Probleme bei der Beobachtung der #Wahrheit #systemtheorie #philosophie
von Kusanowsky
In einem halbstündigen Vortrag (ab 5: 06 Min.) versucht der Philosoph Markus Gabriel auf schnellst mögliche Weise – was gut gelingt – die Beobachtungsprobleme, die sich aus dem philosophischen Wahrheitsbegriff ergeben, zu erklären.
Was in diesem Vortrag mit keinem Wort oder nur andeutungsweise vorkommt ist:
- eine Beobachtungstheorie und ein Hinweis auf den erkenntnistheoretischen Konstruktivismus
1. Unterscheidung von Beobachtung 1. und Beobachtung 2. Ordnung
2. Unterscheidung zwischen Beobachtung und Operation
3. Selbstreferenzialität
4. Blinde Flecke
5. operativer Konstruktivismus - eine Analyse des Verhältnisses von System und Umwelt
- eine Analyse des Verhältnisses von Medium und Form
- Probleme der Kontingenz, der doppelten Kontigenz und der Selektion von Information
- die Unterscheidung von Kommuninkation und Bewusstsein als jeweils selbstreferenzfähige und damit selbstbeobachtungsfähige Beobachtungskonstrukte
- der Begriff der strukturellen Koppelung
All das spielt für den Philosophen keine Rolle. (Anderes System, andere Systemreferenz.)
Wer aber gemütlich zuhört und sich beeindrucken lassen will, wird feststellen, dass es in dem Vortag um nichts anderes geht als um all das. Wenn auch kurz zusammengefasst, so ist die Vergleichbarkeit der Beobachtungsprobleme gut zu erkennen, ohne, dass deshalb jedes Beurteilungsergebnis schon eine Kongruenz ermitteln müsste.
Ein lehrreicher Vortrag.
Nebenbei:
Nach der Hälfte des Vortrags wirft Gabriel die Frage auf, aus welchem Grunde Bürger Steuern zahlen sollten, um Philosophie zu finanzieren. Denn Steuern zahlen heißt, dass die Einkommen aller Bürger teilweise zwangsweise enteignet werden, um das Einkommen von wenigen Philosophen zu finanzieren.
Bemerkenswert ist das deshalb, da sog. Geisteswissenschaftler auf diesen Punkt gar nicht so gern angesprochen werden wollen, schon gar nicht, dass sie gleichsam „freiwilig“ von diesem Thema anfangen, umso weniger, wenn man vermuten kann, dass dieser Punkt mit dem Problem der Wahrheit, wie es in diesem Vortrag behandelt wird, gar nichts zu tun hat.
Oder vielleicht doch? Denn immerhin erweist das zu behandelnde Wahrheitsproblem, insbesondere seit der Entwicklung der modernen Philosophie als ein Problem, das hauptsächlich dadurch entsteht, dass die Philosophie als operativ geschlossenes System immer auch Richter in eigener Sache ist. Das System selbst entscheidet darüber, ob dem Systemanforderungen Genüge getan wurde und zwar jenseits der Frage, wie in der Umwelt darüber geurteilt wird. Das ist der Schwachpunkt der modernen Philosophie: alle Eröterungen über Wahrheit und alle Wahrscheinlichkeit, dass keine Eröterungen über den Wahrheitsbegriff ausreichen, um die Diskussion zum Stillstand zu bringen, werden nur unter der Voraussetzung vollzogen, dass über die Frage der Autonomie des Philosophie-Systems schon entschieden ist. Das gilt auch für diese Vortragssituation. Gabriel schlägt einen Wahrheitsbegriff vor, den man anschließend so oder so beurteilen kann, aber jede Beurteilung ändert nichts an dem sozialen Verhältnis, hier insbesondere die Tatsache, dass der Professor seinen Geldgebern zwar gegenübertritt, aber unter jedem Umstand ist immer eine Entscheidung darüber schon gefallen, wer Professor ist und bleiben wird. So mag der Redner an der Wahrheit scheitern, aber nicht an seinem Beruf. Mögen die Steuerzahler auch über die Wahrheit und ihren Begriff davon urteilen, ja vielleicht sogar genauso gut oder auch besser als der Professor, in allen Fällen haben die Steuerzahler nichts darüber zu bestimmen, wer Professor für Philosophie wird.
Und auch dieser Punkt wird so nebenbei in dem Vortrag angesprochen. (Das betrifft den Punkt: „noch bin ich kein Multimillionär, aber durch Manipulationen könnte ich es werden …“)
Es zeigt sich also, dass, so jedenfalls ergibt es sich andeutungsweise aus dem Vortrag, bald die Berücksichtigung eines sozialen Verhältnisses für das Zustandekommen einer Kommunikation über Wahrheit nicht mehr so einfach beisiete geschoben werden kann, jedenfalls dann nicht, wenn es sich zeigen sollte, dass Philosophen von sich aus eine Frage aufwerfen, die, sollte sie nicht nur eine rhetorische Frage sein, nicht allein von ihnen „wahrheitsgemäß“ beantwortet werden kann.
Das ist bemerkenswert.
Um das ganze noch mal anders zu formulieren: es kommt für eine Verständnis nicht darauf an ob richtig unterschieden wurde; ob hier also richtig zwischen Wahrheit und Illusion, bzw. zwischen Wahrheit und Irrtum unterschieden wird. Vielmehr kommt es darauf an mit welcher Unterscheidung man die Wirksamkeit des so Unterschiedenen beobachten kann. Das ja gerade das Problem dieser Philosophie: dass sie die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum als einen ontische Unterschied hinnimmt und sie dann ontologisiert. Das kann man oben an dem Vortrag sehr gut erkennen. Es wird die Frage gestellt, was ist Wahrheit und was Irrtum sei, gleich so als käme es darauf an, richtig zu unterscheiden. Aber, wie ja auch in dem Vortrag gesagt wird, müssen die Antworten auf diese Frage nicht notwendig wahr sein und man könne sie dennoch beantworten. Offensichtlich geschieht das nicht, denn die Frage wird ja immer wieder neu gestellt, immer und immer wieder.
Daraus kann man folgern, dass die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum keine ontische Gegebenheit ist, sondern dass sie erst durch Ontologisierung entsteht. Und die Bedingungen dafür sind dann wiederum nicht einfach ontisch gegeben, sondern müssen, gerade das zeigt ja dieser Vortag, immer erst ermittelt und wirksam werden.
Und ferner kann man daraus für eine Anschlussüberlegung folgern, dass die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum offensichtlich möglich, aber nicht notwendig ist. Das heißt dann aber nur, dass die Frage heißen müsste: Wie ist Wahrheit möglich? Und eine Antwort auf diese Frage ist dann keine andere als die Antwort auf die Frage, wie Irrtum möglich ist. In dem Fall würde sich die Unterscheidung indifferent gegen ihre Benutzung verhalten. Konsequenterweise landet man dann auch bei der Frage, wie diese Unterscheidung selbst überhaupt möglich ist. Und das verweist auf Beobachtungsprobleme, die ebenfalls erst operativ differenziert werden müssen, damit man sie differenziert behandeln kann.
Beobachtungsprobleme sind nicht ontisch-ontologischer Natur, sondern sind kategorial, bzw. in ein soziales Bedingungsgefüge eingelassen, durch das diese Beobachtungsprobleme überhaupt erst entstehen.
Karl Marx wurde von Hegel nachhaltig geprägt. Hegels Philosophie gilt als einer der zentralen Ausgangspunkte für die Wahrheitsansprüche des Marxismus. Die Werke Hegels wurden außerdem zum Ausgangspunkt zahlreicher anderer Strömungen in Wissenschaftstheorie, Soziologie, Historie, Theologie, Politik, Jurisprudenz und Kunsttheorie und prägten vielfach auch weitere Bereiche von Kultur und Geistesleben. Hegels Werke übten Einfluss auf Søren Kierkegaard und die Existenzphilosophie, später vor allem auf Jean-Paul Sartre, aus. Die Methode Hegels, den Gegenstand dadurch zu begreifen, dass alle seine Ansichten zur Darstellung gebracht werden, erlaubte es, dass sich die gegensätzlichsten Vertreter auf Hegel berufen haben und noch heute berufen.
[…] gibt es noch einmal einen Vortrag von Markus Gabriel, der die These vorträgt, dass es erstens die Welt nicht gibt und […]