Allibertische Immersion und venezianische Beobachtung @benbarks @postdramatiker
Jeder kennt diesen Wahrnehmungseindruck, der entsteht, wenn ein Spiegelbild gespiegelt wird. Diesen Effekt nennt man landläufig „unendlicher Spiegel“, was natürlich irreführend ist, denn kein Spiegel ist unendlich; und nur ein Dichter könnte die Welt einen Spiegel ohne Rand nennen. Dann aber könnte sich kein Spiegelbild spiegeln, weil für Wahrnehmung keine Grenze ermittelbar ist, an welcher eine Spiegelungsachse angesetzt werden könnte. (Beispiel)
Es handelt sich also nicht um einen unendlichen Spiegel, sondern um die Wahrnehmung eines unendlichen Spiegelbildes. Diesen Wahrnehmungseindruck könnte man stattdessen allibertische Immersion nennen.
Der Ausdruck „venezianische Beobachtung“ meint eine parasoziale Beobachtungssituation, die durch einen sogenannten Einweg- oder Spionagespiegel entsteht. Von einer Seite sieht eine Person ihr Spiegelbild und von der anderen schaut eine andere Person hindurch. Um eine parasoziale Beobachtungssituation handelt es sich deshalb, weil beide Personen keine Möglichkeit haben darauf aufmerksam zu machen, dass keine Kommunikation stattfindet, wenn beide gleichzeitig auf jeder Seite anwesend sind.
Nachfolgend ist ein Streich mit versteckter Kamera verlinkt. Er zeigt eine parasoziale Beobachtungsituation, die dem Zuschauer (und nicht den erzählten Personen) eine Kombination aus allibertischer Immersion und venezianischer Beobachtung präsentiert.
Interessant wird dieser Streich erst dann, wenn man nicht mehr lacht. Dann stellt man nämlich fest, wie verkompliziert die Beobachtungssituation ist. Denn die venezianische Beobachtung verläuft umgekehrt: eine Person, die ein Spiegelwild erwartet findet keins, während die andere Person ein Spielbild zeigt, obgleich sie hindurchschaut.
Dass hier auch ein allibertischer Immersionseindruck, wenn auch ein schwacher, entsteht, liegt daran, dass auf beiden Seiten des unsichtbaren Spiegels eine Kamera angebracht ist.
Das ist ziemlich verrückt.