Wir kochen Hagebuttenmarmelade, Vortrag Teil III #trialog
von Kusanowsky
Hier ist der Vortrag „Wir kochen Hagebuttenmarmelade“ 3. Teil, gehalten am 26. Juni 2015 beim Trialog in Hamburg. Es geht in diesem Vortrag um die These, dass Sachlichkeit zuerst von Expertendiskursen verhindert wird und nicht etwa von Laien, Fachfremden oder Störern.
Das Vortragsmanuskript findet man hier.
Teil 1 und 2 sind hier und hier verlinkt.
Den 4. Teil findet man hier
Als Zugabe empfehle ich noch diese sehr kurze Einführung in die Wiedergewinnung von Sachlichkeit in Zeiten des Internets von Gerald Fricke
„Menschen unterhalten sich über Belanglosigkeiten, über Nebensächlichkeiten. (Sie neigen zur Unsachlichkeit – [Hinzufügung von mir]). Wer das nicht will, der will im Kern keine Gesellschaft.“
„In solchen Momenten hängt dann alles am Beobachter und was dieser an kognitiven Zumutungen sich wünscht, bzw erträgt.“
http://beliebig.blogspot.de/2015/07/das-richtig-und-falsch-von-experten.html
Christorpheus hat einen Artikel geschrieben, den man gut als Diskussionsbeitrag und Ergänzung zum Vortrag in Hamburg nehmen kann.
Nach ausführlichen Erläuterungen über die Strukturprobleme, die mit dem modernen Expertentum zusammenhängen, endet der Artikel mit einem recht zahnlosen Versuch, das Problem, ob richtig oder falsch gewählt werden soll, von der Relativität einer jeden Beoachtungsposition abhängig zu machen. Gewiss, es hängt alles vom Beobachter ab, aber damit ist der interessante und relevante Fall des Problems gar nicht erfasst, sondern vermieden.
Ich möchte vermuten, dass die Relativierung selbst eine Expertenstrategie ist, um den selbst hergestellten Aporien dieser Expertendiskurse aus dem Wege zu gehen- salopp formuliert: man belässt es schließlich beim Schulterzucken und sagt: letztlich kommt alles darauf an, wie man es sehen will. Und gut ist.
Die interessante Frage ist doch nicht die nach einem epistemologischen Relativismus, sondern die, wie soziale Ordnung durch Expertendiskurse zuerste provoziert wurde (etwa beginnend mit der Volksaufklärung seit dem 18. Jahrhundert) und dann seit der Industrialisierung gerechtfertigt wird, seitdem also das Expertentum eine eigene Inklusionsform gefunden hat, die eine Struktur etabliert, von welcher Ivan Illich in den 1980er Jahren dann sagen konnte, dass sie nur Entmündigung, Unfreiheit, Abhängigkeit herstellt. Ich will gar nicht danach fragen, ob diese Kritik berechtigt ist. Allein, sie ist möglich und plausibilisiert sich innerhalb der Strukturen selbst, durch die das Expertentum auffällig und fraglich wird.
Die Frage ist weniger, ob es eine „Macht des Expertentums“ gibt oder wie man sie rechtferttigt oder ablehnt. Entscheidend ist doch, wie die Ordnung der Diskurse dazu beiträgt, dass die Aporien des Expertenums auf das Laientum ausgelagert werden; und wie und warum Laien die Bereitschaft haben, sich den Zumutungen, die für sie daraus resultieren auch dann noch zu ertragen und zu dulden, wenn diese Expertendiskurse ihre Unhaltbarkeit ungeniert vorführen.
Wie gerägt der Beobachter in die Falle? wie erklärt man das Zustandekommen der Verwicklung? Wie kann die Alternativlosigkeit, die Ausweglosigikeit auch dann in die massnemediale Verlautbarung gegeben werden, wenn selbst die Paradoxie dieser Wahl eigentlich nur noch Gelächter hervorruft?
Ein epistemologischer Relatvismus will sich dieser Analyse entziehen.
Du hast ganz Recht. Ich bin auch allgemein ganz schlecht im Endefinden. Und wenn schnöder Relativismus als Quintessenz hängen bleibt, dann habe ich tatsächlich mehr falsch als richtig gemacht (Zumindest im Vergleich zu meinen Erwartungen 🙂 Es ist ja gerade nicht so, das alles irgendwie relativ ist. Aber eben vieles.
Das Dilemma zwischen im Prinzip logisch gleichwertigen Möglichkeiten doch entscheiden zu müssen …. und das auch noch mit vielen …. und dabei nicht auf den quasi himmlischen allgemeinen Konsens hoffen zu können, der sich aus den „“objektiven“ Daten“ quasi automatisch herbeierzwingt … Das war so der kleine ungemütliche Punkt, den ich mit dem Text herbeiassozieren lassen möchte. Insofern: Ziel verfehlt. Danke für Deinen Kommentar! Beste Grüße
Der folgende Text ist ein Vorschlag für einen Vortrag bei der diesjährigen Webcon in Aachen
http://www.webcon.de/
Internetexperten: Warum Interneterklärer nicht das Internet erklären können
Mit der Durchsetzung des Web 2.0 ist einiges in der Gesellschaft durcheinander geraten und man kann ganz nüchtern feststellen, dass auch in nächster Zeit einiges an Wirrwarr zu erwarten ist.
Wie immer, wenn sich in der Gesellschaft Innovationen ankündigen, entsteht dafür eine eigene Zuständigkeit von Experten. Im Fall des Internets handelt es sich um sogenannte „Internetexperten“, die eine bestimmte Kompetenz beanspruchen und glaubhaft machen wollen, nämlich die, dass sie in Sachen Internet besser informiert und kompetenter sind als alle anderen.
In einem Vortrag möchte ich erklären, warum sie diesen Anspruch nicht erfüllen können. Der Grund dafür ist, dass Internetexperten reine Phantome sind, die nichts besonderes können oder wissen, weil das, was sie können oder wissen genau dem entspricht, was auch für alle anderen gilt. Deshalb treffen Internetexperten nur auf Nutzer, die keine andere oder schlechtere Kompetenz haben. Das heißt: Internetexperten sind Interneterklärer, die anderen Interneterklärern das Interneterklären wollen. Das führt zwar zu interessanten Diskussionen, die aber größtenteils folgenlos bleiben, weil mit diesen Diskussionen keine Steigerung von Medienkompetenz verbunden ist.
Expertenurteile in sachlicher Superposition ? :::
— http://www.youtube.com/watch?v=YJ6eiSa61pk&t=11m23s :::
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Winston Niles Rumfoord had run his private space ship right into the heart of an uncharted chrono-synclastic infundibulum two days out of Mars. Only his dog had been along. Now Winston Niles Rumfoord and his dog Kazak existed as wave phenomena – apparently pulsing in a distorted spiral with its origin in the Sun and its terminal in Betelgeuse. The earth was about to intercept that spiral.
Almost any brief explanation of chrono-synclastic infundibula is certain to be offensive to specialists in the field. Be that as it may, the best brief explanation is probably that of Dr. Cyril Hall, which appears in the fourteenth edition of *A Child’s Cyclopedia of Wonders and Things to Do*. The article is here reproduced in full, with [gratuitous] permission from the publishers:
CHRONO-SYNCLASTIC INFUNDIBULA
– Just imagine that your Daddy is the smartest man who ever lived on Earth, and he knows everything there is to find out, and he is exactly right about everything, and he can prove he is right about everything. Now imagine another little child on some nice world a million light years away, and that little child’s Daddy is the smartest man who ever lived on that nice world so far away. And he is just as smart and just as right as your Daddy is. Both Daddies are smart, and both Daddies are right. Only if they ever met each other they would get into a terrible argument, because they wouldn’t agree on anything. Now, you can say that your Daddy is right and the other little child’s Daddy is wrong, but the Universe is an awfully big place. There is room enough for an awful lot of people to be right about things and still not agree.
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https://en.wikipedia.org/wiki/The_Sirens_of_Titan
( https://en.wikipedia.org/wiki/Anekantavada#Parable_of_the_blind_men_and_elephant )
Gadamer, Hans-Georg: Die Grenzen des Experten. In, ders.: Das Erbe Europas. 3. Auflage Frankfurt/Main 1998. S. 136 – 157.
Vielen Dank für diesen Hinweis @latent_de
War heute in der Bibliothek und haben den Aufsatz durchgelesen. Er hat nur in sofern etwas gebracht, da in dem Aufsatz die Inklusionsform des modernen Expertentums andeutungsweise beschrieben wird. Interessant scheint mir das vor allem in Hinsicht auf die Zunahme von Nichtwissen durch den Erfolg der Wissenschaft zu sein. Gadamer thematisiert vor allem Fragen der Rationalität und der Verantwortlichkeit. Meine Vermutung ist, dass damit das moderne Expertentum theoretisch nicht gut erfasst wird. Die Funktion des Expertentums scheint mir eher darin zu liegen, Verantwortlichkeiten durch Sabotage von Sachlichkeit aus dem Wege zu gehen. Das betrfft den Punkt: Provokation und Rechtfertigung. Modernes Expertentum ist das Ergebnis der operativen Schließung des Wissenschaftsystems, das seine Provokationen zur Durchsetzung des modernen Wissenskonzeptes seit dem 19. Jahrhundert in Rechtfertigungen umgewandelt hat. Für die Abgrenzung gegenüber der poltischen Relevanz der Wissenschaft kann sie sich auf Experten verlassen, die infolge ihrer spezifischen Form der Inklusion alle Erwartungen an Genauigkeit und Zuverlässigkeit scheitern lässt. Vermeidung, nicht Sicherstellung von Verantwortlichkeit ist die Funktion des Expertentums.
Danke für den Literaturhinweis.
@all: Sollten euch noch andere Literaturhinweise auffallen, die in diesem Zusammenhang interessant sind, dann bitte ich um freundliche Mitteilung. KK
„, dass sich Experten zwischen Wissenschaft und Politik bewegen konnten. Experten, so Kusber, zeichneten sich durch die Exklusivität der Ressourcen Wissen und Erfahrung aus. Wurde und wird die Exklusivität angezweifelt, wird das Expertentum prekär; werden Wissen und Erfahrung weder durch eine mehr oder weniger große Öffentlichkeit noch durch ‚die Politik‘ abgefragt, verliert der Experte seinen Status. Nicht die Eigenwahrnehmung, sondern die Fremdwahrnehmung ist hier entscheidend.“
“ fragte nach der Gruppenkonstituierung über Institutionen, nach dem Habitus von Experten und nach der Sprache. Er arbeitete heraus, dass die Experten – seine Beispiele rekurrierten auf ostmitteleuropäische Expertenkulturen der Zwischenkriegszeit – einen Transferbeitrag leisten mussten, indem sie sprachliche Komplexität reduzierten. Haslinger erläuterte instruktiv und luzide Professionalisierungs-, Spezialisierungs- und Differenzierungsprozesse der Experten zwischen Wissenschaft und Politik“
http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6058?title=osteuropaexperten-und-politik-im-20-jahrhundert
Kontinuitätsbehauptungen der Technik als »Mittel« der Beschleunigung
Ein eigenartiger Widerspruch charakterisiert zu weiten Teilen die öffentliche Diskussion um »das Internet«. Auf der einen Seite behauptet man eine tiefe, »eigenlogisch« transformierende Kraft der Digitalisierung; treten auf der anderen Seite aber offensichtlich negative Folgen von Transformationsprozessen auf, die die Mehrheit keineswegs so haben will, wird schnell auf den Mittelcharakter der Technik verwiesen. Schuld sind dann die Menschen, der Kapitalismus etc. (Oft hört man das Argument kurioserweise von Piratinnen und Piraten – bei denen sich die bittere Frage stellt, warum sie dann überhaupt in einer Partei aktiv sind, die ihr Alleinstellungsmerkmal und Programm so nur noch in einer politisch nutzlosen, bloßen Mittel-Kompetenz behaupten könnte.)
http://deadidiot.com/blog/2014/07/kontinuitaetsbehauptungen-der-technik-als-mittel-der-beschleunigung/