Apokalyptik: die Veröffentlichung des Unverborgenen, ein Kommentar zu Peter Fuchs #systemtheorie
Im Blog von Peter Fuchs ist folgender Kommentar über die Geheimdienstpraxis des modernen Staates zu lesen. Er beginnt mit diesem Absatz:
Im Augenblick wird dem verwirrten Rezipienten der Weltereignisse ein seltsames Spiel vorgespielt. Geheimnisse, Geheimnisträger, Geheimdienste, geheimnisvolle Nachrichten über Geheimnisse oder die Geheimhaltung der Vorgänge um enttarnte Ereignisse werden öffentlich diskutiert, als Anlaß für moralische Verurteilungen genommen und mit skandalisierenden Verschwörungstheorien kombiniert. Finstermänner, Finsterfrauen und deren noch finsterere Gefolgsleute scheinen die Weltgeschichte zu bestimmen.
Und endet mit diesem Absatz:
Man kann den Eindruck gewinnen, daß der massenmedial Empörungsklamauk eine andere, weitaus wichtigere Problemzone der sich digitalisierenden Gesellschaft camoufliert, nämlich die Angst vor dem Verlust des Geheimen, der sozial unabdingbaren Möglichkeit zu täuschen, zu lügen, doppelte Spiele zu spielen, kurz: Individualität zu stabilisieren. Der Ausfall von Intransparenz würde eine Welt erzeugen, die im genauen Sinne ‚telephatisch‘ wäre. Davor müßte man sich fürchten.
Was Peter Fuchs einen Empörungsklamauk nennt, nenne ich eine unverzichtbare Immunreaktion auf sich ändernde Beobachtungsverhältnisse, die eben das herstellen, was Fuchs zutreffend beschreibt: „der sozial unabdingbaren Möglichkeit zu täuschen, zu lügen, doppelte Spiele zu spielen …“ – das Entscheidende daran ist nicht, dass dies geschieht, eher wird wohl nur der Normalfall als Normalfall erkennbar, dies aber nur dann, wenn sich die Bedingungen ändern, unter denen Normalität noch erfahren werden kann, wenn also Normalität selbst schon wieder etwas anderes geworden ist, über die zu sprechen so leicht nicht mehr ist. Anders ausgedrückt: wenn das Lügen, Täuschen, Tricksen, Stören, Verwirren nicht mehr in den Anführungszeichen von Vermeidungsstrukturen eingebettet ist, sondern – wie jetzt erkennbar – als etwas Unverzichtbares kommunizierbar wird.
Insofern ist dieser „Empörungsklamauk“ nicht anders verstehbar als das, was Fuchs darunter versteht. Es sei denn, man möchte vermuten, dass man Ehrlichkeit unterstellen könnte, welche allerdings empirisch nirgends zu finden ist. Dieser Empörungsklamauk der Massenmedien ist Teil des Spiels mit Lüge, Verwirrung, doppelter Wahrheit und dergleichen.
Fuchs beschreibt eine Apokalyptik. Damit meine ich den alten Sinn des Wortes: einen Weltaufgang, eine Offenbarung, eine Offenlegung, ein Veröffentlichung, ein Freigabe dessen, was ohnehin bekannt ist, die aber ihren Überraschungswert dadurch gewinnt, dass in dem Augenblick, in dem kund getan wird, was niemals verborgen war, die Bedingungen und ihre strukturelle Beobachtbarkeit sich geändert haben.
Bestes Beispiel, das jeder kennt, ist ein Kommentar, der immer wieder in verschiedenen Varianten zu lesen ist: „Das war vor dem Internet auch schon so“ – Das mag stimmen, aber wer hätte vor dem Internet diesem Satz zustimmen können?