Netzgemeinde und Selbstorganisation @friiyo @mspro
mspro hat einen Artikel zum Thema Netzgemeinde geschrieben, den ich abweichend und ergänzend kommentieren möchte.
Eigentlich hat mspro einen guten Anfangspunkt gefunden, der mit dem Thema „Netzgemeinde“ mehr zu tun hat, als diese mit sich selbst, weil ja fraglich ist, ob die Netzgemeinde ein Selbst hat, auf das sie sich beziehen könnte und durch das sie sortieren könnte, welche Elemente zu ihr gehören und welche nicht. Sollte sie aber eine Selbstreferenz operationalisierbar machen, dann könnte sie sich als System erstens nur durch eine stabil haltbare und erneuer- und revidierbare Fremdreferenz und zweitens nur durch eine Leitdifferenz bilden, durch die die Codierung der Kommunikation gelingt. All das ist nirgends zu finden. Außerdem müsste sie irgendeine Funktion spezifizierbar machen können, die mehr leistet, als nur ab und zu selbstreferenzielle Themendiskussion zu ermöglichen.
Daraus folgt, dass die Netzgemeinde nur ein Thema ist, zu dem verschiedene Beitrage unterschiedlicher Codierungen und Differenzen verbreitet werden, die sich nicht koppeln können und die durch keine Unterscheidung eine Grenze ziehen, um sich von einer Umwelt abzusetzen. Die Internetkommunikationen schließen sich nicht zu einem System zusammen, weil es keine Umwelt gibt, von der sie sich unterscheiden können. Sie sind nur als umweltinterne Umweltkomplexitäten für alle anderen Systeme relevant.
Trotzdem erscheint – berücksichtigt man den Tweet von mspro oben – die Netzgmeinde in dieser Hinsicht zu ersten Mal ein Thema zu werden, das mehr leisten kann, als nur irgendwelche Gegenstandsdefintionen zu liefern, die ja bekanntermaßen immer mangelhaft sind und immer auch anders formuliert werden können. Der Tweet verweist auf operative Möglichkeiten. Der Tweet verweist auf das, was geschieht, wenn das Thema Netzgemeinde seine Unhaltbarkeit als Gegenstandsproblem durch fortlaufende Kommunikation beweist. Es gibt für internetkommunikationen nichts, was ihnen widerstehen könnte. Sie haben keinen Gegenstand.
Insofern ist die Beobachtung passend. Sie macht auf selbstreferenzielle Themendiskussion aufmerksam und zeigt, warum die Diskussion auch schnell wieder zusammen brechen kann, nämlich weil keine Systembildung geschieht. Denn ein funktionierendes System würde leisten, dass die Kommunikationen auch dann weiter gehen, wenn sie ihre Unhaltbarkeit erwiesen haben. In Fall des Themas Netzgemeinde hat man es eigentlich nur mit einem selbstreflexiven Organisationsproblem der Kommunikation zu tun, nämlich: mangelnde Empirie in Angelegenheiten einer unwahrscheinlichen, aber ab und zu immer wieder möglichen Selbstorganisation.
Die Netzgemeinde ist deshalb nur das Thema einer Selbstorganisation ohne System. Dies könnte zwei völlig gegensätzliche Einschätzungen erklären. Eine Einschätzung lautet, dass es eine Netzgemeinde gibt und die andere, dass es sie nicht gibt. Beide Möglickeiten haben keine ausreichende Empirie, keine durch ein System steuerbare Fremdreferenz. Es lassen sich keine operationalisierbaren Methoden der Empiriekonstruktion festellen. Insofern ist die Netzgemeinde eine erfahrungsgehemmte paranoische Differenz. Sie ist irgendetwas, das irgendas ist und das sich durch Selbstorgansation als irgendetwas bemerkbar macht, nämlich als funktionierende Einheit, die keine ist, Und nach dem das festgestellt wurde, gehen die Kommunikation zu anderen Themen weiter.
Man könnte das auch so formulieren: die Netzgemeinde ist das paranoische Problem einer noch theoriearmen Netzwerkkommunikation.