Selbstorganisation von Ordnung und Bewertung @sproengs @mkarbacher @zeitrafferin #twttrscrbbl
von Kusanowsky
Das Twitter-Experiment #twttrscrbbl (mit Twitter Scrabble spielen) war einigermaßen interessant. Ich hatte einen Aufruf zum Mitspielen gepostet und es haben sich so viele Mitspieler gezeigt, dass tatsächlich eine Selbstorganisation des Spiels beobachtet werden konnte.
Wer ist Mitspieler? Mitspieler sind nicht solche Adressen, die als Profilbild einen Buchstaben wählen, sondern solche, die mit einem Buchstaben im Profildbild durch das Posten von Screenshots und durch das retweeten sowohl der Screenshots als auch des Hashtags #twttrscrbbl die Ordnung des Spiels reproduzieren. Mitspieler ist, wer sich dem Versuch, Ordnung zu finden, nicht widersetzt. Und dies obwohl die Widersetzung möglich ist und von niemanden sanktioniert werden kann.
Was ist Ordnung? Ordnung entsteht nicht durch Vereinbarung von Regeln. Denn jede Vereinbarung ist bereits ein Ordnungsmuster. Schon die Vereinbarung ist eine Regel, die nur durch eine Struktur entstehen kann, welche sich von selbst ergeben muss. Wie soll eine Vereinbarung zustande kommen, wenn keine Ordnung da ist, die keine Struktur liefert? Das zeigt, dass Ordnung von keinem der Mitspieler hergestellt werden kann. Vielmehr kann nur jeder Mitspieler sich einem Ordnungsfindungsversuch nicht widersetzen. Aber: auch die Nichtwidersetzung ist keine geregelt Koordination von Verhalten. Jeder kann es Widerstand unterlassen und auf Ordnung warten. Sonst nichts. Ordnung entsteht, wenn Widerstände gegen die Ordnung entfallen.
Was ist Bewertung? Was für die Ordnungsfindung gilt, gilt auch für die Bewertung. Sie muss sich von selbst ergeben, weil durch Twitter ein organisationaler Aufwand der Spielkontrolle nicht geleistet werden kann. Es gibt keine zentrale Dokumentationsstelle, die die Punktebewertung dokumentieren könnte. Und es gibt keinen Schiedsrichter, der Zweifelsfälle entschieden könnte. Das ist der Grund, weshalb dieses #twttrscrbbl-Spiel nicht populär werden kann. Es hat kein Bewerungsverfahren. Das entspricht ungefähr dem Stand der Dinge in hinsicht auf die Entwicklung von social media allgemein. Das gegenwärtig vorherrschende Ordnungsmuster bei Twitter ist Chaos, entsprechend kann keine bessere Ordnung gefunden werden, weil ein Bewertungsverfahren auf eine enorme Reduzierung der Komplexität angewiesen ist. Und ohne ein Bewertungsverfahren wird die Beobachtung der Selbstorganisation erschwert.
Das kann man am Beispiel Fußball erklären: Wenn irgendwelche Mannschaften irgendwann, irgendwie Fußballspielen kann jede Mannschaft jederzeit behaupten, den besseren Fussball zu spielen. Zwar erkennt man, dass das nicht sein kann, aber ohne ein tabellarisches Bewertungsverfahren des Zählens der Ergebnisse, der Punkte und der Tordifferenzen entstehen nur verschiedene Meinungen darüber, welche die Mannschaft die beste ist. Hat man aber eine Bundesliga-Tabelle, dann ergibt sich, dass so viele verschiedene Meinungen darüber wer die beste Fußballmannschaft ist, nicht mehr möglich sind. Das Bewertungsverfahren kontrolliert die Beobachtung und erst das Bewertungsverfahren erzwingt die Beobachtung von Differenzen, die für die Ordnungsfindung wiederum relevant sind.
Was ist Selbstorganisation? Organisation ist die sanktionsunfähige Selbstreproduktion von Ordnungsmustern, die von keinem der Beteiligten hergestellt, garantiert und auf Dauer gestellt werden könnte.
Da nun eine sich selbstorganisierende Ordnung und Bewertung der Twitter-Kommunikation hoch unwarscheinlich ist, können keine Strukturen gefunden werden, die ordnungsbildend jede weitere Erwartungsbildung dirigieren. Deshalb kann gegenwärtig nur Widerstand gegen Ordnung als einziges Ordnungsmuster fungieren. Das bedeutet, dass es bei Twitter sehr einfach ist, nur Chaos und Irrtum zu beobachten. Aber das lässt nur schwache Formen zu, die keine Durchsetzungsfähigkeit haben. (Das erklärt auch, dass diese paranoische Fiktion der „Netzgemeinde“ dummes Zeug ist. Da ist nichts, das Macht entfalten und ausüben könnte. Es gibt keine unterscheidbaren Formen, die Anschlussfähigkeit attraktiv machen könnte.)
Trotzdem ist die vereinfachte Beobachtung der Selbstorganisation von Ordnung und Bewertung dasjenige, das mit social media geleistet werden kann. Die Voraussetzungen dafür müssen durch social media selbst hergestellt werden. Das ist die zu überwindende Hürde: die gegenwärtige Selbstblockade dieser Chaos- und Irrtumskommunikation bei Twitter.
Was bedeuet „vereinfachte Beobachtung“?
Dass alle soziale Ordnung, gleichviel ob sie sich als Interaktions- Organisations- und Funktionssysteme formt, auf Selbstorganisation beruht, ist nach dem dualistischen Wissenskonzept der modernen Gesellschaft nur schwer zu erklären. Der Dualismus von Subjekt und Objekt blockiert die Beobachtung des Entstehens dieses Dualismus und damit auch die Frage, wie Subjekte und Objekte entstehen. Alle Erklärungen, die in diesen Dualismus eingelassen sind, differenzieren sich nach der selben Struktur der Beobachtung, indem die Unterschiedung von Subjekt und Objekt wahlweise mit der Unterscheidung Sein und Bewusstsein, Theorie und Gegenstand, Realität und Fiktion, Handlung und Wissen, Theorie und Praxis, Theorie und Empirie, Natur und Geist, Gegebenes und Gemachtes oder Geist und Materie verknüpft wird. Immer wieder kommt es so zu einer, wenn auch voraussetzungsreichen Reproduktion eines dualistischen Wissenskonzeptes, das sich auch in einem Verständnis für soziale Realität niederschlägt. Auf diese Weise erscheint dann auch soziale Realität als objektive Realität, die – im Unterschied zur Natur, welche als Gegebenes aufgefasst wird – als Gemachtes erscheint, allerdings kausal durch kommunikatives Handeln verursacht. Daraus ergibt sich dann, dass soziale Realität als gemachte Realität aus Handlungskausalität und damit auf Beeinflussbarkeit, Steuerbarkeit reduziert wird. Gesellschaft wäre von Menschen durch Handlung verursacht und damit für Menschen verfügbar und steuerbar. So entstehen dann in der Ökonomie und Soziologie Steuerungsmodelle, mit denen Gesellschaft nach irgendwelchen Zielvorgaben als etwas erscheint, dass durch Planung, Organisation und Handlung steuerbar sei. Die Voraussetzung für solche Modelle werden durch die Form der Vergesellschaftung angliefert, nämlich durch Organisationssysteme, die ihre besonderes Harnäckig- und Durchsetzungsfähigkeit vor allen Dingen Strukturen der Rechtfertigung für Handlung verdankt und entsprechend monströse Machtapparate ausbildet wie z.B. Staaten, Konzerne und so weiter. Unter diesen Bedingungen ist es nicht so einfach beobachtbar zu machen, dass Gesellschaft reine Selbstorganisation ist und nicht durch einzelne Systeme hergestellt oder gesteuert wird.
Diese Vereinfachungsleistung kann nun durch die Selbstorganisation der social media Kommunikationen besser erbracht werden.
Mir fällt kein geeignetes Bewertungsverfahren für #twttrscrbbl ein. Ich hätte nur eine recht unvollständige Idee, die nicht so leicht ausführbar sein dürfte. Das könnte so gehen:
Wenn ein Mitspieler ein Wort gefunden hat, schickt er einen Screeshot an einen Twitterbot namens @twttrscrbbl. Mit Hilfe eines Erkennungsalgorithmus würde dieser Bot den Screenshot nach einem Textmuster auswerten, das Ergebnis mit einem Wörterbuch abgleichen, bei einer Übereinstimmung würde ein Programm jedem Buchstaben eine Zahl zuordnen, eine Summe bilden und dem Absender das Ergebnis unter einem Hashtag wie z.B. #twttrscore zurück schicken. Ein zweiter Twitterbot wertet den Hashtag #twttrscore aus und schreibt automatisch eine Datei mit einer Tabelle, die Auskunft über die Mitspieler und den Punktestand gibt, eine Datei, die per Twitter wiederum verbreitet wird.
So entsteht eine automatisch geschriebene Tabelle über den Punktestand.
Wenn es unveränderliche Gegensätze, wie Regeln oder Gesetze, tatsächlich gäbe, wäre die Welt eine Maschine und das Hirn überflüssig.
Niemand würde jemals über irgendetwas nachdenken, er würde vollkommen automatisch diese Regeln befolgen. Widerspruch wäre nicht nur völlig zwecklos, er wäre schlicht nicht möglich.
An Regeln muß der Mensch GLAUBEN, damit sie für ihn zur Realität werden, sie sind jedoch nicht Teil der Wirklichkeit.
Auch ohne Bewertung durch ein wie auch immer zustandekommendes Punkte-Bewertungsverfahren könnte das Spiel populär werden. Ästhetische und inhaltliche Gesichtspunkte nicht vergessen! Das Zusammenspiel origineller Buchstabenprofilbilder, Vielfalt und Originalität der Farben und Formen, handwerklich-technische Kompetenz sowie die Wortinhalte (z.B. als Kommentar zu existierenden Tweets und Themen) und die Inhalte der verwendeten und retweeteten Tweets sind Qualitätskriterien, die nicht in einem Punktesystem abgebildet werden können, aber trotzdem subjektiv existieren.
@Kusanowsky
„Ordnung entsteht, wenn Widerstände gegen die Ordnung entfallen.“
Die beste Definition für die Entstehung von Ordnung ist?
Ist: Die Entstehung von ORDNUNG….
Oder:
Kusanowkys Text entsteht, wenn Kusanowskys Text entsteht …-?
Kusanowsky, von dieser deiner schwachen weil falschen Prämisse kann ich nicht ausgehen, hast du nicht etwas Besseres, was deine (nachfolgende) Sichten stützen kann?
Möchtest du das etwa so stehen lassen?
Nebenher:
Selbstorganisation ist ORGANISATION.
Organisation ist das Herstellen von ORDNUNGen, nichts anderes, ob mit oder ohne Widerstände dagegen.
Jede Erscheinung ist eine Ordnung, welche auch immer.
Ordnung ist letztlich Struktur, und Struktur entsteht mitnichten durch das Entfallen von Widerständen gegen Struktur …
Und:
„Der Dualismus von Subjekt und Objekt blockiert die Beobachtung des Entstehens dieses Dualismus und damit auch die Frage, wie Subjekte und Objekte entstehen.“ –
Das kann er, der Dualismus, nur, wenn er existiert und wirkt. Wo sollte er wirken? Besser wo existiert er?
Dies zu wissen dürfte Voraussetzung sein für das Verständnis deiner Thesen.
Noch wichtiger: Wie und wo sollten denn Subjekt(e) und Objekt(e) „entstehen“?
Fragen, Fragen, Fragen
„Unter diesen Bedingungen ist es nicht so einfach beobachtbar zu machen, dass Gesellschaft reine Selbstorganisation ist und nicht durch einzelne Systeme hergestellt oder gesteuert wird.“
Nein, ist es in der Tat wohl nicht:
Dies zu behaupten bedeutet, damit die systemische Funktion von Gesellschaft aufzuheben, d.h. man redet nicht von einem System.
Systeme, besonders komplexe dynamische, wie eben „Gesellschaft“, haben als wichtigstes typisches Merkmal die „systemisch auf Selbsterhaltung und -Entwicklung“ fix orientierte innere Dynamik, auch: die Selbstorganisation seiner Elemente und Komponenten – entfällt diese, liegt kein System vor.
Nun fragt sich, wie „Gesellschaft reine Selbstorganisation“ sein soll, also ein System, wenn sie „nicht durch einzelne Systeme hergestellt oder gesteuert wird.“?
Das ist defacto weder so möglich noch ausreichend treffend formuliert, da grundsätzlich jedes Element und jede Komponente, also jedes Subsystem, an der Steuerung des (Haupt)Systems Gesellschaft beteiligt ist, ohne alleinig oder ursächlich im Anteil an dieser Funktion erkennbar zu sein, da die Beteiligung eben systemischen, also Ganzheitsxcharakter in einem hochkomplexen System trägt, das nur durch das ganzheitlich verflochtene Zusammenwirken aller Subsysteme in der Lage ist, sich und seine Emergenzen zu erzeugen, zu erhalten und zu sichern.
Dein diesbezüglicher Versuch der Herleitung einer Nihilierung der Systemsteuerung durch dessen Subsysteme im ganzheitlichen Verbund (systemisch) ist falsch und kontraproduktiv, da du damit genau das, was Selbstorganisation ist (Systemsteuerung durch dessen Subsysteme im ganzheitlichen Verbund) zugleich als Beweis dafür anführst, das du sie in genau dieser Form bestreitest, hast du das nicht bewmerkt?
Oder was meinst du, sei „Selbstorganisation“?
Selbstorganisation ist eine auf systemischen Zusammenwirken der verschiedenen Teile im ganzheitlichen Verständnis beruhende Dynamik, die zur Existenz einer (dynamischen) Ganzheit führt mit dem unweigerlichen System- oder Emergenzeffekt:
„Das Ganze ist mehr, als die Summe der Teile“ – durch das systemische Wirken der Teile, wozu unbedingt jedwede Steuerung als Teil einer REGELUNG gehört.
Nachtrag:
Systeme lassen sich grundsätzlich nicht „steuern“, weil sie dann keine Systeme, keine komplexen Regelkreise, wären, sie lassen sich nur „regeln“.
Regelkreis – das sagt schon der Begriff – bedingt nicht nur einen Rücklauf. Im System eben auch die aufeinander abgestimmte mitregelnde Verbundenheit und diesbezügliche Interaktion der beteiligten Komponenten, was auch als Selbstorganisation (Selbstregelung!) bezeichnet wird.