, Ethik und dergleichen mehr.

Ganz allgemein betrachtet ergeben sich Fragen nach Erkennbarkeit, Wissbarkeit und Behandelbarkeit einer solchen Realitätsauffassung. In dieser Hinsicht spielte der Gegensatz von Geist und Materie eine wichtige Rolle. Diese Fragen wurden nie zufriedenstellend beantwortet, sondern mit jeder weiteren Generation erweitert, komplexer, voraussetzungs- und variantenreicher immer wieder neu gestellt. Das Ergebnis zwar schließlich zweierlei. Erstens ein sich selbst einschließender Diskurs als soziales System der Philosophie und zweitens: ein gesellschaftlich verbreitetes Vertrauen in Menschenvermögen; dies nicht obwohl Menschenvermögen debil ist, sondern weil dies so ist. Dies setzt die Komplexität einer Gesellschaft voraus, die entsprechende Sicherheiten garantiert, die Menschen, auch Philosophen, nicht haben und niemals erwerben können, aber trotzdem ein sehr hohes Vertrauen in Menschenvermögen entwickeln können.
Das Problem der Philosophie bestand also nicht in Erkenntnis, denn daran hat es nie gemangelt, sondern darin, ein Vertrauensproblem zu lösen. Das Problem bestand darin, eine Lösung kommunikabel zu machen. Dies ist ihr erfolgreich gelungen, womit sie sich schließlich selbst debil wird, weil sie außer ihren selbst produzierten Texten, Kenntnissen, Personen und Geschichten, also außer ihrer Selbstreferenz sonst nichts hat, was sie retten könnte. So rettet sie sich ganz einfach, indem sie sich auf eine gesellschaftliche Umwelt verlassen kann, die ihrer Selbstrivialsierung mit Indifferenz betrachtet, das heißt: sie in Ruhe lässt. (Das hat zur Folge, dass die Philosophie gegenwärtig immer größere Schwierigkeiten hat, sich selbst in Ruhe zu lassen. Das aber gilt für die moderene Wissenschaft ganz allgemein. Ist also kein Einzelproblem der Philosophie.)

Wie kann man nun eine solche Auffassung, die man immer bestreiten, die man immer mit Skepsis und Ablehnung betrachten, die man immer mit Einwänden konfrontieren kann, beobachten? Das geht, indem man das Schema der Beobachtung wechselt, indem man also nicht die Erneuerung einer bekannten Routine bevorzugt, sondern ein weniger bekanntes und geübtes Schema wählt. Das heißt, indem man von einem „Sowohl-als-auch“ von Materie und Geist umstellt auf ein „Weder-noch.“
Das muss man nicht tun. Man kann es lassen und sich weiterhin mit großer Gelassenheit um die bekannte Selbstbeschreibung der Philosophie kümmern.

Lieber Phil Eulenspiegel! Ich möchte dich freundlich bitten, eben dies weiterhin zu tun, oder, wenn nicht, bitte ich dich um Geduld.
Solltest du mit beidem nicht einverstanden sein und mir weiterhin unverlangte Leserbriefe schreiben, trete ich dir in Arsch bist du weinst und nach Mamma rufst.

Mit freundlichen Grüßen
Dein Klaus Kusanwosky

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The winds have gone over the ocean #trialog

„Der dreiköpfige Bekkh’erh“ – so ist das Spielergebnis des Trialogs betitelt, der am 25. August 2016 in Hamburg stattgefunden hat. Die Szenerie war gespenstisch: Es wurde eine Kerze entzündet, ein geistiges Getränk entkorkt und ein Tisch gerückt. Man sang auch, ohne Not.
Außerdem wurde kundgetan, dass Malvesina abwesend bleibt, Schlomo eine Diät macht und Appollon irgendwann einmal einen Fahrradunfall hatte.
Wie immer wurde anschließend die Welt gerettet, was Zethkah verwundern ließ. Es klappt immer. Die Welt wird aber mit jeder Rettung seltsamer. Es geht nicht anders.

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