Über die moderne Form der Empirie 2
zurück / Fortsetzung: Das Internet ermöglicht nun, dass die funktional ausdifferenzierten Vermeidungsstrukturen der Gesellschaft selbst vermieden werden können, wodurch nun auch auf das Funktionsprinzip der modernen Gesellschaft im Moment ihrer vollständigen Differenzierung aufmerksam gemacht wird. Denn die Ausdifferenzierung ist dann vollständig, wenn auch ihre Vermeidungsstrukturen vermieden werden können; wenn also die Vermeidung nicht mehr alternativlos ist.
Jetzt zeigt sich etwas, das vorher nicht so leicht evident werden konnte: Nie wurde irgendetwas vermieden, sondern durch Vermeidung wurde alles Mögliche möglich, nur eben, dass die Gesamtintegration der Gesellschaft durch fortgesetzte Exkludierung zustande kam. Alles, was sich in einem System für ein System intern nicht als anschlussfähig erwies, was nicht konsistent inkludiert werden konnte, wurde durch Exkludierung in die Umwelt externalisert, wurde dort noch einmal nach der Maßgabe einer funktionalen Formenfindung differenziert und auto-operativ reproduziert. Man müsste sich das im Zeitverlauf wie die Emanationsstufen einer Kaskade vorstellen.
Auch das Internet ist so entstanden, aber als Verbreitungsmedium für Verbreitungsmedien ist es nicht mehr auf solche Kapazitäten angewiesen, deren Grenzen zu überwinden die Differenzierung voran getrieben hatte. Das schlägt sich nieder in der Einsparung der Transaktionskosten. Dass die damit verbundene Energieeinsparung noch nicht genutzt werden kann, hängt nur damit zusammen, dass sich jetzt neue Prozesse von Formenbildungen ankündigen, für die gegenwärtig noch kein geeignetes Beobachtungsschema in Erfahrung gebracht wurde. Denn noch muss alles, was sich durch das Internet zeigt, gleichsam den Determinationen einer funktionalen Differenzierung beugen. Eigentlich müsste man hinzufügen: nicht mehr alles. Aber was auch immer innerhalb der autopoietischen Determination freigestellt werden kann, ist für andere Formenbildung gegenwärtig schlicht noch marginal. Was nicht heißen muss, dass es auch so bleiben wird.
Absehbar ist mindesten ein Proto-Dispositiv, das wenigstens leistet, die dämonischen Virulenzen erklären zu können, die nun überall aufbrechen und nach Maßgabe der funktionalen Differenzierung nicht mehr so leicht bewältigt werden können. Mindestens wird jetzt mit dem Internet ein verändertes Beobachtungsschema möglich, das zeigt, was vorher nicht oder nur sehr mühsam argumentierbar war. Insofern übernimmt das Internet eine apokalyptische Funktion. Sie macht auf diejenigen Erfahrungsbedingungen des Gelingens der Gesellschaft aufmerksam, welche durch den Erfolg der Gesellschaft verschüttet, verschleiert, abgedrängt oder vermieden und die Inkommunikablität geführt wurden. Anhaltspunkte dafür lassen sich genug finden.