Die fünfte Gewalt? – Selbstorganisation von Bewertung
von Kusanowsky
In diesem Interview spricht Bernhard Pörksen über das, was er die 5. Gewalt des Internets nennt.
Statt das Konzept der staatlichen Gewaltenteilung durch fortlaufendes Weiterzählen zu erweitern würde ich die Betrachtungsweise vorschlagen, dass es sich bei dem was Pörksen beschreibt um Selbstorganisation von Ordnung und Bewertung handelt. Dabei kommt es – genau wie im Interview beschrieben – nicht darauf an, wer bewertet, was bewertet und aus welchen Gründen etwas bewertet wird, allein, das Internet ermöglicht, dass sich diese sog. „Konnektive“ (sic!) bilden, ohne dass sie der Planung, Organisation oder Führung unterliegen. Es geschieht von selbst.
Was ist das das Neue daran? Neu daran scheint mir zu sein, dass das Internet als Kommunikationsmedium etwas ermöglicht, dass ohne es nicht so leicht festgestellt und beurteilt werden könnte, dass nämlich alle Bewertung sozial geschieht und von selbst. Ohne Internet wird diese Beobachtungsweise durch die Form der Vergesellschaftung verdeckt. Denn die Form der Vergesellschaftung erbringt Inklusion durch Organisation. Und Organisationen erschweren enorm, ja, sie blockieren sogar die Beobachtbarkeit der Selbstorganisation. Inklusion in Organisation vereinfacht die Annahme und ermöglicht eine daraus resultierende Empirie, dass gesellschaftliche Zusammenhänge durch Planung und Steuerung entstehen, was auch für die Organisation von Bewertung gilt. Das Internet unterläuft diese Strukturen und deckt nun auf, was niemals verborgen, sondern nur schwer kommunikabel war: Gesellschaft, ihre Ordnung und die Routinen der Bewertung unterliegen der Selbstorganisation und sind nicht das kausale Resultat wertschätzender und handelnder Subjekte.
Anders als Pörksen glaube ich nicht, dass sich diese Selbstorganisation von Bewertung nur eine weitere Form der Gewalt ist. Es handelt sich dabei nämlich nicht um eine Form der Gewalt, sondern um ein Phänomen, das nur dann entstehen kann, wenn keiner mehr Handlung rechtfertigen muss. Und ich vermute, dass diese Selbstorganisation von Bewertung Formen bilden wird, die für die bekannten Routinen der Rechtfertigung von Bewertung eine Strukturalternative darstellt, die genauso zur zuverlässigen Entscheidungsfindung beitragen kann.
Das Internet ist die Lösung für das Problem der Selbstorganisation
Dieser Kommentar soll kein Kommentar sein, sondern nur eine durch Begründung qualifiziertere Gefällt-mir-Bekundung, weil
dieser Beitrag meine Zuversicht stärkt;
mich daran erinnert über Schäden und Nutzen zu informieren, welche mit den üblichen Sympathie-/Antipathie-Knöpfen erzeugt werden (Gefällt-[Like-]Knöpfe, Abwärtsdaumen, Fav-Sternchen, …).
Warum stärkt dieser Beitrag deine Zuversicht? Das versteh ich nicht …
Wegen deinem Schluss-Satz.
„die genauso zur zuverlässigen Entscheidungsfindung beitragen kann.“ Der?
Ja. Mich beunruhigt seit rund 2 Jahren, dass mir zunehmend inaktive, öffentliche Seiten auffallen (Blogs), welche auf einem sehr hohen Niveau schrieben. ‚ Inaktiv ‚ bedeutet für mich:
Fortgeschrittene Internet-Nutzer können mit 5 bis 10 Minuten Suchaufwand für diese Quellen im gesamten Internet für die letzten 1 + n Jahre keine Sendeaktivität mehr finden, obwohl es vorher mindestens 4 Sendeaktivitäten (Beiträge, Kommentare) pro Jahr gab.
Ich weiß nicht ob meine Wahrnehmung statistisch bedeutend ist, aber sie beunruhigt mich dennoch, weil ich von einigen Rückzüglern weiß, dass sie sich durch die Differenz aus erwarteten und wahrgenommenen Rückmeldungen (Interaktionen, welche von Ihnen als zustimmende Bewertung interpretiert werden) demotiviert fühlen.
Mir reicht eine Zuckung pro Jahr und Nase.
Für beide Richtungen werden immer wieder kluge Sprüche gesucht und gefunden: Für das Schweigen zum Beispiel mit Karl Valentin oder mit J. W. Goethe für das Wiederholen, welches für die Wiederholenden langweilige Fließbandarbeit ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob das durch den digitalen Raum leichtere Sich-Informieren und konnektive Toben auf den Bühnen der Empörung bei ausreichend Vielen genug Willen dafür erzeugt, sich darüber zu informieren, was das Richtigere sein könnte, wie und wo man es findet und welches Tun für seine Realisierung nötig ist, damit in den nächsten Jahrhunderten eine stabile Höherentwicklung und relevante Mündigkeit stattfindet. Also eine, die uns nicht nur immer wieder zwischen umetikettierten Ausbeutungs-Wirtschaften rotieren lässt.
Meine Zuversicht beruht auf dem Glauben, dass deine Arbeit im Allgemeinen und speziell dieser Beitrag dazu beiträgt, die zu Resignation führende Abhängigkeit von [heute] wahrnehmbarer Bewertung zu reduzieren. Auch durch die [für mich] darin enthaltene Erinnerung an Chaosforschung und nützlich-sinnvolle Unsinnsfabrikation.
Wir kennen die Summe und Qualität unserer Leser nicht. Wenn wir weniger gehetzt, in größeren Wirkungszeiträumen denken, dann ist die sich addierende und potenzierende Wirkung unseres einsamen, scheinbar sinnlosen Monologisierens vermutlich größer, als die Meisten vermuten.