Im Philoblog findet man die Rezension eines Buches mit dem Titel „Was den Menschen eigentlich zum Menschen macht …“
Hans-Ulrich Lessing und Volker Steenblock haben im Verlag Karl Alber eine Sammlung klassischer Texte zur Philosophie der Bildung mit dem Titel „Was den Menschen eigentlich zum Menschen macht …“ (Link zur Verlagsseite) herausgebracht. …
Den Schwerpunkt haben die Herausgeber auf das Bildungsideal der Deutschen Klassik gelegt, weil sie diese Tradition für besonders relevant halten …
Die Auswahl dieser Klassiker ist also durchaus aktuell. …
Die Textsammlung “Was den Menschen eigentlich zum Menschen macht …” ist als Übersicht klassischer Positionen zur Bildungsphilosophie, für Einführungsseminare und zum Nachschlagen einiger der zentralen Textstellen von Platon, Schiller, Humboldt oder Bieri sehr gut geeignet.
Die Gesellschaft ist eine Weltgesellschaft und die deutsche Tradition bildungsbürgerlicher Idealvorstellungen, die schon immer jenseits empirischer Möglichkeiten gelegen haben, sind innerhalb weltgesellschaftlicher Strukturen eine Seltenheit und klugen Menschen, die aus Indien, Brasilien, Tibet oder Kenia kommen nur schwer bis gar nicht zu vermitteln. Was sollten deutsche Studenten sich dabei denken, wenn sie irgendwelche Schamanen in der Tundra beobachten, die in Schwitzhütten Pfeifchen rauchend die Geister der Ahnen beschwören und die imaginären Seelen eine jeden Menschen mit Spucke benetzen, um ihre innere Ganzheit zu beschützen? Sie würden so etwas als Absonderlichkeit notieren.
Dass dieser bildungsbürgerliche Schamanismus in Deutschland immer noch die Möglichkeiten nutzt, die Art und Weise wie er als Fremdartigkeit beobachtet wird, zu ignorieren und sich gleichsam schlumpfmäßig in den Rauchschwaden der eigenen Geisterbeschwörung vernebeln kann, ist ein starkes Stück. Das Gefährliche daran ist nicht der Irrtum dieses Glaubens, sondern die durch nichts, aber auch gar nichts zu erschütternde Gewissheit der Normalität solches Irrglaubens. Diese Schlumpfnaivität wäre verzeihlich, wenn man nicht wüßte, dass diese Naivität hart an der Grenze zur Ideologie balanciert. Denn alle Ideologie will, dass die Welt nur so und nicht auch anders verstehbar sein darf, was umso übler ausfällt, wenn man empirisch feststellt, dass Erwaruntungen auf Normalität inzwischen auch schon in der Wissenschaft nicht mehr so gut funktionieren.
Empirisch ist noch niemals jemand „dem Menschen“ begegnet, auch nicht ein weltfremder Geisterbeschwörer, gleichviel ob er im Regenwald hockt oder in der Universitätsbibliothek. Die Frage „was den Menschen eigentlich zum Menschen macht“ ist noch niemals zufriedenstellend beantwortet worden und trotzdem wird sie wieder und wieder gestellt. Und da man findet, dass die neuen Antworten noch weniger überzeugen als die alten, werden die alten Antworten zum wiederholten Male hervorgekramt. Warum geschieht das?
Der Sinn dieser in der Publikation genannten Frage zielt wohl nicht auf eine Antwort, sondern auf die Beharrlichkeit, sie stellen zu dürfen, ohne sie beantworten zu müssen. Und warum wird nicht, da diese Texte ohnehin schon in jeder Universitätsbibliothek vorhanden sind, nur eine Literaturliste mit einer kommentierten Leseempfehlung veröffentlicht? Man könnte ja mal einen Sport daraus machen und schauen, ob Studenten überhaupt dazu in der Lage sind, alte und verstaubte Schriften selbstständig zu finden. Wahrscheinlich können sie das gar nicht. Und außerdem: Warum sollten sie das tun?
So bleibt den Gelehrten nichts anders übrig, als drucken zu lassen was bereits gedruckt wurde um mitzuteilen, worauf es ankäme, nämlich Rechtfertigungsroutinen für Vermeidungsstrukturen des Bildungssstems zu durchlaufen. Der Sinn ist, wie es zutreffend in der Rezension heißt:
Es gehe eben nur um eine “Abrichtung”, um das hastige “Fertig”-werden für den Beruf und den Staat
und man müsste hinzfügen: es geht um das Fertigwerden mit der weltfremden Ideologie dieses Gelehrtentums. Dazu ist es unbedingt erforderlich alle gescheiterten Illusionen über Bildung, Geist und Menschentum noch einmal fleißig durchzuarbeiten.
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