Über die moderne Form der Empirie 7

von Kusanowsky

zurück / Fortsetzung: Verbreitungsmedien stellen unzählige Möglichkeiten bereit, jederzeit zu anderen Unterscheidungen zu wechseln und andere Informationen hinzuziehen zu können; sie erlauben es, zeitweilig mit kommunikativen Selektionen zu arbeiten, ohne sich ein für alle Mal festlegen zu müssen. In der Terminologie des Konzepts der strukturellen Kopplung heißt das: Die Kopplung von Kommunikation und Individuen durch Verbreitungsmedien steigert zwar die Irritabilität der Kommunikation, weil auf der Außenseite dieser Kopplung die Anzahl der Adressaten wächst, die sich auf unvorhersehbare Weise ein- und auschhalten können; auf der anderen Seite werden dadurch aber auch die Möglichkeiten der Gewinnung von Informationen erweitert und das Selektionsspektrum hinsichtlich des Anschlussverhaltens vergrößert.
Diese Konstellation spitzt sich durch den Einsatz vernetzter Computer weiter zu. Auf der Außenseite der strukturellen Kopplung von Kommunikation mit Individuen vergrößert sich mit der Verwendung von vernetzten Computern die Zahl der Beteiligten um ein Vielfaches, gleichzeitig treten die Kommunikationsteilnehmer aber auf der Innenseite als Urheber kommunikativer Selektionen in den Hintergrund und werden zunehmend unerreichbar. Stattdessen muss damit gerechnet werden, dass Informationen von undurchschaubaren Programmroutinen erzeugt werden, dass zum Beispiel Literaturhinweise, Restaurant-Empfehlungen oder Investitionsangebote und selbst Liebeserklärungen nicht von Personen kommen, an deren Eigenschaften man sich bei der Bewertung dieser Offerten orientieren könnte, sondern durch Algorithmen auf der Grundlage von unbekannten Datensammlungen erzeugt und sortiert werden. Wenn Computer als unsichtbare Maschinen eigene Kommunikationsbeiträge beisteuern, die unter Umständen nur schwer oder gar nicht von denen anderer Kommunikationsteilnehmer zu unterscheiden sind, verändert sich der Status des Wissens auf eine Art und Weise, die offenbar als Kontrollverlust empfunden wird. Die strukturelle Kopplung der Kommunikation durch vernetzte Computer geht anscheinend auf Kosten der traditionellen, am Bestand und an der Herkunft orientierten Wissensauffassung, deren empirische Form die Dokumentform ist.

Fortsetzung

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