Trollgerechtigkeit
von Kusanowsky
Diese Karikatur veranschaulicht die Tragik dieses Beleidigungskrieges (Flamewar), der anlässlich des #om13-Vortrags zur Stunde immer noch anhält. Der Selbstbeschreibung nach codiert sich die Kommunikation des Flamewars durch die Unterscheidung von Täter und Opfer, die zugleich eine Unterscheidung von Schuld und Unschuld, von Recht und Unrecht mit konnotiert, wobei wechselseitig vorausgesetzt wird, dass die jeweilige Voraussetzung der eigenen Unschuldsbeteuerung unberücksichtigt bleibt, womit schließlich nichts anderes als weitere Rücksichtslosigkeiten und Beleidigungen provoziert werden.
Denn empirisch lassen sich Unschuldige gar nicht ermitteln. Kommuniziert wird nur die naive Beteuerung der eigenen Unschuld. Darin besteht die Rücksichtslosigkeit, die jeder gegen jeden zeigt.
Tatsächlich handelt es sich nur um eine Immunreaktion aufgrund allseitigen Schlechtinformiertseins durch mangelnde Differenzierungsfähigkeit auf allen Seiten. Jeder Beteiligte hat auf seiner Seite nur einen höchst schmalen und wenig differenzierungsfähigen Standpunkt, der auf eine Erweiterung und Bestätigung durch die andere Seite hofft, von welcher nicht bekannt, dass dort der Grad an Schmalheit, Dürftigkeit und mangelnder Differenzierungsfähigkeit genau so gering ausgebildet ist. So sind die gegenseitigen Beleidigungen nur Hilferrufe, nur Appelle zur Beendigung dieser Beleidigungskommunikation, durch welche sich die Kommunikation ganz autoparasitär fortsetzt; ohne Aussicht auf ein Ende, und zwar deshalb, weil das Finden eines Endes auf jeder Seite von jeder anderen erwartet wird.
Das führt zu einer Art „Trollgerechtigkeit“, die in ihrer Unzumutbarkeit noch weiter gesteigert werden dürfte.
Hm, also, ich erwarte ja eine ganze Reihe von weiteren Trollkommentaren unter diesem Post, so aufgeheizt wie die Debatte momentan ist. Habe auch damit geliebäugelt, hier den Anfang zu machen. Ein „Ey Alter, komma klaar“ war bereits getippt und wurde wieder gelöscht;-)
So, im Ernst: Was mich seit dem Vortrag extrem an diesem Diskurs gestört hat, war die Art und Weise, in der er geführt wurde, denn wofür genau sollen die gegenseitigen Beleidigungen gut sein? Aber wenn Du hier schreibst, empirisch könne Unrecht und Recht nicht ermittelt werden und damit im Prinzip sagst, es gebe in diesem Fall überhaupt keine zumindest objektivierBAREN Tatsachen, dann kann ich mich dieser Meinung rein gar nicht anschließen. Obwohl alles sehr schwer zu durchschauen ist, scheinen wir doch mittlerweile zwei Dinge sehr genau zu wissen: 1. die Provokation war eine geplante und, in meinen Augen, ziemlich niederträchtige, die mangels Interesse an den Gefühlen von Menschen aus einem pervertierten Geschäftssinn heraus angestoßen und im vollen Bewusstsein weitergeführt/ weiter angeheizt wurde. 2. Es ging in dieser Debatte bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt, und heute noch mehr, kein bisschen um Feminismus. Es ging/geht um die ethische Überlegung, ob Menschen so etwas einander antun sollten, bloß weil sie es (im Internet?) zweifellos können. Die löbliche Differenzierung und das damit einhergehende „Alle Seiten sind gleich doof“ hinterlässt bei mir nun einen schalen Beigeschmack eines Mangels an Empathie mit der verarschten Seite, die den Schaden sowieso schon hatte. Aber man muss ja nicht für noch mehr Spott sorgen. Danke für Deine Sicht.
„Danke für Deine Sicht.“ Bitte. Die einzige, gerade noch objektivierbaren Tatsachen dieser ganzen Debatte scheinen zu sein, dass verschiedene Leute, von denen niemand sagen kann wie viele verschiedene es eigentlich sind und wer sie sind, sehr verschiedene Meinungen darüber äußern, was andere geäußert haben, was sie besser nicht hätten äußern sollen oder besser geäußert haben sollten und was zu tun oder nicht zu tun gewesen wäre. Dazu kommen sehr verschiedene Einschätzungen hinsichtlich dessen, was stört, was eigentlich und besonders stört, was mich stört, was dich stören oder nicht stören sollte, was hier und da falsch lief, bzw. ganz besonders falsch lief und dass man das alles eigentlich gar nicht aushalten kann.
Objektivierbar ist eigentlich nur die Feststellung einer Chaoskommunikation, die durch mangelnde Informiertheit ihre Nahrung erhält. Weil eben dies von allen negiert und das weltfremde Gegenteil als die einzig legitime Sichtweise genommen wird, geht dieser Overkill weiter.
Wohlgemerkt: Chaoskommunikation nur von den Beteiligten, die durch den Hilferuf versuchen, weitere Beteiligte auf ihre Seite zu ziehen. Polarisierung. Der größte Pol aber dürfte der dritte sein: Ausstieg aus der Kommunikation. Nur bleibt der unsichtbar.
Genau. Und ist darum als ein Pol der Kommunikation gar nicht qualifizierbar.
Debatten dieser Art liefern immerhin einen Beitrag zur Verbesserung der Statistik. Im Durchschnitt hat die Bevölkerung zu wenig Bewegung. Diese Debatte motiviert dazu, die Kopf- und Nackenmuskulatur durch Schüttelbewegungen zu kräftigen. Die Volksgesundheit dürfte, wenn das so weiter geht, merklich steigen. Keine gute Nachricht für Masseure. Leider bekommt dafür niemand von der Krankenkasse einen Rabattbeitrag. Auch so eine Ungerechtigkeit in dieser Welt, für die es noch kein kritsches Bewusstsein gibt.