Die Frömmigkeitspraxis der Kritik
von Kusanowsky
Zu sprechen wie ein Gebet zur richtigen Stunde
Auf den Gemeinplätzen trifft man sich
Um einander die Pläne zu stutzen
Und Worte auszutauschen
Die das Leben in ein Kassengestell einfassen
Die vom Einklang der Welt erzählen
Mit dem Singsang kommunistischer Freudlosigkeit
Dort glaubt man an die Gültigkeit von Begriffen
Die die Sehnsucht mit Schuhen versehen
In denen sie tanzen kann
Aber niemals laufen lernt
Zu den aufgebahrten Worten
Zu sprechen wie ein Gebet
Zur richtigen Stunde
(hier gefunden)
Ein Gedicht als Beitrag zur Beobachtung einer Frömmigkeitspraxis der Kritik, die sich aufgrund ihrer aufklärerischen Unverschleiertheit selbst verdunkelt; sie dadurch als Naivität, als Banalität und Trivialität unerkennbar wird, weil sie durch ihr beständiges Scheitern die Erwartung wiederholt, es könne beim nächsten Mal etwas Besseres herausspringen als die fortgesetzt festellbare Besinnungslosigkeit.
Es muss bis zur vollständigen Ohnmacht gehen, ohne welche Besinnung (Metanoia) nicht zustande kommen kann.
Überfordern Sie ihre Gegner durch die Ausstellung von Wissen, das Sie selbst auch nicht besitzen. Wer ein gutes Gedächtnis sein eigen nennt, liest selbst schon lange keine Texte mehr. Informieren Sie sich bequem im Internet und beherzigen Sie folgende einfache Weisheit: Jede Meinung, die ein irgendwie anerkannter Wissenschaftler über irgendeine wissenschaftliche Person irgendwann irgendwo einmal geäußert hat, gehört ab jetzt Ihnen! Denn: jede dieser Meinungen ist mindestens gut genug, um sie noch einmal in einer Diskussion als Ihre eigene zu verkaufen! Was aber tun bei Kritik!? Reagieren Sie (ohne zu übertreiben!) unwirsch, beharren Sie aber in jedem Fall auf Ihrer Position (denn Sie wissen ja: Irgendein anderer hat das auch mal so gesehen (wie Sie jetzt) und der wusste auf jeden Fall mehr von dem, was er da dachte, als Sie.). Zur Not mit einem abschließenden „Ich teile Ihre Position im Bezug auf diesen Punkt überhaupt nicht.“ die Teil-Debatte beenden.
http://neonleuchte.blogspot.de/2011/01/des-universitators-gescheite.html
„Überfordern Sie ihre Gegner durch die Ausstellung von Wissen, das Sie selbst auch nicht besitzen.“
Was ich an dem Kommentarwechsel mit weltenbummler interessant bemerkenswert fand, war, die hartnäckig, wie unverdrossen, wie als hätte man es mit göttlichen Naturgewalten zu tun, an der Überzeugungsfähigkeit von Argumenten festgehalten werden kann und dies auf einem Wege, der seiner Beschilderung nach, also Internet, dies gar nicht mehr zulässt. Dass diese Maskenspiele an den Universitäten, dieser akademische Bluff, obgleich sattsam bekannt, einfach immer weiter gehen und ein Verzagen, so sehr es doch eigentlich zustandekommen müsste, niemals ausreicht um das Spiel aufzugeben, ist vielleicht das Seltsamste, was man dort festellen kann. Das erstaunt mich deshalb, da diese Maskenspiele von jedem einzelnen autodidaktisch immer wieder angeeignet werden müssen, denn es gibt nirgendwo eine Anleitung, keine Workshops, keine Übungsräumen, in denen man sie einüben kann. Die sind gar nicht notwendig, weil die Interaktion in Organisation selbst die Übungsräume auspannt, in welchen diese Maskenspiele zugleich eingeübt und sogleich ausgeführt werden. So wird die Beurteilung der Performanz zum Selektionskriterium, welche dann auf der Seite der Selbstbeschreibungen des Systems nicht analysiert werden kann, weil der Versuch einer selbstreferenziellen Habitusanalyse die Maskenspiele einfach wiederholt.
Wie leicht es fällt, sich von etwas überzeugt zu zeigen, obwohl aufgrund der komplexen Verschiedenartigkeit der Verstehensweisen jede Art von Überzeugung banal wirken müsste. Vermutlich hängt das mit der Wahrnehmung zusammen und damit, dass Wahrnehmung ob ihrer Aufdringlichkeit für das Bewusstsein das kognitive Reaktionsvermögen in einer bestimmten Hinsicht blockiert.
Ich vermute es sind die höchst ausdifferenzierten Rechtfertigungsmaßnahmen, die das „Was“ der Wahrnehmung als Grund für diese kognitive Selbstsanktionierung deshalb nehmen, weil jeder das ungebremste Recht hat, seine Wahrnehmung jederzeit zu äußern wodurch andersherum der Grad der Seltsamkeit dieser Maßnahmen enorm absinkt. Denn wie auch immer die Irritationen verlaufen, wenn Wahrnehmungsdifferenzen als unvereinbar kommuniziert werden: entweder bin ich der Dumme oder der andere, eine von beiden Möglichkeiten muss immer stimmen. Anders geht es nicht und deshalb geht es so weiter.
„Der freie Atem nimmt mit dem Einatmen Positionen ein, die er mit dem Ausatmen wieder räumt.“ P.S.
Ich möchte mich höflichst für Markus A. entschuldigen, daß er versehentlich zum „Gebet“ gepostet hat. Er hat offenbar angenommen, bei Kusanowsky ist es egal, in welches blog er seine Meinung gerade mal schmeißt. Dumm ist nur, daß Kusanowsky das nicht merkt, das so als richtig ansieht, indem er auf den Lapsus nicht und umsomehr auf das vom Markus hingeworfene eingeht.
Dabei hatte doch Kusanowsky mit seinem Artikel zum „Gebet“ so prächtig vorgelegt.
Dann kommt da noch das Ding von der Leuchte Nee on mit dem Atem, der Binsenweisheit als dollen Spruch präsentiert um sich und seine hohe Vergeistigung in Erinnerung zu rufen und doch nur laue Luft rauslassen mußte.
Schade um die Übernahme des Gebetes, das hat es echt in und um sich, da ringt jemand, nur wo(a)rum ringt da einer?
„entweder bin ich der Dumme oder der andere, eine von beiden Möglichkeiten muss immer stimmen“
Hier von einem Entweder/Oder auszugehen ist eine unstatthaft euphemistische Selbsttäuschung. Du bist der Dumme. Immer!
Warum beharrt Ihr eigentlich immer noch darauf, dass es Euch gibt? Das ist völlig abstrus, um es mal mit Karl-Theodor zu Guttenberg zu sagen. Das Nicht-triviale daran ist, warum es trivial ist. Wie wolltet Ihr Ihr sein, ohne zu vermeiden, jemand ganz anderes zu sein? Die Antwort darauf ist übrigens auch trivial.
„Es muss bis zur vollständigen Ohnmacht gehen, ohne welche Besinnung (Metanoia) nicht zustande kommen kann.“
Ich würde sogar sagen: Es muss bis zur vollständigen Besinnung gehen, ohne die diese Ohnmacht nicht zustande kommen kann.
😀
Ein gutes Argument, dass von der anderen Seite kommt. Möglicherweise hast du diesen Kommentar von Joriangel Meridiola verpasst. Dabei ging es darum, dass Paranoik – analog zum Begriff des absoluten Wissens bei Hegel – eine absolute Kritik (vollständige Besinnung) wäre.
Übrigens gibt es für eine paranoische Beobachtungsgabe, die natürlich an der Grenze zur Pathologie operieren muss, das Beispiel von Sherlock Holmes, dem immer wieder Hellsichtigkeit oder übersinnliche Fähigkeiten attestiert wurden. Er hatte eine hypersensible Wahrnehmung, wenn auch unterstützt durch Kokain. Wenn es sich auch nur um eine Romanfigur handeln mag, so ist es immerhin interessant, dass dies im späten 19. Jahrhundert erzählbar wurde, was nicht zufällig gleichzeitig mit der Traumdeutung von Sigmund Freud geschah. Beides waren Reflexe auf das Phänomen des Beobachtwerdens wie es durch den eingeübten Gebrauch von Massenmedien möglich wurde. Und seit wir Internet benutzen, können wir lernen, dass wir auch nur Romanfiguren sind. Weshalb eine Paranoik gar nicht so weit entfernt ist vom aktuellen Stand der Möglichkeiten.
oder, wenn das so mit dir weiter geht, viel zu weit entfernt …
Amen. Ich bin daran gewöhnt, dass man mich nicht versteht. Du wahrscheinlich auch, wenn auch aus anderen Gründen. Du bevorzugst eben die substraktive Synthese, ich die additive.
Vielleicht tröstet Dich oder mich die Tatsache, dass die Wege zu Allem in Form einer Kugel, eines Torus‘ oder eines Möbius’schen Bandes abgebildet werden können.
Paranoik könnte auch eine Persönlichkeitsstörung 2.0 sein, deren Ursache in einer durch Technologie stark beeinflussten Umwelt und veränderten Sozialverhältnissen zu suchen ist; oder eben auch ganz woanders: Du wunderst Dich ja oft darüber, wie hartnäckig an der Fortführung der Kritik festgehalten wird, obwohl es klar auf der Hand liegt, wie sinnlos das ist. Hm. Verrückt, nicht wahr?
„Paranoik könnte auch eine Persönlichkeitsstörung 2.0 sein“
Du verstehst es noch nicht. In dieser Hinsicht bleibe ich nämlich kritisch. Wäre eine Paranoik zur Herausbildung einer Persönlichkeitsstörung auf nächster Ebene geeignet, dann bräuchten wir sie nicht. Denn unsere alltägliche Psychopathologie ist von der kritischen Fähigkeit überzogen, welche schon lange dazu geführt hat, dass man mit den Mitteln der eigenen Verstandesfähigkeit Strategien entwickeln muss, um mit dem ganzen Schwachsinn zurecht kommen, der aus dieser Art von Vernunft resultiert. Wir können unsere Vernunft nur noch dazu einsetzen um mit ihrem Scheitern zurecht zu kommen. Was in erster Linie daher kommt, dass alle Menschen in unserer Nachbarschaft vernünftig geworden sind – Beweis dafür ist das alltäglich von allen ausgeübte Recht, jeden anderen aufgrund einfachster Vorfälle einen Dummkopf zu schelten. Die Frage einer jeden alltagspathologischen Verfahrensweise lautet: fällt mir etwas auf, das ich nicht erklären kann, so muss ich jemanden finden, den ich einen Dummkopf nennen darf um all das aushalten zu können, was ich anders nicht verstehen kann. Oder andersherum betrachtet: das Ausmaß der alltäglichen Gewissheiten hinsichtlich jeder noch so merkwürdigen und seltsamen Situation hat alles kritische Vorstellungvermögen überwuchert.
Eine Paranoik wäre damit eine Entlastung, indem ich anfange mich weder mit den Dummheit der anderen noch mit meiner eigenen abzufinden. Der Weg wäre aber nicht, noch klüger zu werden, weil ich unmöglich klüger sein oder werden kann als alle anderen, was für alle anderen auch gilt. Stattdessen könnte man versuchen, statt nach klugen Meinungen oder Erklärungen zu suchen, eine Liste der alltäglichen Seltsamkeiten zu verlängern.
„Du wunderst Dich ja oft darüber, wie hartnäckig an der Fortführung der Kritik festgehalten wird“ – Und wie! Mich beeindruckt diese Inbrunst, mit der sich im Internet die Leute gegenseitig kritisieren. Ich könnte diese Inbrunst noch verstehen, wenn es sich für irgendetwas lohnen würde und sei es nur ein auf dem Mars vergrabenes echtes Gummibärchen, das man als Trophäe bekommt, wenn man die kritische Konkurrenz aussticht. Aber das geschieht einfach nicht.
Verrückt? Nein, ich glaube, das ist nicht mehr verrückt. Auch diese Grenze ist längst schon überschritten. Das ist nicht verrückt, sondern seltsam, wobei ich seltsam finde, dass ich kaum jemanden finde, der das seltsam finden kann, aber ganz viele, die das für verrückt halten.
„Du wunderst Dich ja oft darüber, wie hartnäckig an der Fortführung der Kritik festgehalten wird“ – Und wie! Mich beeindruckt diese Inbrunst, mit der sich im Internet die Leute gegenseitig kritisieren. Ich könnte diese Inbrunst noch verstehen, wenn es sich für irgendetwas lohnen würde“
ja, ich auch, und das, obwohl hier auch nichts anderes stattfindet, als das ein Unverständnis versucht, das andere zu finden, man könnte ja auch sagen: zu jagen, oder: zu kritisieren?
Warum treffen wir uns sonst hier, der eine wie der andere, wenn nicht um zu kriteln …