Nicht nur die Kommunikation der Schule kommuniziert … #systemtheorie
von Kusanowsky
Nicht nur die Kommunikation der Schule kommuniziert, sondern auch die Kommunikation des Internets.
Auf diese Überlegung kann man kommen, wenn man den Artikel von Jörg Räwel bei Telepolis vom 12.06. 2012 liest. Die Überschrift lautet Kommunikation kommuniziert; und es ist einigermaßen beeindruckend , dass ein tüchtiger Soziologe die ganze systemtheoretische Schule samt ihrer eigenwilligen Konstrukte aufbringen und standardisiert formalisieren muss, um etwas wenig erhellendes über Piratenpartei, Grundeinkommen und Urheberrecht zu argumentieren. Beeindruckend ist das deshalb, weil dadurch nicht einmal etwas erhellendes über die Systemtheorie herauskommt, weil man das alles mit wenig Aufwand in allen Einführungen zur Systemtheorie nachlesen kann, ohne sich jemals mit den Schriften von Luhmann beschäftigt zu haben. Ergebnis dieses Telepolis-Artikels: nichts und wieder nichts. Denn: wird die Systemtheorie vom Leser abgelehnt, ändert dieser Artikel nichts daran, wird sie vom Leser akzeptiert, dann liefert er nichts weiterführendes.
Dieser Artikel ist damit das Dokument einer kommunikativen Endlosschleife, welche der Theorie sehr viel mehr Schaden zufügt als jeder Versuch, ihre Ablehnung zu begründen. Die Theorie kommt aufgrund ihrer Schulbildung, aufgrund der Bedingungen ihres Zustandekommens, an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.
Das hängt damit zusammen, dass die Theorie einen Anspruch auf Universalismus erhebt, nämlich den, Gesellschaft in allen sozialen Sachverhalten zu beschreiben, und sich dennoch der Notwendigkeit unterwerfen muss, da sie auch als Gegenstand ihrer selbst aufgefasst werden kann, ihren Geltungsbereich nur durch Spezifität zu legitimieren. Der Universalismus ist ihre Spezifität. Dagegen gibt es keine überzeugenden Einwände, mit Ausnahme der Einwände, die die Theorie auf diese Weise gegen sich selbst erhebt.
Es könnte ein Ausweg gefunden werden, wenn man berücksichtigt, dass nicht nur die Kommunikation der systemtheoretischen Schule kommuniziert, dass nur Kommunikation kommuniziert, sondern, dass auch die Internetkommunikation kommunizieren kann, dass Kommunikation kommuniziert. Diesen Vorschlag könnte die Schule jedoch nur kommunizieren, wenn sie die Bedingungen unberücksichtigt lässt, durch die sie als Schule zustande kommt. Diese Bedingung wäre nämlich die Leugnung dieses Sachverhalts. Würde sie aber in Rechnung gestellt, dann müsste auch noch etwas anderes kommunzieren können.
Klug daraus werden könnte ein System vielleicht nur, wenn es Internetkommunkation nach dem Beobachtungsschema von System und Umwelt analysiert und dabei gleichzeitig die schuleigenen Differenzen der Internetkommunikation entzieht oder sie der Internetkommunikaiton gar nicht weiter zur Verfügung stellt. Es müsste dann auf Schulfestlegungen seiner Selbstauskunft nach verzichten, und sich darauf einstellen, sich selbst durch die Internetkommunikation als Umwelt beschreiben zu lassen. Allerdings wäre das ein Täuschungsmanöver, das für Schul-Anhänger nicht in Frage kommt, weil so etwas gemäß der Garantie- und Vermeidungssstrukturen und der darin eingelassenen Konditionalprogrammierungen der Wissenschaft nicht belohnungsfähig ist. Der Grund ist, dass die Schule ein solches Forschungsprogramm nicht nur nicht als ein ihr zugehöriges identifizieren kann, sondern auch nicht als wissenschaftlich.
Schade, weil die Systemtheorie eigentlich zulassen müsste, dass sie auch als unwissenschaftliche Theorie relevant sein könnte, sind doch der größte Teil aller sozialen Operationen keine wissenschaftlichen Operationen. So formuliert: dass ihre Wissenschaftlichkeit abhängig wäre von ihrer Unwissenschaftlichkeit. Aber das müsste kommunizierbar gemacht werden.
Doch das geht nicht. Daher diese Endlosschleifen.
Siehe dazu auch:
Löschen erzeugt Daten? Zur Dämonie von Google Street View
@Kusanowsky – herrlich, wie mir das aus dem Herzen und der Leseseele gesprochen ist: ich war beim Lesen des inkriminierten Artikels nur viel zu faul (Und als Mitglied der Luhmannliste zu enttäuscht), um zu dieser luftheissen Endlosschleife auch nur drei ausgesuchte Worte hätte sagen zu wollen. Das aber war gut so, denn so gut hätte ich das gar nicht sagen können, weil ich dann viel massierter auf die durch Kommunikation erzeugte Luhmannelite geschimpft hätte.
„weil ich dann viel massierter auf die durch Kommunikation erzeugte Luhmannelite geschimpft hätte“
treffend formuliert, weil ja auch eine Mailingliste durch Internetkommunikation kommuniziert wird und nicht durch eine Kommunikation der Schule. Aus diesem Grunde kann es eben nicht allein die Angelegenheit einer Kommunikation der Schule sein, die kommuniziert, dass nur Kommunikation kommuniziert, denn Kommunikation erzeugt ja auch Internetkommunikation, die kommuniziert, dass nur Kommunikation kommuniziert. Praktisch heißt das: die so verstandene Kommunikationstheorie muss auch als nicht-wissenschaftliche Kommunikation relevant sein können, damit sie als wissenschaftliche Theorie relevant bleibt. Aber was macht die Kommunikation der Schule? Sie unterbricht die Interdependenz zwischen Wissenschaftlichkeit und Nichtwissenschaftlichkeit und erklärt nun diese Interdependenzunterbrechung gemäß ihres Beobachtungsschemas. Die Internetkommunikation macht aber nun darauf aufmerksam, dass auch diese Interdepedenzunterbrechung unterbrochen werden kann durch (Wieder-)Herstellung von Interdependenz. Diese Wiederherstellung könnte man dann auch erklären, aber dazu müsste die Kommunikation die Interdependenz herstellen was allerdings nicht so leicht geht, weil niemand für diese Mühe belohnt wird. Es könnte ja sein, dass dies zwar ginge, aber nicht eindeutig wissenschaftlich wäre. Also wird das schon apriori aussortiert, aufgrund der Kontingenz der Wissenschaftlichkeit eines unwissenschaftlichen Arbeitsprogramms.
Schade eigentlich. Der alte Lessing hatte mal notiert, dass es darauf ankäme, das Gute auch dann zu tun, wenn man dafür nicht belohnt wird. Weisheiten dieser Art können Wissenschaftler wohl nur deshalb zitieren, weil und solange sie dafür belohnt werden.
„Tatsächlich scheint die noch nicht wirklich etablierte Piratenpartei zumindest in der Außendarstellung noch an den Traditionen und Mentalitäten archaischer Stammesgesellschaften orientiert zu sein, weniger an der Form moderner (Parteien-)Organisation … “
Jörg Räwel kennt die Formen moderner Parteiorganisation so genau, daß seine theoretischen Vorannahmen anscheindend exakt wiedergeben, was der Fall ist: 1. die moderne Form der Parteiorganisation ist von der Systemtheorie beschrieben – 2. die Piratenpartei passt nicht in diese moderne Beschreibung – 3. ergo: die Piratenpartei scheint weniger an der Form moderner Organisation orientiert zu sein. Daß die Systemtheorie nicht an den Beschreibungen angepaßt sein könnte wie sie durch das Internet zu stande kommen, steht außerhalb. Ist nicht evident. Die Formen des Internets, die Formen anders beschreibbarer Organisationen sind unmodern. Die Systemtheorie ist es nicht. Das heißt: es gibt einen modernen Aufklärer, der Bescheid weiß.
Wo bitte kann ich mich als unmodern registrieren lassen?
[…] Ersatz besteht jedoch nicht in der Umdeklarierung eines Wissenschaftsprogramms, so sehr eine Luhmann-Scholastik auch auf das Gegenteil beharren will, bzw. muss. Diese Art der Soziologie bleibt angewiesen auf […]