Das Internet als Medium und Metapher von Alexander Friedrich
von Kusanowsky
Empfehlen möchte ich diesen Aufsatz von Alexander Friedrich: Das Internet als Medium und Metapher. Medienmetaphorologische Perspektiven. (Download hier)
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Ein wunderbar gründlicher Txt: Mensch sollte ihn – beinahe – auswendig lernen. Dieser Alexander Friedrich (Dr. !) gehört zu dem kleinen Team, das sich als loser Twitter-Verbund an bestimmten Mittwoch’s in Ffm Hbf (im „Bistro“) zu treffen pflegt!
Interessanter Text, der einmal mehr Anknüpfungspunkte unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen erkennen lässt. Die Verwendung von Metaphern wie „Surfen“, „Datenmeer“ und „Browser“ lässt sich auch aus Perspektive des symbolischen Interaktionismus und darauf aufbauend aus Perspektive der wissenssoziologischen Diskursanalyse denken.
Eine Sache allerdings stört mich ein klein wenig:
„Wie sie also über eine geeignete Metapher nachgedacht
habe, sei ihr Blick auf das Mousepad gefallen, das vor ihr auf dem
Schreibtisch gelegen habe. Das sei nun mit dem Bild eines Surfers auf einer
großen Welle bedruckt gewesen: „‚Information Surfer‘ it said. ‚Eureka,‘ I said,
and had my metaphor.“49
Nicht zuletzt diesem Zufall verdankt sich also die Metaphernwahl, die
sich auf der Suche nach einem Ausdruck für die Erfahrung des neuen Mediums
von der Ikonographie eines Computerzubehörs inspirieren ließ, das den
Tropus sinnbildlich präfigurierte.“ (S.19)
Aus einer wissenssoziologischen Perspektive halte ich die Entstehungsmythen einiger Metaphern in diesem Text für ziemlich fragwürdig. Im zitierten Beispiel wird ja schon sehr deutlich, dass hier mindestens die Hersteller des Mousepads mit ihrer Motivwahl in den Diskurs um ein adäquates Symbol für die Nutzung von Informationstechnik bereits vorher eingegriffen haben. Für die Metapher des Cyberspace gilt ähnliches. Das Entstehungsdatum der Metapher Cyberspace auf 1984 zu legen, verschleiert, dass Begriffe sozial konstruiert werden, also kein klares Anfangsdatum haben können und genauso wenig zu irgendeinem Zeitpunkt als vollendet gelten können.
Unabhängig davon: Danke für die Leseempfehlung!
Gruß
Michael
Das sind gute Einwände. Dazu vielleicht zwei kurze Anmerkungen:
Dass die Mousepadhersteller mit dem Surfer-Motiv in den „Diskurs um ein adäquates Symbol für die Nutzung von Informationstechnik eingegriffen haben“ ist ebenfalls eine problematische Unterstellung. Letztlich kann man das nur ausgehend von dem Ursprungsmythos behaupten. Oder man müsste unterstellen, dass jedes andere Symbol entweder ein alternatives Symbolangebot zum selben Thema immer schon gewesen wäre oder eben zufälligerweise genauso gut als „Bildspender“ der Metaphernwahl hätte fungieren können (z.B. Mickey Mouse). Wäre das plausibler? Das Problem, welchen semantischen/symbolischen Status der Mousepad-Surfer tatsächlich hatte, wird in Fn 19 des Textes ja kurz angesprochen. Aber eine weiterführende Untersuchung des diskursiven Vorfelds der nautischen Metaphorik wäre sicherlich sehr interessant. Dass es dieses Vorfeld gegeben hat, zeigt ja auch die Geschichte von Kevin Kelly (1984), die kurz darauf folgt.
Die Voraussetzung, dass Schriftsteller bestimmte Begriffe oder Metaphern, wie z.B. William Gibson den ‚Cyberspace‘ prägen, und dass sich solche Prägungen auch datieren lassen, scheint mit indessen weniger problematisch. Irgendjemand bildet solche Worte halt zum ersten Mal, und Schriftsteller neigen bisweilen zu sprachlichen Neuschöpfungen, auch wenn diese nie aus dem Nichts kommen. Wer wann welches Wort zum ersten Mal gebraucht oder welche Aussage zum ersten Mal getroffen hat bzw. von sich behauptet, ist letztlich kontingent. Als historischer Forscher kann man sich aber eben immer nur auf die frühesten Funde beziehen, die sich dokumentieren lassen. Vielleicht findet jemand irgenwann noch eine frühere Stelle. Dann war es eben jemand anders. Aber es war wohl sicherlich kein antiker Autor. Wichtig ist nicht die (mutmaßliche) Originalität der Neuschöpfung und dafür adressierbares Schöpfersubjekt, sondern in welchem Zusammenhang solche Neuschöpfungen auftreten. Dass deren Geschichte damit nicht zuende ist, sondern oft erst beginnt, weil sich etwa die Bedeutung von ‚Cyberspace‘ durch die unterschiedlichen historischen Formationen, in die sie eingetreten ist, verändert hat, ist ja genau das Thema des Textes. Und das Resulat der Geschichte hat am Ende relativ wenig noch mit dem zu tun, was Gibson in seinem Roman damit einst gemeint haben mochte.
In diesem Sinne halte ich auch eine komplementäre und produktive (Wechsel-)Beziehung von wissenssoziologischer und metaphorologischer Diskursanalyse für sehr aussichtsreich.
Danke für die Anwort!
Sehr interessant finde ich auch das im Text genannte Interesse Hans Blumenbergs an der theoretischen Bedeutung von Metaphern: „Als irreduzibler Bestand abstrakten Denkens leiste sie etwas, was der Begriff nicht vermag: Eine Vorstellung von etwas zu geben, wovon man keine Anschauung haben kann.“ (S. 4).
Ich frage mich ob es sich lohnen könnte, sich auf die Suche nach verbreiteten Metaphern zu begeben, um Neues zu finden.
Es erscheint mir jedenfalls nachvollziehbar, dass für Neues Metaphern, statt nicht-metaphorischer Neologismen verwendet werden.
Vielleicht ergibt sich damit ein Schritt hin zur Erleichterung der Beschreibung von Neuem 😉
(vgl. https://differentia.wordpress.com/2013/11/15/publikation-die-apokalyptische-funktion-des-internets/ )
Zum Thema Metaphern für Computernutzungen siehe dazu auch diesen Kommentar von mir zzgl. des darin angegebenen Links
https://differentia.wordpress.com/2013/11/18/ueber-die-form-der-empirie-2/#comment-11908