Überwachung, Aufklärung und Experten @gsohn
von Kusanowsky
Dieses Video ist der Versuch, klar und eindeutig verständlich zu machen, worum bei diesen staatlichen Überwachungsmaßnahmen geht; so klar und verständlich, dass dies jeder verstehen kann, auch diejenigen, die sich damit noch nicht näher befasst haben.
Es handelt sich hierbei um ein altes Konzept: das der sog. Volksaufklärung, das aus dem 18. Jahrhundert stammt und die erste moderne Form im Herausbildungsprozess eines Expertentums war: erfahrene, gebildete und aufgeklärte Männer stellten ihr Wissen und ihre Vernunft in den Dienst der Allgemeinheit, eine Tätigkeit, die sich insbesondere durch Massenmedien verbreitete.
Interessanterweise hat sich, obwohl die gegenwärtigen Möglichkeiten der Massenmedien ganz andere Bedingungen bereit stellen als dies im 18. Jahrhundert der Fall war, an dem Schema bis heute nichts entscheidendes geändert: die einen sind gut informiert, die anderen weniger gut, weshalb die ersten sich selbst damit beauftragen, die anderen zu informieren, zu unterrichten, zu belehren und aufzuklären. Gerechtfertigt wird dies mit der Meinung, dem Wohl aller zu dienen, wenn alle über die Zusammenhänge unterrichtet sind. Da nun der Experte sich einem Laien gegenüber sieht, muss er Präsentationsformen finden, die es auch dem Laien ermöglichen, diese verwickelten Zusammenhänge ausreichend gut nachzuvollziehen.
Man sieht daran, wie starr gegenwärtig versucht wird, an allem nichts zu ändern. Man bedenke bitte, dass die Mittel der Volksaufklärung und des Expertentums im gleichen Zeitraum entstanden sind wie die Mittel des Journalismus, der Wissenschaft, der Geheimdienste und Spionage, aber auch die Mittel der staatlichen Bürokratie und des Militärwesens; dazu gehört übrigens auch das Entstehen von Verschwörungstheorien: an all dem hat sich dem Schema nach bis heute nicht viel geändert, was man daran erkennt, dass längst bekannte Probleme mit längst bekannten Lösungsstrategien behandelt werden. Und kaum jemand bemerkt, wie unergiebig das ganze ist. Denn die Beschreitung aller bekannten Lösungswege hat bislang alles mögliche zustande gebracht, hat aber nichts zur Abschaffung der Probleme beigetragen; woraus man schließen kann, dass diese Lösungsstrategien gar keinen Ausweg liefern, sondern nur Teil der Probleme sind, an denen niemand etwas ändern kann.
Daraus den Schluss zu ziehen, dass man andere Wege finden müsse, um noch Probleme machen zu können, ist gegenwärtig nur schwer zu vermitteln. Viel einfacher ist es immer noch, mit dem weiter zu machen, was auch in der Vergangenheit nichts weiter gebracht hat als die Problementwicklung zu verschärfen.
Das nenne ich eine vollständige Entfaltung von Problembehandlungsroutinen, die – wie man jetzt beobachten kann – die Grenze zur vollständigen Trivialität überschreiten.
Das zeigt sich auch in dem Video oben. Es wird einfach, ohne dies zu erklären, davon ausgegangen, dass der präsentierende Experte genauer wisse, dass die Staaten den Folgewirkungen ihrer Paranoia besser gewachsen wären als die Bürger, die sich scheinbar mit ihrer Paranoia der Staatsparanoia ausgesetzt sehen und beim Staat um Schutz ersuchen müssten und dies, obgleich doch durch den Weg der Vermittlung von Aufklärung zugleich die Dringlichkeit des Problems beoachtbar wird, was übrigens in dem Video auch kommentiert wird: auf dem Wege, auf dem die Aufklärung geschieht, geschieht auch die Überwachung. Und: es sind doch die Staaten, die gar nicht mehr in der Lage sind, einen Schutz zu gewährleisten, zumal dies wiederum durch den deutschen Innenminister sogar zugegeben wird: der Staat kann keine sichere Schutzleistung mehr erbringen. Aber der Minister muss immer noch aus ideologischen Gründen vermeiden zuzugeben, dass auch der Staat keine ausreichende Überwachungsleistung erbringen kann, weil die Paranoia der Geheimdienste, solange sie auf Angst beruht, immer eine Schwächung darstellt.
Die Schwächung der Staaten ist eine doppelte: Schutz kann er nicht mehr leisten. Und aufgrund seiner Paranoia macht er sich immer anfälliger für die Dämonien, die durch das Internet entstehen. Davon ist in dem Video gar keine Rede! Der Experte ist so naiv wie der Laie, dem er etwas erklären will.
Warum fällt es so schwer daraus den Schluss zu ziehen, dass, wenn mit dem Internet etwas Neues entsteht, etwas Neues entsteht, das mit bekannten und trivial gewordenen Mitteln nicht mehr verstehbar gemacht werden kann?
Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass keiner ausreichend Zeit hat, um alternative Probleme zu erfinden, weil niemand weiß wohin das führt, weshalb es immer noch besser erscheint, mit dem weiterzumachen, was man schon kennt: es bringt zwar nichts, aber man weiß Bescheid.
Ok, aber deine Kritik habe ich nur verstanden, weil sie im erprobten, aber ebenso wieder Jahrhunderte alten, dadurch erprobten, Schema abläuft. (Was ich allerdings niemals kritisieren würde. Text ist gut und bleibt gut, egal ob Autos demnächst anfangen zu fliegen.)
„Was ich allerdings niemals kritisieren würde“ – und du glaubst, dass ich dir das glaube? Ich würde dir nur noch etwas glauben, wenn du zugibst verdächtig zu sein. Wenn du fragen wolltest, wofür man dich berechtigterweise verdächtigen dürfe, würde ich entgegnen, dass es nicht darauf ankommt ob ein Verdacht oder ein Selbstverdacht berechtigt ist, sondern, ob er etwas zur Maskierung, Verrätselung, Verheimlichung, Ablenkung, Vernebelung oder Verwirrung beiträgt.
Das konventionelle Konzept der Kritik besagt ja, dass – nach Überwindung der Erbsündevorstellung und dem Verlust der Hoffnung auf göttliche Gnade – Menschen ihre sog. „natürliche“ Unschuld und Freiheit (wie bei Rousseau konzipiert) dadurch retten können, dass sie sich der Kritik, dem vernunftgemäßen räsonnieren der anderen aussetzen und dadurch lernen, sich vernünftig zu verhalten um auf diesem Wege Aufklärung zu bewirken.
Was ist von dieser Aufklärungshoffnung übrig geblieben? Nicht viel mehr als ein Häufchen Asche, das immer noch mit viel Aufwand verwaltet wird. Statt sich noch länger auf Kritik einzulassen, was ohnehin so trivial geworden ist, dass es keinen Aufwand mehr lohnt, wird es bald immer attraktiver, sich auf Paradoxien einzulassen, eben weil sie keine Rechtfertigung mehr zulassen.
Das wird insbesondere dann interessant und riskant, wenn man auch nicht vor der Verdächtigungsparadoxie halt macht. Der Ausweg wäre, den Ausweg zu nehmen und nicht, seine Eröffnung durch andere zu fordern.
Alle anderen aber, die sich auf Rechtfertigungen einlassen, laufen Gefahr, sich in ihre Urteilslosigkeit verwickeln zu lassen.
Hat dies auf Ich sag mal rebloggt.
Na gut, Therapie ist eine höchstpersönliche Angelegenheit – aber nur weil sich Gesellschaften nicht therapieren lassen, heißt das ja nicht, das jeder Versuch der Therapie immer nichts anderes ist, als der abermalige Beweis einer scheiternden Bemühung. Ich fand das Video lehrreich, ich weiß jetzt mehr als vorher.
Ich auch. Aber es hilft nicht. Die Aufklärung kann die Überwachung nicht verhindern und die Überwachung nicht die Aufklärung.
„Forscher haben nach hundert Jahren das Rätsel um ein Säugetier gelöst …“
Die Wirkungen solcher Nachrichten http://ow.ly/nIMUv sind viel schlimmer als das Gerücht der Überwachung: sie suggerieren, dass man Rätsel wissenschaftliche-methodisch lösen könnte und erzeugen die Erwartung, dass so etwas normal sein könnte oder sogar normal sein müsste. Rätsel lösen! Als ob das Lösen von Rätseln normaler sei und von großerer Bedeutung wäre als ihre Herstellung.
Die Naivität dieser Überwachungsparanoia entsteht aus der ungeprüften Annahme, dass Rätsel irgendwie entstehen, aber die Lösungen durch methodisches und planvolles Vorgehen. Beides jedoch, sowohl die Herstellung als auch die Lösung von Rätseln unterliegt keineswegs einem planvollen Vorgehen als Ursache. Vielmehr ist beides ein Zufallsprodukt sehr voraussetzungsreicher sozialer Regelmäßigkeiten, die keineswegs selbstverständlich sind. Oder andersherum: wenn man meint, man könne Rätsel methodisch lösen, dann spricht auch nichts gegen die Annahme, sie auf gleichem Wege herzustellen. Und niemand kann gut behaupten, dass dies ausgerechnet Terroristen besser könnten als alle anderen. Aber wie machen sie das nur? Man erkennt: beides ist unwahrscheinlich. Aber nur über das gelungene Lösen von Rätseln wird berichtet. Die andere Hälfte wird gänzlich unterschlagen.
Dieser verlinkte Bericht, wie alle anderen Berichte über wissenschaftliches Rätsellösen ebenfalls, unterschlägt jede Nachricht darüber, wie die Wissenschaft ihre Rätsel herstellt.
Stattdessen wird uns nur das Märchen der Aufklärung in der nächsten Variante präsentiert.
Die Welt ist voller Rätsel, die man irgendwie lösen sollte, aber keiner kann gut erklären, wie sie entstehen, wenn man nicht die prominenteste aller möglichen Antworten als die klügste nehmen möchte, die besagt, dass menschliches Unvermögen oder böse Absichten für die Herstellung von Rätseln verantwortlich seien.
Die Berichterstattung über Aufklärung ist längst schon gegenaufklärerisch gepolt, weil das Rätselhafte semantisch immer als etwas zu Vermeidendes behandelt und fast niemals als etwas zu Begehrendes, und dies, obwohl alle soziale Realität die Herstellung von beidem honorieren muss.
Kusanowsky
7. August 2013 um 17:19
Ich auch. Aber es hilft nicht. Die Aufklärung kann die Überwachung nicht verhindern und die Überwachung nicht die Aufklärung.
Ich würde noch weiter gehen: Auch das Beklagen oder blogartikelmässige Aufzeigen, dass diese Hilfsversuche nicht helfen, dass diese Verhinderungsversuche nicht verhindern, kann sie nicht verhindern, sondern hilft eventuell sogar, sie fortzusetzen Oder doch nicht? Sind sie am Ende das einzig Hilfreiche, weil sie die Paradoxie herausstellen, dass Helfen (in sämtlichen bislang geschichtlich erprobten Spielarten nicht (nur) verhindern und heilen hilft, sondern eine List der „Krankheit“ selbst darstellt?)
„Wenn der Geheimdienst wüsste was ich zu verbergen habe würde er sofort aufhören mich zu überwachen.—
Klaus Kusanowsky (@kusanowsky) August 07, 2013“
Antwort von Berta Brahmer:
„Wenn der unaufgeklärte Bürger wüßte, worüber er aufgeklärt werden könnte – wäre er aufgeklärt, wäre Aufklärung nicht erforderlich …“ –
Das kommt daher, wie damals, als die Eulen immer nach Athen getragen wurden, da sie allein das nicht bewältigten – und das fängst du jetzt hier wieder an?
Das läßt Klaus Kusanowsky, von dem ich bisher nur mit voller Achtung mich antexten ließ (um nicht zu unterstellen, daß das AUFKLÄRUNG sei), hier als der Eulen-Weisheit Schluß in dieser Angelegenheit fallen?
Könntest du dich damit anfreunden, daß AUFKLÄRER erst spionieren müssen, bevor sie (auf)klären können, daß eben GEHEIMDINSTLER „auch nur“ wachsamste AUFKLÄRER sind, allerdings bei Ihrer Tätigkeit der Dualcharakter der Aufklärung droht, mal fix verloren zu gehen, indem nur „nach hinten“ (zum „Gewesenen“) und falsch oder gar nicht „nach vorn“, in die zuvor aufgeklärten und darüber nun aufzuklärenden Menschen „aufgeklärt wird ÜBER das AUFGEKLÄRTE??
Du versuchst das ja auch permanent: Aufklären über das von dir Aufgeklärte, dankenswerterweise.
„Was ist von dieser Aufklärungshoffnung übrig geblieben? Nicht viel mehr als ein Häufchen Asche, das immer noch mit viel Aufwand verwaltet wird.“ –
Tja Klaus Kusanowsky, das ist mit dem AufklärungsTum auch nicht anders als mit allen „Tümern“ wie dem HeldenTum, HeidenTum, dem ChristenTum, dem ReligionsTum insgesamt, dem TugendTum, dem AtheismusTum und dem VolksTum, nicht zuletzt auch mit dem SchriftTum – wie ja an diesem deinen Kommentar und dem von dir dazu getroffenen „Verwaltungsaufwand“ bewiesen scheint.
Wieso eigentlich sollte das nicht so sein?
Übrigens:
Diesen „Verwaltungsaufwand“ triffst und vermittelst du mit der altertümlichen Kunst der Schrift, obwohl die moderne Welt längst modernere (kommunikations)Techniken und Methoden bereitstellte – oder doch nicht?
Du machst das mit der mittelalterlichen Kunst der gedruckten Buchstaberei, als ob diese die moderne Gegenwart repräsentieren würde, hast (auch) keinerlei andere Möglichkeit, dich auszudrücken oder zu erklären.
Der Buchstaben-Druck – ist ausgehendes Mittelalter, Klaus Kusanowsky, ist so eine Idee wie AUFKLÄRUNG – die übrigens auch erst ging, als die noch heute von dir so bequem benutzten Druckbuchstaben bereitstanden – ob diese Dinge etwas EWIGES miteinander zu tun haben (und werden)?
Es gäbe noch viel zu sagen zu dieser deiner diesmal recht unüberlegt ankommenden (zu) schmalgespurten Meinungspostulierung, ein Knaller nach dem anderen versteckt sich da und schreit nach – na? Nach Klärung, nach AUFKLÄRUNG.
Bin etwas enttäuscht, da so viel Unkonzentriertes nicht gewohnt von dir.
Ist besser, hier erst mal zu enden und Anderen Platz zu machen, es wird sonst zu dick.
Noch weitere Beispiele?
Das hier:
„Warum fällt es so schwer daraus den Schluss zu ziehen, dass, wenn mit dem Internet etwas Neues entsteht, etwas Neues entsteht, das mit bekannten und trivial gewordenen Mitteln nicht mehr verstehbar gemacht werden kann?“
Und warum sollte es nicht schwer fallen, wozu?
Auch dieses angeblich „so“ Neue, das Internet ist ohne die altertümliche Erfindung der Schrift und ohne die mittelalterliche aufklärende Erfindung des Schriftdruckes – na was bitte? – Ein NICHTS, erst recht nichts Neues.
Das Internet bewegt (nur?) die Buchstaben anders mehr, schneller, weiter, höher,
Oder das:
„Die Welt ist nicht mehr selbstverständlich zu haben. Der Imperativ lautet: es ist schwer!“ –
Diese Welt, Klaus Kusanowsky, war noch nie „selbstverständlich“ zu haben, und das weißt du als bewußter kluger ZEITgenosse genau, also was soll diese Phrase.
Man kann das Video in Inhalt, Form und Anliegen wie Methode mögen oder nicht, nur solch ein gedanklich vielfach theoretisch vergaloppierter Pseudo-Antiaufklärungstext – das geht gar nicht, das ist unter deinem Theorie-Niveau und tut mir weh, Klaus Kusanowsky, denn
sorry:
„Das nenne ich eine vollständige Entfaltung von Problembehandlungsroutinen, die – wie man jetzt beobachten kann – die Grenze zur ….“
oder:
„Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass keiner ausreichend Zeit hat, um alternative Probleme zu erfinden, weil niemand weiß wohin das führt, weshalb es immer noch besser erscheint, mit dem weiterzumachen, was man schon kennt: es bringt zwar nichts, aber man weiß Bescheid.“ –
Wie seit Entstehung der Menschheit, wie diese das längst weiß – und nicht damit aufhört, denn ES IST IHR DASEIN, ihr Werden und Vergehen.
Und das – ist IHR Geheimnis.
Weiter, immer weiter – Eine kleine (Auf)Klärung:
hier: Medientheorie
>Vereinfachend könnte man Kittlers Thesen dahingehend zusammenfassen, dass unser Wissen (und das, was wir für wahr halten) entscheidend von den Kulturtechniken abhängt, die wir benutzen.
Folglich sieht er im Schreiben von Literatur, dem Schreiben von Computerprogrammen und dem Einbrennen von Strukturen in Silizium-Chips ein Kontinuum:
„Wie wir wissen und nur nicht sagen, schreibt kein Mensch mehr. […] Heute läuft menschliches Schreiben durch Inschriften, die […] mittels Elektronenlithographie in Silizium eingebrannt ist […]. Letzter historischer Schreibakt mag es folglich gewesen sein, als in den späten Siebzigern ein Team von Intel-Ingenieuren […] die Hardware-Architektur ihres ersten integrierten Mikroprozessors [aufzeichneten].“[6]
Kittlers technologisch-materialistischer Blick auf alle Hervorbringungen der Kultur wurde in den 1980er Jahren Mode unter Studenten und jungen Geisteswissenschaftlern, die man spöttisch „Kittler-Jugend“ nannte“>Experte ?
A: „Wenn ich mal später groß bin möchte ich ein Experte sein, der von einer ganz unbestimmten Sache nicht die geringste Ahnung hat.“
B: „Aber es ist ganz leicht, von etwas Bestimmten keine Ahnung zu haben.“
A: „Das stimmt. Aber es ist nicht so einfach, tausend Leute zu finden, die von mir wissen wollen, dass ich davon keine Ahnung habe.“