„Immer wenn ich traurig bin …“ #hasskommentare @DatenAssistance
von Kusanowsky
Immer, wenn sie nicht mehr weiter wissen, sind sie anderer Meinung. Und wenn sie dann immer noch nicht weiter wissen, sind sie wieder anderer Meinung. Und wenn sie wieder anderer Meinung sind, dann wissen sie nicht mehr weiter. Und immer, wenn sie nicht mehr weiter wissen, fangen sie von vorne an.
Anders geht es nicht.
Der Meinungskampf geht weiter, ohne Rücksicht auf Erfolg, auch deshalb, weil niemand angeben kann, worin der Erfolg denn noch bestehen könnte. Will man dennoch Meinung über Meinung mitteilen, kann es nicht mehr auf erreichbare und vorzeigbare Erfolge ankommen. Es kommt nicht einmal auf Meinung an, sondern nur darauf, die Erwartung präsent zu halten, dass Argumente auch jene überzeugen könnten, die gar nicht darum gebeten haben, überzeugt zu werden. Es geht also nur um die Erwartung dieser Möglichkeit, weil man nämlichen in Sachen Tatsächlichkeit, also hinsichtlich tatsächlicher Erfolge wieder nur anderer Meinung sein kann.
Meinungskämpfe sind das gesellschaftlich geronnene Recht auf Indifferenz hinsichtlich dessen, was ihre Möglichkeit hervor bringt. Meinungskämpfe sind eine soziale Demonstration des unbedingten Einverstandenseins mit einer Gesellschaft, die Meinungskämpfe statthaft macht.
Man kann sowas nicht einfach mit dem Hinweis weg erklären, dass kommerzielle Interessen im Spiel sind, die Aufmerksamkeit zum Zweck der Vermarktung von Werbung bündeln und ausnutzen wollen, so sehr kommerzielle Interessen gewiss im Spiel sein mögen und so gewiss sie eine Macht haben mögen. Denn: auch kommerzielle Interessen können sich die Bedingungen ihrer Möglichkeit nicht so frei wählen wie dies manche Ökonomen mitteilen wollen.
Was ich an diesem verlinkten Gespräch beeindruckend finde ist, mit welcher hartnäckigen Gelassenheit dort die Annahme akzeptabel ist, andere von der eigenen Sicht der Dinge überzeugen zu können. Diese Rücksichtslosigkeit gegen das vorhersehbare Scheitern einer solchen Erwartung ist nicht nur ein kommerziell triviales Spiel. Als solches mag es noch funktionieren, aber damit es funktioniert braucht es eine ganze Gesellschaft, die eine bestimmte Form des Engagements für Meinungskämpfe strukturell honoriert. Damit meine ich eine Frömmigkeitsdisziplin, eine Art sozial erwartbaren Gehorsam hinsichtlich derjenigen Verhältnisse, die niemand ändern kann, weil sie auch niemand ändern will, ein Gehorsam, der solange akzeptabel ist wie die Schäden nach Maßgabe dieser Disziplin kontrollierbar bleiben, was auch bedeutet, dass alle Schäden, Kosten oder Nachteile immer noch Anlässe liefern, den aussichtslosen Kampf um Meinung fortzusetzen.
Dieser moderne Gehorsam ist unvergleichlich, kennt kein Vorbild und lässt nicht so einfach die naheliegende Parallele zu einer religiösen Gehorsamsdisziplin zu. Der Grund dafür ist, dass eine religiöse Frömmigkeitsdisziplin nicht ohne Gewalt auskommt, wohingegen dieses moderne Frömmigkeit mit jeder Art von Gewalt nach dem gleichen Verfahren behandelt wie alles andere auch. Diese moderne Frömmigkeit kann nämlich auch im Fall von Gewalt noch auf Gewalt verzichten und den Meinungskampf einfach fortsetzen.
Diese moderne Frömmigkeit ist tatsächlich rücksichtslos und zwar in jeder Hinsicht.
https://m.facebook.com/milchhonig/posts/1185492328135146
Ich lese solche Texte immer wieder mit Erstaunen. Aus welchem Grund ist es wichtig für dich, mit Leuten in Kontakt zu kommen, die du nicht kennst, die dich nicht kennen, die du auf diese Weise nicht kennen lernen kannst und dies vielleicht auch gar nicht willst?
Texte dieser Art lesen sich wie ein vom Produkt enttäuschter Konsument, der die Versprechungen der Werbung glaubt und dann feststellt, dass er über’s Ohr gehauen wurde. Politisch relevant scheint mir das nicht zu sein. Deshalb meine Frage: Woraus ergibt sich für dich die Relevanz für die Kommunikation mit Unbekannten?
Jeder Mensch hat für mich den gleichen Wert und ist daher interessant für mich. Jeder Mensch, der heute mein Freund ist, war vorher ein Unbekannter. Ich lerne gerne Menschen im Internet kennen, weil da eher der Text im Vordergrund steht und für mich das auch immer wieder eine guter Ausgangspunkt ist, jemanden intensiv kennen zu lernen. Ich verbringe viel Zeit im Internet, weil es mir in der Regel Spaß macht. Ich habe auf Twitter sehr viele spannende Menschen kennen gelernt und einige davon sind heute meine besten Freunde. Und wichtig: Die Menschen, mit denen ich im Netz gerne diskutieren wollen würde, sind die Menschen, die nicht Bestandteil meiner Filterblase sind. Ich diskutiere gerade am liebsten mit denen, weil ich meinen eigenen Standpunkt immer wieder kritisch hinterfrage.
Und warum sollte nun diese Meinung über deine Meinung, die nur deine Meinung ist, irgendwen überzeugen? Insbesondere deshalb, weil andere ja auch schon irgendeine Meinung, und auch eine Meinung über ihre Meinung haben, von der sie genauso überzeugt sind. Dass du von deiner Meinung überzeugt bist, scheint mir klar. Aber warum meinst du, dass deine Meinung über deine Meinung für andere, dir unbekannte Menschen überzeugend sein könnte? Sie kennen doch weder deine Meinung, noch deine Meinung über deine Meinung, noch dich und deine Meinung über dich. Und du weißt das selbe von anderen genauso wenig.
Wo ist da die besondere poltische Relevanz deiner Meinung?
Das wüsste ich noch gern.
Meine Meinung hat keine besondere politische Relevanz und ich versuche auch nicht, irgendwen davon zu überzeugen.
Ich verstehe. Das heißt, dass dir deine Meinung, deine Meinung über deine Meinung und deine Meinung über dich selbst ziemlich egal ist, was auch für deine Meinung über die Meinungen und Personen der anderen gilt? Es gibt nichts wichtiges in dieser Sache zu besprechen, weil weder du noch sonst irgendwer irgendeine Sorge hat, weshalb es ratsam ist, sich auf diese Weise zu beschweren. Hab ich das so richtig verstanden?
Nein. Meine Meinung hat einen Wert für mich, ist mir also nicht egal. Ich teile sie mit, weil ich sie interessant finde. Das bedeutet aber nicht, dass sie zwingend eine politische Relevanz hat. Relevanz ist etwas, was im Rezipienten ensteht. Erst in meinem Leser kann das, was ich schreibe, an Relevanz erlangen – auch an politische. Ich schreibe aber ohne die Absicht konkret einen ganz bestimmten Sachverhalt änder zu wollen. Ich beobachte etwas an mir selbst und teile es mit. Ich verstehe nicht genau, was du mit deinen Fragen an mich bezwecken willst. Natülich war oder ist der Sachverhalt für mich persönlich wichtig, sonst hätte ich ihn nicht aufgeschrieben und mit meinen Lesern geteilt.
Na gut, deine Meinung und deine Meinung über deine Meinung haben einen Wert für dich. Aber deshalb muss allndas keinen besonderen Wert für andere haben, weshalb die anderen konsequenterweise ihre Geringschätzung darüber mitteilen. Und ich verstehe dich richtig, dass du das ganz in Ordnung findest?
Wenn jemand sich schon dazu bemüht fühlt, seine Geringschätzung über meine Meinung zu äußern, hat jene schon eine Relevanz bzw. Wert für ihn. Ja, damit muss man leben, wenn man sich öffentlich äußert, genau so mit meinem Unmut darüber. Allerdings ging es in dem Ausgangstext nicht konkret um meine Meinung sondern um ein bestimmtest Diskussionsverhalten, welches ich beobachtet habe.
Genau. Und über dieses Diskussionsverhalten äußerst du eine Meinung, die zunächst nur für dich wichtig ist; und du findest es ok , dass die anderen, denen deine Meinung nicht in gleicher Weise wichtig sein muss, Geringschätzung äußern, weil es dir ja jederzeit überlassen bleibt, ebenfalls Geringschätzung über diese Geringschätzung zu äußern. Daraus leitete ich die Frage ab: Ist es richtig, dass dein Diskussionsverhalten für dich völlig ok ist?
Du meinst, dass ich mich darüber beschwere, beleidigt zu werden? Hm. Ja, ist okay.
„Relevanz ist etwas, was im Rezipienten ensteht. Erst in meinem Leser kann das, was ich schreibe, an Relevanz erlangen…“
Was wäre, wenn es so wäre? Irgendwer anderes teilt im Anschluss an deine irrelevante Meinung Geringschätzung mit, weil es sich so verhält, wie du meinst. Die Mitteilung der Geringschätzung hätte dann die Information, dass deine Meinung Quatsch ist. Und dann teilst du anschließend Geringschätzung über diese Geringschätzung mit, was du ganz okay findest.
Sehr gut. So ungefähr stelle ich mir die Kommunikationslogik dieser Internetrollerei vor, indem gegenseitig die Wertschätzung der Geringschätzung akzeptabel gemacht wird.
Unglaublich beeindruckend, wie du alles so rumdrehst, dass es irgendwie für dich passt. Selbst mit Trollen hatte ich nicht solch eine unproduktive Konversation. Alles Gute.